73 LandtagSwahlkreisen hat sie ihre Vertreter nominiert;' Doppelkandidaturen sind nach Möglichkeit vermieden. Nur ewige bekanntere Genossen kandidieren mehrmals. Durch dieses selbständige Vorgehen ist es auch diesmal wieder mög- lich, die sozialdemokratischen Stimmen zu zählen. Im Jahre 1909 stiegen sie ganz enorm, nämlich von 29 999 auf rund 86999. Unser prozentualer Anteil an der Zahl der über- Haupt abgegebenen Stimmen erhöhte sich von 17 auf 28. Die bürgerlichen Parteien sind mit der Kandidatenauf- stellung noch ziemlich im Rückstände; das Zentrum befindet sich, auf der Suche nach grofiblock- gegnerischen National- liberalen— eine tolle Wahlkomödie der grundsatzlosesten aller Parteien— und die Nationalliberalen haben abgewartet, ob daS bekannte Teilabkommcn zustande kommt. Erst jetzt können sie ihre Kandidatenliste fertigstellen. Sie verlieren— wie bei der Mannheimer Kandidaten-Nominierung erklärt worden war— einen ihrer Führer, den Rechtsanwalt König. der nicht mehr zu kandidieren willens ist. Auch der frühere Parteichhef der Nationalliberalen, Landgerichtsdirektor Ob- kirchner, der 1999 unserm Genoss-n Breitenfeld unterlegen ist, hat sich noch nicht entschlossen, wieder eine Kandidatur anzu- nehmen. Das Zentrum bringt auch einige neue Männer; bemer- kenSmert ist, daß der adelige Vertreter von Bruchsal -Wiesloch , Freiherr v. Mentzingen, durch einen christlichen Gewerk- ichaftssekretär Hartmann aus Walldorf ersetzt worden ist. Mau sieht allmählich ein, daß man mit dem Adel in Baden keine Wahlgeschäste machen kann. Ein preußischer Ortsborsteher als Hüter königlich preußischer Jugendpflege. Ueber ein Vorkommnis, das ebenso die reaktionären Zustände im preußischen Schulwesen wie gleichzeitig auch in der preußischen Gemeindeverwaltung zeigt, wird uns berichtet: In dem Orte Stützerbach (Kreis Schleusingen ) kam es dieser Tage zwischen dem Gemeindevorsteher und unseren Genossen m der Gemeindevertretung zu einem heftigen Zusammenstoß. Ein Arbeiter hatte die Wahl in den Fortbildungsschulaus- s ch u ß abgelehnt. Das nahm einer unserer Genossen zum Anlaß, darauf hinzuweisen, daß die Gemeindevertretung sich mit der Frage nicht noch einmal beschäftigen müßte, wenn man nicht den sozial- demokratischen Vorschlag, bei dem die Annahme des Ehren- amteS sicher gewesen wäre, niedergestimmt hätte. Nun brach das Ungewitter los. Der Ortsvorsteher sprach von der behörd - lichen Genehmigung des Fortbildungsschulrats-MitgliedS, die auch von der politrschen Betätigung des Betreffenden abhänge, und als ihm von einem Genossen entgegnet wurde, es sei schlimm genug, wenn in Schul sachen Politik getrieben werde, meinte er, das geschehe mit Recht, denn erst kürzlich habe ein junger Mensch unter den Augen des Lehrers ein„sozialdemokratisches Flugblatt" verbreitet. Ter junge Mensch sei wohl bestraft worden, aber er bedauere, daß in diesem Falle nicht das Züchti- gungSrecht erlaubt sei. Er sei als Regierungsbeamter verpflichtet und habe somit die RegierungSrnteressen gegen die Ilmsturzbestrebungen zu wahren, er sei auch dahin vereidigt, die nationale Jugendpflege zu för- dern, was er stets tun werde. Soweit kennzeidjnen die Ausführungen des preußischen OrtSvorsteherS die reaktionären Strömungen tin" preußischen Schulwesen überhaupt. Aber es war unseren Genossen gelungen, den Redefluß der preußischen Dorsobrigkeit mehrmal» zu unterbrechen, so auch mit der nicht unwichtigen Feststellung, daß die„sozialdemokratischen Flugblätter" die—„Arbeiter-Jugend" gewesen seien. Immer aber, wenn kaum die sozialdemokratischen Gemeindevertreter sich zur Ab- wehr oder Verteidigung anschickten, hieß es von dem zugleich den No r si tz führenden OrtSvorfteher:„Ich entziehe Ihnen das Wort!' Und auf diese Weise gelang es ihm auch, Kläger und Richter zugleich und in eigener Sache zu sein und die Arbeiter mundtot zu machen. TaS aber kennzeichnet die in der reaktionä- ren preußischen Landgemeindeordnung begründeten vorsintflutlichen Zustände in unseren preußischen Dorfgemeinden. Uebriqens hat Stützerbach bei der letzten ReichstagSwahl 284 sozialdemo- k r a t i s ch e(134 im Jahre 1307) gegen 83„nationale" Stimmen aufgebracht. Das erklärt manches und läßt auch weiter eine gute Wirkung der dorfobrigkeitlichen Umsturzbekämpfung erhoffen. Ein preußisches Beamten-Jdyll. In der großen deutschen Kinderstube gibt es diese folg- same patriotische Kinder. Herr von Breitenbach aber scheint die artigsten zu haben. Man lese nur dieses köstliche Rund- schreiben: »Eisenbahnverein Eöln. An die Herren Vertrauensmänner! Von dem RegierungSrat Winkel zu Königsberg i. Pr. ist ein vornehmlich für daS Regierungljubiläum des Kaisers be- stimmtes Band herausgegeben worden, da« zugleich als V i v a t- band für alle patriotischen und Vereinsfeste deS ganzen Jahre« dienen wird und am 16. Juni und 18. Oktober d. I. m ö g l i ch st allgemein getragen werden soll. Das Doppelbaud besteht aus zwei durch eine Mesfingöse zu einer Schleife verbundenen verschiedenfarbigen Einzelbändern. Die Farben der Bänder sind rot, blau oder gelb. Geliefert wird in verschiedenen Farben nach Wahl der Generalvertriebs- stelle der Firma Gräfe& Unzer in Berlin . Das Vivatband trägt die Bilder deS regierenden Kaiser« und des Königs Friedrich Wilhelm HI. sowie die Bildnisse von Staat«- männern und Heerführern, die an der Befreiung deS Vater- landeS vor 1<X) Jahren hervorragenden Anteil haben und folgenden Aufdruck: „Dem Kaiser Heil! Seit 25 Jahren . Hat er regiert mit starker Hand. All Deutschland , halt in Mühen und Gefahren So treu wie er zum Vaterland! Denk' an die Helden, die uns einst befreiten, Ihr Alle» opferten der Pflicht. Und zage nicht, selbst in den schwersten Zeiten, Denn Galt verläßt die Deutschen nicht." DaS Band wird an der Achsel bezw. linken Brust- seite befestigt und zu dem für die Eisenbahnvereine ermäßigten Preise von 25 Pf. das Stück geliefert. Durch Erlaß vonHarzburg, b en 14. Mai 1313 IV. 42� hat der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten genehmigt, daß den Eisenbahn - bedien steten gestattet wird, an den bevor- stehenden vaterländischen Feiertagen das Vivatband zur Dienstkleidung zutragen/(Unterschrift.) Ist das nicht reizend? Ein kgl. preußischer Regierungsrat erdenkt Vivatbänder , Sr. Exzellenz der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten widmet dem Vivatband einen feierlichen Erlaß und die kgl. preußischen Eisenbahnbeamten lassen das Band stolz von der linken Seite ihrer deutschen Manncsbrust im Winde flattern. Der Eisenbahnminister kann mit seinem Vivatoölkchen zufrieden sein. So lange sich die Eisenbahn- hediensteten mit solchem Spielzeug Vergnügen, braucht er ihre Forderungen nicht zu fürchten. „Alte Leute" und Rekrutenerzieher. Eikre flandalöse Mißhandlung mutzte ein Rekrut vom 2. Jäger- regiment zu Pferde in Langensalza durch die zwei im dritten Jahre dienenden Jäger Hugo Räuber und Karl Riechers erdulden. Räuber hatte dem Mann einen ganz unsinnigen„Be- fehl" gegeben, den er gar nicht ausführen konnte. Darauf versetzte Räuber oem Rekruten mit einem ungewöhnlich langen und schweren Rohrstock etwa 40 Hiebe über Kopf, Rücken und Beine. AIS der Mißhandelte unter dieser Brutalität zusammengebrochen war. schüttete der„Kamerad" noch ein Gefäß mit Wasser über sein hilflos daliegendes Opfer, dem nun auch der andere Prügelheld Karl Riechers eine Anzahl Schläge verabfolgte. Der Rekrut war acht Tage dien st unfähig, sein ganzer Körper war mit blutunterlaufenen Schwielen' und der Kopf mit Beulen bedeckt. TaS Kriegsgericht Erfurt erkannte am Mittwoch gegen die beiden feigen Soldatenschinder auf 4 Mo- nate 1 Woche Gefängnis für Räuber und 4 Wochen Gefängnis für Riechers. Ocfterrdcb. Ein geheiligter Staub. Wie», 10. Juli. (Eig. Ber.) Die„auf Suppe" länger dienenden Unteroffiziere(Kapitulanten) nennt der österreichische KommiSjargon „Suppaken". Weil nun die Jnnsbrucker„VolkSztg" aus der Wiener „Arbeiterzeitung" diesen Ausdruck übernahm, erhob der Staats- anwall Anklage— natürlich nicht wegen Beleidigung, was vor die Geschworenen gehört haben würde, sondern wegen—»Be- schimpfung einer selbständigen Abteilung der kaiserlichen Armee". Die kleine Geldstrafe, die der Redakteur Genosse Rapoldi bekam, genügte der Anklagebehörde nicht. eS sollte strenger Arrest (Gefängnis ohne Selbstbeköstigung) sein und nachdem sogar die Generalprokuratur(Reichsanwaltschaft) in Bewegung gesetzt worden war, erklärte der k. k. oberste Gerichtshof wirklich, daß durch die Nichlverhängung der strengen Arreststrafe das Gesetz verletzt worden sei, weil nämlich die Suppaken ein»ganzer Stand der bürgerlichen Gesellschaft" und der Ausdruck der Geringschätzung für sie eben strengstens zu bestrafen sei. Spanien . Todesuxtcil gegen den ÄönigSattentäter. Madrid , 10. Juli. ES bestätigt sich, daß Sanchez Alegre zum Tode verurteilt worden ist. Ter Urteilsspruch ging dahin, daß daS Attentat vorher beschlossen und hinterlistig ausgeführt worden sei. Sanchez sei zwar Epileptiker, er sei aber im Augen- blick des Attentates im Besitze der Geisteskräfte gewesen. Es wird versichert, daß Sanchez die Nichtigkeitsbeschwerde einlegen wird. Marokko. Vom Kampf der Spanier gegen die Kabylen. Ceuta , 10. Juli. Gestern beschossen die Mauren die Spanier bei Lonrient und töteten dabei einen Korporal und zwei Soldaten. Die Spanier machten einen Ausfall und wurden dabei von einer großen Anzahl von Mauren angegriffen. Die Mauren wurden schließlich durch spanische Artillerie unter großen Verlusten zurück- getrieben. Fünfzehn Spanier wurden kampfunfähig gemacht. Euq der Partei. Giovanni Montcmartini.>>- Rom , den 8. Juli. (Eig. Ber.) Aus vollem Wirken heraus, von unermüdlicher Arbeit Und eifrigen Studien, hat der Tod den Genossen Montemartini weggerissen. Als Generaldirektor des Sta- tistlschen Reichsamtes und des Arbeitsamtes, als Univerfitätspro- fessor und Schriftsteller ehrt man heute den Toten. Während der Abendsitzung im Kapitol, der er als sozialistischer Stadtverordneter beiwohnte, traf ihn der Tod ganz unvermutet. Wenig« Minuten vorher hatte der Mann, der geradezu den Eindruck unverwüstlicher Gesundheit machte, über das Budget der während seiner«tadtrattätigkeit von ihm ins Leben gerufenen städtischen Elektrizitätswerle gesprochen: das Budget schloß glänzend ab, Montemartini war mit seinem Werk zufrieden und plauderte mit seinem Nachbar, als er plötzlich erbleichte, stammelt«, mit den Händen in die Luft griff und dann bewußtlos zur Seite sank. Eine Gehirn- blutung hatte den hünenhaften Mann, der erst im 46. Lebensjahre stand, der Sprache und des Gebrauchs der rechten Seite beraubt. Die Sitzung wurde aufgehoben, und man trug Montemartini, dessen Zustand gleich hoffnungslos erschien, in den Fahnensaal, wo er, ohne daS Bewußtsein wiedererlangt zu haben, heute fvüh.um 2L0 Uhr den letzten Atemzug tat. Seine an das Sterbelager gerufene Frau und seinen einzigen dreizehnjährigen Sohn hat er nicht mehr erkannt. Montemartini studierte Volkswirtschaft und wellte seiner Studien halber auch längere Zeit in Berlin . Leipzig und Wien . Von seinen Veröffentlichungen ist vor allem ein Wer! über Kommunal- sozialiimuS hervorzuheben und eine vor wenigen Jahren erschienene Studie über die mathematische Schule in der Volkswirtschaft. Als vor etwa 15 Jahren die Mailänder„Umanitaria" das erste Arbeits- amt in Italien schuf, wurde Montemartini zum Direktor berufen. In der Folge wurde das Reich sarbeitSamt gegründet, und unser Genosse, trotz seiner Zugehörigkeit zur Partei, mit der Leitung be- auftragt. Vor drei Jahren ernannte man ihn wegen seiner un- zweifelhaften Autorität auf statistischem Gebiet zum Generaldirektor des statistischen ReichSamtS, in welcher Stellung er große und ent- scheidende Neuerungen einführte und eine Neuordnung der ganzen Reichsstatistik durchzuführen begann. DaS neue reichSstatistische Jahrbuch, daS große Borzüge vor den bisher in großen Abständen erscheinenden Werken hat, ist ganz von Montemartini geschaffen worden. Noch mehr zu bewundern als die unermüdliche Arbeitskraft deS Mannes war aber der Takt und die Würde, mit denen er seine Stellung als hoher Staatsbeamter mit seiner Eigenschaft als Sozia. list zu vereinigen verstanden hat. AIS eS die Etikette gebot, zu Hofe zu gehen, blieb Montemartini, der sich vor allem als Sozialist fühlte, einfach ßu Hause. Im Parteileben war Montemartini diszipliniert und äußerst bescheiden. Ein Sektionsbeschluß der römischen Partei genügte, um ihn zur Niederlegung seiner StädtratSstelle gerade zu einer Zeit zu bewegen, wo der Kampf um die Munizipalisierung am schärfsten war. Ein Beweis seiner Diszipliniertheit war eS auch, daß er die Kandidatur als Stadtverordneter der sozialistischen Minoritäl wieder annahm, ein Amt, in dessen Erfüllung den Unermüdlichen der Tod überraschte. Ein anderes wahrlich nicht leichtes Opfer brachte er seiner sozialistischen Udberzeugung. als er, der einer der ersten Fechter Italiens war, die Duellsooberungen ablehnie, die sich an die kriegsfeindliche Demonstration im Kapitol anschlössen. Von einer roten Fahne bedeckt, liegt jetzt die Leiche im Fahnen- saal des Kapitols. Städtische Schutzmannschaften in Galauniform halten ihm die Ehrenwache und die Stadtfahne deS Kapitols weht auf Halbmast. Viele trauern um ihn. Als erster war heut in aller Frühe der Minister für Landwirtschaft, Industrie und Handel zu dem Toten geeilt, direkt von der Bahn, wo er die Nachricht erhalten hatte. Seitdem war eS eine unausgesetzte Pilgerschast, Freund« und Genossen, Vorgesetzte und Untergeben«; Männer der Wissenschaft und Arbeiter sind zur Bahre geeilt, um daS Unglaubliche zu begreifen. daß soviel Leben, Energie und Kraft über Nach: vom Schicksal gefällt werden konnte. Wer vor allem trauern wir Sozia. listen um ihn, denn„er war unser", grad und tüchtig und»reu, von tiefer milder Güte, wie alle Stanken, war er mit Leib und Seele Sozialist Au» der italienischen Partei. Rom , den 7. Juli. (Eig. Ber.) DaS Organ der außerhalb der Partei stehenden Reformisten, die wöchentlich erscheinende„Azione Socialista', bringt die Nachricht, daß der Mailänder Generalstreik die noch in der Partei verbleibenden Reformisten von der Not- wendigkeit überzeugt hätte, aus der Partei auszutreten, um mit ihren früheren Gesinnungsgenossen, den Rechtsreformisten, gemeinsame Sache zu machen. Es heißt in dem Blatt, daß demnächst eine tusammenkunft in Rom stattfinden werde, bei der sich die beiden lügel des Reformismus ins Einvernehmen setzen wollen. Im „Avanti" vom 6. Juli wird diese Nachricht von Turatr selbst, der der Notiz zufolge einer der Anreger des VersöhnungS- oder Spal- tungSverfuchS(wie man«S nennen will) fein soll> dementiert. Der Wunsch, in etwas zahlreicherer Gesellschaft den gezähmten Sozia- lismus betätigen zu können, war wohl der Pater der merkwürdiges Notiz._ poUzeiUcfces, Ocrufttilches ulw. 104 Prcßprozesse! In den verflossenen sechs Monaten des JahreS 1313 wurden gegen sozialdemokratische Redakteure nicht weniger olS 134 Urteile gefällt. Es wurden in dem genannten Zeitraum an Strafen der- hängt: 33 Monate 3 Wochen Gefängnis und 10 745 M. Geldstrafe. Der Monat April weist den höchsten Stand der Bestrafungsziffern auf, der Januar den niedrigsten, Auch für die Arbeiterpresse ist 1913 ein.Opfersahr", �sugendbewegiing. Der Kultusminister gegen den Schicßunfug. Wiederholt haben wir an konkreten Fällen nachgewiesen, daß bei Veranstaltungen bürgerlicher Jugendvereine der Schießunsug einen bedrohlichen Umfang angenommen hat. Nun sieht sich auch der geistige Führer der bürgerlichen Jugendbewegung in Preußen, der preußische Kultusminister, gezwungen, gegen die Spielerei mit Schußwaffen vorzugehen. In einem Erlaß ordnet er an: »Der Gebrauch von Schießgerälen bei Veranstaltungen für die schulentlassene männliche Jugend führt leicht zu Unzurräglich- leiten und Unfällen. Ich ersuche daher ergebenst, diesem Gebrauch durch Vermittelung der Jugendpflegeausschüsse und w sonst ge- eigneter Weise entgegenzuwirken." Wenn der Kultusminister, der in der Wahl von Lockmitteln zur Gewinnung der arbeitenden Jugend eine bewundernswerte Weit» Herzigkeit gezeigt hat, gegen den ihm befreundeten Jungdeutschland- bund diese derbe Tonarr anzuschlagen für nötig hält, so müssen di« Jungdeutschen es gewiß arg getrieben haben. Ob zwar der ministerielle Erlaß auf die jungdeutschen Leut« nants einen Eindruck machen wird, dürste zu bezweiseln sein. Diese Leutchen hängen viel zu sehr an ihren militärischen Faxen, al« daß sie davon lassen könnten. Sie aber durch Entziehung staatlicher Unterstützungen und durch strafrechtliche Verfolgungen zur Anerkennung seiner Maßnahmen zu zwingen, dazu dürfte wiederum dem preußischen Kultusminister der Mut fehlen. Warten wir e» einstweilen ab. Letzt* Nachrichten. Die Niederlage Kroch era bei der Stichwahl in Salzwedel -Gardelege»». Gardelegen , 19. Juli. (W. T. B.) Bei der Reichstags- stichwahl im Wahlkreise Salzwedel-Gardelegen erhielt v. K r ö ch e r(k.) 11 199 Stimmen, Dr.. B o e h m e(Bbd.) 13 893 Stimmen. Die Ergebnisse einiger kleiner Ortschafte« stehen noch aus. Die Wahl Dr. Boehmes gilt als sicher. Für Dr. Boehme stimmten geschlossen die Sozialdemo« kraten, während für v. Kröcher die Wähler seines konser« vativen Gegenkandidaten Schulz-Ritze eintraten. Die Haupt- wähl am 2. Juli hatte folgendes Resultat: Bergemann(Soz.)' 1929, Dr. Boehme(natl., Bauernbund) 19 754, v. Kröcher(t), 6999, Schulz-Ritze(B. d. L.) 4945 Stimmen. Serbiens Bedingungen für einen Waffenstillstand. Wien , 10. Juli. (P.-C.) Serbien , welches lebhaft das Ende des brudermörderischen Kampfes herbeisehnt, würde dem Eintritt eine? Waffenstillstandes, wie der„Wiener Allgemeinen Zeitung" aus Belgrad gemeldet wird, nur unter der Bedingung zustimmen können, daß vorher ein völliges Uebereinkommen über die wichtigsten Punkte des Friedensvertrages erzielt worden ist. Man befürchtet in Belgrad nämlich, daß Bulgarien einen eventuellen Wafsenstill- stand nur dazu benutzen würde seine militärischen Positionen zu verstärken und neue kriegerische Operationen gegen Serbien und Griechenland vorzubereiten» um ihnen die Früchte ihrer bisherigen Erfolge wieder zu entreißen. Türkische Forderunge« an Bulgarien . K-nstantin-pel, 10. Juli.)W. T. B.) Nach Meldungen au» informierten Kreisen verlangte die Pforte von Bulgarien nicht die Feststellung der Grenzlinie, sie ist jedoch entschlossen, sofort nach der Räumung die Bestimmung der Grenzlinie zu fordern; diese soll durch eine internationale Kommission erfolgen. In- zwischen würde die Pforte die Feststellung einer neutralen Zone zwischen beiden Armeen verlangen. Rumänien auf dem hohen Pferde. Bukarest , 10. Juli. (W. T. B.) Der Handelsminister ver- öffentlicht folgende Mitteilung: Es liegt kein Grund vor für den Erlaß eines Moratoriums, die Zahlungsverpflichtungen der Mobilisierten werden jedoch hinausgeschoben. Die Finanz» läge des Landes ist derartig, daß sie allen zu erwartenden An- forderungen gewachsen ist und daß Anleihen nicht notwendig sind, Der Streik in Mülhausen . Mülhausen i. E., 10. Juli. (W. T. B.) Die Lage im Streik- gebiet ist auch heute ruhig und unverändert. Am Abend ließen Bürgermeister und Polizeipräsident folgenden Maueranfchlag an- bringen.: Ueber die gütliche Beilegung der bei den Bauarbeiten am Nordbahnhof entstandenen Streitigkeiten sind heute auf der Ge» neraldirektion der Reichseisenbahnen in Straßburg im Beisein von Abgeordneten und Behörden Verhandlungen eingeleitet worden, die in einer morgen vormittag um 10 Uhr auf dem Rathause statt» findenden Zusammenkunft der Beteiligten fortgesetzt werden. Nach- dem die Firma Julius Berger sich zu einem Entgegenkommen bereiterklärte, ist ein günstiger Abschluß der Verhand- l u n g e n zu erwarten und eine baldige Beilegung des Streikes dürfte erfolgen.— Nachmittags wurden die beiden bei den Streik« krawallen Umgekommenen unter außerordentlicher B«« teiligung der Arbeiterschaft in Dornach beerdigt. Russisches. Minsk , 10. Juli. (23. T. B.) Gestern spät abends entdeckt« die Polizei in einer Synagoge eine Arbeiterverfammlung, an der vierhundert Personen teilnahmen. Um der Verhaftung zu ent- gehen, sprangen viele von den Teilnehmern aus den Fenstern des zweften Stockes und erlitten Berletzungen. Es wurden 76 Per« stmen verhaftet.
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