IM«« Bo.Mtw i. Keilage des Joriirts" Kerlim KslksblM.Se�erksckaftttckes.Lankbeamte uncl Geiverkl'ckaktskampf.In Oesterreich besteht ein Reichsverein der Bank- undSparkassenbeamten. Dieser Verein beschränkt sein Organi-sationsgebiet, soweit das Bankgewerbe in Betracht kommt,hauptsächlich auf die Aktienbanken, da die Zahl der Privat-bankgeschäfte und ihrer Angestellten verhältnismäßig sehrgering ist. Dementsprechend hat diese Organisation auch ihreZiele, die den Ausbau des Dienstvertrages betreffen, aus-schließlich auf solche Großbetriebe zugeschnitten. Die öfter-reichische Organisation tritt für das„automatische Zeit-avancement" ein, d. h. die Höhe des Gehalts soll sich vonselbst mit jedem Dienstjahre steigern, so daß die Entlohnungdes einzelnen Angestellten vom Willen des Unternehmers un-abhängig ist. Gefordert wird außerdem die Unkündbarkeit desDienstvertrages. Die Entlassung soll nur erfolgen dürfen,wenn die bei der betreffenden Bank angestellten Beamtendurch einen aus ihrer Mitte zu wählenden Disziplinarrat sichdamit einverstanden erklärt haben. Die Banken sollenaußerdem verpflichtet sein, ihren Angestellten dieselbenPensionsansprüche zu gewähren, wie es der Staat mit seinenBeamten tut.Die genannte österreichische Organisation meint, daß dieseForderungen nicht aufgestellt werden können für die An-gestellten bei Privatbankgeschästen, weil man einem einzelnenprivaten Unternehmer nicht zumuten könne, daß der Dienst-vertrag seines Angestellten unkündbar sei; auch das auto-matische Zeitavancement widerspreche in Privatbetrieben, be-sonders in lleinen Geschäften, ganz der Natur der Ver-Hältnisse.Im Deutschen Reiche ist im vergangenen Jahre eine neueBranchenorganisation der Bankbeamten gegründet worden, dieohne weiteres die erwähnten programmatischen Forderungendes österreichischen Reichsvereins abgeschrieben hat, obwohl inDeutschland die Verhältnisse insofern beträchtlich andersliegen, als hier die Privatgeschäfte noch eine Verhältnis-mäßig größere Rolle spielen, als in Oesterreich. Es ist ein-leuchtend, daß jene von der neuen Organisation über-nommenen Ziele in absehbarer Zeit nicht zu erreichen sind.Fraglich ist außerdem, ob das automatische Zeitavancementüberhaupt vom Standpunkte des Gewerkschaftlers begehrenswert ist. Durch dieses System, die Entlohnung schematischnach dem Dienstalter abzustufen, wird das Gegenteil von demerreicht, was sonst in der Gewerkschaftsbewegung üblich ist,nämlich für die gleichen Leistungen gleiche Gegenleistungen zufordern. Das automatische Zeitavancement, durch das sich dieHöhe des Einkommens nach der Dauer des Dienstvertragesrichtet(die neue deutsche Bankbeamtenorganisation berichtetekürzlich triumphierend, daß eine österreichische Bank den Höchst-lohn nach 36jähriger Tätigkeit gewähre!), muß in Ver-bindung mit der geforderten Unkündbarkeit des Dienst-Vertrages dazu führen, diejenigen Angestellten, die schonlängere Zeit in dem Betriebe beschäftigt sind, dem GeWerk-schaftskampfe abgeneigter zu machen. Dr. Potthoff, der anverschiedenen Angestellten-Zeitschriften mitarbeitet, hat sichkürzlich mit der Frage beschäftigt und zum Ausdruck gebracht,daß das automatische Zeitavancement und die dem Unter-nehmer aufzuerlegende Verpflichtung, seine Angestellten zupensionieren, keine gewerkschaftlichen Forderungen sein können,weil man von den Angestellten, die durch eine längere Be-schäftigungsdauer eine höhere Gehaltsstaffel erklommen haben,nicht erwarten kann, daß sie zu gewerkschaftlichen Macht-Mitteln, Streik usw., greifen, da sie bei dem infolge einesKleines feuilleton.Karl Weiser als Dichter des Proletariats. Auch in den Annalender deutschen Arbeiterdichtung steht der Name Karl Weiser mit Ebrenverzeichnet. Der freigesinnte Mann hat nicht nur in religiösenDingen— seine Jesus-Dramen lehrten es— um einen vernünftigenStandpunkt gerungen. Aus seinen jungen Jahren haben sich Ge-dichte erhalten, die ihn auch politisch auf dem geraden Wege nachlinks zeigen. Davon ist natürlich in den Nachrufen bürgerlicherBlätter nicht die Rede. Die buchen nur, daß er den siebziger Kriegmitgemacht und ein Buch Kriegsgesänge im Tornister heimgebrachthabe. Aber das Wichtigste vergessen sie: daß nämlich der Sieges-taumel ihm Besinnung und Ueberlegung nicht rauben konnte. Ertrug die Gardeuniform ohne Schaden. In den Adern hatteer demokratisch. rotes Blut, und so begriff er. daß mitder erkämpften Einheit keineswegs auch die erhoffte Freiheitgekommen war. Alsbald nach dem Kriege kehrte die Reaktion sichgegen die betrogenen Schwerthalter der Freiheit: sie machte mobilgegen die sozialistische Bewegung. Aus eben dieser Zeit aber— ausdem Jahre 1872— stammt ein Gedicht Karl Weisers. in dem dasProletariat hymnisch in seiner unermeßlichen Kraft und Zukunfts-bedeutung aefeiert wird. Die„H e ka t o n ch e i r e n"— hundert-händige Riesen nach der griechischen Sage— nannte Weiser seinLied, das vor einigen Jahren durch den Grazer Komponisten Elsäßerzu einem großen Chorwerk gestaltet worden ist. Nur einer, der dieBedeutung des Proletariats mit stärkster Gläubigkeit empfand, konntedie energischen Strophen dieses Hymnus fügen.Das Lied ist gleich anderen politischen Gedichten WeiserS einechtes Stück sozialistischer Lyrik der siebziger Jahre. In der Ver-mldlichung der geknechteten«Arbeit schwer und heiß, benetztvon Tränen. Blut und Schweiß", und im rhetorischen Rhythmus.Diese Eigenschaften, vor allem die ungemein rhetorische Eindring-lichte it, haben in jenen siebziger und achtziger Jahren einem andernGedichte Weisers die weireste Verbreitung im Proletariat verschafft.Noch in den neunziger Jahren hat es bei unzähligen Festen alsProlog gedient; das Gedicht mit dem volkstümlichen Titel undRefrain:«So. Mann der Arbeit, sollst du Festefeiernl"Wuchtig kehrt sich dies Gedicht gegen die herrschendenGewalten, die der Unfreiheit das Feld sichern, die Arbeit ausbeutenund arglistig mißleiten und. mit blutigen Lorbeerkronen geschmücktden Volkerinsrd als Tugend hinstellen. D«r erlösende Zukunfts-gedanke soll auch die Feste der Massen krönen. DaS Gedicht steigtzu den Versen an:'*Und willst du tanzen? Laß die Polonäsen.Quadrillen ä k cour der Despotie—Den Mammonspriestern laß die CancaneusenUnd daS Ballett der Muckerkotcrie IDu walze flott im Tanz der Zeit von dannen.Den Sturmgalopp der Revolution,Den Flügelichcitt wird dir kein Taktstock bannen,Und gings auch über Kanzel fort und Thron!DaS Lied ist seinen, Dichter unvergessen. Wir wollen'S zumPesten der ehrlichen Arbeit zählen, an die Karl Weiser sein Lebengesetzt hat.unglücklichen Kampfes etwa nötig werdenden Stellenwechselwieder auf der untersten Gehaltsstufe anfangen müßten. Die) Rechnung mit der Unkündbarkeit des Dienstvertrages unddem automatischen Zeitavancement kann aber auch insofernnicht stimmen, als der einzelne Angestellte gar keine Garantiedafür hat, daß er nicht durch eine Fusion oder einenKonkurs usw. stellenlos wird. Es ist auch für absehbare Zeiteine ziemlich aussichtslose Forderung, daß den Angestelltendie Unkündbarkeit des Dienstvertrages gesetzlich garantiertwerde.Es soll hier nicht behauptet werden, daß das Dienstalterbei der Lohnfestsetzung nicht berücksichtigt werden dürfe. Es istvielmehr recht und billig, daß es insofern in Anschlag ge-bracht wird, als mit der längeren Tätigkeit im Berufe Kennt-nisse und Fähigkeiten des Betreffenden sich vermehren. Keines-falls aber ist es notwendig, daß man die erst Verhältnis-mäßig kurze Zeit in den Betrieben tätigen Angestellten niedrigbezahlt, um die geringe Zahl der seit Jahrzehnten im Be-triebe beschäftigten Angestellten etwas besser besolden zukönnen. Gewerkschaftlicher Grundsatz muß vielmehr sein, fürmöglichst alle Angestellten einen hohen Lohn zu erkämpfen,nicht aber, daß ein Teil der Angestellten nur deswegen ver-hältnismäßig schlecht bezahlt wird, weil sie noch nicht zehnoder zwanzig Jahre im Betriebe stehen.Der Zweck der Gewerkschaften ist nicht, lediglich Forde-rungen aufzustellen, die für lange Zeit Utopien bleiben müssen,sondern ihre Aufgabe ist es, für die Gegenwart oder naheZukunft höhere Gehälter oder sonstige Verbesserungen desDienstvcrtrages zu erreichen. Es darf nicht außer acht ge-lassen werden, daß das automatische Zeitavancement nur eineForm der Entlohnung ist, der die Angestellten erst nocheinen Inhalt erkämpfen müssen. Dieser Inhalt, das heißtdie Höhe des Gehalts ist aber doch nicht das neben-sächliche!Der Zentralverband der Handlungsgehilfen, dessen Orga-nisattonsgebiet sich ebenfalls auf das Bankgewerbe erstreckt,hat es vermieden, eine Agitation zu entfalten, durch die dieBankbeamten veranlaßt werden, die Wirklichkeit zu vergessen.Sein Ziel ist, den Angestellten nicht nur Zukunftsmusik vor-zumachen, sondern praktische Gewerkschaftsarbeit zu leisten undes ist im Interesse der Bankbeamten zu wünschen, daß siesich ihm anschließen, damit auch ihre soziale Lage verbessertwerden kann.Lerlin und Umgegend.Eine noble Ffima.Draußen, hinter dem Nonnendamm auf dem Wege nach Hasel-Horst, also auf Spandauer Gebiet, liegen die Betriebe derweltbekannten Firma A. M o t a r d u. Co., Wachs- und Stearin-kerzenbafrik. Die Firma hat wegen der Güte ihrer Waren einenWeltruf erlangt: es ist dem Besitzer aber auch ein ungeheuererGoldstrom in die Tasche geflossen. Die Familien, nicht zuletztArbeiterfamilien, welche zur Weihnachtszeit„Motardkerzen" anihrem Weihnachtsbaum befestigen, ahnen wohl nicht, unter welcherbärmlichen Lohn- und Arbeitsbedingungen die mit der Herstellungdieser Produkte beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen fronden.Der Stundenlohn für Arbeiter an den Pressen beträgt in demBetriebe„Paulstern" 32 Pf. im Anfang und steigt nach mehr-jähriger Beschäftigung auf 41 Pf. bei 12stündiger Arbeitszeit. Umeinen einigermaßen annehmbaren Wochenverdienst zu erzielen, wirdauch Sonntags gearbeitet, da das Material nicht verderben kannoder der Betrieb dadurch am Montag gestört würde.(§ 103c derGewerbeordnung.) Es fragt sich, ob die Polizei in jedem Falle ihreGenehmigung gegeben hat.An Klciderspinden ist in diesem Betrieb großer Mangel. EinTeil der Beschäftigten ist genötigt, sich direkt im Betrieb umzu-kleiden. Tiefe müssen ihre Sachen an die von Dunst und Fetttriefenden Wände anhängen; auch müssen sie das Essen in denKetzereien über den Kapitalismus. In der letzten Nummer des„Kunstwarts" veröffentlicht Otto Corbach eine Abhandlung, dieallen denen den Star stechen könnte, die in den ungeheuren Riesen-gewinnen der Kapitalisten eine Belohnung der kapitalistischenEnergie und der kapitalistischen Intelligenz sehen wollen.Er führt aus, daß im modernen Erwerbsleben die erfolg-reichen Nenschöpfer zur Ausnahme geworden sind, währenddie glücklichen Erben oder die sonstwie Bevorzugten die Regelbilden. Zum Beweis erinnert er an das Wort WalterRathenaus, daß«dreihundert Menschen, von denen jeder jedenkennt, die wirtschaftlichen Geschicke unseres Kontinents leitenund sich Nachfolger aus ihrer nächsten Um-g e b u n g suchen". Corbach folgert mit Recht, daß inder«nächsten Umgebung" dieser Herren das Talent nicht häufigerzu finden sein wird als anderswo, also nur ausnahmsweise.Mithin ist es eine Ausnahme, wenn ein Talent in die genannteLeitung berufen wird; die Regel aber ist, daß ein Vorzug der Geburtden Ausschlag gibt.Das bekannte Wort Oxenstiernas. es sei unglaublich, mit wiewenig Verstand die Welt regiert werde, gilt also nicht nur für Di-plomaten und Fürsten, sondern auch für kapitalistische Magnaten.—Corbach kommt schließlich zu dem Resultat, daß Carnegies Auf-fassung, als ob im heutigen Erwerbsleben jedem Tüchtigen der Wegzum Erfolg offen stehe, auch für die bürgerliche Welt eineIllusion ist. Infolge einer weitgehenden Entgeistigung dehnen sichim Erwerbsleben fast nur stagnierende Sümpfe.Ba» Gogh uiiter den Bergarbeitern. Im„Mercure de France"veröffentlicht Louis Pierard Mitteilungen über das Leben desMalers Van Gogh in der Zeit, da er im Borinage Wander«Prediger war. ES war im Jahre 1878, als der 23jährige Pastors«söhn, hauptsächlich unter dem Eindruck deS Dickens scheu Romans„Harte Zeiten" den Beruf zum Aposteltum unter den Bergleutenin sich empfand und nach Wasmes im Borinage ging.Pierard hat dort Zeugnisse von Leuten gesammelt, die sichder Tätigkeit Van Goghs erinnern. Ein Pastor erzählte:„Ich erinnere mich noch an seine Ankunft. Er war ein junger,blonder Mann mit angenehmem Gesicht, sehr gut angezogen, mitgutem Benehmen, der alle Kennzeichen der holländischen Sauberkeitaufwies. Er drückte sich in korrektem Französisch aus und präsidierteden Gottesdiensten in einem früheren Tanzsaal. Er hatte sich ineinem Bauernhaus eingemietet, bei einfachen Leuten, die wie Arbeiterlebten, aber der Ort schien seiner christlichen Demut baldzu üppig. Er zog in eine unmöblierte Hütte � undschlief dort zusammengekauert in der Ecke des Herds.Er hatte auch seine schönen Anzüge gegen BergmannSkleider ver-tauscht. Sein ganzes Geld gab er den Armen; er wollte das WortChristi buchstäblich befolgen. Selbst seine holländische Sauberkeithalte er aufgegeben. Sein Gesicht, wenngleich es nicht von Kohlegeschwärzt war. war nicht minder schmutzig, als das der Häuer. SeineGüte für die Unglücklichen inachte ihn zu allen Opfern bereit. Sieerstreckte sich auch auf die Tiere. Man hat gesehen, daß er einehäßliche Raupe sanft- aufhob, um sie auf einen Baum zusetzen. Er hatte nur einen Fehler, der allerdings unverbesserlichwar— daS unausgesetzte Rauchen. Seine Malerei nahm man nichternst. Man nahm wahr, daß sie keine glänzenden Dinge— solche,denen wir Schönheit zuschreiben— wiedergab. Aus seinem da-maligen Leben wird u. a. noch folgendes berichtet: Er war, wie vielestinkenden Räumen aufbewahren und verzehren. Sehr appetitlichund gesundheitsfördernd IEine Badeeinrichtung fehlt gänzlich, und die Wascheinrichtungist so mangelhaft, daß dte Arbeiter sich nicht genügend von demFett und Schmutz reinigen können. Die Klosettverhältnisse sindebenfalls völlig unzureichend, ohne Wasserspülung und Beleuchtung,was sich bei Nachtschicht oft recht unangenehm bemerkbar macht.Ventilation im modernen und hygienischen Sinne kennt man dortnur dem Namen nach; man fühlt sich in dieser Beziehung in dasMittelalter versetzt. In dem sogenannten Speisesaal ziehen sichdie Arbeiter auch um und bewahren die Spülleute ihre vor Schmutzstarrenden Bein- und Fußlappen auf. Sollte es der Millionen-reichen Firma nicht möglich sein, hierzu einen geeigneten Kastenan dem hierzu geeigneten Ort anzubringen?Auf diese Mißstände ist die Direktion zu wiederholten Malenaufmerksam gemacht worden; es ist auch seitens deS Herrn DirektorHennig jedesmal versprochen worden, Abhilfe zu schaffen, eS istaber auch jedesmal beim alten geblieben.—Aehnlich wie oben geschildert liegt es im Betriebe Stern feld.Dort hatte man im Jahre 1911 zugesagt, die Anfangslöhne von38 auf 40 Pf. zu erhöhen z aber nach kurzer Zeit hat man eSwieder vergessen und stellt jetzt Arbeiter mit 37 Pf. Stundenlohnein. Dreien der ältesten Arbeiter hat man den Wochenlohn bedeu-tend gekürzt, in einem Falle sogar um 1,63 M. pro Woche unddies in der Zeit der Teuerung.Die Gießerinnen müssen die schweren Massekübel, zirka siebzigPfund schwer, den ganzen Tag vor dem Leibe heben und schindensich selbst die ohnehin kurz bemessenen einhalbstündigen Pausen hin»durch im Akkord ab, um bei dieser gesundheitSraubenden Männer-arbeit bis 22 M. im Durchschnitt zu verdienen. Wiederholte Hin-weise der Organisationsleiter, dafür zu sorgen, daß die kurzenPausen wenigstens innegehalten werden, wurden nicht beachtet.Vielleicht bekümmert sich die Gewerbeaufsicht um diese beiden Be-triebe, sowohl hinsichtlich der SonntagsArbeit als auch der Er-füllung der Vorschriften deS§ 120a der Gewerbeordnung.In diesem Jahre hat nun die Arbeiterschaft einen Vorstoßunternommen und der Firma durch die OrganisationsleitungenForderungen unterbreiten lassen, welche durchaus bescheiden zunennen sind. Eine allgemeine Lohnzulage und Abschaffung deroben gekennzeichneten Mißstände. Die Antwort war ein strikte»„Nein" soweit die Lohnforderung in Frage kam; die übrigenWünsche sollten eine„wohlwollende" Prüfung erfahren. DieArbeiterschaft war mit diesem Bescheide nicht zufrieden und beauf-tragte die Organisationsvertrctcr, persönlich bei der Firma vor-stellig zu werden. Diesen wurde durch den Herrn Direktor Hennigversprochen, daß die Forderungen nochmals geprüft werden sollten.Das Resultat dieser Prüfung war, daß zwei Tage später dreiArbeiter des Betriebes Paulstern entlassen wurden. Und zwarhandelt es sich um Arbeiter, welche bereits 24, 13 und 8 Jahre beider Firma beschäftigt waren. Hierauf wurden die Organisations-Vertreter noch einmal vorstellig und fragten den Herrn DirektorHennig. ob die Entlassung der Arbeiter mit seiner Zustimmunggeschehen sei, und welche Gründe hierzu vorlagen. Der HerrDirektor antwortete, Gründe hätte er nicht; er überlasse dies seinenVorarbeitern! Und abermals einige Tage später wurden aus demBetriebe Sternfeld zwei Arbeiter und drei Arbeiterinnen entlassen,unter den letzteren eine, welche infolge eines Unfalles i« Betriebekrank zu Haufe lag. Dies ist jedenfalls der liberale Arbeitgeber,standpunkt, mit welchem die Firmenleitung so häufig prahlt.In einer gemeinsamen Besprechung der beiden Betriebe wurdediese Handlungsweise der Firma sehr stark kritisiert und folgendeResolution angenommen:„Die Arbeiter und Arbeiterinnen der Firma Motard u. Co.nehmen mit Entrüstung Kenntnis von der rücksichtslosen Eni-laffung ihrer Kollegen und Kolleginnen, welche 24, 13. 10 und8 Jahre der Firma gegenüber ihre Pflicht und Schuldigkeit getanhaben. Die Versammelten sind der Ueberzeugung, daß die Eni-lassung nur erfolgt ist, weil es die Vcrtrauenspcrsonen waren.Indem sie gegen diese Untcrnehmerwillkür energisch protestieren,verpflichten sie sich, treu und fest zu ihrer Organisation zu haltenund für die Verbreitung derselben Sorge zu tragen."Um die Sache in die richtige Beleuchtung zu setzen, sei bemerkt,daß sämtliche Entlassenen der freien Organisation, nämlich demVerbände der Fabrikarbeiter, angehören. Dieser Umstand verleihtBergleute, in alte Sackleinwand gekleidet. Eines Tages sah er einenMann, der das Wort„Zerbrechlich" auf seinem Rücken trug. Er lachtedarüber nicht. Im Gegenteil, er sprach mehrere Tage während derMahlzeiten darüber, voll Mitleid über die grausame Ironie diesesZufalls. Als eine Typhusepidemie in der Gegend ausbrach, bewiesVan Gogh eine solche Aufopferung, daß er in völlige Schwäche ver-fiel, so daß ihn sein Vater gleich einem Kind mitnehmen konnte.Er kehrte nicht mehr zurück.Mufik.Im Schillertheater Berlin 0 hat sich unter LeopoldSachse eine zweite Sommeroper aufgetan. Das Unternehmen scheintauf emstkünstlerischem Wollen zu basieren und gute Darbietungenzu versprechen. Wenigstens läßt der erste Anlauf für solche Hoff-nungen Raum. Zur Aufführung kam H a l ö v y s große fünfaktigeOper„ D i e I ü d i n". So zwecklos es wäre, an die textlichenUnterlagen der meisten vorwagnerischen Opern den Maßstab einerlogischen Entwickelung zu legen, eins ist doch wahr: sie sind raffinierttheatralisch wirksam und reizten deshalb auch ihre Vertaner, daSdenkbar Aeußerste einer musikalischen Rhetorik und Pathetik zuwagen. Man verstünde heute kaum mehr die ungeheuren Wirkungendes Halsvyschen Werkes auf die Generation der dreißiger Jahre deSvorigen Jahrhunderts, wo die große Gebärde alles Leben beherrschte,wenn nicht doch in der Partitur wahrhaft musikalische Feinheiten auchunS noch zu entzücken vermöchten. ES kommt da auf e»ne groß-zügige Stilisierung an, um der Jüdin auch noch heute Erfolge zusichern. Erreichte diese Aufführung auch nicht die Höhe allermodernkünstlerischen Anforderungen, so offenbarte sich in ihr dochernstes Streben. Vor allen Dingen verfügt das Sachsersche Ensembleüber einig ziemlich bedeutende Kräfte. Otto Fänger steht entschieden hoch als Eleazar. Als ihm ebenbürtig darf NiniPoensgen(Recha) bezeichnet werden. Sie hat einen macht-vollen Sopran und ihre ganze gesangliche wie darstellerische Artgibt Zeugnis vom freien künstlerischen Gebrauch ihrer Mittel. Fürden Kardinal war der Bassist Müller eingesprungen. SeinOrgan besitzt respektable Tiefe, ist nur etwas spröde. Gleichwohlgab er eine vortreffliche Leistung. DaS Orchester unter AlftedS ch l i n k spielte sicher und der Chor hielt sich im ganzen gut. v. K.Humor und Satire.Die Vorsehung.Als kürzlich die Königin von England mit einer Thronrede dieSitzungen des Parlaments schloß, erklärte sie, daß sie sich vor allemauf die göttliche Vorsehung stütze.So oft ich in der Rede eines Fürsten diese Phrase begegne, kannich nicht umhin, auszurufen:„Ah! noch ein Fürst, der uns für Dummköpfe hält!"In der Tat ist es wunderbar, daß nach dem eigenen Geständnisder Fürsten drei Viertel ihrer Geschäfte die Vorsehung besorgt, unddaß sie sich für die wenige Arbeit, die ihnen noch bleibt, dreißigMillionen Zivilliste zuerteile».Da die Vorsehung sie so sichtbar beschützt, ohne einen GroschenBesoldung zu beanspruchen, drängt sich mir die Frage auf, was siewohl denken mögen, wenn sie uns durch Geheimräte, Staatsräteund Minister ruinieren, die uns das Hemd vom Leibe kosten undihnen selbst zuweilen großen Schaden tun.(Henri Rochefort in La Lanterne 1868.)