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DieVolkspensionierung". Das eigentliche Prinzip dieses Gesetzes das gesamte Volk in die Jnvaliditärs- und Altersversicherung hin- einzubeziehen, haben wir bereits bei Erscheinen der ÄommissionS- Vorlage als einen Fortschritt begrüht. Allein die Ausführung selbst die Details des jetzt vorliegenden Gesetzes, sind vom sozialdemokra- tischen Standpunkt aus gesehen, so minderwertig, daß eine recht« Freude über dieses Gesetz nur bei demjenigen aufkommen kann. der eine grundsatzlose Konjunkturpolitik der sozialdemokra- tischen Arbeiterpolitik vorzieht. Dabei übersehen wir ganz die festgelegte Rentenhöhe, die im Durchschnitt noch ganz be- deutend unter den deutschen Invalidenrenten zurückbleiben wird, weil jegliche eigene Einnahme des Rentenbeziehers in Abzug ge- bracht wird, sobald sie mehr als oll Kronen jährlich beträgt. Aber das ist keineswegs das Entscheidende. Niedrige Renten sind nun einmal anscheinend unvermeidlich im Bereich der kapitalistischen Sozialpolitik, nicht bloß in Schweden , sondern auch anderswo. Aber die schwedische Versicherung gibt dem, der hat; wer höhere Beiträge zahlt infolge höheren Einkommens, bekommt nicht nur absolur, sondern absolut und relativ einen erhöhten Staatszuschuß. Der Unternehmer wird von dem Beitragsanteil für die bei ihm be- schäftigten Arbeiter vollständig befreit, auch nicht im Wege der Be- Neuerung wird er stärker zu dem Staatszuschuß herangezogen, denn dieser soll durch den Tabakkonsum der breiten Volksmassen und durch gesteigerten Erzexport gedeckt werden. Auch im Punkte Gemeindesteuer werden die Unternehmer nicht mehr, sondern infolge der Verbilligung der Armenlasten eher weniger zu leisten haben. Die Präzisierung des Jnvaliditätsbegriffs ist besonders reaktionär; nur dauernde volle Invalidität berechtigt zum Rentenbezug, sofern nicht die Altersgrenze von 67 Jahren erreicht ist. Die Weg- lassung des Heilverfahrens beseitigt aus diesem Gesetze das wichtigste Prinzip moderner Sozialversicherung: Die Erhaltung der Arbeitskraft. Allen diesen Unzulänglichkeiten des Gesetzes hat die so- zialdemokratische Partei als solche keinen Protest entgegen- zustellen vermocht. Auch das wisienschaftliche Organ der Partei, das eine Waffenschmiede sein und der Orientierung der Parteigenossen dienen soll, hat über diese Vorlage während oer ganzen heftigen Diskussion draußen in der Partei keine Zeil« veröffentlicht. Erst als nichts mehr zu ändern, als die Annahme der Vorlage im Reichs- tage gesichert war, dann erst wurde ein, übrigens lesenswerter. Aufsatz Steffens veröffentlicht, der jedoch keineswegs ein Gegner der Vorlage war, sondern ihre vorläufige Annahme mit späterer Re- Vision verfocht. So stehen wir vor der beschämenden Tatsache, daß die schwedische Sozialversicherung mit voller Verantwortung der Sozialdemokratie eingeleitet wurde, ohne, daß die Partei selbst anders als durch die Fraktion zu der für die Arbeiterklasse so »richtigen Frage eine entscheidende Stellung nehmen konnte. Niemand kann und darf der Fraktion einen Vorwurf daraus machen, daß sie nicht mehr erreicht hat. In dieser Hinsicht ist auch sie von der politischen Konstellation abhängig. Aber daß sie zugunsten einer liberal-konservativen Ge- setzgebungsaktion auf die Verfechtung der klaren Forderungen mo- derncr Sozialversicherung verzichtet hat, wird, befürchten wir, der schwedischen Arbeiterklasse noch manche unangenehme Situation bringen. Wie wird man beispielsweise bei der späteren Lösung der Krankenversichcrungsfrage die Beitragspflicht der Unternehmer be- gründen, nachdem im Zentralorgan der Partei die Zahluncjsun- fähigkeit der kleinen Unternehmer und der Kleinbauern anläßlich der Invalidenversicherung in so herzzerreißender Weise dargestellt worden ist? Von manchen anderen Blößen, die man sich zum Schaden künftiger Stellungnahme gegeben hat, ganz zu schweigen. So bildet diese erste größere sozialpolitische Arbeit des schwedischen Reichstages kein Ruhmesblatt. Das Gesetz hat ein« selten große Mehrheit in beiden Kammern gefunden, den liberalen und insbesondere konservativen Einfluß auf seine Gestal- tung sieht man ja auch auf den ersten Blick; der Einfluß der Sozial- demokratie äußert sich �aber nur in einer Detailfrage der Ausfüh- rungsbestimmungen. Sonst wird man vergeblich nach Grundsätzen in diesem Gesetze suchen, die in der sozialdemokratischen Arbeiterpartei entstanden sein könnten. Ein Flickwerk des bürgerlichen Mischmasches, dem die Mehrheit der sozialdemokratischen Abgeordneten ihre Stimme gegeben und auf das der Vorsitzende der Partei als Kommissionsmitglied bereits festgelegt war, bevor die Partei dazu Stellung nehmen konnte. Die übrige Tätigkeit der diesjährigen ReichStägstagung hat der Arbeiterschaft positive Resultate von größerer Tragweite nicht ge- bracht. Einer geringen Herabsetzung der Leder- und Zuckerzölle steht die Ablehnung der Beseitigung deS kleinen ZuchthauSgesetzes gegen Streiksünder gegenüber. In der Frage der Gemeindever- fassung kam man nur zur Verlegung der alljährlichen Wahlen auf einen gemeinsamen Tag. Das Expropriationsrecht auf Grund vle Kuntt des Keglerens. Auch ein JubiläuniSartiiel von Friedrich II. , König von Preußen. Der Fürst ist nichts anderes als der erste Diener des Staates, und ist verbunden, mit aller Rechenschaft, Weisheit und Uneigen- nützigkeit zu verfahren, als wen» er jeden Augenblick seinen Mit« bürgern Rechenschaft ablegen sollte. So ist er strafwürdig, wenn er da? Geld feines Volkes, welches durch die Steuern einkommt, in Aufwand und Pomp verschwendet. « Die Monarchen sollten bedenken, daß Ehrsucht und eitle Ruhm« begierde Laster sind, die man an einem Privatmann mit Strenge ahndet und die man immer bei einem Fürsten verabscheut. » Die Einbildung der Geistlichen von einem unmittelbar göttlichen Beruf ist ebenso ungereimt wie da? Borgehen, womit man Souveränen schmeichelt, daß sie das Ebenbild Gottes auf Erden seien. Ich liebe nicht, daß man die Könige die Abbilder Gottes auf Erden nenne; sie stehen zu tief unter ihm, als daß ein Vergleich mit der göttlichen Majestät möglich wäre. » Die meisten Fürsten haben eine sonderbare Leidenschaft für ihre Stammbäume. Diese Art von Eitelkeit geht so weit, daß sie sich auf ihre frühesten Vorfahren etwas einbilden, und macht, daß sie sich nicht nur für den Ruf ihrer Ahnen in gerader Linie, fondenr sogar auch für die ihrer Seitenverwandten interessieren. Wenn man die Auf- richtigkeit hat, ihnen zu sagen, daß unter ihren Vorfahren sehr un- tugendhafte und folglich verächtliche Menschen gewesen find, so fügt man ihnen eine Beleidigung zu. die sie nie verzeihen. Wenn man behauptet, daß fünfzig, sechzig Ahnen alle die rechtschaffensten Leute der Welt gewesen sind, so will man die Tugend auf eine einzige Familie einschränken und fügt dem menschlichen Geschlechte also eine große Beleidigung zu. * Ich habe mich über alle Vorurteile hinweggesetzt und Fürsten , Könige und Anverwandte wie gewöhnliche Menschen betrachtet. Weit davon entfernt, sich durch die Macht blenden zu lassen und meine Ahnen abgöttisch zu verehren, habe ich das Laster an ihnen kühn getadelt, weil auf dem Throne keine Freistatt finden muß. Ich habe die Tugend allenthalben gelobt, wo ich sie antraf, und mich sogar gegen den Enthusiasmus, den sie erregt, gesichert, damit ein« fache und reine Wahrheit in dieser Geschichte herrsche. » Die Fürsten sollen sich mit nichts beschäftigen, als mit dem Nachdenken über ihre eigene Belehrung und über die Regierung und Boden für Versammlungshäuser wurde abgelehnt, weil eben nur die Arbeiterklasse davon Vorteile gehabt hätte. Unsere Fraktion wurde mit allen Antrögen in diesen Fragen abgewiesen. Dasselbe Schicksal traf sie hinsichtlich ihrer Anträge auf Untersuchung der Frage des gesetzlichen Minimallohries, was an sich kein Schaden ist, weil ein Gesetz, das zum Vorteil der Arbeiter in dieser Frage ge- reichen könnte, kaum zu erwarten wäre. Auch der Versuch deS sozialdemokratischen Abgeordneten Steffen, die Einwanderung pol- nischer resp. galizischer Wanderarbeiter zu verhindern, mißlang. Wie die diesbezügliche Aktion mit den Beschlüssen des internatio- nalen Arbeiterkongresses zu Stuttgart in Einklang zu bringen ist, erscheint uns schwer verständlich. Alles in allem eine arbeitsreiche Tagung, aber leider kann im Arbeiterlager niemand rechte Freude über das Resultat empfinden. Die Annäherung zwischen Liberalen und Konservativen ist zwar noch nicht komplett, aber daß sie auf dem Marsche ist, darüber läßt das Gesamtergebnis der Tagung kaum Zweifel aufkommen. poUtilcbe Clebcrlicht. Das Preußische Abgeordnetenhaus wählte in seiner zweiten Sitzung am Sonnabendvormittag sein Präsidium. Durch Zuruf und ohne Widerspruch wurden die drei bisherigen Präsidenten wiedergewählt: Graf v. Schwerin -Löwitz(k.) zum Präsidenten, die Abgg. Dr. Porsch(Z.) und Dr. Krause(natl.) zu Vizepräsidenten. In seiner Dankrede erbat der Präsident die Unterstützung des Hauses zur Erledigung der Geschäfte und die Unterstützung aller Abgeordneten zur Aufrechterhaltung der Würde der Verhandlungen. Er kündigste strengste und unbedingteste Unparteilichkeit an. Tie beiden Vizepräsidenten dankten ganz kurz. Zu Schriftführern wurden drei Konservative, ein Freikonservativer, ein Zentrumsmann und je ein Nationalliberaler und Fortschrittler gewählt. Der Frei- konservative Abg. v. Zedlitz nahm sofort die Funktionen desOberpräsidenten " in die Hand, indem eranregte", daß nicht nur die drei Präsidenten, sondern der ganze Vor- stand dem Kaiser die Glückwünsche des Dreiklassenhauses aussprechen sollen. Als der Präsident am Schlüsse mitteilte, daß am Dienstagvormittag eine gemeinsame Sitzung beider Häuser des Landtags zur Entgegennahme einer aller- höchsten Botschaft stattfinden werde, rief Genosse H o f f m a n n dazwischen:Aha, das neue Wahl- recht!" So nahm die Eröffnungssitzung, in der der Prä- sident unter allgemeinem Beifall dem Alterspräsidenten von Stronibeck gedankt hatte, einen recht harmonischen Verlauf: Das Wahlrecht blieb trotz aller Bemühungen �nicht un- erwähnt, und der es erwähnte, war natürlich ein Sozial- demokrat!_ Das Steuerkompromiß. Wie dieGermania" tritt auch dieKöln . Volksztg." mit Feuereifer für das Steuerkompromiß auf der Basis der Vermögens. zuwachssteuer ein. Auch sie gesteht zu. daß das Zentrum nur aus Furcht vor der Sozialdemokratie für das Kompromiß eintritt und redet den Konservativen zu. sich gleichfalls anzuschließen, um die Annahme der Erbschaftssteuer durch Sozialdemokratie und Libera- lismus zu verhindern, die sonst unvermeidbar wäre. Das Jen- trumsblatt sagt aber dazu auch mit aller Offenherzigkeit, daß die Nationalliberalen es gar nicht nötig hätten, auf den Zentrumsleim zu kriechen. Es schreibt nämlich: Es liegen also zwei Möglichkeiten vor: Tie Mög- lichkeit, daß die Linke unter Führung der Sozialdemo- kra ti e und unter ihrem Druck eine E r b a n f a l l st e u e r beschließt, so radikal und so drückend, daß sie die Nationallibe- ralen nur unter dem Druck der Linken eben noch, wenn auch Ividertvillig, mitmachen können, oder aber und das ist die andere Möglichkeit die bürgerlichen Parteien einigen sich auch auf eine Art der Besteuerung des Erbes, die durch gemein» sc m e Arbeit aller bürgerlichen Parteien entstanden ist, alle unnötigen Härten vermeidet und nicht an die Grenze der VermögcnskonfiSkation herangeht. Bei einer Erb- schaftssteuer, beschlossen von der Linken unter Führung der So- zialdemokraten, hätten die Gegner der Erbschaftssteuer wenig oder gar nichts zu bessern. Bei der zweiten Möglichkeit bleibt ihrer Völker, um sich desto mehr Kenntnisse zu erwerben, um sich ein desto richtigeres Bild von dem ihnen anvertrauten größten und wichtigsten ihrer Aemter zu entwerfen und demselben gemäß zu handeln. * Sehet hier den Irrtum der meisten Fürsten : Ihrer Meinung nach hat Gott , bloß aus ganz besonderer Sorgfalt für ihre Größe, für i h r Glück und für ihren Stolz diese Menge Menschen ge- schaffen, deren Wohlfahrt ihnen anvertraut ist, und ihre Untertanen sind bloß zu Werkzeugen und Dienern ihrer zügellosen Leidenschaften bestimmt. Sobald der Grundsatz, von welchem man ausgeht, falsch ist, so können die Folgen nicht anders als bis ins Unendliche fehler« Haft sein: und daher entspringt dann dieser unmäßige Hang nacki falschem Ruhm, daher diese brennende Begierde, alles an sich zu reißen, daher die Härte der Steuern, womit das Volk belastet ist, daher die Trägheit der Fürsten , daher ihr Stolz, ihre Ungercchligleit, ihre Unmenschlichkeit, ihre Tyrannei und all jeneLaster, welche die menschliche Natur herabwürdigen I Wenn die Fürsten sich von diesen irrigen Ideen losmachten und bis zu dem Zwecke ihrer Einsetzung hinauf- steigen wollten, so würden sie sehen, daß ihr Rang, auf den sie so eifersüchtig sind, und ihre Erhebung das Werk der Völler sei, daß diese Tausende von Menschen, die ihnen unterworfen sind, sich keines- weg« zu Sklaven eines einzelnen hingegeben haben, um ihn furcht- barer und mächtiger zu machen, daß sie keineswegs einem Bürger unterworfen haben, um Märtyrer jciner Launen und Spielzeug feiner Einfälle zu fein. So lange ein König lebt, ist er der Abgott seine? Hofes; die Großen streuen ihm Weihrauch, die Dichter befingen ihn. das Volk fürchtet ihn, wenn man ihn auch nur wenig liebt. Ist er aber tot dann erscheint die Wahrheit, und oft rächt der Neid sich nur allzu streng für die abgeschmackten Lobeserhebungen, welche die Schmeichelei an einen König verschwendet. » Diejenigen, welche Staaten regieren sollen, muffen bor allem ihren Verstand üben. Dies ist aber noch nichl genug; wollen sie den Kampf mit dem Schicksal bestehen, so müssen sie sich auch darauf verstehen, ihr Temperament zu behertschen, um es den Um- ständen nach zu bilden. » Ein Souverän, mag er nun groß oder klein sein, muß als ein Mann angesehen werden, der die Bestimmung hat, dem menschlichen Elend, soviel als nur immer in seinen Kräften steht, abzuhelfen. Er ist die Not seiner Untertanen zu heilen berufen, wie der Arzt es ist. Kranke zu heilen. Die Stimme der Unglücklichen, das Seufzen der Elenden und das Geschrei der Unterdrückten muß bis zu seinem Ohr gelangen. Sowohl aus Mitleid gegen andere, als aus Betrachtung über sich selbst muß er von der traurigen Lage derer ge- rührt werden, deren Elend er sieht; und wenn sein Herz nur einiger- die Aussicht einer Verständigung auf mittlerer Linie offen. Wer nach einem alten Grundsatz der Politik stets das Mögliche zu erreichen sucht, wird sich leicht entscheiden. Wir sind überzeugt, daß die Zentrumsfraktion in dieser bedeu- tungsvollen Entscheidungsstunde alle Bedenken gewissenhaft ab- wägen und darum extremen Stimmen von dieser oder von jener Seite nur bedingten Einfluß gewähren wird. Die Entscheidung kann politisch folgenschwer werden." Das Zentrumsblatt selbst also sagt eS: die Nationalliberalen könnten die vernünftige und gute Besitzsteuer, die Erbanfall- steuer machen, wenn sie nur wollten. Statt dessen ziehen sie es vor, nach der Pfeife der Schiffer und Erzberger zu tanzen, dem Zentrum und den Konservativen die Niederlage zu ersparen und den Blauschwarzen aus der Sackgasse wieder heraus- zuhelfen. Und bei diesem politischen Geniestreich leisten die Herren Bassermann und Payer noch Assistenzl Man begreift da schon den Triumphgesang, den die Zentrumspresse anstimmt; solche Gegner sind die sichersten Bürgen der blauschwarzen Macht. Ter Kriegsschatz. In der Budgetkommission des Reichstags wurde am Sonnabend nach kurzer Debatle dieRegierugsvorlage angenommen unter gleichzeitiger Annahme eines Zentrumsantrages, der den Reichskanzler verpflichtet, daß dem Reichstage bei Befriedigung eines außerordentlichen Bedarfs auS dem Kriegsschatz Mitteilung zu machen ist. Auf Verlangen des Reichstags müssen die Maßregeln der Regierung wieder außer Kraft gesetzt werden. Zur preußischen Wahlrechtsfrage. DieMilitärpolitische Korrespondenz" meldet: .Ein Wahlreformgesetz wird dem neuen preußischen Landtage voraussichtlich auch nicht bei seiner kommenden Wintersesfion vor- gelegt werden, die mit einer feierlichen Thronrede eröffnet werden soll. Das hat jedoch nicht zu bedeuten, daß die preußische Regierung von einer Aenderung des preußischen Wahlrechts für absehbare Zeit überhaupt Abstand genommen hätte. ES besteht vielmehr die Abficht, den bereits 1910 unternommenen Versuch einer Verbesserung des geltenden WahlrechlS zu wiederholen. Nur ist bis jetzt über den Zeitpunkt, zu dem eine neue Vorlage ge- macht werden soll, keine feste Entscheidung getroffen." Wenn die Korrespondenz glaubt, mit dieser Meldung de- ruhigend zu wirken, so irrt sie sich. Die Abstimmung über die Kavallerie. Für den konservativen Antrag auf Bewilligung von acht Kavallerie-Regimentern zwei mehr, als die Regierung verlangt hatte stimmten 57 Abgeordnete, uns zwar Konservative und Reichspartei, ferner die Nationalliberalen Laser und Schwabach , die Zentrumsmitglieder Dr. Preuß und Sapletta, der Antisemit Rupp-Marburg und derWilde" Freiherr Heyl zu Herrnsheim. Der Stimme enthielten sich: Dr. Arendt lfk.), Gräfe-Sachsen (Antisemit), Löscher(fk.), Werner-Hersfeld(Antis.) und Bruhn (Antisemit). Der Rest der Antisemiten hat mit Nein gestimmt. Bei der Abstimmung über Wiederherstellung der gestrichenen drei Kavallerie-Regimenter stimmte nur das Zentrum gespalten. Es stimmten nämlich im Gegensatz zu ihren Fraktionskollegen mit I a: Dr. Bell, Birkenmayer. Chrhsant, Duffner, Faßbender, Fehrenbach, Graf Galen, Dr. Gerlach, G i e S b e r t s, Glowatzki, Herold, Dr. Hitze, Hubrich-Fallenberg, Frhr. v. Kerckcrinck zur Borg, Koßmann, KringS, Krix, Kuckhoff, Dr. Lender, Leser, Fürst Löwenstein, Dr. Marcour, Marx, Pauly(Cochem ), Dr. Pfeiffer. Dr. Pieper, Poppe, Graf Proschma, Dr. Preuß, Richter, Fürst Salm, Sapletta, v. Savigny , Schiffer, Schwarze-Lippstadt, Sittart, Dr. Spahn, Sperlich, Trimborn, Wallenborn , Wellstein, Dr. Werr, Dr. /Zehnter. Der Stimme enthalten haben sich die Fortschrittler: Ahlhorn, Bruckhoff, Dr. Heckscher, Dr. Kaempf, Dr. Kerschensteiner, Dr. v. Schulze-Gävernitz. Amnestie. Während in Preußen die erwartete Amnestie noch nicht vex- öffentlicht ist, kommen aus Gera und K o b u r g Meldungen über Amnestien. In Reuß erstreckt sich die Amnestie auf Gefängnis- strafen bis zur Höhe von sechs Wochen, Haft und Geldstrafen; aus Koburg wird mitgeteilt, daß sich der Gnadenerlaß auf Straf - maßen gefühlvoll ist, so werden die Unglücklichen alle Teilnahme bei ihm finden, deren sie bedürfen. « Die Mittel, einen Staat emporzubringen, sind das Pfand, welches der Weisheit eines Regenten anvertraut ist und womit er wuchern muß. daß eS ihm Nutzen bringe. Der sicherste Beweis, daß ein Land unter einer einsichtsvollen und glücklichen Regierung steht, ist, wenn Handel, Gewerbe, Künste und Wisienschaften in dessen Schöße blühen: dies sind Blumen, die nur in einem wohlgepflegten Boden und unter einem glücklichen Himmel gedeihen, die ober durck sengende Hitze oder durch den Hauch deS Nordwindes absterben. » Es finden sich falsöbe Staatsmänner, die in ihren beschränkten Begriffen glauben, daß es leichter sei, ein unwissendes und dummcs Volk, als eine gebildete Nation zu regieren. « Die rechte Wahl der Geschäftsmänner ist sicherlich die wichtigste Pflicht eines Fürsten. * Es hat Afterpolitiker gegeben, die, von dem engen Kreise ihrer Ideen begrenzt, und ohne die Sache bis auf den Grund durch- zusehen, geglaubt haben: eS sei leichter, ein unwissendes und st u p i d e S'V olk zu beherrschen, als ein aufgeklärtes. Wahrhaftig ein sehr bündiges Räsonnement, da die Erfahrung im Gegenteile beweist, daß ein Volk um so eigensinniger und hart- näckiger ist, je näher es noch an den tierischen Zustand grenzt. ES macht bei weitem mehr Schwierigkeit, den Starrsinn desselben zu besiegen, als ein Volk, daS Bildung genug hat, um Vernunft an- zunehmen, zu billigen Dingen zu überreden. Das wäre ein Herr- liches Land, worin die Talente ewig erstickt blieben, und worin nur ein einziger Mensch einen weniger begrenzten Geist hätte, als dir anderen! Ein solcher mit Ignoranten bevölkerter Staat gliche dem verschwundenen Paradiese in der Genesis, das nur von Tieren b« wohnt war. » Wenn man bis zu dem Ursprünge der Staaten hinauffteigl so ist es einleuchtend genug, daß der Regent schlechterdings kein Recht über die Meinungen der Bürger hat. Müßte man nicht wahnsinnig sein, wenn man sich vorstellen wollte. daß Menschen zu einem ihresgleichen gesagt hätten: wir erheben dich über uns, weil wir gern Sklaven sein wollen, und wir geben dir die Macht, unsere Gedanken nach deiner Willkür zu lenken! Sie haben vielmehr gesagt: wir bedürfen deiner, um die Gesetze aufrcchtzuhalten, denen wir gehorchen wollen; um weise regiert zu werden und um uns zu schützen. Uebrigens aber fordern wir von dir Achtung für unsere Freiheit. Dies ist das Verlangen der Völker, wogegen keine Einwendung stattfinden kann; und diese Toleranz ist selbst so verleilt für die Gesellschaften, wo sie eingeführt ist, daß sie das Glück des Staates bewirkt.