ReichZkriegsschatz zuzuführen. Die Konservativen sprachen sich fürden volksparteilichen Antrag aus. Der sozialdemokratische Antragwurde gegen die Stimmen unserer Genossen abgelehnt, ebensoder Antrag Behrens gegen die Stimmen unserer Genossen und desAntragstellers, der volksparteiliche Antrag gegen die Volks-parteilichen und konservativen Stimmen; angenommen wurdeder Zentrumsantrag gegen die sozialdemokratischen und Volks-parteilichen Stimmen, sowie der Summe des NationalliberalenNoland-Lücke. Das Zentrum forderte weiter, das} das Gesez überden Wehrbeitrag durch kaiserliche Verordnung auch ruf die Schutz-gebiete ausgedehnt werden solle. In einzelne r Schutzgebietenwohnten reiche Leute, die sehr wohl zahlen könnten! so in Kiautschouein Dutzend ehemaliger chinesischer Vizekönige, in anderen Gebietenabgesetzte Sultane, die alle sehr reich seien. Mit groger Mehrheitwurde der Zentrumsantrag angenommen, gegen den StaatssekretärS o l f sich aussprach. Dannt ist die erste Lesung des Wehrbeitragsbeendet.In einer längeren GeschäftsordnungSdebaite verlangten unsereGenossen, dasi ein s i tz n n g S f r et e r Tag eingeschoben werde, umden Fraktionen Gelegenheit zur Aussprache zu geben. Die Sozial-demolratie behalte sich ihre Entscheidung über die weiteren geschäft-lichen Dispositionen vor. Gegen den sitzungsfreien Tag wandten sichdie bürgerlichen Parteien, am Dienstag soll das Erbrecht des Reichs aufdie Tagesordnung gesetzt werden. Die Konservativen wünschen vor derErledigung der zweiten Lesung des Wehrbeitrages die erste Lesung desBesitzsteuergesetzes, von dessen Gestaltung die des Wehrbeitrages abhängig sein wird. Unsere Genossen wiesen darauf hin, dag dieKommissionZmitglieder derart mit Sitzungen und Arbeit überlastetsind, daß unmöglich in diesem Tempo weitergearbeitet werden kann!vor allen, muß die SitzungSdauer sowohl in der Kommission wie imPlenum herabgemindert loerden. Die Kommission beschloß, Diens-tag in die Beratung des Erbrechtes des Reichs ein-zutreten.__Zentrum, Konservative und kaiserlicherStatthalter.In der reichsländischen Zentrumsprcsse mehren sich die Stim-men, die den Rücktritt des kaiserlichen Statthalters von Elsaß-Lothringen, Grafen von Wedel, verlangen. Zwar wird zugleichdem Staatssekretär Freiherru Zorn von Bulach, dem Schloß-Hauptmann der HohkönigSburg, der Marsch geblasen, doch ist inden Tönen ein merklicher Unterschied. Die in Straßburg aus demSchöße der Zentrumssraktion des Landtages gespeiste Gutakorre-spondenz betont ausdrücklich, daß nach dem Gesetze Graf Wedeldie verantwortliche Stelle in Elsaß-Lothringen ist und daß eS sichin erster Linie um ihn handeln müsse, wenn von Rücktritten dieRede ist. Auf konservativer Seite in Berlin wisse man ganz ge-nau, was von den Versicherungen zu halten ist, Graf Wedel werdebleiben. Dieserhalb sei auch neulich konservativerseits auS Berlingemeldet worden, Graf Wedels Stunde habe geschlagen, dagegenwerde Freiherr Zorn von Bulach im Amte bleiben, denn— für dengegentvärtigen Staatssekretär in Elsatz-Lothringen habe man imLager der preußischen Konservativen immer noch eine kleineSchwäche von der Zeit her, da Freiherr Zorn v. Bulach als elsäs-sischer Reichstagsabgeordneter der Hospitant der konservativenReichstagsfraktion war.Es geht also bei den Blauschtvarzen, die sich auch in dieserFrage eine rührende Treue bewahren, um den kaiserlichen Statt-Halter selbst, wie dies schon vor Beginn der diesjährigen reichs-ländischen Landtagsses�ion, in einer auch an dieser Stelle gewür-digten, auffällig pointierten NeujahrSbetrachtutig der»KölnischenVoltszeitung" über Dinge und Personen in Elsaß-Lothringen, mitaller Deutlichkeit gesagt worden war. Im„Vorwärts" wurde schondamals darauf hingewiesen, daß der tiefere Grund der Zentrums-feindschaft gegen den Statthalter Wilhelms II. in Elsaß-Lothringennicht die vorgeschützte mangelnde Rücksicht auf die Volksforderungcnund Volkswünsche im Lande. sei, sondern die fatale Tatsache, daßGraf von Wedel mit einer gewissen Konseguenz darauf ausgeht,das traditionell— hpiläufig mit gänzlich untauglichen Mitteln—versuchte Werk der monarchisch-germanisatorischen Eroberung in den1871 gewonnenen Provinzen, gestützt auf den ProtestantiS-m u s und erforderlichenfalls gegen das nationalistisch verseuchtereichsländische Zentrum, durchzuführen. Wenn das Zentrum jetztdie unglaubliche Dummheit der neuen Ausnahmegesetzvorschläge fürElsaß-Lothringen zum Anlaß nimmt, um den Rücktritt des Grafenvon Wedel zu fordern, so ist ihm entgegenzuhalten, daß das reichs-ländische Zentrum bis in seine nationalistische Verzweigungen hin-ein mit dem ehemaligen starken Manne Elsaß-LothringenS,dem Herrn Ernst Mathias von Kölker, trotz seiner brutalenGewaltpolitik persönlich ganz vortrefflich auskam, derart, daß manheute noch von Zeit zu Zeit selbst in Wetterles„Nouvelliste" weh-wütige Rückblicke auf jene Zeit vorfindet,— warum? Weil derpommersche Junker in seinem groben Klasseninstinkt über die na-tionalen Gegensätze hinweg den Weg gefunden hatte zu dem mitRecht sogenannten Notabclnregiment, zu der Hinter-treppenregierung der ob protestantischen oder katholischen, ob alt-deutsch-gouvernementalen oder französisch-nationalistischen Groß-bourgeoisie im Lande. Dieser Hintertreppenregicrung hat Grafvon Wedel, der sein eigener Minister ist, seit seinem Erscheinen imLande in der alten Form, und man kann wohl sagen, im wescnt-lichen ein Ende gemacht, während der nominelle StaatssekretärFreiherr Zorn von Bulach dazu gelegentlich immer noch genie dieHand bietet. Daher der Unterschied in der Behandlung der beidenseitens des Zentrums.Warum das reichsländische Zentrum im Augenblick wieder sofurchtbar aufgebracht ist gegen den Statthalter von Wedel, das istdas Scheitern der Gehaltszulagen für die Geist lichenin der Ersten Kammer, eine Ablehnung, die durch die Haltung derRegierung herbeigeführt wurde und die vom Zentrum auf denWillen des Statthalters zurückgeführt wird. Diese Zulagen warenvon der klerikalen Mehrheit der Zweiten Kammer in die RegierungS-Vorlage über Gewährung von Teuerungszulagen an Beamte undLehrer gegen die Stimmen der Sozialdemokratie und der Fort-schrittler und gegen den Widerspruch der Regierung aufgenommenworden,— ein Widerspruch, der sich auf das gänzliche Fehlen vonDeckungsvorschlägen für diese auf über 370 VW M. geschätzte JahreS-ausgäbe stützte. Ein sozialdemokratischer Deckungsvor-schlag, die Ausgabe für diese Erhöhung des Kultusbudgets auf demWege kirchlicher Umlagen von den verschiedenen Konfessionsange-hörigen zu erheben und zugleich endlich die Frage des Austrittsaus den Religionsgemeinschaften gesetzlich zu regeln, war von derklerikalen Mehrheit der Zweiten Kammer glatt abgelehnt worden.Angesichts der Deckungsschwierigkeit.nun,, da auch das Zentrumdavor zurückschreckte, eine dauernde Jahresausgabe auf Anleihe zunehmen, kam die klerikale Gruppe in der Ersten Kammer auf dengenialen Einfall, die Teuerungszulagen für die Beamten und dieLehrer einfach abzulehnen und solche Zulagen nur für die Geist-lichen zu bewilligen, obwohl die Geistlichen« Elsaß-Lothringen erstvor drei Jahren eine Gehaltserhöhung bekommen haben und dieneue Besoldungsordnung für Beamte und Lehrer erst für den1. April d. I. in Kraft treten soll und obwohl diese neue BesoldungS-regelung den nichtetatsmäßigen Beamten und Lehrern gar nichtsbringt, wofür die auf den 1. Oktober 1S12 zurückgreifende Teue-rungSvorlage einen Ersatz bieten sollte. Der ungeheuerliche An-schlag, alle Beamten und Lehrer bei den Teuerungszulagen leerausgehen zu lassen und nur den Gei st lichen solche zu ge-währen, wurde allen Ernstes durch den ZentrumsabgeordnetenDr. Vonderscheer und die Bischöfe von Straßburg und Metz in derErsten Kammer versucht, der Antrag wurde jedoch von der ErstenKammer mit 18 gegen 8 Stimmen in namentlicher Abstimmungabgelehnt. Allerdings lehnte dieses Instrument der Reaktion späterdann auch das ganze TeuerungLgesetz ab. Aber das wütendeGebelfer gegen die Erste Kammer und gegen die Regierung, dassich daraufhin ii�,der reichsländischen Zentrumspresse erhob, durch-schaut man nun ohne Mühe. Der tiefere Beweggrund des Zen-trumsärgers, das ist die Ablehnung der erhöhten Gcistlichenbesol-dung, denn die Beamten und Lehrer, von denen die jüngeren nochmit 1200 M. Jahresgehalt auskommen müssen, hätten ja bei An�nähme des klerikalen Antrages n u r für die Geistlichen doch nichtsbekommen. Die klerikale Demagogie des gegenwärtigen zentrüm-lichen Schimpffeldzuges gegen Regierung und Erste Kammer istdaher allzu durchsichtig— zumal für die Lehrer und Beamten selber.Die Sozialdemokratie hat bei der Festsetzung der neuen Ver-sassung für Elsaß-Lothringen gegen die Einsetzung der ErstenKammer und gegen die Statthalterwürde gestimmt, sie beantragtedas Einkammersystem und die Einführung der republikanischenStaatsverfassung. Es ist für sie daher ein legitimes Vergnügen,zuzusehen, wie sich Zentrum und Konservative die Hörner einstoßenan denselben Institutionen, die sie in ihrem Interesse geschaffenhaben.Ifiatienprotelt gegen die FrauendorferFolizeitaten.Der Fabrikarbeiterverband hatte am Sonnabendabend inFrauendorf eine öffentliche Versammlung einberufen, diegegen das Fraucndorfcr Blutbad und die Stellungnahme derBehörden wie der bürgerlichen Presse zu demselben Protesterheben sollte. Der in Aussicht genommene Saal erwies sichbald als viel zu klein, so daß die Versammlung in einen an-grenzenden Garten verlegt werden mußte. Aus Frauendorfund Umgebung strömte die Arbeiterbevölkerung in dichtenScharen zur Versammlungsstätte, wo sich bald eine unzähl-bare Menschenmenge zusammendrängte. Sicher sind es über3000 Personen gewesen. Arbeitersekretär Genosse Deckerbesprach die bekannten Ereignisse und geißelte scharf die un-nötige Säbelattacke der Stettiner Polizei wie die Lügen-berichte der bürgerlichen Presse, die zunächst die Nachrichtkolportierte, daß ein Streikbrecher von einem Streikpostenerstochen sei, um dann— als daS Verbrechen des Streik-brechcrs Brandenburg nicht mehr zu verschleiern war—die Bluttat als entschuldbare Notwehr auszugeben. Genasseeise protestierte gegen die vorzeitige Hastentlassung desordbuben, die wohl auf die Suggestivwirkungen der bürger-lichen Lügenpresse auf den Untersuchungsrichter zurückzuführensei, während Genosse T h i c m c seine Beobachtungen währendder Polizeischlacht schilderte.— Folgende Resolution fandeinstimmige Annahme, indem sich für sie ein Wald von Händenerhob:»Die Versammlung legt schärfsten Protest ein gegen die nor-eilige Haftentlassung des Meuchelmörders Brandenburg, die er-folgte, ehe die Untersuchung über seine blutige Tat hinreichendKlarheit geschaffen haben konnte. Ein solches Borgehen ist ge-eignet, verbrecherische Streikbrecher zu neuen Mordtaten anzureizenund so neue Konflikte vorzubereiten.Ferner verurteilen die Versammelten auf da« entschiedenstedie verlogene Berichterstattung der bürgerlichen Presse und gelobendiese nicht mehr in ihren Wohnungen zu dulden."Ruhig wie sie gekommen und während der Versammlungausgeharrt hatten, gingen die Menschenmassen auseinander,trotzdem inzwischen die Dunkelheit herangebrochen war unddie Arbeiter durch die Haftentlassung des Mörders aufs äußersteerbittert sind. Allerdings hatte sich auch die Polizei zurück-gehalten und nur wenige Posten ausgestellt, so daß keine Ruhe-störungen zu befürchten waren.Am Sonntagnachmittag nahmen die Stettiner Arbeiter zuder gleichen Angelegenheit ebenfalls in einer Massenversamm-lung Stellung; auch sie verlief durchaus ruhig und würdig.»**Der Mörder Brandenburgist tatsächlich auf freien Fuß gesetzt worden! Wie unseren!Korrespondenten aus absolut sicherer Quelle mitgeteilt wurde,war die Frauendorfer O r t s p o l i z e i b e h ö r d edarüber äußerst überrascht, da Brandenburgein übelberüchtigtes, rauflustiges Subjektist, das ihr schon viel zu schaffen machte. Der Ortspolizet-behörde ist auch zu Ohren gekommen, daß der Mörder schonvor der Tat Bemerkungen machte, die auf einen vor-sätzlicheu Mord schließen lassen. Inzwischen dürfte sichBrandenburg in Sicherheit gebracht haben, nachdem ihmdie Justizbehörde die Tür ins Freie öffnete lPolitische(leberlicdt.„Widerspruch wird nicht erhoben."Aus dem Reichstage. Erst ganz am Schlüsse derMontagsitzung warf in einer kurzen, aber interessantenGeschäftsordnungsdebatte das Hauptstück der gegen-wärtigen Tagung des Reichstags, die Wehrvorlage,ihre Schatten voraus. Am Dienstag steht die zweiteBeratung der Riesenforderung des imperialistischen Mili-tarismus auf der Tagesordnung. Der heutige Montagwar nur mit Vorlagen meist untergeordneter Natur'ausgefüllt, er galt als Tag der Sammlung für die kommen-den großen Debatten und als gute Gelegenheit für die Frak-tionen, vorher noch einmal innerhalb des eigenen KreisesStellung zur Wehrvorlage zu nehmen. So war dieAtmosphäre mit Spannung geladen, und das kurze Wetterleuchten am Schluß der Sitzung fand deshalb ein wohl-vorbereitetes Haus.Das Zentrum und die Konservativen, unterstütztdurch das kleine Häuflein der Freikonservativen, gabenbei der formellen Feststellung der Tagesordnung fürDienstag Erklärungen ab, in denen sie ihrem bedrücktenHerzen wegen der Fortsetzung der getrennten parlamentarischenErledigung der Wehr- und DeckungSvorlagen Luft machten,Man widersprach nicht geradezu dem Lorschlage des Präsi-deuten, die zweite Beratung der Wehrvorlage auf die Tages-ordnung zu setzen, aber man wiederholte freilich die schon inder Budgetkommissiofl abgegebenen Verwahrungen gegen eineVerabschiedung der Wehrvorlage ohne gleichzeitige Verab-schiedung der Deckungsvorlagen.Man darf der weiteren Entwickelung der Dinge mit Jnter-esse entgegensehen. Die Beratung der Deckungsvorlagen wirdsich noch lange hinausziehen. Wenn die zweite und die dritteBeratung der Wehrvorlage eher zu Ende gehen sollten, alsdie der Deckungsvorlagen, so wird die Wehrvorlage mitgroßer Mehrheit abgelehnt— falls der Dreibund derRechten seine Drohung wahr macht und sich den Konse-quenzen solcher konsequenten Handlungsweise gewachsenfühlt. Als der Präsiden! nach dem feierlichen Verlesen derdrei Erklärungen Spahn— Westarp— Schultz-Bromberg dieübliche parlamentarische Formel gebrauchte:„Widerspruchgegen die Tagesordnung wird nicht erhoben I". durchzogheitere Bewegung das Haus, weil die Formel in dem Witz-losen Munde des Präsidenten unbeabsichtigt und darum umso mehr als beißende Satire wirkte. Entweder der feierlicheWiderspruch, der kein geschäftsordnungsmäßiger Wider-spruch war, ist nur eine drohende Kulisse, um die National-liberalen zu schrecken und dahinter zugleich den Rückzug inder Teckungsfrage langsam in die Wege zu leiten: oder erist ein reaktionärer Schachzug, der künftige Ueberraschungcnvorbereiten soll. Tie nächsten Tage werden voraussichtlichden Schleier von den Mysterien der vereinigten Rechtenhinwepziehen.Die sachlichen Debatten, die der Geschäftsordnung?-debatte vorangingen, wurden ohne besondere Anteilnahmedes Hauses erledigt. Unsere thüringischen Genossen Bau-d e r t und L e u t e r t nahmen zu der Aenderung zweierReichstagswahlkreise, die durch den Gebietsanstausch thü-ringischer Staaten notwendig geworden war. das Wort, umbei der Gelegenheit auf die üblen Folgen der Kleinstaatereihinzuweisen. Die für die Kolonien vorgesehene Rechtsfähig-keit von Vereinen benutzte Genosse Noske zu einer Kritikschwindelhafter Kolonialnnternehmen. Bei der Beratungeines Gesetzentwurfs, der Entschädigungen fürSchöffen und Geschworenen festsetzt, vertrat Ge-nosse Peus nachdrücklich den Standpunkt der Fraktion: erwies darauf hin, daß man mit der Verwirklichung solcherlangjährigen sozialdemokratischen Forderunaen in Zukunftschneller bei der Hand sein solle. Genosse Landsbergwünschte bei der Beratung eines Gesetzentwurfs über inter-nationale Regelung Wechsel- und scheckrechtlicherVerhältnisse, den die Regierung auf einen leisenWunsch der kapitalistischen Interessentenkreise hin eingebrachthat, daß die Regierung viel berechtigteren und dringlicherenWünschen der Arbeiter nicht immer nur taube Ohren undschwere Beweglichkeit entgegensetzen solle.Wie der Militarismus mit Menschenleben spielt.In diesen Tagen, in denen das deutsche Volk in nochgrößerem Maßstabe als bisher der Kasernenkulwr unter-warfen werden jsoll, zeigt der Misitarismus sich inseiner ganzen brutalen Rücksichtslosigkeit, die sogar überLeichen hinweggeht. Es ist fast, als ob die Vertreter desmilitaristischen Systems mit besonderem Trotz auftrumpfenwollten, um zu zeigen, wie wenig sie sich um das Wohl der'söhne des Volkes und die Volksmeinung kümmern. Auf demTruppen übungs Ml atz Arys haben in den letztenheißen Tagen Manöver stattgefunden, die eine große An-zahl Todesopfer gefordert und für sehr viele Soldatenschwere Gesundheitsschädigungen nach sich gezogen haben. Derin Bromberg erscheinenden„O st deutschen Rund-schau", also keinem sozialdemokratischen„Hetzblatte", wirddarüber„von geschätzter Seite" geschrieben:»Bekanntlich haben vom 2. bis einschließlich 4. Juni hier aufdem Truppenübungsplatze und der Umgebung von AryS dieDivisionSmanöver der 41. Division unter persönlicherLeitung deS Armeeinspekteurs v. Prittwitzu. G a f f r o n stattgefunden. Bei diesen Manövern wurden andie Mannschaften iibermenschlichc Anforderungen gestellt. Trotz-dem die Truppen, wie das Jnf.-Regt. 148, eine 18 st und igeBahnfahrt zur Nachtzeit hinter sich hatten.wurde sofort nach Ankunft ein längerer Marsch von fast30 Kilometern mit vollem Gepäck angetreten.Bereits an diesem Tage gab es eine Reihe Erkrankter.Am zweiten Manövertage, also Dienstag, fanden nach einemlängeren Anmärsche auf dem Truppenübungsplatz selber ztoeiGefechte statt, bei denen ganz ungeheure Verluste eintraten.Nicht weniger als über 300 Mann machten inder Division schlapp. DaS 14 8. Inf.- Regt, hatteallein vier Tote und eine Reihe schwer Erkrankter.Am meisten litt von diesem Regiment die 6. Kompagnie, die amdritten Mcmövertage nur mit etwas mehr als ein Viertelder Kompagnie antreten konnte. Auch das Inf.»Regiment 1S2 hat einige Tote.Tie ungeheuren Verluste müssen einmal auf diekolossale Hitze, eS waren zeitweise 85 Grad CelsiuS imSchatten, dann auf die zu hohen Anforderungen und nicht zu»letzt auf einen Mangel in der Verpflegung zurückgeführt werden.Die Beerdigung der vier Opfer des 143. Regi-ments hat heute unter militärischen Ehren in AryS statt-gefunden."Nach all den bisherigen Ersahrungen ist es ganz zwecklos,eine strenge Untersuchung und eine Bestrafung der Schul-digen zu verlangen. Wir hören schon jetzt den Kriegsminister.falls der Fall im Reichstage zur Sprache kommt, ein paarRedensarten über„unglückliche Umstände".„Ungunst dsrWitterung" usw. stammeln. An den ernsten Willen, solcheoder andere Ungeheuerlichkeiten zu vermeiden, glauben wirschon lange nicht mehr, sie liegen zu tief im militaristischenSystem begründet. Dagegen gibt es nur ein Mittel: dasVolk muß in seiner Mehrheit voll gerechter Entrüstung diesesSystem mit einem kräftigen Ruck von sich werfen. Solangedas nicht der Fall ist, solange das stehende Heer in seinerheutigen Gestalt nicht einem aus demokratischer und sozialerGrundlage aufgebauten Milizsystem Platz gemacht hat. wirddie privilegierte Offizierskaste mit Nichtachtung aus die ihnenüberantworteten„Kerls" und das Volksempfinden herab-blicken._JubiläumsbyzantiuiSmus.Wirklich schlimm steht's um diejenige Literatur, die an-läßlich des Regierungsjubiläums deS Kaisers auf den Bücher-markt geworfen wird: denn sogar Blätter wie die„Rheinisch-Westfälische Zeitung", wenden sich gegen den ekelerregendenByzantinismus. In einem Leitartikel rechnet das Organ derwestfälischen Schlotbarone mit dem im Verlag von Bong u. Co.erschienenen sogenannten Prackitwcrk ab, das den Titel führt:„Unser Kaiser. Fünfundzwanzig Jahre der Regierung KaiserWilhelms IL. 1888—1913". Der Schluß des Artikels lautet:»Ist's genug?— In diesem Stile zeichnet die Jubiläums-literatur. die in diesen Tagen den Büchermarkt überschwemmt, derNation das Wesen des Herrschers. In einem von schmeichlerischer