urteilen, waren die Liberalen aller Schattierungen das derworfenite Gesindel auf Gottes Erdboden. Nachdem aber die Konservativen jetzt das ersehnte Ziel nicht erreicht haben, sondern an dritter Stelle blieben, spielen sie sich jetzt als die ausgleichende Gerechtigkeit auf, die Guten zu belohnen und die Bösen zu strafen. Obgleich die Konservativen nichts zu melden haben, da die Liberalen mit ihren 483 Wahlmännern ganz allein mit den 417 der Sozialdemokratie fertig werden, tun sie so, als ob sie jetzt das Vaterland retten müßten. Großspurig der- künden sie, daß kein konservativer Wahlmann in der Stich- Wahl einen Sozialdemokraten wählen würde. Das sei schon Ehren- fache. Aber was die Liberalen anbetreffe, so könnten sie diesen auch nicht gleichmäßig ihre Gunst erweisen. Deshalb sind die konservativen Wahlmänner angewiesen, zum Zeichen der Sympathie für die Nationalliberalen in der Stichwahl dem Kandidaten desselben Dr. Hintzmann die kon- servativen Stimmen zu schenken, damit er nicht nur gewählt werde, sondern mit Glanz über die rote Rotte siege. Aber anders der- halte es sich mit dem zweiten Liberalen, dem Freisinnigen Ga ntert. »Aus nationalen und aus Gründen der Selb st- a ch t u n g" könne man dessen Wahl nicht empfehlen, denn die verruchte Fortschrittspartei hätte eine»Parole gegen die schwarz- blauen Kandidaten herausgegeben' und»danach für die Sozial demokraten zu stimmen gehabt.' Diese Schmach muß gesühnt werden, deshalb»keine Stimme dem Freisinnigen I' Dieses konservative Getue hat etwas sehr Komisches an sich. Die beiden Liberalen werden mit oder ohne die konservativen Stim men gewählt, nur daß der nationalliberale Bruder noch die kon- servativen Stimmen als Belohnung für Wohlverhalten bekommt und der Freisinnige eben diese für einen Liberalen sehr problematischen Stimmen entbehren muß. Ilebrigens beteiligt sich unsere Partei in Elberfeld -Barmen nur an der Abgeordnetenwahl, um den Beschlüssen des preußischen Parteitages und der Landeskommission nachzukommen. Um so grotesker wirkt also dieser politische Ulk der Konservativen. Ein Opfer der fortschrittliche» Landtagswahltaktik. Der bisherige fortschrittliche Landtagsabgeordnete für Ober- und Niederbarnim Dr. S ch e p p hat unter Hinweis auf die letzten Parteivorgänge in dem Wahl' kreise seinen Austritt aus dem fortschrittlichen Wahlverein für Niederbarnim erklärt. Unter den„letzten Vorgängen im Wahlkreise" sind natürlich nur die Verhandlungen über die Haltung der fortschrittlichen Wahlmänner bei der Abgeordneten- wähl zu verstehen. Tie direkten und indirekten Steuern in den Grohstaaten. Zur Verteidigung der Wehrsteuervorlage hat der Reichsschatz- sekretär den Mitgliedern der Budgetkommission eine 230 Seiten starke Druckschrift zugehen lasten, die Angaben über die steuer lichen Verhältnisse in Deutschland , Frankreich , England und Oesterreich enthält. Natürlich soll mit diesem Material gezeigt werden, daß wir eigentlich in Deutschland in steuerlicher Be ziehung noch am besten daran sind, daß Frankreich . Oester- reich und England viel mehr und rigorosere Steuern er- heben als die deutsche Reichsregierung. Bei auch nur flüchtiger Durchsicht der Zusammenstellungen ergibt sich aber, daß ein solcher Beweis mit allen Mitteln der künstlichen Gruppierung nicht zu erbringen ist. Um nur eins herauszugreifen, werden in Deutsch land an direkten Steuern erhoben öO,7 Proz.; daran sind aber nun natürlich eingerechnet alle die direkten Steuern, die in den Bundes st aaten und für Rechnung der Bundesstaaten zur Er- Hebung gelangen. An eigentlicher direkter Rsichssteuer kommt nur die Erbschaftssteuer mit 1,S2 Proz. in Frage. Frankreich erhebt schon an Erbschaftssteuer 7.82 Proz. und in Oesterreich entfallen auf die Erbschaftssteuer 4,44 Proz. Weiin in beiden Staaten die direkten Steuern niedriger angegeben sind, in Frankreich mit 28,15 Proz. und in Oesterreich mit 27,44 Proz., so liegt das eben daran, daß dort nicht 25 Bundesstaaten mit verschiedenen Steuersätzen und Steuer erträgnissen vorhanden sind, die dann als Gesamtsteuereinnehmer erscheinen. Ganz auffällig sticht England mit seinen steuer- lichen Verhältnissen gegen Deutschland ab. ES hat eine Erbschafts- steuer, die 10,83 Proz., direkte Steuern, die 55,88 Proz. aller Steuereinnahmen ausmachen, so daß ein Gesamtantcil von 66,87 Proz. direkter Steuern nur wenig über 80 Proz. indirekter Steuern gegen- überstehen, während Deutschland selbst nach der Aufstellung des Schatzsekretärs rund 50 Proz. seiner Einnahmen aus indirekten Steuern zieht. Würde man nur die Reichseinnahmen rechnen, dann kämen in Deutschland fast 98 Proz. aller Einnahmen auf die indirekten Steuern.— Man könnte nur zufrieden sein, wenn sich die Reichs- regierung das englische Steuersystem aneignen wollte. Wenn mau sich beschwert... Wir berichteten vor einigen Wochen von dem Streich des Lehrer- seminarS in Drosten, das eine von unseren dortigen Genossen ver- anstaltete Versammlung unter freiem Himmel durch lärmende Gegen- demonstrationen zu sprengen suchte. Der Referent der Versammlung hatte damals gegen den Seminardirektor, der den Aufzug seiner Seminaristen kommandierte, Beschwerde beim Provinzial- schulkollegium eingereicht. Eine Antwort ist bis heute nicht erfolgt. Außerdem aber hatte sich der Referent unter Angabe von Zeugen auch noch über die aufsichtführenden Gendarmen beschwert, weil diese nach Beobachtungen der Versammlungsteilnehmer das Treiben der Seminaristen begünstigt hatten. Darauf erhielt er dieser Tage eine Ant- wort, die charakteristisch genug ist, um der Oeffentlichkeit übergeben zu werden. Die �olizeiverwaltung Drosten. den 28. Mai 1813. Ihre Beschwerde gegen die die sozialdemokratische Versamm- lung am 4. Mai cr. überwacht habenden(I) Polizeiorgane haben wir an die königliche Staatsanwaltschaft zu Frankfurt a. O. zum zuständigen Befinden abgegeben, da der zur Sache gehörte Gendarmeriewachtmeister Hacke berichtet hat, daß Sie mit Ihrer Beschwerde eine falsche Anzeige erstattet haben. Unterschrift (unleserlich) An Herrn Schriftsteller Erich Kuttner zu Berlin-Halensee . Die Ausdrucksweise des Schreibens nötigt zu dem Schluß, daß die von dem Beschwerdeführer benannten Zivilzeugen erst gar nicht vernommen worden sin dl Der angeschuldigte Gendarm bestreitet, und da» Leugnen einer Person, die durch ein Zugeständnis sich selber schwer kompromittieren würde, soll nun ge- nügen, um dem Beschwerdeführer einen Strick zu drehen I Doch wir leben in einem»Rechtsstaat'._ Scharfmacher an der Arbeit. Am Sonnabend und Sonntag hielt der Verband Süd- »v-st deutscher Industrieller seine fünfte General- Versammlung ab. Der VerbandssyndikuS Dr. Mieck- Mannheim referierte über die Notwendigkeit, die Arbeitswilligen zu schützen. Das Recht auf Arbeit gelte auch für den Arbeitswilligen. Die Elreikausschreitungen hätten in Südweftdeutschland in den letzten Zahren zugenommen, weshalb der Verband sich genötigt gesehen 0»?� eine Enquete zu veranstalten und da« Material dem Reichskanzler bei der notwendigen Schaffung neuer Gesetze zum Schutze der Arbeitswilligen zur Benutzung zuzu- senden. Unter dem Beifall seiner Brotgeber verlangte Dr. Mieck, daß die badische Regierung schon jetzt im Rahmen der bestehenden Gesetze für einen besseren Schutz der Arbeitswilligen sorgen möge. Zum Schutze der Arbeitgeber habe man eine Entschädigungsgesellschaft gegen Streikschäden gegründet, die ihre Tätigkeit demnächst aufnehmen und sich der Vereinigung deutscher Arbeitgeberverbände anschließen werde. Schon das Vor- handensein einer solchen Gesellschaft werde manchen Streik verhindern, anderenfalls werde dadurch kleineren Fabrikanten das Durchhalten von Ausständen ermöglicht. Ueber das Taylorsystem referierte Professor A. Wallichs von der Technischen Hochschule in Aachen . Durch Lichtbilder versuchte der Herr Professor den interessierten Unternehmern die Vorteile des Systems klar zu machen und wie durch Ersparnng von Handgriffen der Unternehmergewinn um das Mehrfache gesteigert werden könne, ohne daß die Arbeitskraft der Arbeiter allzufrüh verbraucht werde. Ein Arbeitermangel würde danach nicht entstehen. Diese optimistische Auffassung von der leichten Einführbarkeit dieses raffinierten Aus- bcutungssystems fand selbst bei den Unternehmern einigen Wider- spruch. Der Fabrikant S t o e ß- Heidelberg bemerkte, daß er in Amerika etwa 70 Fabriken, in denen nach dieser Methode gearbeitet werde, besichtigt habe. Er halte nicht allzuviel davon. Namentlich müsse man berücksichtigen, daß die deutschen Arbeiter sich— und zwar nicht ganz mit Unrecht— gegen seine Einführung auflehnen würden. Die Einführung könne nur ganz langsam erfolgen. Der Tagung wohnte u. a. auch der Minister des Innern v. Bodman bei._ Tic badischen Landtagswahlen. Wir lesen im Karlsruher »Volksfreund': Zwischen den V e r- tretern der drei Linksparteien fand gestern in Karls- ruhe eine abschließende Verhandlung über die bei den bevorstehenden Landtagswahlen zu befolgende Taktik statt. Es ist sicher zu erwarten, daß die in Betracht kommenden Organisationen den Grundlagen des Abkommens ihre Zustimmung geben werden. Eine Landtagsersatzwahl im Elsaß . Für die Zweite Kammer fand am Sonntag, den 1. Juni, im unterelsässischen Kanton Brumath eine Ersatzwahl statt. Der Kreis ist ein vorwiegend ländlicher Wahlkreis, in welchem das Zentrum im Oktober 1911 bei den Hauptwahlen am ersten Wahlsonntag 2727 Stimmen erhalten hatte gegen 1817 für den fortschrittlichen und 1090 für den sozialdemokrattschen Kandidaten. Bei der Nachwahl am Sonn tag darauf siegte dann der Zentrumskandidat, ein Landbürger meister namens Fischer, mit 3096 Stimmen gegen 3055 für den Fortschrittskandidaten, zu dessen Gunsten die sozialdemokratische Kandi datur zurückgezogen worden war. Die Ersatzwahl am letzten Sonntag war erforderlich geworden durch den Tod des Zentrumsabgeordneten Fischer. Sie endigte wiederum unentschieden: der Zentrumskandidat Dr. D i d i o, Gefängnisgeistlicher in Straßburg und nebenbei Korrespondent der»Kölnischen VolkSzeitung', erhielt 2853 Stimmen, der Fortschrittskandidat Dr. Bostetter 2225 und der Sozial demokrat Schott 833. Der Rückgang der sozialdemokratischen Stimmen um 252 erklärt sich daraus, daß diese Wähler bei der Konstellation der Parteiverhältniste in Elsaß-Lothringen , und da der Wahlkampf im Kreise von unseren Genossen gleich für die erste Wahl vielleicht zu Unrecht etwas einseitig gegen das Zentrum geführt wurde, ihre Stimme schon bei dieser� ersten Wahl dem Fortschrittskandidaten als dem aussichtsreichsten Kandidaten der Linken zuführten, der 408 Stimmen mehr erhielt als der liberale Kandidat von 1911. Für die Nachwahl am nächsten Sonntag wird die sozialdemokratische Kandidatur wiederum zugunsten der fort- schrittlichen zurückgezogen. ES ist dann möglich, daß das Zentrum das Mandat verliert, da der Vorsprung der Linken(Fortschrittler und Sozialdemokraten) jetzt 210 beträgt(gegen 130 im Jahre 1911) und das Zentrum diesmal mehr als im Jahre 1911 schon für den ersten Wahltag mit äußerster Kraftanstrengung gekämpft hat. Ein fortschrittlich-sozialdemokratischer Gemeinde- Wahlsieg wurde am letzten Sonntag in der lothringischen Stadtgemeinde Saargemünd erzielt. ES wurden— bei einer Gemeinderatsersatzwahl— fünf fortschrittliche Kandidaten und ein Sozialdemokrat auf gemeinschaftlicher Kandidatenliste(für diesen zweiten Wahlgang) mit 359—1144 Stimmen gewählt, während von der Zentrums- kandidatenlistc nur e i n Kandidat mit 873 Stimmen siegte— zum Gaudium der Oeffentlichkeit der einzige Israelit, den die Zentrums- liste aufwies. Ihm gegenüber unterlag ein weiterer fortschrittlich- sozialdemokratischer Vertragskandidat, ein Parteigenosse, mit 863 Stimmen.___ JSacb dem kalkankriege. Demissiousabsichten des Ministeriums Geschow. Wien , 3. Juni. Das Wiener k. k. Telegraphen-Korresp.' Bureau meldet aus Sofia : Von kompetenter Stelle ver lautet, das Kabinett habe schon vorigen Sonnabend aus kon- stitutionellen Gründen angesichts der Haltung Serbiens seine Demission überreicht. Die Krise soll jedoch erst nach Rück- kehr Danews, welche für Donnerstag erwartet wird, aktuell werden. Man hält eine Rekonstruktion des Kabinetts für wahrscheinlich. Das Ergebnis der Besprechung von Zaribrod . Belgrad , 2. Juni. Die Nachricht über Erzielung eines Einvernehmens zwischen P a s ch i t s ch und Geschow be- treffend die gemeinsame Beratung der Verbündeten über die territorialen Fragen hat in den politischen Kreisen den günstigsten Eindruck hervorgerufen, da man darin eine wesent- lichc Verstärkung der Hoffnung auf eine friedliche Beilegung der schwebenden Konflikte erblickt. Paschitsch ist nachmittags aus Zaribrod zurückgekehrt. Wie verlautet, wird die Zusammen- kunft der vier Ministerpräsidenten in Saloniki oder Belgrad erfolgen._ Oeftemid). Eine Interpellation zur SpionageaffSre Redl. Wien , 3. Juni. Im- Abgeordnetenhause haben die Christlich-Sozialcn eine Interpellation über den Fall Redl eingebracht, in der sie darüber Klage führen, daß man, anstatt Redl vor das Militärgericht zu stellen und der gerechten Strafe zuzuführen, ihm das Ver- brechen des Selbstmords nahegelegt und die Oeffentlichkeit durch unwahre Meldungen über seinen Selbstmord irregeführt habe. Dieses Mittel sei nicht geeignet, die Standesehre der Offiziere zu schützen und die Aufregung in der Bevölkerung zu beruhigen. In der Interpellation wird verlangt, daß der volle Sachverhalt dem Abgeordnetenhause mitgeteilt werde. franhmeb. Das Gesetz über die dreijährige Dienstzeit vor der Kammer. Paris , 2. I u n i. Der Berichterstatter L e H e r i s s v erörterte die Gründe, aus denen der HeereZauSschnß den Gesetzentwurf für nötig für die Sicherheit des Landes halte. Er sagte, das Gesetz über die zweijährige Dienstzeit könne nicht mehr als 540 000 Mann er- geben, und erinnerte daran, daß die Effektivstärke in Deutschland vom Oktober ab 363 000 Mann betragen werde. Während der kri- tischen Zeit der Mobilmachung würde ein Franzose gegen zwei Deutsche zu kämpfen haben, deren 200 000 zwischen Rhein und Vogesen 100 000 Franzosen gegenübertreten würden.(Bewegung.) Die Kom- Mission habe alle anderen Lösungen außer der dreijährigen Dienst- zeit verwerfen müssen, besonders wegen der Notwendigkeit, die Deckungstruppen zu verstärken. Garnisonen aus dem Innern heranzuziehen, würde den Mechanismus der Mobilmachung stören und den Verwaltungsdienst in Unordnung bringen. Der Bericht- erstatter betonte die Schwäche des Heeres, die in dem Augenblicke der Entlassung der alten Leute infolge der geringen Anzahl von Kapitulanten eintrete. Die Kommission habe deshalb schweren Herzens die 157 000 neuen Soldaten, die nun einmal nötig seien, bewilligen müssen. Dieser brutalen Tatsache können wir uns nicht ver- schließen; wir müssen den Generälen die Mannschaften geben, die sie verlangen.(Widerspruch auf der äußersten Linken, lebhafter Bei-- fall im Zentrum und auf verschiedenen anderen Bänken.) Der deutsche Reichskanzler hat gesagt: Ich muß von Ihnen diese Verstärkungen verlangen, denn wenn wir morgen Krieg führen müssen, so wollen wir siegen. Ich antworte ihm mit denselben Worten.(Beifall im Zentrum und auf verschiedenen anderen Bänken.) In dieser Frage verschwindet die Parteipolitik, nur da? Interesse der Nation bleibt; dies Gesetz kann nicht das Werk einer Partei sein, denn es geht nur das Vaterland an, deffen Sicher- heit und Größe verteidigt werden muß.(Lehafter Beifall im Zentrum und auf verschiedenen anderen Bänken.) Felix C h a u« t e m p s(Radikaler) sagte, die dreijährige Dienstzeit würde die wirtschaftlichen Interessen des Landes zerrütten. Die jungen Franzosen seien zu heroischen Opfern bereit, aber das Leben in der Kaserne widerstehe ihnen.(Beifall auf der äußersten Linken, Lärm im Zentrum und auf der Rechten.) Das Ausland sehe in dem Gesetzentwurf eine Herausforderung. (Zwischenrufe.) Redner warf den Generälen vor, daß sie bei ihren Beschlüffen an ihr persönliches Interesse dächten. (Widerspruch.) Präsident D e S ch'a n e l: Unsere Offiziere denken wie wir alle nur an das Jntereffe des Vaterlandes. Chautemps: Ja gewiß! Aber sie urteilen alle von einem ganz besonderen Gesichts- punkte auS. Der Redner meinte weiter, man dürfe die Tragweite der deutschen Maßnahmen für Frankreich nicht überschätzen, denn Deutschland hätte auch gegen den PanslawismuS Front zu machen. Außerdem wäre die Lage Oesterreich-UngarnS und Italiens nicht be- ruhigend für Deutschland . Pugliesi-Conti(Rechte) rief dazwischen: Der Redner plädiert wie ein deutscher Kriegsminister 1 und erhielt einen Ordnungsruf. Chautemps antwortete, eS sei nicht unpatriotisch, zu sagen, daß die deutschen Rüstungen sich nicht gegen Frankreich richteten. Das deutsche Volk sei ebenso friedlich wie das französische, der Kaiser selbst widerstehe den Alldeutschen, man brauche keinen plötzlichen Angriff von Deutschland zu befürchten. Major Drüant ruft dazwischen: Messimh hat in der Kommission gesagt: Am dritten Mobilmachungstage könnten 850 000 Deutsche in Frankreich eindringen.(Bewegung.) Chautemps polemisierte lebhaft mit Benazet und Andrö Lefsvre und erklärte, die Anwerbungen seit einigen Monaten würden auch ohne den dritten Jahrgang eine genügende Effektivstärke ergeben. Chautemps griff weiter die Kolonialpolitik wegen der in Marokko festgelegten 60 000 Mann, die viel zweckmäßiger an der Ostgrenze stünden, heftig an, wurde aber vom KriegSminijter Etienne unterbrochen, welcher auf die zivilisatorische Aufgabe der Truppen in Marokko hinwies.(Beifall.) Als Chautemps von der früheren Sorglosigkeit in der Kriegsverwaltung sprach, erhob sich General Pau, Kommissar des Kriegsministers, um den Saal zu verlassen.(Leb- hafte Bewegung, zahlreiche Deputierte hielten den General zurück. der sich endlich entschloß, zu bleiben.(Lebhafter Beifall.) Der Kriegsminister, von langanhaltendem Beifall des Zentrums und der Rechten empfangen, lobte seine Offiziere unter andauernder starker Bewegung. Auf weitere Kritiken von Chautemps wollte General Pau wieder hinausgehen, blieb aber auf lebhaftes Drängen seiner Umgebung. Chautemps beendigte seine Rede unter großem Tumult. Darauf wurde die Diskussion auf morgen vertagt. I a u r ö S(Sozialist) brachte eine Tagesordnung ein, welche unter Hinweis auf den Zwischenfall mit dem General Pau verlangt, daß die Regierungskommissare die Redefreiheit respektieren. Ministerpräsident B a r t h o u lehnte die Tagesordnung ab und ver- teidigte den General . Darauf zog Jaurös seine Tagesordnung zurück und die Sitzung wurde geschloffen. letzte]Hachrichteti« Die Landtagswahlen. Um 11 Uhr abends lag folgendes Ergebnis vor:'439 Ab- geordnete wurden definitiv gewählt. In zwei Wahlkreisen haben für 4 Abgeordnete Stichwahlen stattzufinden. Von den Gewählten sind 147 Konservative. 53 Freikonservative, 73 Nationalliberale. 37 Volkspartei, 193 Zentrum, 12 Polen , 2 Dänen, 10 Sozialdeniokraten, 1 Deutschsozialer und 1 Christlichsozialer. Bei 42 Mandaten hat eine Verschiebung in der Fraktionszugehörigkeit stattgefunden. Die Konser- vativen gewinnen 19, verlieren 15; die Freikonservativen ge- Winnen 2, verlieren 9; das Zentrum gewinnt 5 und verliert 5; die konservativen Wilden gewinnen 2 und verlieren 1; die Polen verlieren 2; die Nationalliberalen gewinnen 13 und verlieren 5; die Fortschrittliche Volkspartei gewinnt 6 und verliert 5; die Sozialdemokraten gewinnen 4 Sitze. Die Ge-- samtverschiebung reduziert sich wie folgt: Konservative minus 5. Freikonservative minus 7. Konservative(wild) plus 1, Nationalliberale plus 8, Fortschrittliche Volkspartei plus 1. Sozialdemokraten plus 4. Demission des Kabinetts Lukacz.' Budapest , 3. Juni. (W.T. B.) In der heutigen Konferenz der Regierungspartei teilte Ministerpräsident Lukacz mit, er werde dem Abgcordnetcnhause morgen die Demissian des Kabinetts an- zeigen, worauf das Haus bis zur Entschließung des Königs vertagt werden würde. Die Malissoren gegen die montenegrinische Oberherrschaft. Wien , 3. Juni. (W. T. B.) Die„Albanische Korrespondenz" meldet aus S k u t a r i, Vizeadmiral B u r n e y habe am 26. Mai mehrere Häuptlinge aus der großen Malissia empfangen, die Ma- lissorcn zum friedlichen Zusammenleben mit dem türkischen Be- völkerungstcile crmahnt und mitgeteilt, daß er ihre Denkschrift an die Kabinette der Großmächte weitergegeben habe. Häuptling G j o l u l i habe den Dank der Malissoren für die Befreiung Sku- tariS ausgesprochen und gebeten, die Mächte möchten auch die große Malissia von dem Joche Montenegros befreien. Die Malissorrn würden gegen jeden Versuch, einen Teil von ihnen an Montenegro auszuliefern, bis zum letzte« Blutstropfen kämpfen. Es sei schon jetzt notwendig, die Montenegriner von ihren Grenzen zu ent- fernen, um Konflikte zu verhüten. Unwetterkatastrophe in Spanien . Barcelona , 3. Mai. (W. T. B.) Infolge anhaltender Regen- güsse wurden durch Ueberschwemmungen im Battantale zahlreiche Häuser zerstört. Bielx Menschen sollen ertrunken sein.
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