Einzelbild herunterladen
 

hat er nichts von seinen vier Kindern gesagt, sondern er hat gesagt, diese Geschenke wären eine Entschädigung gewesen für die Zeit, die er Brandt geopfert habe. Außerdem mußte Pfeiffer doch damit rechnen, daß Brandt mir von diesen Geschenken Mitteilung machen würde, und er lag erst recht drin, wenn er es mir verschwiegen hätte. Und nun noch ein Schlußinort. In der Oeffentlichkeit ist be- hauptet worden, daß hier ein Panama vorliegt. Ich habe das b e st r i t t e n. Rechtsanivalt Wirth aber hat gesagt, wenn alles das, was ich gesagt hätte, wahr wäre, dann Inge doch ein Panama vor. Das ist ni ch t richtig. Das Wort Panama " ist nicht auf deutschem Boden gewachsen. Unter Panama versteht man die Käuflichkeit höherer Stellen� davon ist hier nicht die Rede. Das mutz ich auch im Interesse der Angeklagten hervor- heben. Hier handelt es sich um feile Schreiberseelen, die beim Biertopf nicht das Maul haben halten können. Aber es handelt sich nicht um ein Panama , um Schuldige an den höheren und verantwortungsreichen Stellen, die das Steuer des Staates in der Hand haben. Vom Fall der Angeklagten Tilian und Genossen bis Panama liegt der weite Weg dazwischen vom Zeugfeldwebel bis zum Kriegsminister. Die Angeklagten müssen daher meinen Anträgen gemäß bestraft werden. Wir müssen hier scharf zu- fassen, denn hier handelt es sich um die preußische B e- amtenehre und hier muß der Grundsatz gelten: k'rincipii» odzta I Kein Zurückweichen vor den Angeklagten! Wir müssen der Oeffent- lichkeit zeigen, daß wir Gerichte, die wir mitberufen sind, am Ttaatsleben mitzuarbeiten, die Macht, das Recht und den Willen haben, durch Strafen dahin zu wirken, daß der Schild des preußischen Beamtentums und des preußischen Heeres rein bleibt. Verteidiger Rechtsanwalt Ulrich: Meine Ausführungen sind durch die Klarlegungen des Anklagevertreters nicht widerlegt. Ich vindiziere für die Angeklagten die öffentlich rechtliche Befugnis, wenigstens nach der subjektiven Seite hin, für die Weitergabe des Materials an den Vertreter Krupps. Tie Angeklagten glaubten mit ftnipp zu tun zu haben, mit einer Firma, die über- ragende Verdienste auf dem Gebiete des Waffenwesens hat und die Deutschland zu den Seinen zu zählen stolz sein kann. Wenn die Angeklagten dem Vertreter einer solchen Firma Material gegeben haben, so haben sie damit gefehlt, sie haben eine Indiskretion begangen, aber es lagen niemals landesver- räterische Motive vor. Der Anklagevertreter hat sich dann mit scharfen Ausdrücken gegen die Angeklagten gewandt. Er hat von der brüchigen Moral und von feilen Schreiberseelen ge- sprachen, die baS Maul nicht halten können. Ich bestreite ganz ent- schieden, daß die Indiskretionen, deren sich die Angeklagten zweifellos schuldig gemacht haben, auf ihre Moral einen derartig harten Schluß zulassen. Die Angeklagten haben leichtsinnig und vertrauensselig gegenüber dem älteren Brandt gehandelt, aber mit ihrer Ehrlichkeit und mit ihrer Moral hat das nichts zu tun. Wenn sie hierbei das Schweigegebot überschritten haben im Jnter- esse Brandts oder im Interesse Krupps, so mögen sie hierfür Strafe erleiden, aber als unmoralische Männer, die das Gegen- teil von Ehrenmännern sind, darf man sie deshalb nicht hinstellen. Mit wem haben wir eS denn zu tun? Auf der einen Seite steht Herr v. Wetzen, der wegen schwerer Verfehlungen olötzlich von Krupp entlassen worden ist und der uls rein erpresserischen Motiven eine Anzahl der Kornwalzer in (bschriften an sich genommen und für sich zurückbehalten hat, um üe Firma Krupp in der Hand zu behalten. Diese Abschriften spielte Herr v. Wetzen dem Abg. Dr. Liebknecht in die Hände. Dr. Liebknecht handelte nach meinen innersten Ueberzeugungen nicht aus gekränkter Moralität heraus, sondern er ging in dieser Weise vor, weil es sich um die Firma Krupp handelte, die der Sozialdemokratie ein Dorn im Auge ist. weil die Sozialdemokratie wegen der mustergültigen WohlfahrtSeinrich- tungen bisher in die Arbeiterkreise der Firma Krupp nicht hat ein- oriugen können. Deshalb haßt die Sozialdemokratie die Firma ftrnpp wie selten ein Institut und nur, weil man hier auf Krupp los- hlagen konnte, ist der Abg. Liebknecht vorgegangen, übrigens ein Mann, der selbst im Glashaus sitzt,, denn er ist wegen Hoch- verrat? mit 114 Jahren Festung vorbestraft worden. Auf der anderen Seite stehen die Zeugleutnants und Zeugfeldwebel, nette Leute, die leichtsinnig gewesen sein mögen und die deshalb Strafe verdienen. Es sind Familienväter unter ihnen, die bisher tadellos dastehen und die sich in keiner Weise auch nur das geringste haben zuschulden kommen lapen. Sie haben den schweren Kampf ums Dasein bisher in Ehren ge- führt. Wollen Sie diese Sieben der anderen Seite preisgeben? Soll gegen diese sieben Angeklagten mit Gefängnisstrafen oder gar mit der entehrenden Strafe der Dienst- entlassung vorgegangen werden? Nein, das können Sie nicht tun, das werden Sie nicht tun. Die Angeklagten sehen dem Urteil mit einem unbegrenzten Vertrauen entgegen. Angeklagter Tilian: Ich kann nur nochmals erklären, daß ich für meine Mitteilungen an Brandt keine Zuwendungen erhalten habe. Außerdem möchte ich noch hervorheben, daß nach meinem Gefühl unter den Mitteilungen, die ich weiter gegeben habe, sich nicht solche befanden, deren Preisgabe die Landesverteidigung ge- fährdet hätte. Angeklagter Schleuder: Ich gestehe-in, daß ich insofern gefehlt habe, als ich Brandt Material lieferte, das ich nicht durfte. Ich möchte aber noch einmal mit aller Entschiedenheit betonen, daß ich niemals das Gefühl gehabt habe, daß Brandt das, was ich von ihm bekam, mir deshalb gab, weil er von mir Auskünfte be- kommen hatte. Angeklagter H i n st: Ich bitte um ein mildes Urteil. Angeklagter S ch m i d t: Ich bitte zu berücksichtigen, daß ich nur kurze Zeit mit Brandt verkehrt habe. Ich glaube auch, daß sich unter den Mitteilungen, die ich gemacht habe, keine Mit- teilungen befinden, deren Weitergabe gefährlich hätte sein können. Ich bitte schließlich zu berücksichtigen, daß ich, als ich den Verkehr nicht mehr für zulässig hielt, die erste Gelegenheit benutzt habe, um von der Feldzeugmeisterei wegzukommen. Angeklagter D r o e s e: Ich bitte den Gerichtshof um Frei- sprechung und schließe mich den Ausführungen meiner Ver- teidiger an. Angeklagter Höge: Ich bleibe bei meinem Geständnis und bedauere meine Verfehlungen. Angeklagter Pfeiffer: Ich kann nur erklären, daß ich nichts Strafbares begangen habe. Hierauf zog sich um 142 Uhr der Gerichtshof zur Beratung zurück. « Nach fast dreistündiger Beratung erscheint in der sechsten Abendstunde der Gerichtshof wieder im Saale. Der Ver- Handlungsführer, Kriegsgerichtsrat Dr. Coerrens, teilt mit, daß ihm ein Telegramm aus Bacharach von einem dortigen Wein- gutsbesitzer zugegangen sei, in dem sich der Absender darüber be- schwert, daß in der Verhandlung davon die Rede gewesen sei, daß in den Winzerstuben in Berlin die Weine nicht so gut seien wie anderwärts. Der Absender appelliere an die Loyalität des Ver- Handlungsführers, daß er diesen Vorwurf zurücknehme. Der Ver- Handlungsführer erklärt dazu: Soweit ich in Frage komme, muß ich gestehen, daß ich die Weine in den Winzerstuben nicht kenne. lHeiterkeit.) Wenn eine derartige Aeußerung gefallen ist, so wollte ich mir damit kein Urteil über die Güte der Weine in den Winzer- stuben anmaßen. Ich will gern zugeben, daß die Weine dort gut find. Sodann verkündet der Verhandlungsführer folgendes Urteil: Der Angeklagte Zeugleutnant Tilian wird wegen Bestechung und erschwerten Ungehorsams zu zwei Monaten Gefängnis und zur Dienstentlassung verurteilt: der Angeklagte Zeugleutnant Schleuder wegen Bestechung und er. schwerten Ungehorsams in Verbindung mit der Preisgabe militärischer Geheimnisse zu vier Monate» Gefängnis und Dienstentlassung; der Angeklagte Zeugleutnant Hinst wegen Bestechung und erschwer- ten Ungehorsams in Verbindung mit der Preisgabe militari- scher Geheimnisse zu vier Monaten Gefängnis und Dienstent- lassung; der Angeklagte Feuerwerker Schmidt wegen Bestechung und er- schwerten Ungehorsams in Verbindung mit der P reisgabe militärischer Gebeimnisse zu. zwei Monaten vierzehn Tagen Gefängnis und Degradation; der Angeklagte Beamter Droese wegen erschwerten Ungehorsams zu drei Wochen gelwden Arrest; der Angeklagte Zeugleutnant Höge wegen erschwerten Ungehorsam zu drciundvicrzig Tagen Festungshaft und der Angeklagte Oberintendantursekretär Pfeiffer wegen Bestechung und Preisgabe militärischer Geheimnisse zu sechs Monaten Gefängnis und zur Unfähigkeit für die Bekleidung öffentlicher Acmter auf die Dauer von einem Jahre. Außerdem werden die den Angeklagten gewährten Vorteile als dem Staate für verfallen erklärt. Zur Begründung des Urteils führt der Berhandlungssührer aus: Die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts gründen sich zunächst auf den Inhalt der Aussagen des Zeugen Brandt, der in der Voruntersuchung nicht nur iive� das ganze Material, sondern auch über alle Einzelheiten genau« Mitteilungen gemacht hat. Er wußte genau, was die einzelnen Angeklagten getan hatten, er wußte auch, wieviel Geld die einzelnen Personen erhalten hatten. Das war ihm alles in der Voruntersuchung genau im Gedächtnis; in der Hauptverhandlung wollte sich nun der Zeuge Brandt auf nichts besinnen, und es fragt sich deshalb, welche Bedeutung den Aussagen des Zeugen Brandt beizumessen ist. Brandt hat in der Hauptverhandlung Gedächtnisschwäche vorgeschützt und sie darauf zurückgeführt, daß er Anfang Dezember 1912 ein« Verletzung im Gesicht davongetragen habe, und zw«r will er einen Schlag mit einer Motorkurbel erhalten haben. Er ist auch in ärztlicher Behandlung gewesen. Ter Arzt hat anfangs an eine kleine Gehirnerschütterung geglaubt, ist aber später zu der Ueber- zeugung gekommen, daß es sich nur um einen Nervenchok gehandelt habe. Brandt hat den Arzt seit dem 12. Dezember 1912 nicht mehr in Anspruch genommen und auch am 20. Juni d. I., als der Arzt gelegentlich in der Wohnung des Brandt erschien, hat ihm Brandt nichts mehr über Folgeerscheinungen jenes Unfalles gesagt. Ferner haben wir vom Zeugen Direktor Dreger gehört, daß Brandt da- mals mehrere Tage zwar dem Geschäft ferngeblieben ist, daß seine Nervosität aber sich nicht besonders gesteigert hat; er habe nichts von einer besonderen Gedächtnisschwäche des Brandt gemerkt. Ich glaube, das Gericht geht nicht fehl, wenn es sich zu der Ansicht be» kennt, daß eine Gedächtnisschwäche des Brandt nicht existiert. Brandt hat seine Angaben in der Voruntersuchung nicht nur vor einem Beamten gemacht, sondern ist mit mehreren besonders erfahrenen Untersuchungsbeamten in Berührung gekommen. Zu- nächst mit Polizeirat Koch. Ans seine Bekundungen glaubte das Gericht mit Recht ein besonderes Gewicht legen zu dürfen, denn Polizeirat Koch ist ein im Polizeidienst ergrauter Beamter, vor dem Tausende von Angeschuldigten schon gestanden haben. Er hat einen Einblick in die Seele dieser Menschen, und er hat ausgesagt, daß nach seiner bestimmten Auffassung Brandt damals ein gebrochener Mann gewesen sei. Brandt habe alles über sich zusammenschlagen sehen, er habe sein Gewissen erleichtern wollen und deshalb die reine Wahrheit gesagt. Brandt habe bereits damals ihm die meisten Namen der Angeklagten genannt. Er habe auch damals schon davon gesprochen, daß er sein Material aus dem Kriegs- Ministerium nur von Pfeiffer bezogen hätte. Insbesondere sprach er damals schon davon, daß auch der erste Liebknechts che Kornwalzer von Pfeiffer herrühre. Bei seinen fol. genden Vernehmungen ist Brandt bei seinen Angaben geblieben. Er hat die Mitteilung, daß Pfeiffer ihm die b e i d e n Etat s- auszöge geliefert hat. schon zu einer Zeit gemacht, wo das Ergebnis der Bescblagnahme in Essen noch gar nicht bekannt war. Wenn man sich das alles vergegenwärtigt und bedenkt, daß der Zeuge Brandt auch in der Folgezeit bei seinen ersten Angaben geblieben ist, jedenfalls was die Angaben über die Personen der Angeschuldigten betrifft, so ist da? Gericht zu der Ueberzeugung gekommen, daß diese Angaben des Brandt den Tatsachen entsprochen haben. Brandt hat gesagt, er wisse nicht mehr, ob die? oder jenes Material von dem oder jenem Angeklagten geliefert worden ist. Er ist ausdrücklich gefragt worden, ob er aus dem Krieg?- Ministerium auch nocb von einem anderen Beamten Material be- kommen hat. Er hat diese Frage bestimmt mit Nein beantwortet. Er hat lediglich die Angeklagten nicht weiter belasten wollen. Was ihn dazu veranlaßt hat, war nicht festzustellen. Jedenfalls hat nach Sozlaldemoliratle und der Krieg In Serbien . Genosse Hugo Schulz schreibt derWiener Ar- b e i t e r z e i t u ng" vom Kriegsschauplatze: Als ich am 17. Juli frühmorgens in Belgrad eintraf, um auf den Kriegsschauplatz abzureisen, war es mein erstes, dem Arbeiter- heim und der Redaktion derRadnicke Novine" einen Besuch ab« zustatten. Ich hatte keine Schwierigkeiten, diese zu finden, denn ein Bahnarbeiter machte sich sofort erbötig, mich hinzuführen. Der Weg zog sich ein bißchen und so hatte ich Gelegenheit, schon jetzt mit dem Sammeln von Eindrücken zu beginnen. Die ersten waren wirklich beklemmend, so zwar, daß ich geradezu in Bestürzung hätte geraten müssen, wenn ich nicht gewußt hätte, was da eigentlich vor- .cht. Tin grausiges, wirres Kunterbunt von Bildern, in denen -in normales Stadtleben geradezu auf den Kopf gestellt scheint. i�och ich konnte nur schauen und mußte eS auf eine spätere Stunde vrtagen, mir über die chaotische Fülle und grelle Wirrnis des Ge- .hauten Rechenschaft zu geben. Es drängte mich zunächst, zu ören, wie unsere Parteifreunde und wie die organisierte Arbeiter- chaft Serbiens im heißen Wüstensturm, der durch dieses Land zu :gen scheint, ihr Arbeitsgebiet sichern konnten. Um sechs Uhr morgens stand ich vor dem Arbeiterheim, be- fürchtend, daß ich lange würde warten müssen, bis einer von den Genossen, die dort die Stätte ihres Wirkens haben, bereit sein vürde, dem frechen Eindringling Rede zu stehen. Doch welche lleberraschnngl Sowohl im Parteisekretariat als auch in der Redat- ion war man bereits am Werke und Genosse P o p o v i t s ch stellte ich mir sofort in liebenswürdigster Weise zur Verfügung, indem er zunächst einen dentschsprechenden Genossen, der dann den Dol- netsch machte, herbeibitten ließ. Ich fragte nach Abgeordneten Laptschewitsch, an den ich aus Wien einige Austräge zu bestellen hatte. O, den könne ich sofort sprechen, ich solle nur mit- kommen in die Skuptschina, dort sei er gewiß zu treffen. Jetzt»m halb sieben Uhr früh in die Skuptschina?" Das ist ja nicht so früh. Laptschewitsch sitzt oft schon um fünf Uhr früh im Klubraum unserer Fraktion und arbeitet. Er hat dort überhaupt seine Arbeitsstätte ausgeschlagen." Wenige Minuten später standen wir vor einem kleinen, wind- schiefen, ebenerdigen Häuschen, dem noch auf einem Flügel ein erster Stock aufgesetzt ist. Das soll die Skuptschina sein? Ich war wirklich sehr erstaunt, aber später, als ich auch das Gebäude kennen gelernt hatte, in dem der Minister deS Aeußern, Herr Paschitsch» seine weltgeschichtliche Wirksamkeit entfaltet, habe ich es verlernt, mich über die einfachen, dürftigen und fast ärmlichen, jedenfalls aber hokuspokusfreien Formen, in die sich der politische Geist dieser Nation kleidet, noch weiter zu wundern. Vor dem Sknptschinagebäude saß auf einer Holzbank, wie ein Wiener Dienstmann, ein Gendarm. Dieser erhob sich, als meine Begleiter mit ihm einige Worte gewechselt hatten, und rief den Genossen Laptschewitsch heraus. Gr kenn sofort, begrüßte mich überaus herzlich und schickte fich sofort an, mit mir m die Redaktion zu gehen. Auf dem Wege dahin wurde er wiederholt von Vorüber- gehenden freundlich begrüßt, mehrmals auch von Männern, die in Soldatenuniform steckten. Wir sprachen natürlich über nichts anderes als den Krieg und seine Rückwirkungen auf die Partei. Nun darüber wäre zu- nächst nichts weiter zu sagen, als daß etwa neunzig Prozent der organisierten Arbeiter Serbiens augenblicklich Brüder im Waffen- rock sind und. statt im Klassenkampf ihren Mann zu stellen, auf den Schlachtfelocrn Mazedoniens bluten müssen. Die Belgrader Metallarbeitergewerkschaft zum Beispiel, die im Frieden mehr als tausend Mitglieder zählt, empfange gegenwärtig nur noch von sechzig ihrer Angehörigen Beiträge. Alle anderen seien im Felde und vielen müßten von der Organisation noch die Familien unter» stützt werden. Sind viele Genossen im türkischen und im bulgarischen Kriege gefallen?" fragte ich. >,O> außerordentlich viele!" Auch solche, die in der Partei und in der gewerkschaftlichen Organisation hervorragende Funktionen bekleideten?" Gerade von diesen ist uns eine ganze Reihe durch den Schlachtentod entrissen worden. Durchwegs Männer, deren Ver- lujt wir tief beklagen uno schwer ersetzen können." Ich bat um eine Lifte der Vertrauensmänner der Partei, die bisher, spweit es bekannt geworden, im Kriege gefallen find, und erhielt folgende: Korporal Milorad Alexitsch, Obmann der Gewerkschaft der Nationalschneider; gefallen in der Schlacht bei Kumanowo . Oberleutnant Marko M a n d i t s ch, Borstandsmitglied des Vereins oer Opankenschuster; gefallen im Gefecht bei Kitscheivo. Infanterist Tostr Nestorowitsch,. Obmann der Buch- drnckerorganisation; gefallen in der Schlacht bei Retki Bukwa an der Bregalnitza. Oberleutnant Alexander Krasnojewitsch, Sekretär der Gewerkschaft der Arsenalarbeiter; ebenfalls in der Schlacht bei Retki Bukwa gefallen. Was mir besonders auffiel, war, daß sich unter den Ge- nannten mehrere Offiziere befanden, deren militärischer Rang sich mir mit der Funktion, die sie in der Arbeiterorganisation be- kleideten, nicht gut zusammenzureimen schien.Sind das vielleicht ehemalige Studenten." fragte ich,die aus Idealismus zur Partei gekommen sind?" «O durchaus nicht! Der Oberleutnant Manditsch war im bürgerlichen Leben wirklich nicht mehr als ein Opankcnschuster und der Oberleutnant Krasnojewitsch ein wirklicher, echter, rauchgeschwärzter Arsenalarbeiter. Daß Arbeiter im Militärver- hältnis Offiziere sind, ist hierzulande durchaus nichts Ungewöhn- liches, denn erstens hat jeder, der eine gewerbliche Fachschule ab- solviert hat. das Recht auf die Offiziersprüfung, und zweitens werden auch viele Unteroffiziere, wenn sie eine Prüfung ablegen. zu Offizieren befördert. Es gibt auch Bauernoffiziere. die leicht daran zu erkennen find, daß sie nicht Stiefel, sondern Opanken tragen." Ich war einigermaßen starr und mein« ans Oesterreich stam- menden militärischen Grundbegriffe gingen au� den Fugen. Heißt es nicht bei uns, daß der Offizier unbedingt aus einem Gesell« schaftskreise stammen muß, in dem ritterliche und aristokratische Anschauungen einheimisch sind? Dieweil er doch anders nicht jenen militärischen Joealismus aufbringen könnte, den die Leutnants der Mannschaft voraushaben müssen und der es allein möglich macht, daß der Offizier als allererster im wildesten Geschoßhagel die schützende Deckung verläßt, um vorwärts zu stürmen! Also Spankenschnster und Arsenalarbeiter bringen das auch zuwege? Und obendrein Sozialdemokraten, die ztvar. wenn sie in Reih und Glied einer Armee stehen, die w i r k l i ch das V o l k in Waffen ist. als tapfere Männer ihre Pflicht tun. aber darum doch keinen Moment aufhören, zu bekennen, d a ß s i« Gegner des Krieges find? Keinen Moment hat die serbische Sozialdemokratie aufgehört. das zu bekennen.Der Krieg gegen Bulgarien ist wie ein Ver- hängnis über uns hereingebrochen," sagte mir Genosse Laptsche­witsch.in hieß es, sich gegen den Angriff wehren, und es ist schwer, jetzt die Verantwortlichkeiten festzustellen. Das soll später folgen. Allein trotz aller Erfolge und trotz aller Entzückungen der chauvinistisch erhitzten öffentlichen Meinungen vertritt unsere Fraktion im Parlamente» die ans Genossen Kazlerowitsch und aus mir besteht, den Friedenswillen des Proletariats, der sich von An. beginn gegen den bewaffneten Angriff auf die Türkei stemmte. Ter Krieg gegen die Türkei war das Uebel. und es ist ein Irrtum. ihn für einen Volkskrieg oder Befreiungskrieg zu halten. Heute mehr denn je stehen wir aus dem Standpunkt, daß er im Wesen ein Eroberungskrieg gewesen ist. der die Befreiung der mazedoni- scheu Volksmassen nicht geföroert. sondern verzögert hat. Gewiß wird einmal die Vergrößerung Serbiens uno d.e Erweiterung seiner wirtschaftlichen EntwickelungsbasiS dem serbi,chen Prole- tar-at und damit dem Proletariat aller Länder zugute kommen. Das wird aber wohl noch ei» Menschenalterbauern. wahrend die Erfüllung unseres Programms, oas die frieol-chc Autonomisierung Mazedoniens forderte augenblicklich dem w.rt,chaftl.chen Fort- schritt der Balkanvölker die gesündesten Antriebe gegeben hätte. Ein autonomes Mazedonien hätte die Agrarfrage zu losen und das schmachvolle Kmetenverhältnis. das arger ist als in Bosnien , zu beseitigen vermocht. Ein crobernoes«erbien ist aber durch sie Friedensverträge verpflichtet, die Grundherrenrechte unangetastet Zu lassen. Im autonomen Mazedonien Ware es möglich gewesen, diese ganz sachte und unbemerkt abzulolen. Jahrlich wanderten aus Amerika 120 Millionen Frank ins Ausland, durchaus Erspar- niffe mazedonischer Arbeiter, tue m"-Helmat zurückkehrten, um Grund zu kaufen. Nun J?1"Sobenpreig unerschwinglich werden. Schon haben auslandiiche Banken große Komplexe zu- samniengekauft, schon sind b.e �odenpreste erheblich gestiegen, und die armen mazeoonilchen Rineten werden nun unter der Herr» schaft der bürgerlichen Demokratie Serbiens wenigstens im näch. sten Menschenalter viel tchwerer das Joch ihrer Ackersklaverei ab- schütteln können, als ste es in einem autonomen Mazeocnien gekonnt hätten. Wir haben gegen den Beginn des BalkankrieaeS energisch protestiert, uns haben auch die Erfolge der serbische» Waffen nicht m unserer Ueberzeugung erschüttern können, und die Geschichte wird unS recht geben."