Nr. 206. 30. Jahrgang. 2. WIM im Jnrarärts" Krlim loMott Dienstag, 12. August 1913. GewerhfcbaftUcbcs. Berlin und Qmgegend. Zum Tarifabschluß der Chemigraphen und Kupferdrucker. Eine kürzlich abgehaltene Mitgliederversammlung der Chemigraphen Berlins »ahm den Bericht ihrer Vertreter bei den Tarifverhandlungen ent« gegen. In der sehr erregten Debatte wurde ausgeführt, daß der neue Tarif durchaus keine Vorteile, sondern nur Nachteile gebracht habe. Durch die in der Presse veröffentlichten Artikel würde der An- schein erweckt, als ob ganz bedeutende Verbesserungen erreicht worden seien. Alles was darin angegeben werde, bestehe schon seil 1903 rcsp. 1908. Neu hinzugekommen sei das fallenlassen des Organisations- givanges, die Regelung der Mindestlöhne, sowie die Aufnahme der Tiefdruckbranche in den Toris. Die nene Lohnskala setze für sechs- zehn-Sparten Mindestlöhne fest, die wesentlich nicht an die bisher gezahlten allgemeinen Löhne heranreichen, aber die Gefahr in sich »ragen, zu Maximallöhnen zu werden, da jeder durch den pari- tätischen Arbeitsnachweisnachweis vermittelte Gehilfe verpflichtet sei, zuin Mindestlohn anzufangen. Derselbe könne dann am ersten Zahl- »age Zulage verlangen oder wieder kündigen. Außer dem Forlfall des LrganisationszwangSs, der auch dem Wunsche der Gehilfen ent- spricht, sei nur eine geringe Verbesserung der Lehrlingskala erreicht worden. Der neue Tarif werde nun von den Gehilfen als Kampf- ansage von den Unternehmern aufgefaßt. Eine zum Schluß vor- genommene Abstimmung ergab, daß die ganze Versammlung mit dem neuen Tarifabschluß nicht einverstanden ist und denselben für »mannehmbar hält. Achtung, Metallardeiter! In der Kugellagerfabrik Riebe, Weißensee, Lehderstratze 74/79, befinden sich die Kollegen der Schleiferei im Streik wegen Akkordpreisreduzierungen. Alle bis- berigen Bemühungen sind ohne Erfolg gewesen und bitten wir, den Zuzug fernzuhalten. Der Betrieb ist für Radius-, Loch- und Außen- schleifer gesperrt. Die Ortsverwaltung. Achtung, Töpfer! Wie uns soeben mitgeteilt wird, vermittelt der Töpfermeister Gustav Artelt Ofensetzer nach Rathenow . Da die Firma Jänicke in Rathenow gesperrt ist, warnen wir die Kollegen nnd ersuchen, keine Arbeit nach Rathenow anzunehmen. Der Vorstand. Der Obmann der Parkettbodenleger schreibt uns: Die von der Firma Hetzer- Weimar gegebene Berichtigung in Nr. 293 Ihres geschätzten Blattes entspricht nicht den Tatsachen und halte ich die in der Versammlung der Parkettbodenleger gegebenen Ausführungen aufrecht. Dcutlches Reich. Zur Werftarbeiterbewegung. Die Hamburger Werstarbeiter werden am Dienstag in Versammlungen sich mit dem Beschluß der Berliner General- Versammlung des Verbandes beschäftigen. Der Verand der Kupferschmiede ist mit 448 Mit- gliedern in 7 Orten am Streik beteiligt. Der Zentralvorstand wollte einen außerordentlichen Verbandstag einberufen. Um diese General- Versammlung, der Dringlichkeit der Sache entsprechend, recht bald zusammenberufen zu können, hatte der Zentralvorstand bei den Filialen die Zustimmung erbeten, daß die Delegierten, die die letzte in Stettin tagende Generalversammlung bildeten, auch in der außer- ordentlichen Generalversammlung als Verbandsvertreter gelten sollten. Der Zentralvorstand war der Ansicht, daß. durch Zu- stimmung sämtlicher Filialen auf diesem außergewöhnlichen Wege in kürzester Zeit eine Generalversammlung einberufen werden könne. Nachdem aber eine ganze Anzahl Filialen nicht nur die Vorschläge des Zentralvorstandes ablehnten, sondern auch einige Filialen gegen «ine auf diesem Wege einberufene Generalversammlung Protest ein- legten, nahm der Borstand von der Einberufung einer General- Versammlung Abstand. Neue Schwierigkeiten im Haupttarifamt für das Bau- gewerbe. Nachdem erst kürzlich mitgeteilt werden konnte, daß das Haupt- tarifamr im Baugewerbe sich konstituiert hat und die erste Sitzung zur Erledigung tariflicher Streitfälle für den Anfang des Monats Oktober festgesetzt worden sei, haben jetzt die unpar- teiischen Vorsitzenden des Haupttarifamts durch !den Magistratsrat v. Schulz an die an dem Reichs- Itarif im Baugewerbe beteiligten Organisations- svorstände die Mitteilung ergehen lassen, daß sie 'sich außer st ande sehen, die Geschäfte des Haupt- tarifamts weiter zu führen und daß sie die ihnen anvertrauten Aemter deshalb niederlegen. Als Ursache ihrer Entschließung bezeichnen die Unparteiischen den Inhalt eines Artikels im.Zimmerer" Nr. 30 vom 20. Juli d. I., der die Ueberschrift„Korruptionserscheinungen im Tarifverhältnis für das Baugewerbe" trägt, und den sie für sich als beleidigend ansehen. Beendigung des Glaserstreiks in Hamburg . Nach einem Kampfe von 13 Wochen Dauer ist der Streik sieg- reich beendet worden. Die Streikenden nahmen die von der pari- tätischen Kommission festgelegten Einigungsvorschläge an, wonach der Lohn sofort um 5 Pf. pro Stunde erhöht wird und ab 1. Oktober 1915 ein weiterer Zuschlag von 1 Pf. auf die zu zahlenden Stunden- löhne erfolgen soll. Es gelang den Glasern auch, eine Verkürzung der Arbellszeit an den Sonnabenden um eine Stunde und vor den großen Festen um 2 Stunden zu erreichen. Für diese Stunden wird ihnen der Lohn mitbezahlt. Das Montagegeld wurde von 2,50 M. auf 3 M. erhöht. Die Unternehmer haben gleichfalls diesen Ab- machungen zugestimmt. So ist denn eine Bewegung beendet, die von den Glasern mit bewunderungswürdiger Geschlossenheit geführt wurde. Der Streik war so konsequent durchgeführt, daß die streikenden Glaser selbst bei den Unternehmern nicht arbeiten wollten, die für sich die Forderungen der Ausständige» zu bewilligen geneigt waren! sie wollten nur dann die Arbeit wieder aufnehmen, wenn die Gesamtheit der Unternehmer sich zu annehmbaren Zugeständ- nissen bereit erklärte. Wie wir sehen, daß das Vorgehen ja erfolg- reich zum Ziele geführt. Husland. Generalstreik in Italien . Der Mailänder Streik wird sich anscheinend zu einem General- streik über ganz Italien entwickeln. Die schon vor einigen Tagen angekündigte Absicht der Syndikalisten, einen derartigen Generalstreik zu proklamieren, ist nunmehr ausgeführt. Ein Telegramm unseres Korrespondenten sagt: Die Mailänder.Union syndicale" hat, weil sich die Metall- industriellen weigerten, die Verhandlungen aufzunehmen, den Generalstreik über ganz Italien proklamiert. Gleichzeitig fordert die Exekutive der Konföderation der Arbeit ihre Organisationen auf, nicht zu streiken, da der Streik den Mailänder Ausständigen nichts nütze. Trotzdem ist der Generalstreik in vielen kleinen Orten pro- klamiert. Die römische Arbeiterkammer proklamierte den General- streik für den 11. August 4 Uhr.— In Mailand ist alles ruhig- 800 Personen find verhaftet. v«Mher ßauarbeltertcljutzkongreß. Leipzig , 11. August 1913. Im großen Kongrcßsaal der„Weltausstellung für Bauen und Wohnen" ist heute vorniittag der von der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands einberufene dritte Bauarbeiterschutz- kongreß zusammengetreten. 466 Delegierte der beteiligten Gewcrk- schaften füllen den Saal. Die Generalkommission ist durch Robert Schmidt und L e g i e n. die sozialdemokratische Reichstags- fraktion durch Genosse Pfannkuch vertreten. L e g i e n heißt die Delegierten und Gäste, unter denen sich u. a. zwei Herren vom AusstellungSdirektorium befinden, zur ge- meinsamen Arbeit für den Bauarbcitcrschutz willkommen. Daß es damit vorwärtsgegangen ist, beweist schon das Tagen dieses Kon- grcsses in der Ausstellung. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß die Zlrbcitcrorganisationen nur soviel durchsetzen können, als sie Macht besitzen!(Beifall.) Arbeitersekretär L ü t t i ch- Leipzig begrüßt den Kongreß namens der Leipziger organisierten Arbeiterschaft.— Zu Vorsitzenden werden gewählt P ä p l o w- Hamburg und S t a u d i n- g e r- Leipzig vom Deutschen Bauarbeiterverband und Schräder- Hamburg vom Zimmererverband. Erster Punkt ist Die Entwickelung des Bnuarbeiterschutzes im letzten Jahrzehnt. Referent Gustav H c i n k c- Berlin gibt einen historischen Rückblick auf die Bauarbeiterschutzbestrcbungcn. Das Haftpflicht- gesetz von 1871 erstreckte sich nur auf die Eisenbahner, und alle Be- mühungen, seine geringen Wohltaten Auch den Bauarbeitern zu- nutze zu machen, scheiterten au dem damaligen liberalen Reichs« tag. Die Stimmung für rcichsgcsctzlichc Regelung des Bau- arbeiterschutzes wurde aber immer stärker. Wir wissen die schwierige Lage des Reichsversichcrungsamtes bei Erlafsung von Unfall- Verhütungsvorschriften vollkommen zu würdigen. Wie wissen, daß es nicht nur von uns, sondern auch von den Unter- nehmern angegriffen wird, und wir erkennen den guten Willen und die vielfachen Verdienste des Reichsversicherungsamtes voll- kommen an. Wir müssen aber doch verlangen, daß bei dem Erlaß von Unsallverhütungsvorschriften nicht nur die Vertreter der Unternehmer befragt werden, wie das jetzt bei dem Erlaß von Vorschriften für die Beton- und Eisenindustrie geschehen ist, sondern auch die Vertrauensmänner der Ar- b e i t e r.(Lebhafte Zustimmung.)— Wir bedauern es, daß die Unternehmer ihren Einfluß auf das Rcichsversichcrungsamt auch auf Hintertreppen geltend machen können. Mit der steigenden Macht der Arbeiterklasse, mit ihrer Stcuerkraft, mit der wachsen- den Zahl ihrer Mandate im Reichstag, in den Landtagen und in den Gemeindeverwaltungen werden die Regierungen rechnen müssen. Im Jahre 1907 waren bereits 1 868 016 Arbeiter im Bau- gewerbe beschäftigt. Die Mitgliedcrzahl der Bauarbeiterorgani» sationen beträgt bereits 625 000.(Beifall.) Jeder fünfzehnte er- werbstätige Mann gehört dem Baugewerbe an.(Hört! hört!) Darauf muß die Regierung Rücksicht nehmen. Solange aber die Reichsgesetzgebung nicht eingreift, stellen wir unsere Forderungen an die Landesgcsetzgebung. Wir fordern ein Reichs- Bau» arbeiterschutzgesetz, worin die Unfallverhütung nach jvl- genden Normen zu regeln ist: „Es sind Normalvorschriften zu erlassen für die Sichcrbeits- Vorrichtungen bei Abbruchsarbeiten, bei Ausschachtung der Bau-- grüben für Hoch- und Tiefbauten, für Berüsten, Herstellung der Transportwege, Auf- unb. Ausbau jeglicher Bauten sowie auch bei Arbeiten auf Zimmcrplätzen und sonstigen Zimmerarbeiten unter Berücksichtigung ihrer Eigenheiten und des zu denselben zu ve» wendenden Materials. Die Bauherren und Unternehmer sind ge« meinsam zu verpflichten, bei allen Neu- und größeren Umbauten. ebenfalls auf Zimmer- und Holzplätzen Ankleide-, Wasch- und Etz- räume zur unentgeltlichen Benutzung zu stellen, desgleichen der Gesundheit und Sittlichkeit entsprechende Aborte in genügender Zahl. Werden Bauarbeiten außerhalb ausgeführt(Ueberland- arbeit) und müssen die Arbeiter infolge der Entfernung über« nachten, so sind Schlafräumc mit Betten zur Verfügung zu stellen. Diese Räume dürfen zur Aufbewahrung von Material, Werkzeugen oder als Baubuden nicht benutzt werden. Die Bauherren und Unternehmer sind in solidarischer Haftung gehalten, bei dem inne- ren Ausbau der Neu- und Umbauten während des Wintcrhalb« jahres die Tür - und Fensteröffnungen so zu schließen, daß die Jnnenarbeiter gegen die äußerst gesundheitsschädliche Zugluft ge- schützt sind: offene Koksfeuer zum Austrocknen und Erwärmen de« Bauten dürfen nicht in Airwendung kommen. Bei allen Maler» und Anstricharbeiten ist der Gebrauch bleihaltiger Farben zu der- bieten. Die Unternehmer oder die verantwortlichen Bauleiter sind zu verpflichten, den Arbeitern auf Bauten, Holz-, Zimmer- und Werkplätzen gutes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Die ge- regelte Ueberwachung der vorbczcichnetcn Bauausführungen hat durch behördlich?, mit dem Baubetrieb vollständig vertraute Beamte zu erfolgen, mit der Maßgabe, daß diesen Beamten in allen größf» ren Städten und in aus kleineren Orten polizeilich abgegrenzten Bezirken prakfisch erfahrene Arbeiter als Baukontrolleure zur Seite gestellt wenden. Diese Kontrolleure sind von den in Betracht kom- wenden Bauarbeitern zu wählen und vom Staate oder der Ge- meinde zu besolden. Di« Wahl dieser Arbeiterkontrolleure erfolgt nach dem Modus der Gcwerbegerichtswahlen mit der Mlßgabe, daß alle volljährigen baugewerblichen Arbeiter wahlberechtigt sind. Die Bauaufsichtsbehörden der einzelnen Bundesstaaten oder des Ver- waltungsbezirks haben alljährlich einen Bericht über ihre Tätigkeit« und Wahrnehmungen zur öffentlichen Kenntnisnahme hcrauszu- geben. Die zuständigen Behörden haben die Pflicht, diese Berichte sowie auch etwaige Schutzvorschriften den in Betracht kommenden Gcwerkschaftsblättern zuzustellen." Der Redner faßte zum Schluß seine Ausführung zusammen in folgender kleines Feuilleton DaS Wichtigste. Der Erzbischof von Dijon , dem bei Leichen« begängnissen das laute und lärmende Wesen des Trauergefolges unangenehm aufgefallen war, hat vor kurzem einen Verein der „stummen Leidtragenden" gegründet. In Deutschland besitzt diese Organisation wohl noch keine Anhänger und zu allerletzt dürfte sich unter unseren Mitbürgern in Berlin IV und Berlin 1V1V Shmpathien erwerben. Ein Ereignis bei dem die stumm bleiben sollen, mag eZ nun trauriger oder freudiger Art sein, ist für sie überhaupt kein Ereignis. Alles muß für sie zum Klamauk werden. WaS wäre ihnen beispielsweise das Unglück von Swine- münde gewesen, wenn es ihnen nicht Gelegenheit zum Spektakeln gegeben hätte?— Man berief eine Versammlung ein, in der man sich von zwei Gymnasiasten, die dabei gewesen waren, Bericht er- statten ließ. Aber was nun? Selbst durch das lauteste Geschrei waren die Toten nicht»,ehr zum Leben zu erwecken, der Badeverwaltung konnte keine nennenswerte Schuld nachgewiesen werde», und auck sonst gab es keinen Sündenbock. Die Versammlung mußte aber doch in etwas gipfeln. Einer schlug vor, eine Sammlung für Bedürftige zu ver- anstalten, die sich beim Rettungswerk beteiligt hätten. Man ruft Bravo und sieht gleichzeitig nach der Tür. Die in mehreren hundert Exemplaren anwesenden Badegäste bringen 100 M. auf. Jedoch auch das ist noch kein Abschluß. Also wird ein Aus- s ch u ß zur weiteren Prüfung der Angelegenheit gewählt. Natürlich darf an seiner Spitze nicht der Herr Kempener aus dem bayerischen Viertel oder der Herr Pinkussohn vom Kurfürstendamm stehen. Die Sache muß ein Ansehen haben. Deshalb erhält ein Baron den Vorsitz. Wie sagte doch dieser Tage die„Kölnische Zeitung ": Das liberale Bürgertum hat Respekt vor der älteren Kultur des Adels. Der Baron weiß auch gleich, was zu tun ist. Er bringt ein Hoch auf den Kaiser aus, der seine Matrosen für die Reitlings- arbeiten zur Verfügung gestellt hatte. Wie befreir stimmen alle ein. Jetzt wissen sie wenigsteus, wozu sie versammelt waren. Und der Ausschuß entwickelt sofort eine fieberhafte Tätigkeit, und schon nach kurzer Zeit ist er zu einem Wichligen Entschluß ge- langt. Er sendet— ehrerbietig natürlich— ein Danklelegramm an leine Majestät: Für Euer Majestät hochherzige Menschenfreund« liche und schnelle Unterstützung usw. usw. Sehr schade ist, daß das Telegramm die doch erforderliche Er- Neuerung des Gelöbnisses der Treue vergessen hat. Aber immerhin, das Wichtigste ist doch nun geschehen. Die Badegäste aus Berlin haben gezeigt, daß sie jeder Situation gewachsen sind. Aus altägyptische» Schulheftrn. Die Schreibfreudigkeit der alten Aegypter offenbart sich noch heute in der großen Zahl von Urkunden des täglichen Lebens auf Papyrus, die den Bestand unserer Museen und unsere intime Kenntnis antiken Lebens �reichern. Es gab aber nur eine beschränkte Anzahl von Schreibkundigen, von denen die wenigsten die Priesterschrist der Hieroglyphen und die sogenannte demofische Kanzleischrift zugleich beherrschten; die gewerbsmäßigen Urkundenschreiber beherrschten meist nur die ägyptische Verkehrs- fchrist und viele konnten nur griechisch schreiben. Die Verbreitung der Scbreibkunst war durch den Mangel an staatlichen Schulen und das Fehlen des SchulzwangeS gehemmt. Der Unterricht lag in den Händen von Privaten, und Privatschulen sowie Hauslehrer waren natürlich nur den Bemittelten zugänglich. Ein interessantes Licht auf das Lebren und Treiben in diesen altägyptischen Schulen werfen einige Neuerwerbungen der Berliner Pa pyrussammlung, von denen Dr. Plaumann in den Amtlichen Berichten aus den königlichen Kunstsammlungen Mitteilung macht. Ein Wachstafel- buch, wie es in der Antike als handliches Notizbuch und Schulheft ganz allgemein verwendet wurde, enthält Schulübungen. Früchte de« ersten Schuljahres. Dies Schulheft ist bemerkenswert durch seinen vorzüglichen Erhaltungszustand und durch die auffällig große Zahl der Tafeln; statt der sonst üblichen höchstens 5 Tafeln sind hier nämlich neun zusammengefügt und ursprünglich scheinen es sogar 10 gewesen zu sein. Auf der Innenseite der ersten Tafel hat der A-B-C-Schütze die Silbentrennung geübt, daneben bat er gerechnet. Die 6. Seite zeigt mehrere der heiligen Symbole, die so beliebt waren und wahr- scheinlich absichtlich von dem Schreiblehrer gewählt wurden, der in ein paar solchen Worten das ganze Alphabet aufmarschieren ließ. Auch die anderen Hebungen stammen zum größten Teil aus der Schreibstunde; auf einer Seite muß der Schüler sich den WeisheitS- spruch einprägen:„Mit Schreiben und mit Lesen fängt eigentlich erst das Leben an". Auf einem anderen Wachstafelbuchstück werden recht verwickelte Rechnungen ausgeführt, die sicherlich hereitS von einem älteren Jungen stanimen. Ein Rettungsturm für Unterseeboote. In Spezia find jüngst Versuche mit einem neuen Rettungsturm für Unterseeboote angestellt worden, den«in Seeoffizier. Virginia Cavallini. erfunden hat. Bei den Versuchen wurde ein Modell ins Wasser versenkt, das durch eine Telephonleitung mit den Mitgliedern des Prüfungsausschusses an Land in Verbindung stand; wenn von oben der telephonische Befehl gegeben wurde, den Rettungsturm zu verwenden, vergingen nur drei Sekunden, bis der Rettungsturm an der Oberfläche erschien, und die„Geretteten" aus ihm herauskamen. Nach den Mitteilungen, die die„Stonwa" aus Spezia über die Versuche erhält, scheint der „Rettungsturm" eine hermetisch verschließbare Kammer zu sein, in der die ganze Besatzung eines Unterseebootes Platz findet. Im Falle eines Unglückes läßt sich der Rettungsturm rasch vom Schiffs- körper lösen, so daß die Mannschaft des Fahrzeuges sich in ihm retten kann. Die Abstammung der Zeitungsente. Ein gelehrter Holländer soll nach dem„Petit Journal" Urkunden aufgefunden haben, aus denen die Entstehung des Ausdruckes„Zeitungsente" für eine Schwindel« Nachricht der Saurengurkenzeit unzweifelhaft hervorgeht. Danach stammt die Ente aus der Sprache der Seeleute. Holländische See- sahrer des 16. Jahrhunderls brachten nämlich aus den Polarmeeren die Nachricht mit. sie hätten in de» Grönländischen Kllstengewässern eine Ente entdeckt, die nicht aus einem Ei entstände, sondern auf andere, ganz merkwürdige Art: Stoffe, die an der Meeresoberfläche schwimmen, sollen sich auf Treibholz festsetzen, hieraus entwickelt sich eine kleine Muschel, diese wird zu einem wurmarfigen Gebilde und hieraus wird schließlich die Ente. Zeitgenössische Naturforscher, bei- spielsweise Egede, sollen diese Ente für Wahrheit gehalten und tat« sächlich ein neues Tier, die cntenerzeugende Muschel, in ihre Schriften aufgenommen haben. Sebastian Münscher machte dann später in seiner Kosmographie daraus die Mär von der Bernickel-Gans oder -Ente, die au§ den Früchten eines am Wasser wachsenden Baumes entstehen sollte. Daß auf diese oder ähnliche Weise das Wort Ente in einigen Sprachen für eine Schwindelnachricht aufgekommen ist, klingt einigermaßen glaubwürdig, während es sich bei den entdeckten Urkunden 5eS„holländischen Gelehrten" wahrscheinlich um eine Ente handeln dürfte. H«mor und Satire. An Bayerns Kniehösler. In der kurzen Lederhose, Wo das Echo hallt darin, Herrschet nicht der echte, große, Nicht der fromme Gottessinn. In ihr wallet die Begierde; Als ein Zeichen auch dafür Gilt uns die gestickte Zierde An der Fall- und Hosentür. Wie du doch, o ftommer Bayer. In dem einen widerstrebst! Deine Kniee sind wohl freier Als der Sinn, in dem du lebst. , Aber sieh, wie's immer bunter Treibt der Geist der neuen Zeit! Laß die Hose bald herunter Für die hohe Geistlichkeit! Peter Schlemihl(»SimplicisfimuS*). Notizen. — Theaterchronik. Im Deutschen Schauspiel- Hause gelangt von dem Strindberg-Programm zunächst „Ritter Bengts Gattin" mit Elsa Galafrös als Frau Margit und Paul Otto als Ritter Bengt zur Aufführung. Als zweiten Strindberg-Abend plant die Direktion eine Aufführung des Schauspiels„Meist er OTaf".— Josef-Kainz-Theater. Für die plötzlich erkrankte Erna Manegg wurde Hilma Schlüter verpflichtet, die schon an dem Lorenzschen Freilicht-Theater am Vier- waldstättersee mitwirkte. Am Mittwoch werden nun„PhilotaS" und „Teja", am Sonnabend„Iphigenie " aufgeführt. K u n st ch r o n i k. In den Anlagen vor der Kunsthalle der Leipziger Jahresausstellung wurden mehrere große Bronzen auf« gestellt, ein„Athlet" von Max Klinger und eine„Reifen- s p i e l e r i n" von Johannes Hart mann. — Ein Denkmal der Brüder vanEhck, geschaffen von Georges Verband, wurde in Gent enthüllt. Es stellt die beiden Brüder auf einem Throne sitzend im Kostüm ihrer Zeit dar, umhuldigt von Männern. Frauen und Kindern. Die beiden Künstler, Maler de» anbrechenden 15. JahrhundettS, werden als die Schöpfer der nationale» belgischen Kunst angesehen.
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten