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Nr. 144. 80. Jahrgang. 2. IrilMt te Jutiärts" Kcrlim pIMIitt Mittwoch, 11. Inui 1918. GewerbfcbaftUcbca. r>erzUcbca Sinvernekmen. Die braven Christen von der allein selig machenden Kirche geben der unchristlichen Welt fortgesetzt das an- mutende Beispiel gegenseitiger Verdächtigung und Verleum- dung. An dieses christliche Spiel hat man sich gewöhnt. DieWilden" als die besseren Menschen nehmen von dem herzlichen Einvernehmen" im Kreise der lieben Kinder Roms nur noch Kenntnis, wenn dieNächstenliebe" ganz besondere Vorgänge gebiert. Kürzlich gaben nun die Päpst- lichen Berliner Richtung eine häßliche Auslassung eines Bachemiten M.-Gladbacher Richtung bekannt. Einer der Gewerkschaftsunteroffiziere aus der interkon- sessionellen Gruppe hatte der Sehnsucht nach dem Ableben des Papstes in recht roher, ja ungemein brutaler Form Ausdruck gegeben. Mißachtende Bemerkungen über hohe kirchliche Würdenträger aus dem M.-Gladbacher Lager wurden schon mehrfach bekannt. Man kann es daher ver- stehen, daß die Berliner Richtung die Sache ausschlachtete. Weil die verletzende Aeußerung nicht geleugnet werden konnte, ließ man erklären, es handele sich dabei nur um eine bedauerliche unglückliche Wendung. Böse Absicht sei nicht vorhanden gewesen. Wer noch nicht von der M.-Gladbacher Demagogie verdorben ist, wird in der dazu noch in un- glaublich rohe Forni gekleideten Sehnsucht nach dem Tode des Papstes eine Gesinnung erkennen, die sich zweifellos weit von der alten katholischen Auffassung von der Stellung des Papstes als Stellvertreter Gottes entfernt hat. Man muß schon derGermania " recht geben, wenn sie der Mei- nung Ausdruck gibt, das Auftreten M.-Gladbacher GeWerk- schaftler lasse eine bedenkliche Wandlung in der Ehrfurcht vor dem Oberhaupte der Kirche erkennen. Das müssen sich auch die Bachemiten sagen. Aus Rache für die Kennzeich- nung weisen sie auf die Bedeutungslosigkeit der Berliner Richtung hin. Auf Grund des Kassenberichtes des Ver- bandes der katholischen Arbeitervereine Sitz Berlin für 1912 konstatiert dieWestdeutsche Arbeiterztg.", daß die Organisation der Auflösung entgegengehe. �fin Vergleich mit dem Jahre 1909 sei die Einnahme im Berichtsjahre um 13 5 0 0 0 M. 15 Prozent, die Ausgabe um 162000 M. 20 Prozent zurückgegangen. Am bedenklichsten erscheint der Rückgang bei den regelmäßigen Beiträgen, die im Jahre 1909 noch 8 25 380 M. ergaben, 1912 ober nur noch 6 84 3 72 M. Das ist allerdings ein Bergab, das bald ins Grab führen muß. Zu bemerken ist dabei, daß die Leistungen nicht etwa gewerkschaftlichen Zwecken dienen, es handelt sich nur um Unterstützungskassen. Die Fachabteilungen, die eine gewerkschaftliche Organisation ersetzen sollen, befinden sich ebenfalls auf dem Krebsgange. Hier die Ziffern: 1909 1912 p M. M. Beiträge der Mitglieder. 244 670.74 139 187,64 t Ausgaben...... 260 070,23 98 109,44 Der päpstliche Segen schützt augenscheinlich nicht vor der Wegzehrung. DieWestd. Arbeiterztg." schließt die Auf- decknng der fachabteilerischen Bedeutungslosigkeit und ihres sichtlichen Hinscheidens mit folgenden boshaften Glossen: Ein kurzes Wort zu den im Geschäftsbericht desBerliner " Verbandes angeführtengewerkschaftlichen Erfolgen". Soweit ich dieselben nachzuprüfen vermag, handelt es sich fast restlos um die Erfolge derStreikorganisationen". Ich führ« aus genauer Kenntnis aus dem Baugewerbe an die Orte Schneidemühl , Breslau , Oppeln , Neiss«, Chemnitz , Heiligenstadt , Koblenz und Trier . Von allen diesen Orten sagt der Bericht, daß die Maurer und Zimmerer auf Grund der im Jahre 1910 im Baugewerbe abgeschlossenen Tarif« eine Lohnerhöhung von 2 Pf. in 1912 erhalten haben. Liegt zunächst der Erfojg im Jahre 1910 und nicht in 1912, der nur automatisch nachwirkt, so hat derBerliner" Verband an ihm nicht den allergeringsten Anteil. Er war vielmehr die Frucht der großen Allssperrung im Baugewerbe in 1910. Damals hat derBerliner" Verband den in den Kampf verwickelten Gewerkschaften nicht nur Schwierig- leiten bereitet, sondern er hat auch ihren Erfolg nach dem Kampfe möglichst verkleinert. Heute dagegen versucht er sich aus einem leicht erkennbaren Bedürfnis heraus selbst damit zu brüsten. DerBerliner" Verband hat an diesen Tarifen nur den Anteil, daß er sich ihnen, als sie six und fertig waren, anschloß, teil- weise ohne Mitglieder. Auf die übrigen im Bericht angeführten gewerkschaftlichen Erfolge" will ich nicht eingehen; mit ihnen ist es in der Regel nicht anders bestellt." Das ist alles ganz schön und nett. Aber es ist doch nur die halbe, nein, nur ein kleineres Teilchen der Mehr- heit. Die christlichen Gewerkschaftenerkämpften" ihre Er- folge fast restlos im Schatten der freien Verbände. Ohne diese wären sie für das Kapital beinahe ebenso belanglos wie die katholischen Fachabteilungen. Ihren Brüdern von der gleichen Couleur haben die M.-Gladbacher demnach nichts voraus. �Aber ihr Schuldkonto ist schwerer belastet. In vielen Fällen der bekannte Massenstreikbruch beim letzten Ruhrbergarbeiterstreik steht dabei an der Spitze verhin- derten die M.-Gladbacher einen Erfolg der Arbeiter, indem sie als Schutztruppe des Kapitals auftraten. Der Schaden, den die überhebenden christlichen Gewerkschaften der Gesamt- arbeiterschaft schon zufügten, ist unverhältnismäßig größer als der Vorteil, den sie ihren Mitgliedern aus den Früchten der Arbeit der freien Gewerkschaften zuführen konnten. Kerlin und Qmgcgcnd. Achtung, Zuschneider! Wegen Maßregelung eines Kollegen haben die Zuschneider der Firma D a v i d s o h n u. Co.. Königstr. 33, die Arbeit eingestellt. Wir verhängen daher über die genannte Firma die Sperre. Verband der Schneider und Schneiderinnen. Ortsverwaltung Berlin . Achtung, Tabakarbciter! Seit längerer Zeit schon mehrten sich die Anzeichen dafür, daß die Firma Paul I u h I- Pankow, mit der die Organisation des Deutschen Tabakarbeiterverbandes im Einigungsverhältnis" stand, in ihren auswärtigen Filialen die im Deutschen Tabakarbeiterverband organisierten Tabakarbeiter konsequent ausschalte. Entlassungen von organisierten Kollegen, auch hier in Pankow , die einer Maßregelung so ähnlich sahen wie ein Ei dem anderen, und die Tatsache, daß die Firma die Arbeitsnachweise der Zigarrenarbeiter und-sortierer nicht einmal versuchsweise in Anspruch nahm, obwohl das Einigungs- Protokoll ausdrücklich darauf hinwies, veranlaßten ein Vorstellig- werden der Vertreter des Deutschen Tabakarbeiterverbandes. Längere Verhandlungen führten zu keinem Resultat. Herr Juhl erklärte bündig, daß er seine Maßnahme» auch in Zukunft lediglich von seinem geschäftlichen Interesse abhängig mache und daß er weder in Fragen des Arbeitsnachweises noch des Tarifes Kon- Zessionen machen könne, nicht am Orte und auch nicht in seinen Filialen. Damit war die Verhandlung beendet. Selbstverständlich ist es, daß mit dieser Firma keinerlei Be- Ziehungen mehr bestehen können. Der Hunger nach billigen und willigen Arbeitskräften, der, den höheren Berliner Lebensverhält- nisten entsprechend, hier nicht zur Genüge gestellt werden kann, treibt nach Osten. In dem aufgeklärten Berlin verkauft man dann die Zigarren, die in jenen finsteren Gegenden von durch den Zwang der Not in die Industrie hineingepreßten Tagelöhnerkindern verfertigt werden. Das ist soziales Unternehmertum, das haßt alles, was Organisation heißt; das führt mit Recht die Eule im Wappen. Der Firma Juhl werden die grünen Plakate entzogen. Arbeiter, Raucher! Kauft nur dort Euren Bedarf an Zigarren ein, wo das grüne Plakat, unterschrieben A l w i n Schulze, aufgewiesen werden kann. Uebt Solidarität! Der Vertrauensmann der Tabakarbeiter. Achtung, Friseurgchilfen! Nirgends ist die Regelung der Ar- beitsverhältniste und die Organisierung der Gehilfen so schwierig wie in den handwerksmäßig betriebenen Berufen. Uebermäßig lange Arbeitszeit, das Alleinarbeiten in den Betrieben und die Beschäftigung von möglichst nur jüngeren Gehilfen sind die Haupt- Ursachen davon. Hinzu kömmt noch, daß die in freien und Zwangs- innungen organisierten Meisterverbände, welche sich als eine Unter- nehmerorganisation entwickelt haben, einenvorzüglichen Er- kennungsdienst" unterhalten. Demgegenüber ist die von unten- stehendem Verband geführtegraue Kontrollkarte" zu beachten, welche als Ausweis geregelter Arbeitsverhältnisse gilt. Bewilligt haben: G o ß e, Schönwalder Straße 16, K r ü g e r, Leyder Str. 67, Lippkau, Prenzlauer Promenade 10 in Weißensee . �Aufgelöst ist das Tarifverhältnis bei Schmidt, Fennstr. 62, Schönke, Gor- mannstraße 12, Ko'hmann, Lindenstraße 79, und Heinrich, Scheringstr. 8. Verband der Friseurgehilfen. DeutfcheB Reich. Ein neuer Scharfmacherverband. Die Modelltischlermeister und Modellfabrikanten haben sich unter dem NamenVerband der Modellfabrikantcr. Deutschlands " eine eigene Organisation geschaffen. Die Gründungsversammlung fand am 31. Mai und 1. Juni in Halle statt, wo sich etwa 80 Unternehmer aus den verschiedensten Gegen- den des Reichs zusammengefunden hatten. Vorher hatte bereits eine Verständigung zwischen den Vereinen der Modellfabrikantc» in Berlin , Hamburg , Dresden und im Rheinland stattgefunden. die dann als Arrangeure der Veranstaltung fungierten. Wie aus dem versandten Aufruf zur Gründung des Verbandes hervorgeht, haben die. Modellfabrikanten zwei besondere Schmerzen. Einmal behagt es ihnen nicht in den Tischlerinnungen, denen sie jetzt viel- fach angehören; sie möchten lieber in ein engeres Verhältnis zu dem. Verband der Metallindustriellcn treten, mit dessen scharfmachen- schert Neigungen sie lebhaft sympathisieren. Vor allen Dingen aber soll dieVereinigung ein Bollwerk gegen die Arbeiter- organisationen sein." Auf der Versammlung in Halle, die natürlich hinter ver- schlossenen Türen tagte, hielt ein Herr Wal ter, der in Hamburg eine bekannte Lehrlingszüchterei betreibt, zur Darlegung der Zwecke und Ziele des Verbandes«ine kräftige Pauke über die Schlechtigkeit der Arbeiter, die so ungeheuerliche Lohnforderungen stellen, daß die armen Modellfabrikanten kaum noch existieren können. Natürlich wurde auch tüchtig über den paritätischen Arbeitsnachweis ge- sthhnpft. In dem gedruckt vorgelegten Statutenentwurf wird als Zweck des Verbandes die Förderung der allgemeinen Interessen der Modellfabrikanten und das Anstreben von Verbindungen mit anderen Verbänden verwandter Branchen bezeichnet. Daneben aber will es der Verband als seine Hauptaufgabe betrachten:11 n b c- r e ch t i g t c B e st r c b u n g e n der Arbeitnehmer, welche darauf gerichtet sind, die Arbeitsbedingungen einseitig vorzuschreiben, insbesondere die zu diesem Zweck veranstalteten Arbeitsein st ellun- gen, gemeinsam abzuwehren." Mit dieser Umschreibung seines Aufgabenkreises hat der Verband der Modellfabrikanten zur Genüge gezeigt, wes Geistes Kind er ist. Die mit dem Verband der Metallindustriellen geführten Ver- Handlungen haben übrigens noch nicht zu dem gewünschten Er- gebnis geführt. Die Metallindustriellen find zwar bereit, bestreikte Modellfabrikanten insoweit zu unterstützen, als sie keine streikenden Arbeiter einstellen, aber von Aussperrungen, die im Interesse der eigenen Mitglieder des Metallindustriellenverbandes angewendet werden, wollen sie zu Gunsten der Modellfabrikanten keinen Ge- brauch machen. Ob in dieser Frage noch eine Verständigung er- zielt wird, mag dahingestellt bleiben, jedenfalls wollen die Modell- fabrikanten den Bestrebungen der Arbeiter zur Besserung ihrer Ar. beitsbedingungen mit noch größerer Energie entgegentreten als bis- her. Die Modelltischler haben also alle Ursache, der eigenen Organisation erhöhtes Interesse entgegenzubringen. Auch ein Grund zur Maftregelung! Weil sie ihre Stenerreklamation nicht zurückziehen wollten, ent- ließ der Direktor des Residenz-CafsS in Breslau eine Anzahl seiner Gastwirtsangestellten. Die Kellner waren zu hoch eingeschätzt und legten Berufung ein unter Hinweis darauf, daß sie gar keinen Lohn oder Gehalt erhalten, sondern im Gegenteil noch täglich 60 Pf. für Essen und die Versicherungsbeiträge aus den erhaltenen Trinkgeldern dem Chef abführen müssen I Es war dem Inhaber des Cafös natürlich recht peinlich, diese bloßstellenden Tatsachen der Steuer- bebörde zugeben zu müssen, und so warf er die Reklamierenden ein« fach aufs Pflaster. Jetzt haben zehn der Angestellten von dreizehn die Maßregelung ihrer Kollegen mit einem Ausstand beantwortet; sie verlangen jetzt wenigstens 20 M. pro Monat. kleines feuilleton. Die Bildnisfammlung in der Bauakademie. Als Justi an die Nationalgalerie kam, begriff er schnell, daß es dringend notwendig war. diese Sammlung von allem zu befreien, was ntcht im höchsten Sinne Kunst und Kunstwerk genannt werden darf. Das Patrio- tische und das Kulturdokument galt es auf honette Weise auSzu- quartieren. Die Schlachtenbilder wanderten in das Zeughaus; die gemalten Professoren in Begleitung etlicher Generale sollten den Grundstock eines Bildnismuseums abgeben. So war der Anfang dieser Bildnissammlung hinreichend verdächtig; was aber inzwischen daraus geworden und nun in einigen Räumen der Schinkelschen Bauakademie fam Schinkelplatz) zu sehen ist, verdient Lob. Die Generale sind zwar auch noch da, und auch die Professoren(Momm- sen und Helmholtz durch Ludwig Knaus unter Lebensgröße, puppig und anekdotisch gemalt, könnten noch am ehesten bestehen) blieben uns erhalten. Man kann an ihnen schnell vorübergehen, um dann zu außerordentlich geschmackvoll hergerichteten und sehr gewandt organisierten Zimmern zu kommen. Es sind Zimmer von gefälli- aen Abmessungen, ganz schlicht in der Behandlung der Wand und 5er Decke; selbst die zwei größeren Räume wirken intim. Es rst keine speztfrsch künstlerische Angelegenheit, diese Köpfe der Dichter. der Maler, der Philosophen und Politiker anzuschauen; es ist mehr eine Ängelegenhett der Kulturgeschichte. Man freut sich. Freilig- rath zu begegnen, oder auch Fontane und Conrad Ferdinand Meyer . Es kommen einem allerlei Erinnerungen an die Romane des einen, an die Gedichte des anderen. Dabei erweist sich der ganz ausgezeichnete Katalog als trefflicher Helfer. Er wurde von Hans Mackowsky zusammengestellt; in äußerst gedrängter Form erfahren wir irgend etwas Wesentliches aus dem Leben und dem Wirken der ernzelnen Persönlichkeiten. Von Meyerbeer etwa, dem Komponisten derHugenotten ", wird zitiert, was Franz Liszt von ihm sagte:Er war eure neue Kombination saus Rossini und Weber), die ihm, weil noch nicht dagewesen, eine Popularität ein- trug, die bis dahin ohne Beispiel war, aber er war nur eine Kom- bination." Oder, ist es nicht außerordentlich geschickt. Heinrich teine, den wir in einer Zeiipnung des Samuel Diez aus dem ahre 1842 kennen lernen, sich selber durch sein GedichtIch bin ein deutscher Dichter" charaktertstercn zu lassen? Es ist wirklich ein lustiger und zugleich geistreicher Guckkasten, den man in dieser neuen Btldntssammlung aufgetan bekommt. Vorläufig ist die Zahl der zusammengestellten Bilder und Blätter "och gering; durch konzentriertes Zusammenfassen die roman­tische Zeit von 1800 bis 1850. das Zeitalter Goethes, die Zeit der Aufklärung ist die Wirkung dennoch eine reiche. Man spürt etwas von der Kraft des geschichtlichen Werdens, etwas von den Weberfäden, die hinüber und herüber schössen, um so den viel- blumigen Teppich der Zeiten zu gestalten. Man sieht um Goethe yerum Casper David Friedrich, diesen Mystiker der Landschafts Kant , von der A. W. Schlegel gespottet hat,daß dic� Jmbecillität des hohen Alters ein trauriger Gegenstand für die Skulptur sei", schließlich die Schmetterlingsgrazie der Taglioni. Wirklich: eine amüsante Bilderfibel. Freilich, es fehlt so mancher, der das Entscheidende seiner Zelt gab. Es ist die Geschichtsauffassung, die dieses Pantheon zusamme«- stellte, nicht ganz rein von konventioneller Gewöhnung. Indessen, die großen Linien sind doch spürbar, und selbst das bleibt nicht ver- borgen: daß alle Persönlichkeit nur Exponent des Volkes ist. II. Lr. Bauchfensterkaninchen" ein schreckliches Wort, wieder eines jener Worte, das andeutet, daß im Interesse der Wissenschaft und derKrone der Schöpfung" Tiere sich Schlimmes gefallen lassen müssen. Aber leider ist es nun einmal nicht anders möglich mag auch das Herz und der ästhetische Sinn sich dagegen em- pören wie jeder Fortschritt, so muß auch der medizinische mit Opfern und schmerzen erkauft werden. Wir wissen alle, daß Aerger beim und nach dem Essen den guten Ablauf der Verdauung stört; daß auch andere Gemütserregungen, wie Schreck, Angst, besondere Erscheinungen auf diesem Gebiete hervorrufen können, ist gleichfalls bekannt. Die Wirkung von Gemütsbewegungen auf die Darmtätigkeit durch das Experiment direkt sichtbar zu machen, haben derZeit- schrift für experimentelle Pathologie und Therapie" zufolge die Forscher Katsch und Borchus unternommen. Sie heilten Kaninchen Zelluloidfenster in die Bauchwand ein und konnten hierdurch nun die Bewegungen des Darmes genau beobachten. Bei einem dem Tier eingejagten Schrecken, z. B. durch polterndes Zubodenwerfen eines Gegenstandes, wurde der verdauende Darm plötzlich ganz blaß und lag regungslos still. Tieselbe Wirkung hatte die Er- zeugung einer Schmerzempfindung beim Tiere. Dagegen für- derten Lustempfindung die Darmtätigkeit. EinBauchfenster- kaninchen", das geschlafen und gehungert hatte, und dessen Darm daher ganz still dalag, bekam eine Mohrrübe vorgehalten und so- fort setzte sich der Darm in Bewegung. Bei einem sehr lebhaften Tiere genügte schon die Erwartung de» Futters. Es ergeben sich aus diesen Experimenten Fingerzeige für die psychische Behand- lung nervös-darmkranker Menschen. Musik. Deutsches Opernhaus Charlottenburg . Mit der Ausführung von Karl Goldmarks alttestamentlich-orientalischer Königin von Saba " erfüllt die Direktion eine Pietätspflicht gegen den Nestor aller lebenden deutschen Opernkomponisten, dem za auch einige andere Werke großen Stils, wie das erfolgreichere Heimchen am Herd", sodannMerlin" undGötz von Berlichingen " zu danken sind. In Goldmark sehen wir den letzten Vertreter der Großen" Oper, das ist jener Gattung, deren Herrschaft von Meyer- beer heraufbeschworen und von Verdi zum glanzvollen Abschluß jt n K V ,J£. 1 t.,.. V. 1 1i Cv Ii r»» /> I»t Vtrtv» ICt f v-iVArtfi* »alerei. _____ w_______ gebracht wurde.Die Königin von Saba " ist Goldmarks früheste wei. die Brüder Grimm , den Gärtner Lenne , den Negerkopf«Schöpfung und Mitte der siebziger Jahre entstanden. Ein be- .....Buchhändlers Nikolai, die scharf geschnittene Silhouette des deutender originaler Musiker offenbart sich da, der über frisch- Wbtphen Sokrates Moses Mendelsohn. eine Büste von Immanuel> quellenden Melodienreichtum und eine farbensprühende Polyphonie des gebietet, ohne doch den unverkennbaren Einflüssen Wagnerscher Instrumentation zu erliegen. In der Partitur kommt allerdings der vollständige Apparat dergroßen Oper" zur Geltung, als da sind: langatmige Gesangsmonologe, Arien, Duette, Massenchörc, Ballette, Volksaufzüge: alles Behelfe, die eigentlich mit der Handlung" nur rein äußerlich zusammenhängen und nur um ihrer selbst willen hineinbezogen wurden, um den Pomp des Ganzen zu steigern. Der Komponist sucht die ziemlich magere Handlung farbig zu untermalen. Daher der oft lärmende, allzu lärmvolle Ueberschwang des Orchesters. Allzuviel Teilnahme wird schwerlich erweckt; es tönt eben doch eine musikalische Sprache, die großen- teils für moderne Gemüter verloren ist. Es war deshalb gut, daß die Hauptaufgabe in einer, man darf sagen, außerordentlich echten und lebendigen Dekoration erblickt wurde. Die Pracht der Gr mächer, des Tempels, der Festhalle, des Parks, die Farbigkeit der Kostüme, die Leistungen des Ballets bieten eine reiche Augenweide. Darüber wurde nicht der musikalischen Seite vergessen. Lulu K a c s s e r fSulamith) und Emmh Zimmermann(Königin von Saba) stehen auf einwandfreier Höhe als Sängerinnen wie auch als Darstellerinnen. Die Bahpartie des Hohepriesters wurde von Ernst Lehmann mit Kraft und Würde gegeben. Julius R o e t h e r(König Salomon), Heinz A r e n s e n(Assad), Edwin H e y e r(Palastaufseher) boten, von mancherlei stimmlichen Un- ebenheiten abgesehen, doch auch recht Gutes. Die Chöre offenbarten Präzision und Klang. Das Orchester unter Eduard M ö r i k c spielte vorzüglich.__«. k. Notizen. Theaterchronik. Im Joseph-Kainz-Theater am kleinen Wannsee finden am Mittwoch und Sonnabend für Schüler (zu ermäßigten Preisen) nachmittags 6'/, Uhr Aufführungen von Medea" statt. Am Donnerstag istDes MeereS und der Liebe Wellen" vorgesehen, das am Freitag und Sonntag wiederholt wird. Zum Präsidenten der Akademie d e r K ü n st e ist Professor Ludwig Man z el, der jetzige Präsident, wiedergewählt word'w Die gefilmte Weltgeschichte. Zu den zahlreichen Methoden der Geschichtsfälsckung tritt jetzt eine neue: die Geschichte im Film. WaS da an Byzantinerei geleistet wird, übersteigt die ge- wohnten Maße. Die Geschichtsmacher haben denn auch berefts ge- lernt, sich dieser wirksamen Art zu bedienen. So wird jetzt der rumänisch-russisch-türkische Krieg gefilmt, der bekanntlich 1878 statt« fand. 8000 Soldaten wirken dabei mit, und man hat die Naivität, dieses gestellte und bestellte Machwerk als historisches Dokument dem Staatsarchiv einverleiben zu wollen. Eine Million für e i n B i l d. Bei der Pariser Ver- steigerung der holländischen Gemäldesammlung Steengracht erzielte RembrandtS Bathseba den Preis von einer Million Franken. Das Bild, das ein Londoner Kunstbändser erstand, wurde 1717 für 374 Gulden verkauft, kam dann 1814 nach London für 2640 Franken. Rembrandt selbst wäre zufrieden gewesen, den tausendsten Teil von dem zu bekommen, waS heute fein Werk kostet.