die Franzosen wären das Karnickel gewesen, das angefangenbat. sAbg. Erz berger: Jawohl I) Das glauben Sie jetzt noch 1(Stoße Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Herr Erzbergerhat sich auf zwei Autoritäten berufen, mit denen ich ihn jetztselbst totschlagen kann(Heiterkeit), ich meine natürlich seineArgumente.(Heiterkeit.) Er hat sich berufen darauf, daß meinParteigenosse Wendel in der.Neuen Zeit* von einer allgemeinenKriegsgefahr gesprochen hat. Gewiß, diese Gefahr hat lange be-standen, aber das ist doch kein Beweis dafür, daß man das Heerverstärken müsse! Weiter hat Herr Erzberger einen Artikelunseres französischen Parteigenossen, des Deputierten AlbertThomas, zitiert. Ich zitiere daraus nur zwei Stellen.(Abg.Erzberger: Warum nicht mehr?> Weil das ausreicht.(Große Heiterkeit.) Thomas führte zunächst den Nachiveis, wie schonin früherer Zeit der Chauvinismus in Frankreich bestanden hat,wie er aber jetzt wieder ins Leben gerufen wurde unddann zeigt er, wie die französische Regierung die Möglichkeitund den Mut zu ihrer Militärvorlage gefunden hat. Er spricht zu-nächst von der Wirkung des Ereignisses von Agadir auf Frankreichund sagt:„ES ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß HerrV. Kiderlen- Wächter durch seine Geste die große Er-Neuerung des französischen Chauvinismus ver-nrsacht hat. ES wäre nur gerecht, wenn Herr D�roulöde ihm aufder Place de la Concorde ein Denkmal setzen und ihm zu Ehrenalljährlich eine Feier veranstalten würde. Er. Kiderlen, ist zumgrößten Teil verantwortlich für die Bewegung, die wirjetzt miterleben."(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Thomasbespricht weiter die Haltung Millerands, des ehemaligenSozialisten und jetzigen ReaknonärS.(Lachen und Zurufe rechts.)Ja, so etwas kommt vor, daß aber Reaktionäre Sozialistenwerden, das kommt nie vor, dazu reicht es bei ihnen nicht ans.(Große Heiterkeit.) Aber es kommt vor, daß Leute, die vorüber-gehend sozialistische Ansichten gehabt haben, sich zu Reaktionärenentwickeln.(Zurufe bei den Sozialdemokraten: Miguel!)(Gegen-rufe rechls.) Das glaube ich, daß Sie solche Männer gebrauchenkönnen!(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Thomas erzähltalso, wie Millerand versucht hat, den Militarismus durchmusikalische Zapfenstreiche und sonstige Kinder-mädchen-Begeisterungsmanöver hochzubringen.(GroßeHeiterkeil) und schreibt dann:»Als die deutsche Regierungihre neue Militärvorlage einbrachte, fiel die ganze chauvinistische,arbeiterfeindliche Presse mit Wonne darüber her. Sie suchteeine Panik zu entfesseln, sie riß die Regierung inirsich fort: die Vorlage der dreijährigen Dienstzeit wurde eingebracht."�Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.— Abg. Erzberger:Aber vor unserer Vorlage!) Der Inhalt der deutschen Militär-Vorlage war aber schon vollkommen bekannt. Kein Mensch,der französische Zeitungen liest und die französischen Verhältnissekennt, kann daran zweifeln, daß das Bekanntwerden der deutschenMilitärvorlage der französischen Heeresverwaltung erst die Möglichkeitgegeben hat, die dreijährige Dienstzeit zu beantragen. Machen Sieeinmal das Exempel. Lehnen Sie die deutsche Heeresvorlage ab,dann wird es gar nicht möglich sein, wenn es überhaupt noch ver-sucht werden sollte, in Frankreich die dreijährige Dienstzeit durchzu-führen.(Lebhafte Zusliinmung bei den Sozialdemokraten.) Man ist'ich auch in Frankreich darüber klar, daß jene Vorlageein Berzweiflungsmanöverund daher eine kolossale Dummheit ist, weil' man mit Ver-weiflungsmanövern nie erreichen kann, was man damit zu erreichen.e.absichtigt.Herr Erzberger hat behauptet, daß wir gar nicht darausinarbeiten, unsere französischen Genossen zu einem unserem Bor-oß gegen den Militarismus entsprechenden gleichen Vorstoß zu be«wegen. Ich verweise darauf, daß die Anträge unserer fran-zösischen Genossen viel weiter gehen, als' unsere Anträge.Herr Erzberger meinte, daß bei Einführung der Miliz die Heeres-iärke beider Länder zu einander in den, Verhältnis der Volkskrastlehen müßte. Zur Klarstellung ist es notwendig, daraufhinzuweisen,">aß Volkskraft nicht identisch ist mit Volkszahl. Bei der be-eutcnd geringeren Geburtenzahl sind die unteren Altersstufen inFrankreich verhältnismäßig viel g e r i n g e r. an Zahl, als diemittleren und oberen, und deshalb ist p r o z e n t u a I die Zahl derwehrfähige» Männer in Frankreich viel größer als in Deutsch-and. Aber eine zahlenmäßige Proportion ist gar nicht nötig, dennas System der allgemeinen Volksbewaffnung fordert, daß jeder.oaffenfähige Mann, nicht einer mehr, nicht einer weniger, in Kriegs-, eilen unter die Waffen gerufen wird. So stellt sich der Proporzautomatisch her I(Abg. Erzberger: Aber die Präsenz!) Dieöräsenz tut bei dcr allgemeinen Volksbewaffnung gar nichts zurSache, das ist eine Schau mschlägerei von Ihnen I(Präsidentl a e m p f ersucht, solche beleidigenden Ausdrücke zu unterlassen.Dem Abg. Dr. Müller- Meiningen erwidere ich, daß wirnatürlich niemals die Möglichkeit eines Krieges.nach zwei Frontenbestritten haben.(Abg. Dr. Müller: Na also!) Ja, was ziehenSie denn Argumente daraus?(Sehr gut! bei den Sozialdemo-.'raten.) Sie'begründen Ihre Zustimmung zur Vorlage gegen uns,indem Sie uns einen Standpunkt unterschieben, den wir nie ein-genommen haben I Wir bestreiten nur, daß selbst, wenn wiricse Möglichkeit ins Auge fasten, diese Heeresvorlage nötig ist, dennaiese Möglichkeit besteht feit Jahrzehnten und ist doch nicht etwasNeues, was die Herren v. Bethmann oder V- Heeringen entdeckt haben. DaS wäre allenfalls die einzige Entdeckung.die Sie machen könnten— etwas zu entdecken, wasseit Jahrzehnten jedermann in Deutschland, Frankreichund Rußland weiß, und worauf doch der Dreibundund die Tripelentente beruhen!(Sehr wahr: bei den Sozialdemo-kraten.) Wo sind also eigentlich die Gründe für diese Militär-Vorlage? Die Verschiebungen auf dem Balkan haben sogar einegrößere europäische Friedensbürgschaft geschaffen,and zwar zu unseren Gunsten, nämlich die Anbahnung der Ver-nändigung mit England. Seit dem Balkankriege ist es ganz ruhig?avon geworden, England als Schreckgespenst für uns und den Drei-.jund anzuführen, und der Reichskanzler rühmt sich, an der Herbei-fiihrung eines guten Verhältnisses mit England mitgewirkt zuhaben. Damit sägt er selbst wieder ein Bein von demStuhle ab, auf dem er mit dieser Vorlage sitzt. Wir Sozial-demokraten haben zuerst eine Verständigung mit England überdie Seerüstungen beantragt, und mit aller Energie der Regierungund den anderen Parteien gesagt: Es ist absoluter Uiisinn,mit den alldeutschen Redensarten zu behaupten, daß England undDeutschland natürliche Feinde seien!(Lebhafte Zustimmung bei den-Sozialdemokraten.)Dcr russische Popanzwurde auch nach Noten ausgeschlachtet. Der Reichskanzler hat zuerstdie russische Gefahr in ganz unverantwortlicher Weise übertrieben.Ist denn die große zahlenmäßige Stärke des russischen HeercSso zu bewerten, als ob eö sich um das deutscheoder um das französische Heer handelte? Die geschichtlicheErfahrung lehrt, daß daS russische Heer bei dem Fortschreiten derKricgstechnik und bei dcr höberen kulturellen Entwickeluug in alleneuropäischen Ländern sich seiner Aufgabe notwendigerweise vonJahr zu Jahr weniger gewachsen zeigen muß,weil durch die V e r s k l a v u n g d e S r u s s i s ch e n V o l k e S auchseine militärische Macht immer mehr hcruntergsbracht wird.(Sehrrichtig I bei den Sozialdemokraten.) Nur so erklärt sich, daß dasverhältnismäßig kleine und erst neuerdings in die moderne Kultur-entWickelung eingetretene Japan das russische Heer trotz geringererZahl und aller mandfchurischen Schwierigkeiten niederringen konnte.Es hat eine Zett gegeben, wo dos russische Heer der allgemeinenKullurhöhe bester angepaßt war— die Zeit Suworoffs—aber das ist längst vorbei.Gestern hat der Abg. v. Putlitz, mit dem ich mich sonst nichtbeschäftige, für den ich bei seiner Harmlosigkeit das größte Wohl-wollen habe i Große Heiterkeit), geglaubt, für das monarchischeSystem eine Lanze brechen zu können. Er hat angedeutet, daß innicht monarchischen Ländern die größte Korruption bestehe. Ja.Herr Abg. GanS Edler Herr zu Putlitz, kennen Sie Rußland?(Große Heiterkeit.) Rußland ist doch das staatliche Ideal der Kon-fervativc», Ocrtels und Oldenburgs. Es gibt kein europäischesLand, wo das monarchische System in jeder Beziehungseine segensreichen Wirkungen auf Kultur. Zivilisation und Volks-kraft so sehr hat ausüben können wie in Rußland, aber nirgendsin der Welt gibt es eine so fürchterliche Korr uvtion, unddas nicht nur unter deni modernen Großkapitalismus, sondern schonunter der Naturalwirtschaft, unter Nikolaus I., der der» u s-ländische Götze der preußischen Konservativenwar und der gesagt hat:.In Rußland stiehlt allesaußer mir!" i Große Heiterkeit.) Nikolaus II. kann diesesWort seines Ahnen mit vollem Fug und Recht wiederholen ichglaube, das einzige, was ich dem russischen Zaren an Gutem nach-sagen kann, ist, daß er nicht stiehlt.(Erneute stürmische Heiterkeit.—Präsident K a e m p f fordert den Redner unter der stürmischenHeiterkeit des Hauses auf, doch keine Beleidigungen gegenSouveräne und Herrscher vorzubringen.) Als die transsibirische Bahngebaut wurde, ist der eine Schienenstrang gestohlenworden(Große Heiterkeit), und alle Augenblicke werden, wenn manso sagen darf, ähnliche Entgleisungen russischer Thronstützen bekannt.Besonders charakteristisch ist, daß auffälligerweise sehr vielerussische Obersten und N e g i n, e n t s k o ni in a n d e u r esich mit aller Kraft gegen die Beförderung zum General undBrigadekominandeur gesträubt haben. Mau würde da an einehervorragende llneigcnnützigkeit der russischen Obersten denkeir.Schließlich hat man die Erklärung gefunden: ein russischerRegimentskominandeur hat nämlich die Gelder des Regimentszu verwalten, er kann als Oberst viel mehr st e h l e n,denn als General, daher die Abneigung gegen die Beförderung.(Stürmische, allgemeine Heiterkeit.) Die Korruption in demmonarchischen Rußland hat also derartige Dimensionen angenomnien,daß sie zweifellos die Schlagfertigkeit des russischen Heeres, die diedeutsche HeercSvorlage mit begründen soll, gewaltig vermindert. Wirmüssen das anführen, weil die angebliche Gefahr eines russischenAngriffs von den Freunden dcr Borlage in ganz ungebührlicherWeise ausgeschlachtet worden ist.(Lebhafte Zustimmung bei denSozialdemokraten.)Es liegen also in den gegenwärtigen Umständen keinerleiGründe für diese Heeresvorlage vor. Es hat sich wirz-lich in dem KräfieverhällniS in Europa in letzter Zeit nichts ge-ändert, und wo sich etwas geändert hat, ist diese Aenderung sogarzu unseren G u n st e n. Darauf komnit es an, das werden wirdem Volke beweisen durch all die Tatsachen, auf die ich bei derkurzen Zeit(Heiterkeit rechts)— ich halte es ja leider nicht so langeaus wie mein Freund N 0 S i e(Erneute Heiterkeit)— gar nicht erschöpfend hinweisen kann. Wir bestreiten natürlich nicht, daß leiderheute noch Kriegsmöglichkeiten bestehen. Wie wir sie aus der Welt fchaffenwollen, haben wir ja hinreichend gesagt. Wir wollen einerseits daraufhinwirken, daß durch einefriedliche kulturelle, auswärtige und innere deutsche Politikdie Kriegsmöglichkeiten wenn nicht völlig beseitigt, so doch erheblichgeschwächt werden. Wenn überhaupt noch Kriegsgefahr besteht, soliegt das zum guten Teil daran, daß der Reichskanzler und seineHelfer in der auswärtigen Politik es nicht verstanden haben, dieBefürchtungen im Ausland zu beseitigen, daß einmal eindeutscher Angriff erfolgen könnte. Durch das Treibenunserer Kriegshetzer, der Keimlinge(Heiterkeit) ist eine ganzeAnzahl unserer Nachbarstaaten in Unruhe versetzt worden.Gegenüber den belgischen Befürchtungen in dieser Richtunghat die Regierung zwar erklärt, sie erkenne die NeutralitätBelgiens au, aber sie hat sich doch nicht dazu aufschwingen können,in der Ocffentlichkcit insbesondere Belgien gegenüber sich>0 ein-wandfrei auszudrücken, daß ein für allemal in Belgien derartigeBefürchtungen zerstört wurden. Und weiter kann Deutschland da-durch die Kriegsgefahr erheblich abschwächen, daß Preußen seineUnterdrückungSpolitik gegenüber den fremdsprachlichen Volks-beftandtcilen, den Polen und Dänen gegenüber aufgibt.Durch die bisherige preußische Polenpolitil wird eine künst-liche Erbitterung erzeugt bei, den Polen auch in O e st e r-reich und Rußland. Diese niedrig geschätzt 12 MillionenPolen außerhalb Deutschland« sind doch ein nicht zu unterschätzendesMoment.Auf diese Weise treibt die deutsche Regierung die Polen geradezuin die Gefolgschaft des russischen Zaren. Mit dieserverbrecherischen Politik der Nnterdrückuug fremdsprachlicher Völkermuß gebrochen werden. Wir vertreten den Grundsatz der Natio-nalitäten-Toleranz(Bravo! bei den Sozialdemokraten.)nach dem Beispiel der Schweiz. Würde diese Politik bei uns be-trieben, das würde sofort die Wirkung haben, daß alle unter-drückten Nationalitäten in Nußland, nicht nur die Polen, auchdie Letten, Finnen, Nuthenen usw. die Hoffnung schöpfenkönnten, entweder außerhalb oder innerhalb des russischen Reiches ihreSelbständiglett zu erlangen. Unter solchen Umständen würden esder russische Zar und seine Helfershelfer nicht im entferntesten mehrwagen können, etwa mir Frankreich zusammen einen Angriffgegen Deutschland zu unternehmen(Sehr richtig! bei denSozialdemokraten), weil man sich sonst dcr Gefahr aussetzt, die jetztdie Türkei zugrunde gerichtet hat. daß sich große Bestandteiledes Reiches gegen den Zaren erheben. So könüten wir durchunsere innere Politik eine vollständige Umwälzung in den Macht-Verhältnissen in Europa herbeiführen.Folgt O e st e rr c i ch, daS ja eine solche Politik notgedrungentreiben muß, unserem Beispiel, dann ist die Zeit des russischen Ab-solutiSmus vorbei. Das russische Jnduslrieproletariat ist ja aucbbereits so weit in seinem Smanzipaiionskampf fortgeschritten, daßeS nach dem japanischen Krieg den russischen Thron ins Wankenbringen konnte. Wenn Rußland irnrklich einen Weltkrieg versuchen wollte, so würde auch das russische Proletariat, vielleicht inBuiOesgenossenschafl mit dem Proletariat der anderen unterjochtenVölker, sich gegen den Zarismus erheben. Mit oll diesenMöglichkeiten hat man zu rechnen. Deutschland gegen jedwederussische Gefahr zu sichern, das wäre die Aufgabe einer weit-ausschauenden deutschen auswärtigen und inneren Politik. Herrv. Bethmann Holl weg und seine Gehilfen sind natürlich fürsolche Erwägungen vollkommen unzugänglich. Wenn wir vonunserem Standpunkt aus eine derartige Aenderung der deutschenPolitik verlangen, so haben wir natürlich auch eine eigene Militär-relorm ins Auge gefaßt, deren Durchführung Deutschland gegenalle Angriffe besser sichern könnte, als irgend eine Heeresvermehrung.DaS istdie allgemeine Volksbewaffnung, daS Milizsystem.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Aber die Regierung unddie Parteien, die sie unterstützen, wollen dies System nicht, weil sieda« Heer gebrauchen wollen gegen die Sozialdemokratieund zu ErobcrungSzwccken nach außen. Mit der Miliz läßt sichnatürlich ein Eroberungskrieg nicht führen, aber in der Defensivewäre ein solches Volk absolut unüberwindlich.(Sehr wahr I beiden Sozialdemokraten.) Unsere Anträge auf Verkürzungder Dienstzeit haben den ausgesprochenen Zweck, diesSystem allmählich vorzubereiten. Wir wollen Deutschland auch nicktvoiübergehend etwa wehrunsähig machen oder geschwächt machen,deshalb schlagen wir zunächst die einjährige D i e n st z e i t vorund haben auch dafür einen Termin in Aussicht genominen, so daßein Uebergang vom gegenwärtigen Zustand ermöglicht ist.Nun noch einige Worte zu der vorhergegangenen Debatte.Mein Freund L i e b k n e ch 1 hat bei früherer Gelegenheit be-kanntliw den direkten Beweis dafür erbracht, einen wie bedenk-lichen Umfang die K 0 r r u p t i 0 n s e r s ch e i n u n g bei denMilitärlieserungen genommen hat. Es ist ja erklärlich, daßwo fo kolossale Summen verdient werden können, wie beider HecreSlieferung. die Lieferanten alle Möglichkeiten auSzukundensuchen, wie sie ihre Ware am besten unterbringen können. So habensie ein ähnliches Spionagesystem ausgebildet, wie die Kriegsmächteuntereinander. Die Ausführungen meines Freundes NoSle über diesonderbare Alimentierung der Personen, die von der Hecresver-waltung zur Abnahme von Lieferungen bestellt find� durch dieFirma Krupp, hat General Wandel nicht zu entkräften ver-mocht. Ob Offiziere oder Beamte im Offiziersrang dabei in Be-tracht kommen, ist ja ganz gleichgültig. Ueberraschend war seineMitteilung, die Heeresverwaltung habe nichts davon gewußt.Was ist das für ein ahnungsloser Engel?(Heiterkeit.) Wenn diedeutsche Heeresverwaltung, trotzdem die Sache seit langer Zeit spielt,davon gar nichts bemerkt hat, daß verschiedene dieser Herren mitjährlichen Zuwendungen von mehreren tausend Mark alimentieriworden sind, dann begreife ich vollkommen, daß die Heeres-Verwaltung sich von diesen Lieferanten nach allen Richtungenüber den Löffel barbieren läßt(Sehr wahr!bei den Sozialdemokraten), und daß, als die ersten Ent-hiilliingcn darüber gemacht wurden, der Kriegsminffter es so-gar fertig brachte, ein großes Loblied aus die FirmaKrupp zu singen. Wir bedauern auf das lebhafteste, daß damalsunser Antrag, eine Unlersuchungskommission mit dem Recht zeugen-eidlicher Vernehmung einzusetzen, nicht angenommen wurde. Nurso wäre es möglich, die Korruption vollständig aufzudecken. Die Gefahr,daß ein Fall Redl auch im deutschen Heere vorkommen könnte,gehört zweifellos nicht zu den Unmöglichkeiten. Die andereEnthüllung, die damals mein Freund Liebknecht machte, fft gar nichtgenügend beachtet worden, die dahin ging, daß unsere Waffen-lieferanten im intimsten Geschästskonnex stehenmit auswärtigen Heereslieferanten, und daß alleGeheimnisse, welche die Handlanger der Firma Krupp und deranderen großen Waffenlieferanten hier ausbaldowern, den fremdenHeereslieferanten kontraktlich zur Verfügung stehen. Dazu gehörenzum Beispiel auch Zeichnungen und Dimensionstabellen,also Geschäftsgeheimnisse, auf deren Geheimhaltung die Heeres-Verwaltung von ihrem Standpunkt aus mit vollem Recht großenWerl legt. Hier hüllt sich die Heeresverwaltung in den Mantel ver-traulicher Mitteilungen über Dinge, die wahrscheinlich im Auslandlängst bekannt geworden sind.(Zuruf bei den Soz.: Wo bleibt dieUntersuchung?) Ja, das niuß man den Kriegsminister fragen. Ichhoffe, daß er seiner zündenden Ansprache von heule(Heilerkeit) nocheine kurze Ergänzung geben und sagen wird, wie es mit der Unter-suchung dieser Sache bestellt ist. Gerade angesichts der Tatsache,daß hierMilliarde» den Waffenlieferanten in den Rachen gestopftwerden sollen, hat man das Recht zu fragen: Wie weit ist denndie Heeresverwaltung eigentlich mit ihren Bemühungen, diesenAugiasstall auszumisten?(Präsident Kaempf be«mangelt unter großer Heiterkeit diesen Ausdruck.)Ich wende mich dann zum Staatssekretär Delbrück. Er batversucht, die Rechte deS Reichstags zu beeinträchtigen.(Sehr wahr!bei den Sozialdemokraten.) Mein Freund N 0 S k e hatte auf die un«leugbare Tatsache hingewiesen, daß in dem nämlichen Augenblick,wo das deutsche Volk und dadurch auch das preußische ungeheureOpfer bringen sollen, dem preußischen Volke das gleiche poli-tische Wahlrecht vorenthalten wird und hat gefragt: Wo bleibtdie Gegenleistung für diese ungeheuren Opfer? Wo bleibt daS u n-e i n g e l ö st gebliebene K ö n i g s Iv 0 r t?(Glocke des Präsi»denlen. große Unruhe bei den Sozialdemokraten.)Präsident Kaempf: Wegen dieser Acußerung ist bereits einOrdnungsruf erteilt worden; ich bitte sie nicht zu wieder»holen!(Unruhe bei den Sozialdemokraten.)Abg. Ledcbour(fortfahrend):Ich war genötigt, auf die Tatsache hinzuweisen, weil sonstmeine Polemik gegen den Staatssekretär unverständlich wäre.(Präsident Kaempf: Ich bitte trotzdem, die Aeutzerung zuunterlassen!— Erneute große Unruhe bei den Sozialdemd-kraten, Zurufe: Redefreiheit!) Es ist ja auch gar nicht mehrnötig, weil jedermann innerhalb und außerhalb dieses Hauses dieTatsache bekannt ist.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ichverlese jetzt das Äönigswort und Sie werden ja wissen, ob es ein-gelöst worden ist oder nicht. Das Äönigswort lautet:„Es ist mein Wille, daß die Vorschriften über daS Wahlrecht zum Hause der Abgeordneten eine organische Fortcntwickc-lung erfahren, welche der wirtschaftlichen Entwickelung, � derAusbreitung der Bildung und des politischen Verständnisses sowieder Erstartung des staatlichen Verantwortlich-teitSgcfühls entspricht.(Hört! hört! bei den Sozialdemo-kraten.) Ich erblicke darin eine der wichtig st en Auf-gaben der Gegenwart."(Erneutes lebhaftes Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Istdiese wichtigste Aufgabe der Gegenwart erfüllt?(Zurufe: Nein!nein! bei den Sozialdemokraten.) Zwei- Jahre daraus ist eineVorlage eingebracht worden. Das war doch nur der Ansangder Erfüllung(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten), ganz abge-sehen davon, daß sie den bescheidensten Ansprüchen nicht einmalentsprochen hat. Aber selbst diese bescheidene Vortage ist ja nichtdurchgeführt worden; der Landtag hat sie abgelehnt.(Zurufrechts; Na also!) Aber was hat dann der König und washaben scene Ratgeber getan?(Zurufe bei den Sozialdemo-kraten: Nichts!) Man sollte meinen, wenn eine Regierung, einKönig, irgendeine Reform für die wichtigste Aufgabe der Gegenwarthält, dann dürften sie sich nicht damit begnügen, die Vorlage ein-mal einzubringen, und wenn sie dann abgelehnt wird, einfach dieHände in die Hosentaschen zu stecken. Das ist nicht die Art,wie ein Mann zu seinem Wort steht, die wichtigsteAufgabe der Gegenwart zu erfüllen.(Lebhafte Zustimmung beiden Sozialdemokraten.) Das preußische und das deutsche Volkwartet noch immer auf die Erfüllung dieser wichtigsten Aufgabe,und es wäre sehr töricht, wenn eS darauf warten wollte, bisdie Herren, die das Versprechen gegeben haben, sich cm die Er-füllung heranmachen.Sie muß erzwungen werden!(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Das preußische Volkhat die Waffen dazu in der Hand. Es braucht nur danach zugreifen. Es braucht nur dem Beispiel zu folgen, das unsere bel-gischen Genoffcn gegeben haben» eS braucht nur zum politischenMaffenstreik zu greifen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten,Hört! hört! rechts.) Wir haben bei den Reichstagswahlen AV, Mil-lionen sozialdemokratischer Wähler gehabt, darunter sind etwa2H Millionen Preußen. Seien Sie versichert: Diese Waffedes wirtschaftlichen Kampfes, wenn sie zu politischenZwecken von einem zum Aeußersten getriebenen Volke ergriffenwird, verfehlt niemals ihre Wirkung.(Sehr wahr!bei den Sozialdemokraten.) Und wenn nicht bald die Herren, diedas Versprechen gegeben haben, zu der Einsicht kommen, daß sie esernstlich durchführen müssen, und zwar in einer besseren, gründ-lichcren, der kulturellen Entwickelung des preußischen Volkes ent-sprechenderen Weise als die kleinliche Vorlage, die sie damalsgemacht haben(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten), dann hasseund wünsche ich, und mit mir alle meine Parteigenossen, daßgelingen wird, auf dem Wege, den ich angedeutet habe, die Regie-rung und die herrschenden Klaffen in Preußen zu diesem 3U"gcständnis zu zwingen.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemo-kraten, Zuruf rechts; MUitärvorlage!) Jawohl, ich weise ger-U>-darauf hin. daß in derselben Zeit, wo die Regierung dem Voltedie kolossalen Opfer zumutet, das preußische Volk noch im Z u-st and der Unmündigkeit gehalten wird durch das elendesteund widersinnigste Wahlsystem, wie es selbst Ihr Heros deS Jahrhunderts bezeichnet hat.Staatssekretär Delbrück meinte, diese Frage gehöre garnicht hierher. Sie gehört sehr wohl hierher, denn die deut)cheReichsverfaffunfj verlangt dem Sinne nach gleichartige Per.fassungen in Deutschland. Ich verweise auch aus d,eTatsache, daß vor gar nicht langer Zeit im preußischen Abgeoro-netenhause ein konservativer Abgeordneter verlangt hat, es mögeein Druck aus die preußische Regierung ausgeübt werden, damitsie Preußens Vertretung im Bundesrat in einem bestimmtenSinne instruiere. Ich holte daS für durchaus gerechtfertigt nachmeiner staatsrechtlichen Auffassung. Aber um so viel mehr hatdann auch der Deutsche Reichstag ein Interesse, daraus hinzu-wirken, daß nicht Landtage bestehen, die in durchaus reaktio»närem, volksfeindlichem Sinne zusammengesetztsind auf Grund eines Wahlreglements, da» in direktem Wider-