nach Hause zu begeben. Unter den Kränzen befand sich einer von der Sozialistischen Partei, der die Inschrift trug:„Zum Andenken an unsere Märtyrer, die von der Kapitalistenklassc mit kaltem Blut meuchlings ermordet worden sind." In Prätoria, dem Sitze der Regierung, setzte es die Menge durch, daß die Fahnen auf den Regierungsgebäuden zum Zeichen der Trauer auf halben Mast gehißt wurden. Ein Mann mit einem Revolver in der Hand be- gleitete den Portier aufs Dach, damit der Wille des Volkes ausge- führt werde. Dieser Vorfall zeigt deutlich, daß die Niedermetze- lungen ihren Zweck, die Arbeiterschaft einzuschüchtern, nicht erreicht, haben. Die Situation ist überhaupt nicht so ruhig und klar, wie sie Lord Gladstone gestern in einem Telegramm an den englischen Kolonialminister schilderte. Es hat den Anschein, als ob diese Meldung lediglich geschickt wurde, um zu verhüten, daß die Verwendung englischen Militärs gegen die Bergarbeiter im Parlament diskutiert werde. Die Arbeiter haben einen neuen Erfolg zu verzeichnen. Die Regierung hat den Streikführern, die bei den Ministern B o t h a und S m u t s gestern vorsprachen, versprochen, die Frage der Ver- sorgung der Verwundeten und Hinterbliebenen der Gefallenen sofort zu untersuchen. Auch hat sie die Streikführer ermächtigt, öffentlich zu erklären, daß für den Passus in der Klausel 2 des am letzten Sonnabend abgeschlossenen Vertrags, der von der Eni- schädigung der Streikbrecher handelt, allein die Regierung ver- antwortlich sei und daß die Streikführer nicht? damit zu tun ge- habt hätten. Die Forderung, die Regierung möge eine Amnestie erlassen, wurde von den Ministern jedoch verworfen. Der Vertrag wird von einem Teil der Arbeiter, und zwar von dem regsamsten viel kritisiert. Man liest in den m London einlaufenden Berichten von der Gründung eines neuen, revolutionären Gewerkschafts- bundeS. Doch derartige Meldungen sind mit großer Vorsicht auf- zunehmen. Zu Anfang der vorigen Woche las man in den süd- afrikanischen Berichten, daß der Gewerkschaftsbund, der den Ge- neralstreik proklamiert habe, eine revolutionäre, syndikalistische Organisation sei. Demnach wäre also eine zweite shndikalistische Organisation in? Leben gerufen worden. Derartige Berichte stammen von in England zahlreichen Journalisten, die jede Ge- werkschaft als syndikalistisch bezeichnen, die sich nicht immer duckt und mäuschenstill verhält. Man hört auch, daß die Arbeiter mit dem Vertrag unzufrieden sind, weil er ihnen nicht das gebracht hat, für das sie kämpften. Und hier stoßen wir auf ein wichtiges Moment in diesem Kampfe, das von der kapitalistischen Presse ent. weder wissentlich oder unwissentlich übergangen worden ist. Woher diese furchtbare Aufregung, die sich der Bergknappen in der Goldstadt bemächtigt hat? Ein„Harry Miller" gezeichneter Brief, der heute in einem Teil der Londoner Presse erscheint, gibt Antwort auf diese Frage. Es heißt dort: „Als ein in England auf Besuch weilender Südafrikaner habe ich vergeben? in der Tagespresse nach einem Bericht gesucht, der die Anschauungen der Arbeiter über den Bergarbeiterstreik am Rand wiedergibt. Ich verließ Südafrika ganz zu Anfang des Streitfalles. Die Unzufriedenheit unter den Bergarbeitern hatte sich seit zwei Jahren gezeigt. Man kann leicht begreifen, wie die Verhältnisse sind, unter denen die Arbeiter schaffen müssen, wenn man bedenkt, daß der Bergarbeiter am Rand durchschnittlich nur b Jahre zu leben hat. Die SterblichkeitS- ziffer unter den schwarzen Eingeborenen ist so groß, daß sich die Regierung gezwungen sah, die Rekrutierung von Eingeborenen aus gewissen Teilen Südafrikas zu untersagen. Eine Untersuchungskommission über die Lungenschwindsucht der Bergarbeiter hat entschieden, daß diese Krankheit als eine Berufskrankheit zu betrachten sei, für die das Unfallentschädi- gungsgesetz in Betracht komme. Aber trotz deS Entscheids dieser Kommission bat die Regierung mit Unterstützung ihrer Freunde, der Bergwerksbesitzer, beschlossen, den von dieser Krankheit Be- iroffenen nur eine jämmerliche Unterstützung zu gewähren, eine Unterstützung, die nicht einmal genügt, um ihre Rückreise nach England zu bezahlen, wo sie die ihnen noch gebliebene kurze Lebensfrist in Not und Elend verbringen.(Der Briefschreiber bezieht sich hier auf ein im letzten Jahre angenommenes Gesetz.) Die Regierung brachte eine Vorlage aur Einführung des Achtstundentages ein. Die Grubenbesitzer«gen dieses Gesetz so aus, daß die gcht Stunden mit dem Beginn der Arbeit vor dem Ort anfangen. In vielen Fällen dauert es eine Stunde, den Schacht hinabzusteigen, wenn die Grube 4000 Fuß tief ist und ein weiterer langer Weg bis znr Arbeitsstelle macht den Arbeits- rag in vielen Fällen 11 oder 12 Stunden lang. Bei den letzten Wahlen wurde den Bergarbeitern der Achtstundentag versprochen, und viele Mitglieder der Unionistischen Partei verdanken dieser Maßregel ihren Sitz. Man hat die Bergarbeiter geblufft. Es ist die Politik der Grubenbesitzer, so viele Eingeborene wie möglich zum Nachteil der Weißen zu beschäftigen. Der Hauptzweck des Streiks ist, dem System der Maßrege- lungen ein Ende zu bereiten. Die Randgruben haben das System der schwarzen Listen eingeführt, wodurch ein einmal ent- lassener Bergarbeiter in einer anderen Grube am Rand keine , Arbeit mehr finden kann. Es ist schwer für jemand, der in England ist, sich die Lage au veranschaulichen. Die Feststellung genüge, daß zugegeben wird, daß in keinem anderen Lande(mit Ausnahme von Sibirien vieUeicht) der Arbeiter unter solch un- menschlichen Bedingungen schaffen muß. Wenn ein Arbeiter in einer Grube Arbeit annimmt, weiß er, daß er nur V Jahre zu leben hat, und wenn er entlassen wird, weiß er, daß er nirgend- � wo Arbeit finden kann. Zum Schluß möchte ich darauf hinweisen, daß die Berg- ( arbeiter am Rand keine starke Gewerkschaft haben; die große : Mehrheit ist in der Tat überhaupt nicht organisiert. Sie haben keine Streikkassen, und man kann leicht die Verzweiflung ver- stehen, zu der sie getrieben wurden, als sie sich entschlossen, ein für alle Mal diesem entsetzlichen Gemetzel ein Ende zu machen. Die Erklärung der BergwerkSkammer in bezug auf Agitatoren ist ein« alte Geschützte. In Wirklichkeit ist«S den Streikführern stet? schwer gewesen, die Arbeiter vom Streiken zurückzuhalten. Sie sind immer für gesetzliche parlamentarische Methoden einge- , treten; und auf das Parlament zu warten, würde heißen, zu warten, bis alle afrikanischen Gruben erschöpft sind." Nach der Abfassung des Briefe« zu urteilen, ist der Verfasser selbst ein Bergarberter. Auch von anderen Seiten kommen jetzt Schilderungen von dem trostlosen Glend der Bergknappen. So lesen wir in einem Blatt eine Beschreibung der elenden Hutten, in denen die Goldgräber hausen müssen. Dicht bei den«übelriechenden Schutt. Haufen der Gruben sind diese eng aneinander aufgestellt. Die Wafsertümpel ringsum sind durch da» bei der Goldgewinnung ge- brauchte Cyanit vergiftet. Ein Gärtchen haben die Hütten zwar; aber wer wird sich einen Garten anlegen, wenn er täglich darauf gefaßt fein muß, innerhalb 24 Stunden auf die Straße geworfen zu werben? In Londoner Ftnangkreifen denkt man schon an die möglichen politischen Folgen des Streiks. So meint die„Financial Times ": „Was auch die umittelbaren Folgen de» Strek» fein werden, ist es unglücklichrrweise sicher, daß die verhältnismäßig neue Ar- beiterpartei in Südafrika einen Anstoß erhalten hat, der im Laufe der Zeir ein« Lage ver Dinge erzeugen wird, die denen, die im australischen Commonweahlt obwalten, ähnlich sind." Daß sich die Arbeiter von den Grubenmagnaten, von denen sie bisher politisch genasführt worden find, lossagen würden, war stets die größte Furcht der Goldgrubenbefitzer. Schon im Jahr« 1902 wandte sich ihr Haupt- Vertreter deswegen gegen den Borschlag, den südaftikanischen Kolo- tuen ein« Verfassung zu gewähren. Augenblicklich sind sie mit der Regierung B o t y a S zufrieden. B o t h a befindet sich in einer ähn- lichen Lage wie PontiuS Pilatus , al» dieser sich gezwungen sah, den gefährlichen Agitator auszuliefern. Pariert der Burengencral nicht, fo wird ihn die internationale Kapitalistenbandc, die die Gruben besitzt, beim Zäsar denunzieren, daß er kein guter britischer Bürger ist und die Reichseinheit untergräbt. Eine Regierung der Arbeiter und kapitalistenfeindlichen Buren würde mit der schändlichen Wirk- schaft der.Gvubemnagnaten bakd aufräume� �__ � Hus Induftrie und Handel. Tos Liebeswerben um den Bergfiskus. Je näher die Zeit für die Erneuerung oder— Auflösung des Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikats heranrückt, um so heißer werden die Bemühungen, auch den Fiskus hineinzuziehen. Das geht von neuem aus einer Darstellung„auS dem Ruhrkohlenbezirk in dem„Berliner Börfen-Courier" hervor. Dies« Zuschrift wendet sich gegen die Verbraucher(Großabnehmer), die einen bisher vergeblichen Kampf gegen das Syndikat führen. ES heißt darin: „Die zukünftige Stellung des preußischen Bergfiskus zum Kohlensyndikat ist eine Frage, deren Lösung bei einer Erneuerung des letzteren eine große Rolle spielt. Daß sie im Sinne der ver- einigten Ruhrkohlenzechen, also durch den Beitritt des preußischen Bergfiskus zum Kohlensyndikat, gelöst werden könnte, bereitet den- jenigen Stellen, die sich die Interessenvertretung der Kohlenver- braucher zur alleinigen Aufgabe gemacht haben, sichtliches Unbe- Hagen. Seinerzeit waren sie zwar des Lobes voll über das Vorgehen des preußischen Handelsministers, der im vorigen Ottober bei Ge- legenheit der letzten Preisfestsetzung de? Kohlensyndikats von dem zu Anfang des Jahres 1312 mil diesem geschlossenen Verkaufs- abkommen zurücktrat, doch geriet ihre Zuversicht ins Wanken, als es vor einigen Wochen hieß, daß Geheimrat Kirdorf sich zu erneuten Verhandlungen mit dem HandelSmimster nach Berlin begeben Hobe.... Wenn, wie gefordert wird, der Staat bei der Erneuerung des Kohlensyndikats die Interessen der Allgemeinheit wahren soll, so kann er dies nur dadurch, daß er gleichzeitig sich der Interessen nicht nur der Verbraucher, sondern auch der Produzenten annimmt. Daß er dies am besten tun kann, wenn er dem Syndikate beitritt, bedarf keiner weiteren Erörterung... Im übrigen werden auch die Kohlenvevbraucher gut tun, ihr Heil nicht einzig und allein beim Bergfiskus zu suchen, da bei diesem ihre Interessen nicht besser als anderswo gewahrt werden. ES braucht hierzu nur auf die Handelskammer Saarbrücken verwiesen zu werden, die jahrelang gegen die Preispolitik des Saar - fiskus Stellung genommen hat." Dieser Hinweis auf die Preispolitik des Fiskus, der selbst immer wieder zu Verteuerungen geschritten ist, muß leider nur als berechtigt erscheinen. Mit gewissem Hohn erinnert die Zuschrift m diesem Zusammenhang auch an die Erklärung des jetzigen Han- delsministers im preußischen Landtag am 20. Mai 1911, worin von der Notwendigkeit deS Syndikats und den Gefahren einer Syndikats- auflösung gesprochen wurde. Wenn die Zuschrift aber weiter fol- aert, daß der Austritt des FiskuS aus dem Syndikat im vergangenen Jähre nichts an dieser im Jahr« 1911 ausgesprochenen Ausfassung des Ministers geändert habe, so müssen wir dem widersprechen. Hielte der Minister das Syndikat noch heute für unumgänglich notwendig, so wäre er im vergangenen Jahre nicht um der relativ untergeord- neten Frage einer einzelnen Preissestsetzung willen ausgetreten. Wenn die Zuschrift jetzt von neuem betont, daß ohne den Beitritt der Gruben des Staats«in« Syndikatserneuerung nicht möglich ist, so muß von der Regierung um so mehr gefordert werden, daß sie ihren vorjährigen Standpunkt nicht verläßt und nicht die Sache der Kon s-u meinten offen durch einen erneuten Beitritt verrät. Ein Antrag auf Verstaatlichung der Bergwerke in England. Die Arbeiterfraition hat einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der den Uebergang der Bergwerke in das Eigentum der Nation bezweckt und durch sein« eingehende Behandlung der Sntschädigungs- und der Betriebsfrage besondere Beachtung verdient. Nach dem Vorbild von Neuseeland soll ein Bergwerks Ministerium geschaffen wer- den. Entschädigung soll bezahlt werden: 1. der volle Wert aller vorhandenen Einrichtungen zur Förderung; 2. ein« Ab- findung für den Betriebsgewinn: Kommissionen von Ver- tretern der Minenbesitzer, der Bergarbeiter und des Publikums sollen unter Berücksichtigung des Reingewinns der letzten 5 Jahre und der voraussichtlichen Lebensdauer der Grube eine Summe fest- setzen, die in keinem Fall« den Betrag einer jährlichen Durchschnitts- ausbeute(berechnet zu 12 Schilling bis zu 100 000 Tonnen, 10 Schilling die Tonne für den Mehrertrag) übersteigen darf; 3. k e i n e E n t s ch ä d i g u n g soll für das„B e r g b a u r e ch t", die feudale Abgabe an den Grundherrn, gezahlt werden. Da der Durch- schnittsertrag gegenwärtig 201726 940 Tonnen beträgt, ergäbe sich bei Zugrundelegung des 10 Schillingsatzes eine Entschädigung von rund 131 Millionen Pfund Sterling(2 076 Millionen Mark). Aus- gezahlt in dreiprozentigen Staatspapieren wäre das eine Jahresabgabe von rund 80 Millionen Mark gegenüber einem Jahresprofit von 216 Millionen, wie er heut«„verdient" wird. Da fünfzehn Sechzehntel de? BergwerkeigentumS in der Hand von Aktiengesell- schaften liegt, wäre diese Umwandlung unschwer vorzunehmen. Die Segnungen, die sie für Arbeiter, Konsumenten und Staat im Gc- folge haben würde, werden am Beispiel Neuseelands , das mit dieser Reform vorangegangen ist, dargelegt. Dort wie in Australien liegt die Leitung des Bergbaues in den Händen der Regierung, die nicht nur die öffentlichen Betriebe, sondern den Gcsanttbedarf zu versorgen und für ausreichende Vorrate Vorkehrung zu treffen hat. In Neuseeland beträgt die Zahl der Unfälle mit Todesfolg« im Verhältnis zur Zahl der Beschäftigten nur ein Zehntel der englischen Zahl(4 statt 40 gegenüber 2000). Der Preis der Kohle siel dort feit der Verstaatlichung von 36 auf 26 Schilling die Tonne(1,75 auf 1,26 M. für den Zentner). Die Erhöhung der Löhne auf den Satz von 30 Schilling wöchentlich würde eine Mehrausgabe von rund 4 Millionen Pfund Sterling erfordern. Da aber an Gewinn an Feudalabgaben 7 Millionen Pfund Sterling wegfielen, würden noch immer 13� Millionen für Verzinsung, Preisherabsetzung und Kapitalabzahlung bleiben. Mit einem Aufwände von jährlich 6 Mil- lionen für Ablösung wäre in etwa 20 Jahren der gesamte Berg- Werksbesitz freies Eigentum der Nation, die nun den gesamten Be- triebs über schütz zugunsten der Konsumenten und der Arbeiter ver- wenden tonnte.— Eine ausdrückliche Bestimmung sichert den Ar- beitern und Angestellten volles K o a l i t i o n s- und Streikrecht sowie freie politische Betätigung in Staat und Gemeinde. Man berechnet, daß die vorhandenen Kohlenvorräte noch für 250 Jahre ausreichen werden— sorgsamen Abbau vorausgesetzt. Das heutige System führt zur Vergeudung offenliegender Kohlenschätze auf der«inen, zur Vernachlässigung schwerer zu gewinnender auf der anderen Seite. Auch dieser Gesichtspunkt zeigt die Notwendigkeit einer Verwaltung und Ausbeutung dieses wichtigen Bodenerzeug- nisseS im allgemeinen Interesse. Soziales, Die Neuwahlen zu den Organen der Krankenkassen und Ver- sicherungöämter in Preußen. Vom preußischen Handelsminister ist vor kurzem Anweisung an die Regierungspräsidenten über die Neuwahlen zu den Organen der Krankenversicherung ergangen. Danach sind die Wahlen zu den Vorständen der neu zu errichten- den allgemeinen Ortskrankenkassen, sowie zu den Vorständen der auS bestehenden Kassen ausgestalteten allgemeinen Ortskranken- lassen in der ersten Hälfte des Monats November 1913 vorzu- nehmen. Die? setzt voraus, daß vorher, also Ende Oktober oder Anfang November, die Wahlen zu den neuen Ausschüssen der all- gemeinen Ortskrankenkassen vorgenommen werden müssen. Bei neu zu errichtenden Kassen wird die Wahl von dem Gemeinde- verband(Magistrat oder Landrat), bei den ausgestalteten Kassen von dem bisherigen Vorstand ausgeschrieben. Es ist also an der Zeit, die Vorarbeiten für diese Wahlen zu treffen. Die Beisitzer zu den Bersicherungsämtern werden bekanntlich in indirektem Wahlverfahren durch die Vorstände der Kranken- kassen gewählt. Nach jener Ministerialverordnung sind hierzu Ivahlberechtigt nur die neu gewählten Vorstände der allgemeinen Orts- und Landkrankenkassen, sowie die Vorstände der zugelasse- nen bisherigen Kassen. Die Vorstände der am 1. Januar 1914 zu schließenden Kassen sind danach nicht mehr wahlberechtigt. Als Ter- min für die Wahlen der Versicherungsvertreter zu den Versicherungs- ämtern ist die zweite Hälfte des Monats November 1913 bestimmt. Die Beisitzer zu den Verficherungsämtern wählen dann im Monat Dezember die Beisitzer der Ooerversicherungsämter. Unzulässige Zeugnisse. Zeugnisse sollen keine UriaSbriefe sein. Sie sollen dem ge- werblichen Arbeiter die Arbeitsgelegenheit nicht erschweren, son- dern erleichtern. Die Gewerbeordnung— und in ähnlicher Weise das Bürgerliche Gesetzbuch und das Handelsgesetzbuch — begrenzt im Interesse des Arbeiters den Inhalt des auszustellenden Zeug- nisses. Das Zeugnis hat sich über die Art und Daure der Be- fchäftigung zu äußern, auf Verlangen des Arbeiters ist es auch aus die Führung und Leistung auszudehnen. Zeugnisse, die mehr ent- halten, kann der Arbeiter zurückweisen. Gegen die hinterlistige Art einiger Unternehmer, Arbeiter durch Merkmale auf den Zeug- nissen in einer aus dem Wortlaut des Zeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen, hat das Gesetz Gefängnis bis zu 0 Monate angedroht. Der offensichtliche Zweck der Gesetzesvorschriften ist, dem Ar- beiter die Arbeitsgelegenheit zu erleichtern. Arbeitgeber, die durch Mitteilungen auf Zeugnissen oder durch Vereinbarungen unterein- ander die Arbeitsgelegenheit zu erschweren suchen, sind zur AuS- stellung eines dem Gesetz entsprechenden Zeugnisses und zum vollen Schadenersatz verpflichtet. Trotzdem wird seitens der Arbeitgeber durch unzulässige Ver- merke auf Zeugnissen und durch Abreden untereinander ein gesetz- widriger Terrorismus gegen arbeitswillige Arbeiter, deren Selb- ständigkeit und Klassenbewußtsein ihnen nicht paßt, auszuüben ge- sucht. Das Reichsgericht(Zivilsenat) hat im Jahre 1903 sich gegen diese Hetze von Arbeitgebern gegen Arbeiter gewendet. Da setzte eine Hetze der Scharfmacher gegen das Urteil ein. Das Reichs- gericht hat dann leider— wenn auch unter grundsätzlicher Auftecht- erhaltung de? Satzes, daß solche Arbeitgeber schadenersatzpflichtig seien— in der Praxis allmählich einen dem Scharfmachertum günstigeren Standpunkt eingenommen. Auch das Kammergericht hat seine frühere dem Sinn und Zweck des§ 113 der Gewerbe- ordnung entsprechende Praxis hier und da zuungunsten der Ar- beiter geändert. Die Gewerbegerichte haben in ihrer großen Mehrzahl sich von dem allein dem Gesetz entsprechenden Standpunkt nicht abdrängen lassen, daß in das Zeugnis keinerlei Bemerkungen gehören, die über den vom Gesetz begrenzten, oben skizzierten Inhalt hinaus- gehen. Insbesondere ist es auch— entgegen einer Ansicht im Landmannschen Kommentar— unzulässig, in das Zeugnis einen Vermerk über Strcikbetciligung zu schreiben. In neuerer Zeit hat in einem auffälligen Erkenntnis das Gewerbegericht in Würzen denn auch einen solchen Vermerk für zulässig erachtet. Dies Er- kenntniS ist jetzt vom Landgericht in Leipzig aufgehoben. Es han- delte sich um folgenden Rechtsstreit. Der Kläger war bis zum 6. Oktober 1912 bei einer Eisen- gießerei in Würzen als Dreher in Arbeit gewesen, hatte aber an diesem Tage mit dem größten Teile seiner Kollegen die Arbeit niedergelegt, da von der Organisation der Metallarbeiter, dem Deutschen Metallarbeiterverbande, ein Streik der Arbeiter dieser Gießerei in die Wege geleitet worden war. Auf das Ansuchen des Klägers, ihm ein Zeugnis auch über Führung und Leistungen aus- zustellen, war ihm bescheinigt worden, er habe bis zum 6. Oktober, „wo er mit dem größten Teile der Arbeiterschaft in den Ausstand getreten sei", bei der Gießerei in Arbeit gestanden,„mit seiner Führung ser man zuftieden gewesen". Der Kläger verlangte ein Arbeitszeugnis, in dem die Ursache der Arbeitsniederlegung nicht zum Ausdruck gebracht sei. Das Gcwerbegericht Würzen wies seine Klage ab, daS Landgericht Leipzig dagegen gab ihr statt. Aus den Entscheidungsgründen interessieren folgende Ausführungen: An sich sei es zwar nicht unzulässig, auch neben einem allgemeinen Werturteil über die Führung eine? Arbeiter? eine einzelne Tat- fache tadelnd hinzuzufügen, auch der Grund» aus dem ein Arbeiter sein Arbeitsverhältnis aufgäbe, könne unter Umständen auf die objektive Beurteilung seiner Führung von wesentlichem Einflüsse sein. Die Beteiligung an � einem Streik sei aber ohne weiteres nicht geeignet, das Werturteil über die Führung des Arbeiters ungünstig zu beeinflussen, sondern nur dann, wenn besondere und erschwerende Umstände vorlägen, die aber hier nicht dargetan seien. Denn der Kläger habe sich weder bei dem Streike besonders hervor- getan, noch habe ihn etwa ein besonderes Treuverhältnis zu seiner Dienstherrin von der Beteiligung an dem von seinem Verbände dekretierten Streike abhalten sollen, dem er sich nur aus Solidarität angeschlossen habe. Und unter diesen Umständen verdiene er nicht den Tadel, der durch die Aufnahme deS Grundes seines Ausscheidens in dem Zeugnis zum Ausdruck gebracht sei. DaS Land- gericht Leipzig verurteilte deshalb zur Ausstellung eines neuen Zeugnisses ohne den beanstandeten Zusatz. Die Ansicht des Landgerichts, daß„unter besonderen Um- ständen" solch Zusatz zulässig sei, ist mit dem Gesetz nicht zu ver- einbaren. Die Beteiligung an einem Streik gehört weder zur Art oder Dauer der Beschäftigung, noch zur Führung bei der Arbeit oder zur Leistung der Arbeit. Ein Vermerk über solche Beteili» gung ist daher stets unzulässig._ Verhaßte Lohnbücher. Gegen die Einführung von Lohnbüchern laufen die Trikot- Warenfabrikanten Sturm. Dabei bedienen sie sich auch einer Peti- tion an den Bundesrat. Darin wird die Einfffihrung von Lohnbüchern, wie sie auf Grund der§§ 114a und 114b der Gewerbeordnung für die Kleider- und Wäschekonfektion vorgeschrieben werden, für die Trikotwarenfabriken als undurchführbar bezeichnet. An- geblich darum undurchführbar, weil bei den meisten Artikeln bis zu 15 Personen mitwirkten. Bei Befolgung der Vorschriften über die Führung von Lohnlisten müßten selbst die kleinsten Sorten biß zu dreißigmal in die Listen eingetragen werden. Die dabei er- forderliche Kontrolle und Schreibarbeit mache die Anstellung ver» hältniSmäßig vieler Beamten notwendig und dadurch würde die Rentabilität, ja, die Existenzmöglichkeit vieler Unternehmen unter- Kunden. Das gleiche Lamento könnten ander« Fabrikanten anstimmen. Technisch liegen die Verhältnisse in der Trikotwarenindustrie nicht ungünstiger als in verschiedenen anderen Branchen. Wir erwarten• keine Wunderdinge von den Lohnbüchern. Aber ihrer Durchführung stehen technische Schwierigkeiten kaum«ntgegen. Die Einrichtung geeigneter Vordrucke für die Listen, nach Namen der Arbeiter und den Artikeln gesondert, verringert die Schreibarbeit und Kontrolle bis auf ein kaum merrbareS Minimum. Wenn der Einwand der Trikotwarcnfabrikanien anerkannt werden sollt«, dann wäre den Unternehmern gegen jede Art Kontroll« ein gewichtige» Argument in die Hand gegeben. Die Unternehmer hassen die Lohnbücher, weil sie doch etwas Helligkeit Wer das abscheulich« Dunkel der Hetm- arbeiterauSbeutung verbreiten und die Arbeiterinnen in etwa« gegen Lohnmogeleien schützen könnten Gerichts- Zeitung* Trotz eigenen Geständnisses freigesprochen. Eine Ueberraschung bereiteten gestern im Moabiter Kruntnal» gericht zwei verständige Urteil«,.
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