der Wiener Lügen- und Sensationspresse zugunsten Bulgariens nachbeteten, haben sich wieder einmal mit ihrem Liebeseifer für die grundsatzlose schwarz-gelbe Diplomatie blamiert. Bestimmend für die nachgiebige Haltung Bulgariens ist neben der Erkenntnis, daß das Waffenglück ihm nicht günstig sei, vor allem die Haltung Zi u m ä n i e n s, das ein Gleich- gewicht der Kräfte auf dem Balkan erhalten will. In einer über England kommenden offiziösen Kundgebung läßt es keinen Zweifel daran, daß es im Falle eines bulgarischen Sieges über Serben und Griechen die Feindseligkeiten gegen den Nachbar eröffnen würde. Die russische Vermittlung, die nach einer Pariser Meldung bereits eingesetzt hat, wird nach Lage der Dinge keine Schwierigkeiten haben, um Serbien und Griechenland zu einem Waffenstillstand und zu Verhandlungen geneigt zu machen. Diese Staaten haben schon zu große Verluste erlitten, als daß ihnen an der Fortdauer des Gemetzels viel gelegen fem könnte, um so mehr, als die Würgerin Cholera auch in ihrem Gebiete immer mehr Opfer fordert. Wie es heißt, soll die Entscheidung über die umstrittenen mazedonischen Gebiete einer europäischen Konferenz übertragen werden. BulgarieuS Vcrmittluugsersucheu. Paris , 10. Juli. Die Agence Havas meldet aus Peters- bürg: Bulgarien hat erklärt, um Blutvergießen zu vermeiden, überlasse es völlig Rußland , die Einstellung der Feindselig- ketten herbeizuführen., Tie Intervention Rußlands . Paris , Ist. Juli. Nach einer Blättcrmeldung hat Sasonow infolge des Ersuchens Bulgariens unverzüglich die Regierungen Serbiens und Griechenlands gebeten, ihr bekanntzugeben, unter welchen Bedingungen sie Frieden schließen wollen. Sasonow wäre geneigt, die Kriegführenden zu ersuchen, einen W a s s e n st i ll st a n d abzuschließen und die Delegierten nach Petersburg zu entsenden. Man glaubt, daß Sasonow die Intervention nicht angenommen hätte, wenn die b u l g a. r i s ch e Regierung sich nicht bereit erklärt hätte, den S/rben und Griechen Zugeständnisse zu machen und Rumänien einen Teil der von ihnen beanspruchten Gebiete abzutreten. Rumäniens Absichten. London , 1<l. Juli. Das Reutersche Bureau erfährt aus gut unterrichteten rumänischen Quellen, daß die Mobilmachung noch in dieser Woche vollständig durchgeführt sein wird. Rumänien nimmt gegenüber keiner der kriegführenden Parteien eine feind liche Haltung ein, aber es will keine Veränderung des Gleichgewichts auf der Balkanhalbinsel zulassen, welche ihm selbst schädlich sein konnte. Wenn Serbien ernstlich bedroht sein sollte, so wird Rumänien gezwungen sein, Truv- ven nach Bulgarien zu schicken. Wen» dagegen Bul - garien bedroht ist» so wird Rumänien seinen Einfluß zu Bulgariens Gunsten geltend machen. Außerdem will es sich eine strategisch vorteilhafte Grenze sichern zur Verteidigung feines Gebietes und um eine Revanchepolitik Bulgariens sür den Fall, daß Rumänien gezwungen wäre, gegen Bulgarien vorzugchen, unmöglich oder we- ntgstens recht schwierig zu machen. Es ist daher wahrscheinlich, daß die rumänischen Truppen bulgarischoS Gebiet bis zu einer Linie von Turtukai (Tutrakan) au der Donau bis Baltschik am Schwarzen Meer besetzen werden, und daß der Rest seiner Streitkräfte zur Durchführung seiner Politik eine Eekährdung des Gleichgewichts der Kräfte auf der Balkanhalbinsel durch Intervention zwischen den Kriegführenden zu verhindern verwandt«erden wird. Eine serbische Tarstellung der Kriegscreignisse. Berlin , 10. Juli. Im Austrage des Ministeriums d�s Aeußern verbreitet die Königlich Serbische Gesan.dt> schuft folgende Richtigstellung: Allen bulgarischerseits verbreiteten Nachrichten, daß bei den letzten Kämpfen die Serben die Angreiser gewesen seien. ist serbischerseits entgegenzuhalten: Aus bulgarischen Ope- rationsbesehlen, Dienstbefehlen, Zeugenaussagen und Tage- büchern gefangener bulgarischer Offiziere geht hervor, daß die bulgarische Armee in Stärke von etwa 150 000 Mann mit etwa 200 Geschützen den Ueberfall auf die serbischen Stellun- gen in Mazedonien unternahm, was auch daraus hervorgeht, daß die serbischen Vorposten überrumpelt wurden und die Bulgaren im ersten Anlauf zu den serbischen Hauptpositionen gelangten. Zum Beweise hierfür befinden sich in serbischen Händen amtliche schriftliche bulgarische Operationsbefehle, die photographiert und veröffentlicht werden. Ferner steht fest, daß die Bulgaren in keinem einzelnen Fall den Befehl ge- geben haben, die Feindseligkeiten einzustellen, oder daß sie sich aus eigener Initiative zurückgezogen hätten. Auch die Be- hauptung, daß die Serben in das Gebiet der alten bul- garischen Grenzen eingedrungen sind, entspricht nicht den Tat- fachen, das Umgekehrte war vielmehr der Fall, wie die bul- garischen Angriffe bei Zaitschar, Kadi Bogaz. St. Nicolas, Knjazwatz, Prrot und Vlassina beweisen. Daß die von bul- garischer Seite gemeldeten Kämpfe bei Veles, Kumanowo und St. Nicolaus(Klisseli)— letzterer Ort ist nicht mit dem oben angeführten Ort gleichen Namens zu verwechseln— nicht stattgefunden haben können, geht schon daraus hervor, daß die serbischen Truppen die Bulgaren auf der ganzen Linie der Bregalnitza(Kriwolak, Jstip, Kotschana, Ossegowo-Gebirg« und Egri-Palanka) zurückgedrängt haben, und daß die An- griffe an der alten serbischen Südgrenze bei Vlassina(zwischen Wranja und Pirot ) abgewiesen worden sind. Ein Blick auf die Karte zeigt dies zur Genüge. Die Grieche» im Strmmtzatale. Athen , 10. Juli. Di« Griechen habe« Cavalla vnd da? ganze Strumitzatal besetzt. Die Cholera. Wie», 10, Juli. Wie die„Neue Freie Presse' aus Belgrad meldet, ist in den Spitälern von UeSküb die Cholera ausgebrochen. Die Opfer. Belgrad , 10. Juli. Da sämtliche Lazarette infolge der großen Zahl von Verwundeten überfüllt sind, hat man heute mit dem Bau von Krankenbaracken begonnen. Der österreichisch-ungarische Gesandte hat dem serbischen Roten Kreuz die GesandffchaftSschule zur Verfügung gestellt._ Zu viel gesiegt. Paris , 8. Juli. (Eig. Ber.) Wie ist doch ber alte Poffenscherz: Ich habe ewen Ge- sangenen. aber er läßt mich nicht lo»? Genau so geht'S jl kn Militaristen in der Deputiertenkammer. Wohl scheint ihr 'Schifflein allen Klippen entronnen und mit geblähten Segeln dem Hafen zuzusteuern. Aber unten im Rumpf gibt's irgend wo ein böses Leck... In der vorigen Woche waren alle Gegenprojekte der Militärvorlage erledigt worden und gestern wurde der entscheidende Paragraph des Artikels 18 des Eni- Wurfs Reinach-Montebello angenommen. Aber die 116 Stimmen Majorität bereiteten der Regierung und den Rüstungs Patrioten keine rechte Freude. Denn ehe sie noch den Löffel zum Mund bekamen, hatte ihnen der boshafte Radikale Vincent die Suppe versalzen. Vincent beantragte näm lich, daß alle diensttauglichen Leute effektiv die gleiche Dienst. daucr zu absolvieren hätten, und da die Militaristen im Augenblick, da sie die dreijährige Dienstzeit beantragt hatten, die Gleichheit aller Bürger vor dem Moloch feierlich beschworen hatten— schon um zu verhüten, daß die Verlängerung der Dienstzeit etwa nur für die berittenen Truppen be- schlössen werde— mußten sie patriotisch Ja und Amen sagen. Der Zusatz wurde mit allen gegen eine Stimme angenommen. Aber kaum hatten sie dieses Opfer am Altar der Demokratie dargebracht, als sie schon ein Grauen erfaßte. Und ein Pro gressift bat flehentlich im Namen der bedrohten Landwirtschaft, ein von dem seltsamen„Unabhängigen" Breton gestelltes, aber von der Mehrheit abgelehntes Unter-Amendement, daS Aus nahmen im Interesse der Bevölkerungspolitik offen lassen wollte, wieder aufzunehmen. Die Söhne der Kleinbauern, meinte er, müßten nach zwei Jahren freigegeben werden. Aber Genosse Compere-Morel erwiderte sehr treffend, daß die reak- tionären Agrarier für ihre leibliche und politische Verwandt- schaft keine Extrawurst braten dürsten. Und der Vorschlag fiel durch. Nun aber hat das Vincentsche Amendement das ganze Gesetz desorganisiert und wenn auch die die Mehrheit weiter berät, als ob nichts passiert wäre, so ist es doch unbestreitbar, daß es in seiner neuesten Gestalt einfach undurchführbar ist. Wie man weiß, hatte die ursprüngliche Regierungsvorlage die allgemeine dreijährige Dienstzeit mit früherer Beurlaubung der Söhne zahlreicher Familien vorgesehen. Aber da, wie Jaurss in der Armeekommission nachgewiesen hat, diese Faffung den von den Militaristen vorgegebenen Zweck gar nicht erreicht hätte, wurde das Gesetz völlig umgearbeitet und auf die von den Herrn Reinach und Montebello ausgeheckte Formel der festen Effektivbestände basiert. Danach wären die Ueber- zähligen entlassen worden. DieS ist aber jetzt, da die Gleich- heit der Dienstzeit für alle beschlossen ist, unmöglich. Entweder müssen alle früher beurlaubt werden oder keiner. Die Reak- tionären tun jetzt, als ob ihnen das nichts ausmachte, da der Reinach -Montebellosche Entwurf nur ein Minimum, aber kein Maximum der Bestände festsetze und der„Temps' versucht sogar in läppischer Weise den gestrigen Beschluß demagogisch gegen die Opposition auszuspielen, indem er meint, wenn jetzt alle Soldaten ohne Ausnahme drei Jahre dienen müßten. hätten sich die Wähler dafür bei der radikalen und sozialisti- schen Linken zu bedanken. Aber praktisch ist die Vorlage mit dem Amendement nicht zu vereinen. Namentlich, wenn im Herbst auch die Zwanzigjährigen eingezogen werden sollen. Da das Kontingent der Zwanzigjährigen nicht die Stärke der Einundzwanzigjährigen hätte, müßte— um dem Prinzip der Effektivbestände zu genügen— ein Teil der jetzigen Zwei- jährigen zurückbehalten werden. Das Vincentsche Amendement aber würde die Zurückbehaltung a l l e r fordern und dann hätte die Regierung gleichzeitig vier Jahrgänge in der Kaserne, was natürlich unmöglich ist— aus nationalökonomischen und hygienischen Gründen. Alle zurückbehalten aber will die Regierung auch aus politischen Gründen nicht. Man mag sagen, was man will, die Einstellung der Zwanzigjährigen ist doch nur darum von der Regierung angenommen worden, weil dieser vor dem kommenden Herbst graute. Die Aussicht darauf, daß der allergrößte Teil des dritten Jahrganges im Herbst entlassen werden würde, hat die Aufregung in den Kasernen etwas ge- mildert. Wie würde diese aber erst aufflammen, wenn das Versprechen wieder zurückgenommen werden würde! Tat- sächlich hat in der heutigen Vormittazssitzung der Präsident der Armeekommission H e r i s s s erklärt, daß im Falle der Einstellung der Zwanzigjährigen dem Gesetz keine rück- wirkende Kraft gegeben werden müßte— d. h. daß die heute Dienenden kein drittes Jahr zu absolvieren hätten — eine Erklärung, die Jaurss sofort festnagelte. Was machen aber dann die Effektivbestände der Herren Reinach und Montebello? Man sieht, die Opposition hat glänzend manövriert. Die Vorlage ist durchlässig, man mag sie drehen und wenden, wie man wolle.' Das sagt naturlich nicht, daß nicht schließlich doch ein Machwerk zustande kommt, das das„Prinzip" der drei Jahre herauskehrt. Einstweilen aber fährt der Militarismus herum wie Goethes Ratte im Kellernest. Jaures gegen die militaristische Koasusion. Paris , 10. Juli. In der heutigen Sitzung der Ka m m e r warf bei der Beratung des Artikels 6 der Militärvorlage, der sich mit der Frage des Einstellungsalters befaßt, JaureS in heftiger Weife der Regierung vor, die Prüfung dieser Hauptsrage zu spät vorgenommen zu haben. Er sagte, daß die Zusammenhanglosigkeit der Regierung angesichts des SeelenzustandeS der jungen Mann- schaften der JahreSklasse 1310 tragisch sei, denn diesen leuchtete seit acht Tagen der Hoffnungsschimmer des Freiwerden?. Jaures klagte dann hie Regierung an, daß sie die Kammer vor die Alternative stelle, die schönsten Hoffnungen zu enttäuschen oder die KrankheitS- oder Sterblichkeitsziffer der jungen Soldaten zu erhöhen.(Beifall auf der äußersten Linken und bei einem Teil der Linken.) Ministerpräsident B a r t h o u wies darauf hin, daß die ganze Frage der Einstellung Zwanzigjähriger der Anregung des Parla- mentS entstamme, da die Kommission bei Beratung der Amende- mentS die Meinung der Regierung verlangt hätte. Die Vorteile dieser Maßregel, die er im Prinzip anerkenne, ständen in keinem Zusammenhange mit einer Entlassung des Jahrganges 1910.(Bei. fall im Zentrum.) Der Vorwurf JaureS ', er hätte die Soldaten dieses Jahrganges getäuscht, treffe die Regierung nicht, denn diese hätte nichts weiter getan, als daß sie den Beschlüffen des durch die Kammer mit der Frage befaßten Heeresausschusses gefolgt wäre, wenn dieser sie bejaht hätte. Die Regierung habe durch Mitteilung der Gutachten des Obersten Gesundheitsrates und des GefundheitS. beirates an die Kommission eine Prüfung der Frage nach allen Richtungen durch Kommission und Parlament herbeiführen wollen und damit loyal gehandelt.(Beifall von verschiedenen Seiten.) Er wolle durchaus nicht auf die Kammer drücken, sondern ihrer Be- ratung volle Freiheit lassen.(Lebhafter Beifall im Zentrum und auf einigen Bänken der Linken, ironisches Lachen auf der äußersten Linken.) Schließlich wurde Artikel ö mit den dazu gestellten Amende» ments an die Kommission zurückverwiesen. Fortsetzung der Be- ratung Mittwoch. polltifchc deberficbt. Zur nationalliberalen Stichwahlparole in Zauch-Belzig. Die nationalliberale Parole zu den Stichwahlen im Reichstagswahlkreise Zauch-Belzig fordert den bitteren Spott auch der linksliberalen Organe heraus. So schreibt daS „Berk. Tageblatt": „Daß die nationalliberale Partei nicht gerade den Gipfel der Zuverlässigkeit bedeutet, daß sie in ihrem ganzen politischen Per» halten mit einer Drehscheibe manche Aehnlickleit aufzuweisen hat. daß sie gern den Mantel nach dem Winde trägt und nach zwei Seiten hingt, daß alles sind nicht gerade neue Erkenntnisse. Wer die Geschichte der nationalliberalen Partei wahrheitsgemäß schreiben wollte, der würde damit zugleich eine Geschichte der menschlichen Schwachheit schreiben. Aber es muß ein Maß in den Dingen sein. In ibrem Verhalten bei den beiden heute und morgen statt- findenden Stichwahlen zum Reichstag hat sich die nativnalliberale Partei selbst übertroffen... Die nationalliberale Partei mag über einen Block von Basier- mann bis Bebel denken, wie sie will: sie mag sich noch so sehr zu der reaktionären Seite des Reichstags hingezogen fühlen; aber daß es auch in ihrem Interesse liegt, eine blamchwarze Mehrheit im Reichstage unmöglich zu machen, daS versteht sich von selbst. Sie hätte um so mehr den Mund halten können, als sie die Stich- wähl in Zauch-Belzig nichts angeht. Denn ein nationalliberaler Kandidat war überhaupt nicht aufgestellr worden, und die Fort- schrittliche Volkspartei hat die klare Parole gegen die Rechte au§- gegeben. Trotzdem hält sie eS für nötig, sich in den Kampf zu mischen..... Man beachte wohl, daß die nationalliberale Parteileitung, oder wer sonst sich die Enlscheidung angemaßt hat, erst einmal mit ihrer Meinung' so lange binler dem Berge hielt, bis der Tag der Stichwahl in Salzwedel -Gardelegen gekommen war. Vorsicht scheint sür gewisse nationalliberale Mannesseelen der bessere Teil der Tapferkeit zu sein. Nun aber, wo man annehmen zu dürfen glaubt, daß die Wahl Böhmes gesichert ist, fälli man der Linken in Zauch-Belzig in den Rücken. Das sind Balkangewohnheiten, die man sich denn doch bei den Parteikämpfen im Deutschen Reich aufs ernstlichste verbitten muß. Wir hoffen allerdings, daß auch der größte Teil der nationalliberalen Wähler im Wahlkreise Zauch-Belzig zu anständig denkt, um eine derart perfide Taktik mitzumachen...." Eine beißende Charakteristik der Fraktion Drehscheibe I Der kriegsministerielle Beichtvater. Für die bürgerlichen Parteien und insbesondere für das Zentrum besteht daS Wesen der Politik darin, im Wege des Kom- p r o m i s s e s mit den herrschenden Mächten so viel als möglich herauszuschlagen. Daher kann bei diesen Parteien auch von prinzipieller Politik keine Rede sein, Kuhhandel ist Trumpf. Im KrisgSministerium ist nun der berufene Kuhhändler, der die Ge- schäste mit den bürgerlichen Parteien zu führen Halle, der General v. Wachs gewesen, der, dem Kriegsminister v. Hesringen folgend. jetzt aus seinem Amte ausgeschieden ist. In der„Germania " widmet' ein ZentrumSparlamemarier und begeisterter Anhänger der Hinter- treppenpolirik dem General v. Wachs diesen Nachruf: „General v. Wachs hatte schon als Chef der Ministerialab» teilung unter dem Minister von Äoßler einen über seine damalige Stellung weit hinauSreichenden Einfluß. Als Direktor des Zentral- departements war er dann, das wußte jeder Reichstagsabzeord- nete, im ureigensten Sinne die rechte Hand der Mini st er von Einem und von Heeringen. Und noch mehr— er war der Vertrauensmann der Bolls der treter aller, Parteien. Wer in fiiilitaribus einen Wunsch odhr ein Anliegen hatte, ging zum General Wachs; er war sicher, dort liebenS- würdig gehört und beschieden zu werden. Wenn es sich um ein« Bermittelung handelte, wandten sich die FraltionS» führer an ihn, sie wußten, daß damit die Sache in die besten Hände gelegt sei, und wurden niemals enttäuscht. Wachs fand sicher einen Ausweg, der schließlich beiden Teilen annehmbar war. das Regierungsinteresse nicht außer acht ließ und ebenso den von. der anderen Seite geäußerten Wünschen oder geltend gemachten Bedenken soweit nur irgend möglich Rechnung trug. Mit klarem Urteil.' das sich nicht nur einseitig auf rein mili« tärische Fragen beschränkte, verband er bei aller militärischen Gradheit ein außerordentlich liebenswürdiges Wesen und eine wohltuende Ruhe, die ihn vor Entgleisungen bewahrten. Dies« Eigenschaften befähigten ihn, zu verhandeln, auszugleichen und zu versöhnen. Wo von dritter Seite ein kaux xas gemacht war. arbeitete Wachs, der im Reichstage nur selten das Wort er- griffen hat. im stillen und brach der Sache die Spitze ab.... Mit einem Warle läßt sich die Vertrauensstellung(des Generals v. Wachs) kennzeichnen. General v. Wachs wurde nämlich scherz- Haft in Abgeordnetenkreisen der»krieg«ministeriell« Beichtvater' genannt._ Ein geschichtliches Thema ist nicht politisch. Im Kampf gegen die freie Jugendbewegung hat die Polizei eine Niederlage erlitten. Ihr Bestreben, geschichtliche Vorträge als politische zu stempeln und damit die Jugendversammlungen zu der- hindern, ist gescheitert. Am Karfreitag sollte in Königsberg ein Vortrag über das Thema:„Der 17. März 1818— der 18. März 1843' gehalten werden. Die Polizei verbot die Versammlung, noch ehe der Redner auch nur ein Wort gesagt hatte, und das Swöffengericht erkannte gegen den Veranstalter der Versammlung aus 1ö M. Geld- strafe wegen Vergehens gegen das Vereinsgesetz(cS erblickte in dem Thema ein politisches) und wegen Verstoß gegen die VersrommungS- Verordnung, nach der am Karfreitag und Bußtag öffentliche Ger- sammlungen überhaupt nicht stattfinden dllrfen. Die Berufungs- kammer sprach den Veranstalter von der Anklage frei, eine unangemeldete Versammlung zur Erörterung politischer Snge- legenheiten in Anwesenheit von Personen unter 18 Jahren veran- stallet zu habe». Zwar bestehe der Verdacht, daß politische Ange» legenheilen erörtert werden sollten. Da» wäre der Fall gewesen, wenn der Redner auf gegenwärtige Verhältnisse Bezug ge- nommen hätte. Die Verfrommungsverordnung sah daS Gericht für rechtsgültig an; deshalb wurde dieser Teil der Berufung verworfen und die Strafe aufrechterhalten. Von Bedeutung ist aber der Ent« scheid der Straskammer, daß geschichtliche Themata uicht politisch sind. Es können also derartige Vorträge ungehindert in öffentlichen Jugendversammlungen gehalten werden. Das Zentrum und die Gewerkschaften. Eine Korrespondenz meldet: ES ist bekannt, daß der Bischof von Trier seinen KleruS angewiesen hat. nur mehr für die rem katholischen Organisationen einzutreten, waS unter den nicht berlinerisch gesinnten Geistlichen und Laien große Unzufriedenheit hervorgerufen hat. Jetzt verlautet, daß ein weiteres bischöfliches Rundschreiben an die Trierer Geistlichkeit ergangen ist. daS sich gegen den neuen christlich-interkonfessionellen Verband der Land- und WeinbergSarbeiter richtet, an dessen Spitze der protestantische Abgeordnete Behren» steht. In den Reihen der Köln-Gladbacher Richtung hat diese» Vorgehen hochgradige Erbitte- rung hervorgerufen. Den öffentlichen Kampf haben aber beid« Gruppen bisher zu vermeiden gesucht. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, daß die Auseinandersetzungen wieder in verschärftet Form öffentlich zum Ausdruck rommen werden. Die badischen Landtagswahlen. Die badische Parteipresse veröffentlicht jetzt die Kandidaten- liste. Die Sozialdemokratie ist die einzige Partei, die mit der Ausstellung der Kandidaten fertig ist. In sämtliche«
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