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ist mit seinem Antisemitismus, schön! dann sei er konsequent und beantrage rundweg den Ausschluß der Juden vom Militärdienst. iSehr gut! und Heiterkeit.) Da ich einmal das Wort ergriffen habe, will ich ein ernstes Wort an den Kriegsminister richten. Der Kriegsminister weiß so gut wie wir, wie schwer es ist. den nötigen Offiziersersatz zu verschaffen. Da sorge er dafür, daß end- lich die katholischen Familien ihre Söhne mit gutem Gewissen Offiziere werden lassen köimen, ohne fürchten zu müssen, daß sie dem den Geboten GotteS   und den Gesetzen des Staates wider- strebenden Duellzwang unterworfen werden.(Lebhaftes Bravo links und im Zentrum.) Mg.»ernstein(Soz.): Irgend ein genereller Vorwurf gegen irgend eine Gemeinschaft von Menschen, also auch gegen die Offiziere, liegt mir fern. Ich habe nur erklärt, daß auch die scharfe Auslese der Offiziere einen Aus- fluß unlauterer Elemente nicht garantiert. Der General  v. W r o ch e m muß doch durch Tatsachen zu seinem Artikel in der Täglichen Rundschau" veranlaßt worden sein. Wir wollen damit aufräumen, daß Leute nicht nur wegen militärischer oder moralischer Nichteignung vom Offizierskorps ausgeschlossen werden, sondern aus rückständigen Rasse- oder Konfessionsmotiven, wie es heute der Fall ist. Nicht im Namen irgend einer Religions- oder Stammesgemeinschaft, sondern grundsätzlich fordern wir das. In Schlesien   konnte ein Herr nicht Offizier werden, weil sein Bater nicht Sozialdemokrat, Jude oder Freidenker, sondern B a p t i st ist.(Hört I hört i bei den Sozialdemokraten.) Die im allgemeinen bürgerlichen Leben prinzipiell anerkannten Grundsätze müssen doch auch im Heer durchgeführt werden. Welche Korporation hat denn noch solche Rechte auf Auswahl ihrer Mitglieder wie das Offiziers« korps. Lehnen Sie unseren Antrag ab, so werden wir uns über- legen, ob wir nicht die Aufnahme seines Inhalts in die Wehr- ordnung beantragen werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo- kraten.) Mg. Heine(Soz.): Ich würbe dem Abg. Werner keine Antwort geben, wenn er mich nicht persönlich provoziert hätte. Es ist eine allbekannte Sache, daß ich als Student vor 30 Jahren in einem nationalen Studenten- verein gewesen bin; aber so, wie Herr Werner sich die deutsch  - nationale Zukunft vorstellt, haben weder ich noch meine damaligen Freunde sie uns gedacht. Wir haben ein sehr starkes nationales Empfinden gehabt, ich habe es noch heute, und gerade von diesem Standpunkt aus würde ich mich schämen, zusagen, daß hier Deutsche nur deutsch   bleiben können durch eine exorbitante Un- aerechtigkeit, UnWahrhaftigkeit und Gesetzwidrigkeit. In unseren Gesetzen ist die Gleichberechtigung aller Konfessionen festgesetzt, und wenn ich nichts weiter wäre als Jurist, müßte ich mich schämen, daß das Gesetz in dieser Weise bei jeder Gelegenheit mit Füßen getreten wird. Welche UnWahrhaftigkeit ist es, wenn es immer heißt, jeder geeignete Soldat könne ohne Rücksicht auf seine Konfession avancieren, wenn aber dann immer wieder erklärt wird, es fehle die Zustimmung der Herren Kameraden oder das Attest deS Obersten, obgleich der allerhöchste Kriegsherr auf dem Standpunkt stehe, daß alle Kon- fessionen gleich behandelt werden sollten. Zum Teufel, Herr Kriegsminister, wo bleibt denn Ihre Disziplin, Ihre Kommandogewalt und Ihre Autorität des allerhöchsten .Kriegsherrn, wenn Sie nicht durchsetzen können, daß seine Intentionen befolgt werden?(Sehr gut I links.) Dann setzen Sie doch einfach die Offizierkorps anders zusammen, das kann die Kommandogewalt tun, und machen Sie ein Ende mit der Verhöhnung des Gesetzes und mit der groben Auflehnung gegen die angeblichen Intentionen des Kriegsherrn. Ist es nicht die unwürdigste Ungesetzlichkeit und Unmannhaftigkeit. daß in der Armee eine solche Heuchelei herrscht.(Sehr wahr I links.) So liegen die Dinge, und ich als national empfindender Deutscher schäme mich einer derartigen Unwahrhastigkeit.(Sehr gut! links.) Herr Werner hat weiter davon gesprochen, daß mein Verstand mit dem Alter abgenommen hätte. Herr Werner, als ich damals mit wirk- lichen Antisemiten an einem Tische saß und in einem Klub verkehrte, hat es nicht vier Wochen gedauert, dann hat es mich so gegraut, daß ich aus Anstands- und Reinlichkeitsgefühl von der ganzen Geschichte mich ferngehalten habe, und so halte ich eS heute noch I(Lebhafter Beifall links.) Abg. Dr. Weruer-Gießen(Wirtsch. Vg.): Ich will dem Abg. Schöpflin nicht antworten, weil ich nicht auf das Niveau deS Dresdener   Parteitages hinabsteigen will.(Lachen bei den Sozialdemoftaten.) Der Abg. Heine will die Kommando- gewalt des Kaisers benutzen, um das Offizierkorps zu zwingen, toider seinen Willen jüdiscke Mitglieder zu dulden. Das ist sozial- demokratische Freiheit.(Heiterkeit links.) Der Abg. Erz- b e r g e r hat kein Recht, sich uns gegenüber als Zensor auf- zuspielen. Wenn alle Leute zu meiner Partei gehören würden, die Antisemiten sind, dann wäre unsere Partei die st ä r k st e deS Hauses.(Große Heiterkeit links. Vizepräsident D o v e ersucht den Redner, sich etwas mehr an die Tagesordnung zu halten.) Nirgends steht geschrieben, daß Juden Offiziere werden müssen.(Bravo  ! bei den Antisemiten.) Wg. Dr. Waldstein(Vp.): Wir sympathisieren selbstverständlich durchaus mit der Tendenz des sozialdemoftalischen Antrages. Es ist allerdings ein bellagens- wertes Zeichen mangelnder Stärke, daß die Militärverwaltung nicht imstande ist, dem Grundsatz der bürgerlichen Gleich- berechtigung innerhalb des Offizierkorps Achtung zu ver- schaffen.(Sehr wahr l links.) Weil wir jedoch, wie schon gestern ausgeführt worden ist, der Meinung sind, daß das Gesetz über die Friedenspräsenzstärke nicht mit dieser Materie belastet werden darf, so stimmen wir trotz unserer prinzipiellen Billigung gegen den Antrag. Dem Abg. Werner- Gießen kann ich nur wünschen, daß er noch viele Reden dieser Art halten möge. Der Sache der Gegner des Antisemitismus kann kein besserer Dien st er- wiesen werden.(Bravo l links.) Abg. Dr. Frank(Soz.): DaS Schreiben, das der Generalleutnant v. Wandel zur Verlesung gebracht hat, widerspricht in keiner Weise dem Telegramm, daS mein Freund Schöpflin verlesen hat.(Vizepräsident Dove: Die Debatte über den Militärboykott ist geschlosseu. Zuruf bei den Sozialdemokraten: Sie ist durch das Eingreifen des Generals v. Wandel wieder eröffnet worden I) Wenn das Militärverbot nur über die Lokale verhängt würde, die nur für sozialdemo- lratische Versammlungen zur Verfügung stehen, so gäbe es über- Haupt kein Militärverbot.(Sehr wahr I bei den Sozial- demokraten.) Damit schließt die Debatte. Der sozialdemokratische Antrag wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Polen   ab« gelehnt. Zum Artikel 1» fordert ein sozialdemokratischer An- trag: Die Mannschaften dürfen nicht verwendet werden 1. zu p o l i- zeilichen Zwecken im wirtschaftlichen oder politischen Kampf, 2. als Ersatz für streikende oder ausgesperrte Ar- beiter._. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.):. Wir haben im Laufe dieser Debatte zu verschiedenen Malen Gelegenheit genommen, darauf hinzuweisen, daß das Heer als das Instrument der herrschenden Klassen im wirt- schaftlichen und politischen Kampfe betrachtet wird. Es liegt durchaus in der Richtung dieser Anschauungsweise, daß Soldaten benutzt Iverden, um die Plätze streikender oder ausgesperrter Arbeiter ein- zunehmen. So hat m der Zeit, als er noch Regimentskommandeur war, der jetzige Abg. v. Liebert Soldaten zum Ersatz für streikende Bäckergesellen kommandiert �mit der Be­gründung, daß sonst ein« Hungersnot ausbräche.(Hört! hört! und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Weitere Einzelheiten über diese Seite unseres Antrages wird einer meiner Parteifreunde bor- bringen. Die Verwendung der Armee im politischen und wirtschaftlichen Kampfe speziell zur Verwendung der Arbeiterklasse hat bereits mein Freund L e n s ch bei der Behandlung des Gardethemas sestgestellt. Bekanntlich antwortete der Kriegsminister ziemlich ausführlich auf diese Rede, auf die Frage der Verwendung der Garde gegen den inneren Feind schwieg er sich wohlweislich aus. Daß eS sich hier aber nicht um blutrünstige Phantasien, sondern um bitteren Ernst handelt, beweisen die zahlreichen drohenden Worte, die der Inhaber der höchsten Kommandogewalt gebraucht hat. Schon 1389 erklärte er gegenüber einer Bergarbeiterdeputation:Beim geringsten Widerstand gegen die Behörden lasse ich alles über den Haufen schießen". (Stürmisches Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Zu dem Fürsten Hohenlohe äußerte er, laut der bekannten Angabe in dessen Memoiren, er werde Schießscharten im Schloß an- bringen lassen und dann abwarten, bis die Berliner   Bürger ihn selbst anflehen würden, sie von sozialdemokratischer Herrschaft und Plünderung zu befreien.(Heiterkeit bei den Sozialdemo- kraten.) In Potsdam   bei der Vereidigung der Rekruten hielt der Inhaber der höchsten Kommandogewalt die bekannte Rede, in der es heißt: Ihr seid meine Soldaten... Ihr habt ohne Murren meine Befehle zu vollziehen und, wenn es nötig ist, auf Eure Verwandten und Brüder zu schießen. (Lebhaftes Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Daß diese Gedankengänge keineswegs auf die eine Person des Kaisers beschränkt sind, dafür gibt es auch Beweise genug. So berichtet ein sehr wohlgesinnter Bismarckbiograph, Bis- marck habe den Kaiser u. a. auf die Gefahr aufmerksam gemacht, die darin liegt, daß laut Staatsverlrag die hamburgischen Truppen aus- schließlich sich aus Hamburg   rekrutieren. Dabei ist man dann auf die Möglichkeit eines Bürgerkrieges zu sprechen ge- kommen und der Kaiser soll erklärt haben, er habe keine Lust, wie sein Großvater den Namen eines Kartätschenprinzen zu erhalten. Bismarck   aber habe geantwortet: Ew. Majestät werden später noch weit tiefer im Blut waten müssen, wenn Sie jetzt nicht daran wolle».(Stürmisches Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wir sehen eine Kette solcher Reden bis auf den heutigen Tag, 1901 sprach der Kaiser zu den Soldaten des Alexander- Regiments, daß sie als seine Leibwache Tag und Nacht bereit stehen müßten, um für den König und sein Haus Leben und Blut in'die Schanze zu schlagen;wenn jemals wieder in dieser Stadt eine Zeit der Auflehnung kommen sollte, dann bin ich überzeugt, wird das Regiment Alexander alle Unbotmätzigkeit und Auflehnung des Volkes wider seinen kaiserlichen Herrn nachdrücklich in die Schranken zurückweisen!"(Hört! hört! bei den Sozialdemo- kraten.) Die Schießschartenkasrrne der Alexandriner ist in der Welt bekunnt geworden. 1909 dichtete irgendein wild- gewordener Kadett, indem er übrigens ein Plagiat beging: Wenn wieder nach einem roten Jahr Die Umsturzpartei eS gelüstet, Dann stehen wieder, wie es am roten Sonntag war, Auch wir Kadetten gerüstet. Wir schießen für unseren Kaiser I Große Heiterkeit links.) Hoffentlich hat der Dichter damals schon lange Hosen angehabt.(Heiterkeit.) Der Inhaber der Kommando- gewalt hat in Straßburg   vor nicht allzulanger Zeit erklärt, er werde die Verfassung von Elsaß-Lothringen   in Scherben 'ch lagen. Natürlich könnte das nur mit Hilfe des Militärs geschehen, darüber ist sich selbstverständlich auch der Inhaber der höchsten Kommandogewalt klar. ES ist also hier von höckster Kommandostelle aus die Verwendung der Armee in innerpolitischen Kämpfen angekündigt worden. Daß diese Reden aber nicht ver- einzelte Aeußerungen einer in mittelalterlichen Vor- Stellungen befangenen, mystischen Ideen an- hängenden Persönlichkeit sind, beweisen zahlreiche Aeußerungen ganz verwandter Art an den verschiedensten Stellen. Das bekannte Wort des Junkers v. Oldenburg« Januschau ist für uns von allergrößtem agitatorischen Wert ge- worden. Aber fast noch interessanter ist der Beifall, der diesem frechen skrupellosen Wort damals in diesem Hause gespendet wurde. Auf eine Umfrage eines Berliner   Magistratsrats, wie die Offiziere sich zu einem Befehl a la Oldenburg stellen würden, ant- worlete ein Offizier, daß er s e l b st v e r st ä n d l i ch b e r e i t sein werde, auf Befehl den Reichstag mit Waffengewalt auseinanderzujagen, und er fügte hinzu: Ich könnte mir gar nichts Angenehmeres denken, als einmal ordentlich in die Qnatfchlöppe rinpfeffern zu können." Hört l hört! links, Sehr gut! rechts.) Mit diesenOuatschköppen" ind Sie alle gemeint, meine Herren, und Sie sehen daraus, wie in militärischen Kreisen über den Reichstag geurteilt wird und mit welch grenzenlosem Hochmut man zu hochverräterischen Gewalttaten gegen den Reichstag bereit steht. DaS HerrenhauSmitglied v. Puttkamer   erklärte, daß bei der ftüher oder später doch eintretenden gewaltsamen Aus« «inandersetzuNg mit der Arbeiterklasse der Gegner vernichtet werden müsse, daß dieser Kamps mit äußerster Konsequenz zu führen sein werde, und dazu Nerven ganz anderer Art gehörten als die B i s m a r ck s in der Konfliktperiode. Am 16. d. M. hat wieder der General V.Deimling(Aha!-Rufe links) eine Kampfrede gegen alle destruktiven Elemente und Reichsfeinde gehalten und offensichtlich dabei in erster Linie an den Kampf gegen den inneren Feind gedacht. In dieses Kapitel gehört auch die rückhaltslose Billigung der alle modernen Menschen entrüstenden schmählichen Säbeldiktatur gegenüber dem ungarischen Parlament, die eine Schmach für den gesamten Parlamentarismus ist. Diese Presse billigt sowohl den Panamisten LukacS, als den vom ungarischen Volk bis aufs Blut gehaßten T i s z a. Nicht nur die reaktionären Parteien, sondern offenbar auch die Militärverwaltung denken an eine letzte Auseinandersetzung zwischen der Armee und dem auf st rebenden Volk. Der oberste Kriegsherr ist nicht müde geworden, die Armee als das icherfte Bollwerk des Reichs und seiner Herrlichkeit nach außen und nnen hinzustellten. 1907 erklärte dieKreuzzeitung  " den inneren Feind für gefährlicher als den äußere», weil er die Seele deS Volks vergifte unduns die Waffen aus der Hand winde, ehe wir ie noch erheben". Diese Auffassung entspricht der einer großen Partei dieses Hauses, und ich weiß nicht, ob diese hochpatriotische Aufsaffung nicht auch bei der Militärverwaltung weite Ver- breitung gefunden hat.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Vor einiger Zeit hat der Kriegsminister noch pathetisch a b g e- leugnet, daß unser Militär im wirtschaftlichen oder politischen Kampf benutzt werde. Als wir ihm den Ruhrftreik und M a n S f e l d ent- gegenhiellen, schränkte er sein« Worte dahin ein, daß daS Militär in diesen Streik? nur zur Aufrechterhaltung der äußerlichen Ordnung aufgeboten war. Aber am 17. d. M. hat sich der Kriegs» minister wieder in die große patriotische Phrase, mit der die Vorlage begründet wird, und als den Zweck der Armee die staals- erhaltende Tätigkeit im Sinn der preußrschen Reaktion erklärt, ver- tieft. Diese Worte sind nicht nur Theorie, ihnen entsprechen Taten ernstester Art. Die schlesischen Weberkrawalle von 1847 waren das erste Beispiel: 11 dieser ausgemergelten Proletarier wurden getötet, 24 verwundet. Im Ruhr streik von 1889 wurden 6 Arbeiter getötet und 9 verwundet. Beim Ruhrstreik von 1905 wurde das Militär in Bereitschaft ge- halten, das hat dem Streik die Signatur aufgedrückt. In M a n S- feld hat daS Militär im Oktober 1909 provokatorisch eingegriffen, ES wurden Maschinengewehre auf den Straßen aufgepflanzt, die Soldaten patrouillierten mit aufgepflanztem Bajonett und mit scharfen Patronen versehen herum, um bei der ersten Gelegenheit den um eine bessere Lebenshaltung kämpfenden Proletariern blaue Bohnen zum Sattwerden in de« Wanst hineinzuschieben.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten. Heiterkeit rechts.) Beim Rnhrstrerk 191? ist der MilitarrSmuS wieder in derselben rücksichtslosen, unerhörten Weise borgeaangeu. Ich habe selbst mit angesehen, wie das Militär dort gewirtschaftet hat. Auf dem Weg von Dortmund   nach Lüttgendortmund traf man überall auf den Straßen Offizierspatrouillen kriegsbereit, in Kastrop waren 6 Maschinengewehre aufge st ellt, um gegen die streikenden Arbeiter gebraucht zu werden. Sie wurden jeden Tag einmal zur Abschreckung durch die Straßen gefahren. In Unna   er- teilte ein Offizier der 13er aus Münster   einer Kompagnie folgende Instruktion:Wenn Zusammenrottungen auf der Straße stattfinden, sind die Leute dreimal zum Auseinandergehen aufzufordern, gehen sie nicht, so ist von der Schußwaffe Gebrauch zu machen. Auf keinen Fall darf in die Luft geschossen werden." (Hört I hört( bei den Sozialdemokraten.) Ein Soldat, der bei dieser barbarischen Instruktion geniurmelt haben soll, wurde sofort ent- waffnet und unter Bedeckung nach der Garnison zurückgeschafft. In Hüningen   i. Elf. ist gegenwärtig ein Streik der Färberei« arbeiier: zu der ganzen Gendarmerie aus dem Oberelsaß und aus Oberbaden und zu der Schutzmannschaft hat man auch noch das Militär aufgeboten! Diese wenigen Beispiele genügen, um den Ernst der Frage zu beweisen. Wer aber ist eS, in dessen Händen die Befugnis liegt, die mili- tärische Gewalt zum Bürgerkrieg gegen die eigenen Bürger anzu- wenden? Das ist die Verwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug kann auch die Militärbehörde selbständig vorgehen. Die Verwaltungsbehörde, also die preußischen Oberpräsidenten, Re- gierungspräsidenten. Landräte, Polizeipräsidenten u. dergl. mehr. Sind diese Leute auch nur im geringsten geeignet, das Vertrauen zu finden, daß sie ihre Entscheidung über die Verwendung des Militärs gegen das Volk etwa unparteiisch treffen werden, daß sie das wirkliche Wohl der Bevölkerung berücksichtigen? Die preußische Verwaltung ist die e i n s e i t i g st e u n d p a r t e i i s ch e st e V e r« waltung in der ganzen Welt.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Und diese Verwaltung zum Herrn einsetzen über die Verwendung des Militärs gegen den inneren Feind, das heißt in der Tat, dem Feinde des Volles die Macht an die Hand zu geben, bei jeder Gelegenheit, wenn die Interessen der herrschenden Klassen, der reaktionärsten Cliquen bedroht erscheinen, das Volksheer gegen das Volk zu mobili- sieren. Die preußische Verwaltung zum Patron der Gerechtigkeit und zum Hüter der Ordnung tm Sinn der Gerechtigkeit einzusetzen, das bedeutet den Fuchs zum Patron über den Hühner« stall einzusetzen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wir haben Beweise dafür! Der Bürgernieister Georgr von Eisleben   hat sich darüber beklagt, daß das Militär ohne die geringste Veran- lassung und ohne den Wunsch des Magistrats in das Mansfelder Streikgcbiet gezogen wurde, und genau so war es im Rubrstreik. Trotz dem großen Geschrei deS Zentrums und der christlichen Streik- brecher nach Militär hat sogar dieRheinisch-Westsälische Zeitung" ausdrücklich anerkannt, daß nicht die gering st e Veran- l a s s u n g vorlag, Militär heranzuziehen. Die Regierung aber wollte den christlichen Streikbrechern ein noch größeres Entgegen- kommen zeigen, als selbst 1905 den Bergherren. Die preußischen Junker fühlen sich ja nur noch sicher hinter den Bajonetten. Die liberalen JubiläumSpreiser mögen doch nicht vergessen, daß wir dem herrlichen KriegSheer auch das Drei- klassenwohlrecht und die ganze preußische Misere verdanken. Aber auf Bajonetten kann man auch mit der dick st en Rhino- zeroshaut nicht sitzen.(Präsident K a e m p f untersagt diese Aeßerungen als unsachlich und unparlamentarisch!) Der Kampf gegen deninneren Feind" ist eine der wichtigsten Aufgaben deS heutigen Militarismus. Dieser Kampf wird in den Justruklionsstunden oft genug dem Kampf gegen den äußeren Feind vorangestellt.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Diese Talsache allein schon spornt uns an zu dem leidenschaftlichen Kampfe gegen das heutige Militär sy st em.(Sehr wahr! bei den Sozial« demokraten) Das Milizsystem lehnen Sie nur deshalb ab, weil ein wirkliches Volksheer nicht zum Kampfe gegen deninneren teind" verwendet werden kann. lSehr richtig! bei den Sozial« emokraten.) Soll ich jetzt im Jubiläumsjahre den Kriegsminister darauf aufmerksam machen, daß Ernst Moritz Arndt   in seinem Soldatenkatechismus" sagt, daß der Soldat nimmermehr dem Befehl des Fürsten   folgen soll, gegen die eigenen Lands- leute vorzugehen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Es heißt:Dusoll st Vater undMutter ehren!" aber nicht:Du soll st auf Vater und Mutter schießen!" (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) In einer FortbildungS- schule haben sich jüngst die Schüler dem Befehl de« Lehrers wider- setzt, ein Kaiserhoch auszubringen.(Hört! hört!) Dieser selbe aufrechte Geist beherrscht auch einen großen Teil unserer Soldaten. Das Verhalten der bürgerlichen Parteien zu unseren Anträgen wird erneut den Beweis erbringen, daß auch die weitere Ver- mehrung des Heeres dem Zwecke dienen soll, das sogenannteVolks- Heer" gegen daS Volk als ein G e w a lti n st r u m e n t zu ge- brauchen zur Nicderhaltung deS Volkes in seine» Kämpfen um politische Freiheil und um wirtschaftlichen Aufstieg. Ihren Zweck werden Sie aber nicht erreichen. Derinnere Feind" sitzt längst in der Armee s e l b st. deshalb sind alle Ihre Versuche. mit diesem inneren Feind inilitärlsch fertig zu werden, ganz ver- geblich,(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten,) Wir leben der frohen Zuversicht, daß in nicht allzuferner Zeit Ihre stärksten Waffen zerbrechen werden an dem aufstrebenden Volk, wie Strohhalme an einer steinernen Mauer.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Präsident Dr. Kacmpf rügt nachträglich den von Dr. Lieb» k n e ch t gebrauchten Vergleich der preußischen Verwaltung mit einem Fuchs im Hühnerstall. Kriegsminister v. Heeringe«: Der Vorredner hat wieder die Behauptung aufgestellt, die Armee sei in erster Linie gegen den inneren Feind da und die ganze Wehrvorlage sei nur aus diesem Grunde geplant. Außerhalb seiner Partei wird er mit dieser Ueberzeugung kaum Boden gewinnen. (Beifall rechts). Der Vorredner hat auch wieder alte Klatschgeschichten mit Kadetten erwähnt.(Laute Zurufe bei den Soz.: Klatsch- geschichten?> Ich halte sie dafür.(Unruhe b. den Soz.) Abg. Lieb« k n e ch t erwähnte ferner eine Aeußerung des ftüheren Abgeordneten v. Oldenburg  . Diese Worte sind nicht von seilen der Armee ge« sprachen. Und wenn wirklich ein Offizier die Aeußerung getan hoben sollte, die Abg. Dr. Liebsirecht über das Vorgehen gegen den Reichs- tag angeführt hat, so muß der betreffende Herr wohl noch recht jung gewesen sein. Seine Majestät der Kaiser hat die Verfassung beschworen und das deutsche Heer ist ein sicheres Instrument in der Hand des allerhöchsten Kriegsherrn. Was muten Sie (zu den Sozialdemokraten) also mit Ihren Vorwürfen dem Kaiser zu? Es könnte auf der anderen Seite doch höchstens noch der Fall vorliegen, daß die Verfassung vom Reichs- tage gebrochen wird(Unruhe bei den Sozialdemokraten) und das werden Sie�doch wieder nicht dem Reichstage zumuten wollen. Die Armee ist für den inneren Feind nicht in erster Linie da.(Rufe der Sozialdemokraten:Nicht in erster Linie!") Wenn Sie in die deutsche Verfassung hineinsehen, werden Sie erkennen, daß wir unter Umständen verpflichtet sind, durchaus nicht zn Freude und Genugtuunq, für die F r e i h e it der Mitbürger und die Ordnung des öffentlichen Leben» einzutreten.(Lachen bei den Sozialdemokr.) Anderen Zwecken kann auch der Erlaß des Generals v. B i f s i n g nicht dienen. Darüber haben wir uns ja schon vor zwei Jahren unterhallen. Der Passus über die Immunität der Geichs. lagsabgeordneten war schon lange vorher aus dem Erlaß heraus- gestrichen, weil der General zu der Ueberzeugung gekommen war, daß der Passus nicht hallbar sei. Naturltch Muß die Armee in solchen Dingen vorberellet sein. (Sehr wahr! rechts.) Gerade weil der innere Femd'M täglichen Leben so gut wie kerne Rolle spielt, muß man, wenn plötzlich solche Dinge auftreten,«inen Anhalt haben, und auch über die gesetzlichen Vorschriften orientiert sein.