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MMärpartei hinwegfegen würde, ist derzeit nicht vorhanden. Die Fälscherkünste der bürgerlichen Presse haben ihren Anteil an dieser unentschiedenen Stimmung, aber vor allem ist es doch der Vorstoß des Militarismus in Deutsch - l a n d, der die Massen mißtrauisch gemacht und dem kühnen Wagemut zur demokratischen Umgestaltung des Heeres den Weg vertreten hat. ßotland. Die politische Situation. Genoffe Troclstra hat am Sonnabend eine Audienz bei der Königin Wilhelmina gehabt, über deren Ausgang noch nichts bekannt geworden ist. Heber die gegenwärtige politische Lage äußerte sich Genosse Troelstra gegenüber einem Journalisten vor einigen Tagen folgendermaßen: Msher ist noch von keiner verantwortlichen Stelle aus die Aufforderung an uns gerichtet worden, in ein neues Ministerium einzutreten. Der erste Ruf mutz selbstverständlich an die Fort- schrittler gehen; denn sie haben 37, wir nur 18 Mandate. Dann kommt es nicht darauf an, was die freisinnigen Blätter schreiben, sondern was die freisinnige Partei als solche tun wird. Den Auftrag zur Bildung eines Ministeriums erteilt die Königin, und ich glaube nicht, daß sie Neigung haben wird, Sozialdemokraten ins Ministerium zu berufen. Die Liberalen werden auch besser ohne als mit sozialistischen Ministern regieren können. Wenn uns die Ministerportefeuilles zugewiesen werden sollen, auf die wir Anspruch haben, so hätten wir ein Recht auf drei Ministerplätze, darunter vielleicht auch das Ministerium deS Innern, dem die Bürgermeister unterstehen. Wollen die Freisinnigen das wagen?, Ich glaube es nicht. Gin gemischtes Ministerium von Freifinnigen und Sozialdemo- kraten würde leicht zu allerhand Konflikten Anlaß geben. Die Er- fahrungen, die in Frankreich mit M i l l e r a n d gemacht worden find, sollen für uns eine Warnung sein. Wenn Sozialdemokraten in ein Ministerium eintreten, werden Konservative uend Klerikale sicherlich alles daransetzen, durch Aufwiegeleien eine Lage zu schaffen, in der das Militär einschreiten muß, damit dadurch Spaltungen in den sozialdemokratischen Reihen hervorgerufen werden. Die Folge würde nur neue Reaktion sein. Wenn dagegen die F o r t s ch r i t t l e r die Regierung über- Nehmen und ernsthaft die zwei großen Ziele verfolgen, die Per- fassungSrevision zur Erzielung deS allgemeinen Wahlrechts und die Staatspensionen ohne Beitragszahlung durchzuführen, so könnten sie sich fest auf unsere Mitwirkung verlassen. Eine Schwierigkeit wird vielleicht der Militäretat sein, gegen den wir Sozialdemokraten stimmen müssen. Aber auch daS ist kein unüberwindliches Hindernis. Erhöhen die Freisinnigen die Militärausgaben, so stimmen wir Sozialdemokraten gegen den Militäretat, aber die Klerikalen dafür. Wählen die Liberalen den vernünftigeren Weg der Herabsetzung der Militärausgaben und stimmen deshalb die Christlichen gegen den Kriegsetat, so werden wir Sozialdemokraten nicht zögern, für den Etat zu stim- men, weil das dann eine Form unseres Kampfes gegen den Mili- tariSmus wäre. Und wenn die christliche Erste Kammer sich da- gegen wendet, so gerät sie in einen Konflikt mit dem Volkswillen, den sie nicht ohne Schaden überstehen wird." Rußland. Politischer Massenstreik in Petersburg . Am 3t). Juni brach in zahlreichen Betrieben und Werk­stätten in Petersburg ein eintägiger politischer Massenstreik aus, der sich in den folgenden Tagen immer weiter aus- breitete. In den ersten drei Tagen streikten zirka 40(XX) Ar- bciter, es ist aber anzunehmen, daß die Zahl der Teilnehmer sich in den nachfolgenden Tagen noch erhöht hat. Anlaß zu dem Streik bot der Prozeß gegen 52 Matrosen der baltischen Flotte, der am 28. Juni vor dem Kriegsgericht in Kronstadt begann. Zahlreichen Angeklagten droht die Todesstrafe, obgleich ihnen kein bestimmtes Vergehen, sondern nur die angeblicheVorbereitung eines Aufstandes" zur Last gelegt wird. Der elementare Protest gegen dieses neue Schandgericht, der Protest gegen die bevorstehenden Todesurteile gegen zahlreiche Matrosen brachte ohne Vor- bereitung, ohne vorherige Verabredung eine Reihe der größten Betriebe in Petersburg zum Stillstand, und zeigte erneut, daß die russische Arbeiterklasie vor keinen Opfern zurückschreckt, um ihren Abscheu über das herrschende Regierungssystem zum Ausdruck zu bringen. Hus der Partei. Aus den Organisationen. Von der Abhaltung eines Bezirksparteitages für den Agita- kionsbezirt Poien mußte in diesem Jahre Abstand ge- nommen werden. Aus dem Geschäftsbericht deS Parteisekretärs Ge- nassen H a r t w i g- Bromberg geht hervor, daß in der Provinz Posen ein kleiner Mitgliederruckgang bei den männlichen Genossen zu verzeichnen ist. Die Zahl der weiblichen Mitglieder hat sich da- gegen von 112 auf 142 vermehrt. Die Ursachen der Mitglieder- abnähme liegt auch hier m der großen Arbeitslosigkeit, die sich über den ganzen Bezirk ohne Ausnahme erstreckt. In der Stadt Posen allein waren un vierten Quartal 1912 über 100 Ab­meldungen von Mitgliedern zu verzeichnen, von denen V« wegen Mangel an Arbeit abwandern mutzren. Die Agitation ist mit wenigen Ausnahmen, wo Versammlungslokale sind, lediglich auf das Verteilen von Druckschriften angewiesen. In der neun- monatlichen Berichtszeit wurden verteilt 134 300 Flugblätter und 40 000 Volkskalender, davon 9000 in polnischer Sprache. Öeffent- liche Versammlungen fanden 53 statt, davon 17 für die Frauen. Zur Landtagswahl wurden 70 000 Flugblatter, 1060 Broschüren ver- teilt und 1700 Zirkulare an die Wähler verschickt, lieber die Fleisch- not und die neue Militärvorlage wurden alle Betvohner der Pro- vinz durch Flugblätter aufgeklärt.. In 7 Kreisen bestehen sozialdemokratische WahUre,svereine, fünft weiteren Kreisen sind sozialdemokratische Vertrauensleute, während in drei Kreisen noch keine Verbindung gefunden werden konnte. Als Parteiblatt wird die.Breslauer Voltswacht" gelesen. -Le':"Landbote ",.der monatlich in mehreren tausend Exemplaren auf dem Lande verbreitet wird, findet immer mehr Sympathien vci der ländlichen Bevölkerung, obwohl polnische und deutsche graner alles tun, damit die Landarbeiter weiter in der Dumm- und Bedürfnislosigkeit erhalten werden können. ,0..» �llbalanziert in Einnahme und Ausgabe mit 4356,05 di- Riv?" Malfeierfonds hat einen Bestand von 722,89 M. Für die BUbungsbestrebungen sind neun BildungSauSschüsse taftg. Das Martyrium der Arbefterpresse m Rußland . ..,. Arbeiterblatt.Lutsch" veröffentlichte imÜ'J. ffn i n ifi6£tayul bet Repressionen, die eS in den zehn Monaten Bestehens zu erdulden hatte. Von 218 erschienenen Nummern sind SS genchtsi� belangt und 17 mit Strafen belegt worden, �iisgcsamt sind also 76 oder ein Drittel aller er- schienenen Nummern von den Behörden verfolgt worden. Ein «Aft! tonnten wegen der fortgesetzten Kon« Station verbreitet werden. Die Summe der auferlegten Geld- s.rafyn belies sich auf 8500 Rubel oder da die Geldstrafen in der Regel von den Redakteurenabgesessen" wurden auf vier Jahre drei Monate Gefängnis. Anschaulicher kann der harte Existenz- kämpf, den unsere Parteigenossen in Rußland um ihre Presse zu führen haben, nicht vor Augen geführt werden. Parteiliteratur. Ursprung der Religion und des Gottesglaubens". Von Heinrich Cunow , Verlag Buchhandlung Vorwärts Paul Singer, G. m. b. H., Berlin . Preis 1,20, gebunden 1,50 M. Der Verfasser hat sich die Aufgabe gestellt, in volkstümlicher Darlegung den Nachweis dafür zu erbringen, wie eng die Religions- Vorstellungen der Naturvölker mit ihrer Lebensweise und ihrer Natur- Umgebung zusammenhängen. In seinem Vorwort sagt Cunow darüber:Noch immer stößt man selbst in ethnologischen Werken auf die Anficht, daß alle Religionsvorstellungen nichts anderes seien, als das sogenannte fteie Spiel einer überhitzten Phantasie. Dieser flachen Auffassung gegenüber möchte ich dartun, daß nicht nur der Gottes-Unsterblichkeitsglaube der Völker überall von gleichen ein- fachen Grundvorstellungen ausgeht, sondern daß sich auch alle Religionsentwickelung streng gesetzmäßig innerhalb gleicher Bahnen vollzieht." Aus dem Inhaltsverzeichnis geben wir wieder: Die neuere Religionsforschung. Die Entstehung der Geister- und Göttervorstellungen. Die Anfänge des Geisterkults._ Vom Geisterkult zum Toten- und Ahnenkult. Weltschöpfung. Himmel und Hölle. Ahnenvergötterung und Ahnenopfer. Vom Ahnen- kult zum Naturkult. Ueberreste der Geister- und Ahnenverehrung in der altindischen Religion. Zu beziehen ist das Buch durch jede Buchhandlung. Soziales«. Aus dem Kaufmannsgericht. 1. Schamlose Behandlung der Gehilfinnen. Seltsame Anschauungen von dem guten To» im Verkehr mit weiblichen Angestellten hatte ein Prokurist, der in der letzten Sitzung der 3. Kammer des Berliner Kaufmannsgerichts die Sache seiner Firma zu vertreten hatte. Nicht minder eigenartige An- sichten betätigten die Söhne der Firma. Die Leitung des beklagten Möbelgeschäfts von Hermann Krause liegt in den Händen des ältesten Sohnes des Geschäftsinhabers, während die beiden anderen Söhne gleichfalls mitarbeiten. Die Klägerin, die Verkäuferin Helene L., war eines Tages von dem ältesten Sohne, der auch Prokurist der Firma ist, hinausgeworfen worden, unter gleichzeitiger Androhung, er werde sie durch einen Schutzmann herausbringen lassen, falls sie es noch einmal wagen sollte, das Geschäftslokal zu betreten. Als Grund gab der Prokurist an, daß die Klägerin zu ihm sehr ausfallend geworden sei und ihm erklärt habe, er solle sich seine Arbeit allein machen. Die Verhandlung ergab, daß die wörtliche Auseinandersetzung, die den Konflikt heraufbeschwor, von beiden Seiten mit nicht ge- rade sehr sanften Worten geführt wurde. Die Mutter des Pro- kuristen redete der Klägerin nach dem Streit noch zu, sie solle nur ruhig am nächsten Tage wiederkommen, das wäre ja alles nicht so schlimm. Fräulein L. ließ sich aber nicht überreden, sondern blieb weg. Die Verhandlung ergab des weiteren, daß die drei Söhne des Geschäftsinhabers in einer recht merkwürdigen Art mit dem weib- lichen Personal zu verkehren pflegten. Die jungen Mädchen wur. den gekitzelt. Auch der Prokurist beteiligte sich lebhast an diesen für einen Geschäftsleiter mehr als merkwürdigenScherzen". Auf einen entsprechenden Vorhalt des Vorsitzenden erklärte der Pro- kurist:Das ist doch selbstverständlich, daß mit den jungen Mäd- che» etwas Spaß getrieben wird." Die Klägerin führte aus, der eine Sohn trieb es einmal mit einer ihrer Kolleginnen so arg, daß sie ihn ersuchte, sich doch anständig zu benehmen; es müsse doch einen schlechten Eindruck machen, wenn ein eintretender Kunde das sehe. Das Kaufmannsgericht verurteilte ihn nach dem Klageantrags zur Zahlung des Restgehaltes. Unter den hier vorliegenden be- sonderen Umständen könne aus dem Benehmen der Klägerin kein EntlassungSgrund hergeleitet werden. Ein Angestellter, dem mit einem Hinausweisen durch einen Schutzmann gedroht wird, brauche sich nicht mehr zur Verfügung zu stellen. 2. Handlungsgehilfe oder gewerblicher Gehilfe? Wiederholt haben wir die Ansicht einiger Kaufmannsgerichtc bekämpft, daß einige Angestellte, die rein kaufmännische Dienste zu verrichten haben, gewerbliche Gehilfen seien. Kaufmännische Dienste sind solche, die sich wesentlich auf den Umsatz der Waren, gewerbliche solche, die sich wesentlich auf die Be- oder Verarbeitung von Waren beziehen. Demnach ist nicht nur ein Buchhalter oder Verkäufer Handlungsgehilfe, sondern auch der Expedient, der Ge- schäftsführer eines Schankwirts, die sogenannte Bäckermamsell und Fleischermamsell. Ihnen gegenüber ist die Vereinbarung einer kürzeren als einmonatigen Kündigungfrist ungültig. Die 5. Kammer deS Kaufmannsgerichts hat sich in ihrer letzten Sitzung endlich in einer Klagesache unserer auch vom Reichs- gericht und Kammergericht betätigten Anschauung angeschlossen. ES klagte ein Geschäftsführer des CafeSkandinavia ". Vereinbart war eine 14tägige Kündigungsfrist. DaS Gericht erklärte diese Vereinbarung für ungültig. Es nahm an, der Kläger sei Hand- lungsgehilfe, da er an den' den Umsatz der Waren betreffenden Arbeiten mitwirkte, sein Gehalt auch 200 M. für den Monat über- stieg. Die Gehaltsfrage hat das Gericht mit Unrecht für seine Entscheidung mitsprechen lassen. Ein Handlungsgehilfe wird nicht durch Bezahlung Gewerbegehilfe. DaS Urteil des Kammer- gerichtS vom 1. November 1899(abgedruckt Baum, Handbuch S. 105) weist mit Recht der Gehaltshöhe keine ausschlaggebende Bedeu- tung zu.__' Rentenquetsche. Ohne Zurechnung der von den Arbeitgebern zu leistenden Bei träge für die Invaliden-, Alters-, Hinterbliebenen- und Kranken- Versicherung" hat der Arbeiter mehr als 5 Proz. seines Ein- kommens für diese Versicherung zu zahlen. Die Sozialdemokratie hatte bekanntlich verlangt, daß die Kosten für die VersichcrungS- gesetzgebung durch eine Reichseinkommensteuer auf die Einkommen über 3000 M. aufgebracht werden sollten. Die bürgerlichen Par teien wollten aber durch die Versicherungsgesetzgebung den Haupt teil der Armenlasten von den Schultern der Wohlhabenden auf die der Arbeiterklasse abwälzen. Daß die gesamte sogenannte soziale Gesetzgebung nichts anderes als ein« andere Regelung der Armenlasten war und auf eine Entlastung der Armenpflege ab- zielte, hat die Regierung und Bismarck unumwunden anerkannt. Die Leistungen aus den auf so hohen Befträgen der Arbeiterklasse beruhenden Vcrsicherungskapitalien sind insbesondere bei der Inda liden-, Alters- und Hinterbliebenenversichcrung außerordentlich geringfügige. Sie bleiben zum großen Teil hinter dem zurück, was eine halbwegs human geleitete Armenverwaltung an Be dürftige zu gewähren hat. Die Voraussetzungen für Erlangung einer Rente sind vollends so schwere, daß die Behauptung, der Arbeiter erhatte aus Grund des Gesetzes für die Fälle der Er werbsunfähigkeit oder des Alters eine Versorgung in Gestalt einer Rente, wie eine Verhöhnung der Arbeiter klingt. Di« Invalidenrente erhält der Arbeiter nicht schon dann, wenn er nach gewöhnlichem Sprachgebrauch dauernd erwerbsunfähig ist, sondern nach dem Gesetz sollte er die Invalidenrente erst dann erhalten, wenn er nicht mehr imstande ist, ein Drittel desjenigen zu erwerben, was körperlich und geistig gesunde Personen in der selben.Gegend durch Arbeit zu verdienen pflegen, wenn sie Arbeit hätten. Vergeblich verlangten die Sozialdemokraten schon bei der Beratung des Gesetzes im Jahre 1889 Invalidität wenigstens dann stets anzunehmen, wenn der Betroffene nur noch die Hälfte seine» früheren tatsächlichen Verdienstes erwirbt. Bei der Angestellten- versicherungsgcsetzgebung ist eine ähnliche Vorschrift Gesetz gewor- den: die bürgerlichen Klassen wähnen ja die Angestellten den sogenannten neuen Mittelstand als Prellbock zwischen Arbeiter-- und Kapitalistienklasse verwenden zu können. Bei der Arbeiter- Versicherung wurden die sozialdemokratischen Anftäge abgelehnt. Nur gelang es ihr, infolge der allgemeinen Empörung über die Erschwerung der Möglichkeit, eine Invalidenrente zu erlangen, im Jahre 1899 eine etwas bessere Fassung des Begriffsdauernde Erwerbsunfähigkeit" in die Jnvalidenversichcrungsnovelle hinein- zubringen. Mese Fassung führte dazu, daß mehr Invaliden wie vordem die Invalidenrente bewilligt wurde. 1899 erhielten 96 665 Versicherte die Rente, 1900: 125 717, 1901: 130 482, 1902: 142 789,- 1903; 152 882. Ungeheuere Aufregung im Reichsamt des Innern. Wie kann man dem steuern, daß eine größere Zahl Arbeiter wie zuvor zu ihrem Rechte gelangen? Man verfiel darauf, die von Berufs- genossenschasten zum Schaden der auf dem Kriegsschauplatz der Ar- beiter angewendete Rentenquetsche auf das Gebiet der Invaliden- Versicherung zu übertragen. Auf Veranlassung des sehr mit Un- recht eine Zeitlang als sozial verschrienen Leiters des Reichsamts des Innern, des Grafen v. Posadowsky , wurden Kommissionen ins Land entsendet, die nachprüfen sollten, ob der Zustand invalider Personen sich nicht infolge der üppigen Renten von 15 bis 20 M. monatlich so weit gebessert hatte, daß sie wieder ein Drittel deS ortsüblichen Tagelohnes erwerben könnten, wenn sie Arbeit hätten. Und siehe da: es fanden sich Aerzte und Gutachter, diefeststellten": Der invalide Arbeiter oder die invalide Arbeiterin ist so erheblich erwerbsfähiger geworden, daß sie 30 oder 40 Pfennig täglich er- werben könnte, wenn sie Arbeit hätten. Bielen Invaliden wurde auf Grund der Gutachten der Bereisungskommissionen die Rente wieder entzogen. Die Grundsätze für Annahme einer Erwerbt Unfähigkeit wurden wieder härter. So sank die Zahl der jährlich bewilligten Renten. Die Rentenquetscherei wurde in den Jahren 1904 bis 1906 besonders auffällig. Es wurden bewilligt im Jahre 1904: 140 092, 1905: 122 868, 1906: 110 969 Invalidenrenten. Auf rund 110 000 Renten jährlich ist die Zahl dauernd herabgesunken, während mindestens die doppelte Zahl tatsächlich erwerbsun- fähig ist. Dieselbe Art der Rentenquetsche durch Berersungen nehmen auch die Berufsgenossenschaften vor. So läßt beispielsweise die ostpreußische landwirtschaftliche Bcrufsgenossenschaft seit Jahren planmäßig die Rentenempfänger nachuntersuchen. Die Folge dieser Nachuntersuchungen ist, daß die Renten massenhaft aufgehoben oder herabgesetzt werden. Im vergangenen Jahre wurden acht Landkreise revidiert. Daraufhin sind 445 Renten ein- gestellt und 291 herabgesetzt worden. Ist diese Rentenquetschereisoziale Fürsorge".?, lUtztc Nachrichten. Bulgarische Siegesmeldung. Die hiesige Bulgarische Gesandtschast hat folgende ofsi- zielle Mitteilung erhalten: Die vorgestern unweit von Krivo- latsch zernierte serbisckje Timokdivision ist gestern von der bulgarischen Armee gänzlich vernichtet worden. Die bulga- rische Arniee hat beispiellose Tapferkeit bewiesen, die serbi- schen Verluste sind ungeheuer groß, die Lage der serbischen Hauptarmee war derart schwierig, daß sie der Timokdivision keine Hilfe leisten konnte, sondern tatenlos zuschauen mußte. Soweit bisher festgestellt werden konnte, haben die Vulgckren 35 Offiziere und 40lH) Mann gefangen genommen und 27 Schnellfeuergeschütze, 6 Maschinengewehre sowie Mu- nition und Ausrüstungsgegenstände für- zwei Regimenter er- beutet.__ Der Streik der Goldgräber. London , 5. Juli. (E ig. Drahtbericht desVor« wärt s".) Die hier einlaufenden Nachrichten über Straßen- schlachten in Johannesburg scheinen, wie die meisten aus der Goldstadt kommenden Meldungen, im Interesse der Gruben- besitzer stark gefärbt zu sein; nur das ist klar, daß die Polizei die Unruhen provoziert hat, indem sie Freitag nachmittag mit Knüppeln eine friedliche Versammlung auseinandertrieb, an- geblich, weil die Strcikführer aufreizende Reden geführt haben sollen. Von Anfang an war es Absicht der Gruben- Magnaten, den Generalstreik niederzuknüppeln und sich nicht auf Verhandlungen einzulassen. Nun hat auf ihr Drängen die Regierung das Standrecht proklamiert. Angeblich sollen 1000 bewaffnete Bergarbeiter auf Johannesburg marschieren. Die den Grubenbesitzern gefällige Regierung hat denn auch schon, wie W. T. B. meldet, ein Blutbad in Johannesburg angerichtet. Johannesburg , 5. Juli. Als heute die Volksntenge vor dem Gebäude des Randklubs sich weigerte, auseinanderzu- gehen, feuerten die Truppen. Viele Personen wurden getötet oder verwundet. Die übrigen entflohen..-i. Rumänischer Konsul von Bulgaren mißhandelt. Bukarest , 5. Juli. (P. C.) Wie aus Rustschuk gemeldet wird, wurde der dortige rumänische Konsul auf offener Straße von einer demonstrierenden Volksmenge beschimpft und schließlich mißhandelt. Der Konsul wandte sich telegraphisch beschwerdeführend an die Bukarester Regierung mit dem Ersuchen, ihn von seinem Posten in Rustschuk abzuberufen, da er sich in seiner persönlichen Sicher- heit bedroht fühle. Das Konsulatsgebäude ist, da der Konsul sich auch an die Stadtgemeinde mit einer Beschwerde gewandt hatte, unter polizeilichen Schutz gestellt worden. Die SchergenVäterchens". Petersburg, 5. Juli. (W. T. B.) In dem Prozeß gegen 52 wegen Meuterei angeklagte Matrosen der baltischen Flotte wurde nach achttägiger Verhandlung vom Marinekriegsgericht heute das Urteil gefällt. 27 Seeleute wurden zu Zwangsarbeit, 20 zur Einreibung in die Arreftantcnabteilungen verurteilt und fünf freigesprochen. Zu der ruffischen Brandkatastrophe. Petersburg, 5. Juli. Gegenüber den Blättermeldungen von dem Brande eines Hotels in Simbirsk , bei dem 154 Personen verbrannt sein sollen/ erfährt die Petersburger Telegraphen-Agentur. daß in dem Dorfe Astra- damowka vier Bauernhäuser niederbrannten, wobei vierzehn Personen umkamen. Simbirsk selber sei nicht durch Feuer heimgesucht worden. Durch Unternehmerbrutalität gezwungen. Lodz , 5. Juli. (SB. T. B.) Gegenwärtig befinden sich hier 37 420 Arbeiter im Ausstand« die Ruhe ist nirgends gestört.