bilden fast die Gesamtheit der in den versicherten Berufen vorhandenen Gewerkschaften und haben eine Gesamtmitglied- schaft von S39 77L. 21 Gewerkschaften(hauptsächlich im Bau- gewerbe), die früher keine Arbeitslosenunterstützung kannten, haben seit dem Inkrafttreten des Gesetzes die Arbeitslosen- Unterstützung eingeführt. In dem Bericht des Handelsamts heißt es:„Es ist noch zu früh, die endgültigen wirtschaftlichen und sozialen Wir- kuilgen der Neichsversicherung gegen Arbeitslosigkeit zu be- urteilen. Bis jetzt ist sie erst während einer Zeit außerge- wohnlicher Prosperität in Wirkung gewesen. Wir müssen noch erfahren, wie sie in einer Periode der Depression auf dem Arbeitsmarkt wirken wird. Was jedoch gesagt werden kann, ist: daß die anfänglichen Schwierigkeiten, den Plan zur Aus- führung zu bringen, erfolgreich überwunden worden sind; daß sich bis jetzt der Plan in adininistrativer Beziehung als prak- tisch durchführbar erwiesen, und daß er die aktuarischen Be- rechnungen, auf denen er fußte, gerechtfertigt hat; daß er die Zahl der gegen die durch die Arbeitslosigkeit verursachte Not beschützten Arbeiter um das Fünf- und Sechsfache vermehrt hat; und daß er zu gleicher Zeit eher zur Ermutigung als zur Entmutigung der freiwilligen Vorsorge gegen Arbeitslosigkeit geführt hat. Endlich mag hinzugefügt werden, daß die ver- sicherten Berufe voraussichtlich in die nächste Periode der De- pression mit einem angesammelten Reservefonds von einigen Millionen Pfund Sterling und mit einer schon bestehenden Organisation treten werden, die diese Reserve anwenden kann, um den Bedürfnissen jedes der Berufe in jedem Teil des Ver- einigten Königreichs nachzukommen." poUrtfcbc üeberlicbt Keine Neneinteilung der Reichstagswahlkreise? In den letzten Tagen war durch die Presse die Meldung ge- gangen, daß die Absicht bestehe, wenigstens in etwas die Ungeheuer- lichkeit der ungleichen Einteilung der Reichstagswahlkreise zu be« seitigen. Diese Nachricht erschien um so glaubhafter, als die Wahl- kreisgeometrie für die Reichstagswahlen eine noch skandalösere ist, als die für Preußen, wo man doch seinerzeit durch Schaffung von zehn neuen Wahlkreisen wenigstens die allergrößten Wahlkreise zer- schlagen hat. Nun aber verkündet die.Korrespondenz Woth', daß diese Mel- dung völlig aus der Luft gegriffen sei. Es seien bisher keinerlei B o r a r b e i t e n für eine Neueinteilung der Wahlkreise in Angriff genommen worden. Die Vorarbeiten müßten eben sehr eingehender Natur sein, und die Regierung müsse vorher mit dem Reichstage über etwaige Reformen Fühlung nehmen. Weiter versucht die gelegentlich offiziös benutzte Korrespondenz auseinanderzusetzen, welch große Schwierigkeiten einer vernünftigen Neueinteilung der Wahlkreise ent- gegenstünden. Wolle man eine völlig gleiche Einteilung der Wahl- kreise schaffen, so würden entweder 25 Abgeordnete mehr als bisher zu wählen sein oder aber es müßten einzelne kleine Bundesstaaten, die bisher selbständig vertreten waren, ausfallen resp. mit anderen Teilen des Reichsgebietes zusammengelegt werden. Für eine Er- höhung der Zahl der Reichstagsabgeordneten biete daö Reichstags- gebäude keinen Raum. Man sollte nicht glauben, daß man ernsthaften Menschen mit salch törichten Einwendungen zu kommen wagen könnte. Denn all diese„Schwierigkeiten� sind doch so geringfügiger Art und können so leicht beseitigt werden, daß ihre Lösung die Reform der Wahlkreisein- teilung auch nicht um 21 Stunden zu verzögern braucht I Die Schwierig- leiten bestehen eben nur darin, daß die. Nutznießer der gegenwärtigen skandalösen Wahlkreis einteilung keine vernunftgemäße, das gleiche Wahlrecht wirklich zum Ausdruck bringende Neueinteilung wünschen, und die Regierung sich mit diesen reaktionären Mächten derart ver« sippt und verbunden fühlt, daß sie sich gegen die Wieder- Herstellung des g l e i ch e n Wahlrechts, das ja früher bestand, hartnäckig st r ä u b t. Das ist natürlich kein Grund für die benachteiligten Volks- massen, nicht ihrerseits mit äußerstem Nachdruck auf eine endliche Neueinteilung der Wahlkreise zu dringen. Im Gegenteil, es wäre nun wirklich an der Zeit, im Reiche einmal eine Wahlrechts- bewegung ins Leben zu rufen, durch die der Reaktion ein viel emp- findlicherer Schlag versetzt werden könnte, als durch alles Zusammen« arbeiten eines Blocks der Linken, selbst wenn ein solcher Block zu« stände zu bringen wäre. Ueber den preußischen WahlrechtZkampf hat man allzusehr die empörende Tatsache vergessen, daß ja auch für das Deutsche Reich das gleiche Wahlrecht gar nicht existiert, daß es auch dort erst erkämpft werden mutz I Gerade Sache der sozialdemo- kratischen Parte wäre eS, im Reiche mit aller Energie den Kampf um die Schaffung wirklich gleicher Wahlkreise und damit eines gleichen Wahlrechts aufzunehmen! Ter Katholikentag und der Gewerkschaftsstreit. Wer die Gepflogenheiten der Katholikentage kennt, der wußte von vornherein, daß � nicht zu einer Auseinandersetzung über die Gewerkschaftsftage kommen würde. In den öffentlichen Versamm« lungen gibt es keine Aussprache; hier ist die Tagesordnung lange im voraus bestimmt; in jeder drei Reden, deren Inhalt vom Zentral- komitee vorher geprüft wurde, dann höchstens noch Ansprachen hoher Gäste, von Bischöfen und solchen Leuten, von denen man sicher ist, daß sie nicht aus der Reihe tanzen. In den AuSschußsitzungen, wo die von den geschlossenen Versammlungen zu fassenden Beschlüsse vorberaten werden, findet eine Aussprache statt und ebenso in den geschlossenen Versammlungen. An diesen Stellen hätte also geschästsordnungsmäßig auch über die Gewerkschaftsfrage gesprochen werden können. Wenn ein be- sonderer Antrag darüber nicht zugelassen worden wäre, dann im Zusammenhang mit irgend einem Antrag, der dazu Anlaß gegeben hätte. In der geschlossenen Sitzung am Mttwoch ist die Ge- werkschaftsftage nur ganz obenhin gestreift, jede weitere Erörterung dann aber unterdrückt worden. Ob in den Sitzungen des Ausschusses für soziale Frage die Angelegenheit besprochen worden ist, weiß man nicht, da diese Sitzungen der Oeffentlichkeit, auch der Preffe, verschlossen find. Man darf aber als sicher annehmen, daß es nicht geschehen ist, daß mindestens keine eingehende Aussprache darüber stattgefunden hat. Wenn bei den Wortführern der beiden Richtungen die Absicht dazu bestanden hat, dann ist diese Absicht durchkreuzt worden durch das Eingreifen des Präsidenten Fürst Löwenstein, der gleich in der ersten öffentlichen Sitzung erklärte, der Papst habe durch die Eiuyclios. Singulari quadam die Entscheidung getroffen, daß nach seiner Anweisung der Streit nunmehr einzu- stellen und, wo Zweifelsfälle einträten, an die Bischöfe zu appellieren sei, die dann, wo es nottue, den Papst zur endgültigen Entscheidung anrufen würden. Infolgedessen, so bekundete Fürst Löwenstein, sei für die Katholiken Deutschlands , also auch für den Katholikentag, die Sache entschieden und jedes Eingehen auf die Gewerkschaftsftage zu vermeiden. Man kann nicht sagen, daß der Präsident de? Katholikentages damit seine Befugnisse überschritten oder irgendeine Seite ver- gewaltigt hätte. Als Katholik konnte er gar nicht ander» und erst recht als Präsident eines Katholikentages. Und die Wortführer der beiden Richtungen konnten nicht anders, als seiner Friedensmahnung folgen, da sie auf der Metzer Tagung ja nur in ihrer Eigenschaft als Katholiken waren und sich als solche auch der Entscheidung des Präsidenten, dem von der Versammlung nicht widersprochen wurde, zu fügen hatten. Was nach Metz kommt, ist eine andere Frage. Dem Katholikentag steht keine Entscheidung und keine Zwangsgewalt gegenüber den Katholiken zu, und wenn die Wortführer einer der beiden Richtungen sich auch für die Dauer des Katholikentages dem Friedensgebot gefügt haben, so besteht doch kein Zweifel, daß der Kampf nach Metz wieder entbrennen und heftiger als je weitergeführt wird. Unter den Wortführern der einen Richtung konnte man in' der Metzer Woche recht deutlich den Revolver knacken hören. Nicht dem Wortlaut, aber dem Sinne nach klang es: der Katholikentag kann uns sonstwas! Da der Katholikentag sich durch seinen Präsidenten auf den Boden der päpstlichen Entscheidung gestellt hat, so kann man sich auf weitere Zusammenstöße gefaßt machen. Im übrigen sind die Vertreter der christlichen Gewerkschaften schon recht bescheiden geworden. Sie kämpfen um zwei Worte, deren Sinn für den gewöhnlichen Menschen- verstand kaum einen Unterschied aufweist. Sie wollen, daß ihre Organisationen sollen nicht geduldet, sondern gestattet werden. Die grundsätzliche Gleichberechtigung, die Anerkennung auf derselben Grundlage wie die Fachabteilungen wagen sie schon gar nicht mehr zu fordern, sie wollen„gestattet" sein, und um diese„Gestattung" führen sie erbitterte Kämpfe. Mit was für verächtlichen Worten mag man in Rom von diesen steifleinenen Helden reden I Eine dreiste Erfindung. Aus London telegraphiert uns unser Korrespondent: Die konservative„Pall Mall Gazette " veröffentlicht einen an- geblichen letzten Brief Bebels, der etwas Aufsehen erregt hat, namentlich weil die darin enthaltenen Ansichten so ganz und gar nicht mit denen Bebels übereinstimmen. Der Inhalt des kuriosen Schriftstückes ist kurz folgender:„Die deutsche Wehr- Vorlage war nicht gegen Frankreich gerichtet, sondern wurde not- wendig gemacht durch den Zusammenbruch des deutschen Militär- Wesens wie er in der Niederlage der Türkei zum Ausdruck kam. Hätten die Franzosen Deutschlands Schwäche geahnt, so hätten sie den Krieg erklärt. Um sie davon abzuhalten, machte der deutsche Kaiser die Franzosen glauben, die Neurüstungen seien gegen sie gerichtet. Deutschland konnte sich nicht bloßstellen lassen und das wäre geschehen, wenn nicht neue Rüstungen angeschafft worden wären." Der Brief endet mit den Worten:„Ich hoffe Sie bald zu sehen." als wenn er an einen intimen Freund oder Bekannten ge- richtet wäre. „Daily News" hat das Blatt aufgefordert, seinen GewährS- mann zu nennen, was„Pall Mall Gazette " wohlweislich ver- mieden hat. Der offenbare Schwindel wird mit der Agitation der englischen Militaristen zusammenhängen, deren Leib- organ das Blatt ist. Diese Herren sind gerade dabei, die RüstungS- Vermehrungen in Deutschland und Frankreich ihren eigenen Zwecken dienstbar zu machen und versuchen daher mit der Autorität Bebels dem Volke etwas vorzuschwindeln." Soweit unser Korrespondent. Natürlich handelt es sich, wenn nicht um eine plumpe Mystifikation, so um einen drei st en Schwindel._ Ein preustisches Steuergeschenk an den Geldsack. Wie eine Korrespondenz meldet, soll dem preußischen Landtag bei seinem Wiederzusammentritt die im letzten Früh- jähr unerledigt gebliebene Steuernovelle abermals vorgelegt werften. Die Entwürfe sind, wie die Korrespondenz mitteilt, im Finanzministerium teilweise neu bearbeitet worden. Die Regierung soll sich auch dazu verstanden haben, in die von einem Teil des Landtages geforderte Wiederaufhebung der Steuerzuschläge zu willigen; dafür sollen die Steuerskalen neu gestaltet und durch Schaffung neuer Zwischenstufen verändert worden sein. In der letzten Session des verflossenen Landtages st r ä u b t e sich die Regierung bekanntlich ganz energisch gegen die Aufhebung der Steuerzuschläge. Wenn sie sich jetzt dem Wunsche der die Interessen der besitzenden Klasse ver- tretenden Parteien fügen will, so bedeutet das nichts anderes, als daß der Bourgeoisie i n P r e u ß e n eine Ent- s ch ä d i g u n g für die Steuerleistung gewährt werden soll, die der besitzenden Klasse durch den Reichstag auferlegt worden ist! Wir haben schon seinerzeit nachgewiesen, daß die Be- seitigung der Steuerzuschläge in Preußen an die besitzende Klasse ein Steuergeschenk von rund 50 Millionen jährlich ausmachen würde. Sollte also die Meldung der Korrespondenz der Wahrheit entsprechen, so handelte es sich also um nichts anderes, als dem Geldsack in Preußen das wieder zurückzuerstatten, was er für das Reich an Steuern zu zahlen hat. Sobald der I nhaltder abgeänderten Steuernovelle bekannt sein wird, werden wir nicht verfehlen, eine genaue Auf- r e ch n u n g des Steuernachlasses für den Geldsack aufzumachen, durch den den Besitzenden die direkte Steuerleistung für das Reich versüßt werden soll!_ Eine Reminiszenz znm Deutzer Landfriedensbruchprozest. Am 25. August verläßt der Genosse Georg Fröhlich aus Köln a. Rh. das Gefängnis zu Siegburg -Brückberg, nachdem er die ihm vom Schwurgericht zu Köln zudiklierte Strafe von 2 Jahren 7 Monaten bis auf die letzte Minute verbüßt hat. Btt dieser Ge- legenheit wollen wir kurz noch einmal die Geschichte streifen, die Veranlassung zu dem späteren Justizdrama gegeben hat, das über 15 Bauarbeiter eine Gesamtstrafe von 23 Jahren und 2Monalen Gefängnis verhängte. Auf einer Baustelle in Deutz kürzte der Unternehmer Tatas den meistens nicht organisierten Erdarbeitern den Tariflohn. Als die Organisationsleitung dahinter kam, suchte sie ihren Einfluß bei dem Unternehmer geltend zu machen und Genosse Fröhlich als Vorsitzender des Zweigvereins Köln des damaligen Bauhilfsarbeiterverbandes hatte dem Unternehmer von dem Verlangen nach dem Tariflohn Mit- teilung zumachen. Als der Unternehmer sich weigerte, den Tariflohn anzuerkennen, stellten die Erdarbeiter, die inzwischen Mitglieder des Verbandes geworden waren, die Arbeit ein. Der Unternehmer TataS, anstatt sich nach dem Tarif zu richten, suchte Tarifbrecher; die Polizei ging er um Schutz für die angeworbenen Elemente an, der ihm selbstverständlich bereitwilligst gewährt wurde. Nach einigen Tagen hatte der Unternehmer denn auch fünf Arbeitswillige zu- sammengeholt, die von ebensoviel behelmten Ordnungshütern bewacht wurden.. An einem Abend entstand nach Arbeitsschluß an der Arbeits- stelle ein Auflauf, aus dem heraus sich, eine Prügelei entwickelte, bei der auch ein Schutzmann, der blank gezogen hatte, derartig schwer verletzt wurde, daß er bald darauf an den Folgen starb. Unter den Teilnehmern des Auflaufs befanden sich eine Anzahl Streikende, die aus einer Versammlung gekommen waren. Soweit man sie erkannte, wurden sie verhaftet und unter Anklage wegen Landfriedensbruchs gestellt. Genosse Fröhlich wurde in den Prozeß hineingezogen, weil er als Leiter der Organisation in der am Nachmittage abgehaltenen Versammlung„verschiedene BevölkerungStlaffen gegeneinander auf- gereizt" haben sollte. _ Nach der ganzen Sachlage konnte niemand, der den Genoffen Fröhlich persönlich kennt, glauben, daß er verutteilt werden würde. Dennoch traf ihn die ungeheure Strafe von zwei Jahren sieben Monaten, die lediglich aus das Zeugnis eines vielfach vorbestraften und Lbelbeleumdeten Zeugen namens Hauptmann hin ver- hängt wurde. Die wiederholt unternommenen Versuche, daS Wiederaufnahmeverfahren für den Genossen Fröhlich durch- zusetzen, sind gescheitert, weil einige sür die Zeugenschaft in Beiracht kommende Personen aus Furcht, in einen Msineidsprozeß verwickelt zu werden, schwiegen oder unsichere Angaben machten. Selbst dann, als dem Kronzeugen Hauptmann von seiner eigenen Frau vorgeworfen wurde, daß er in dem Landfriedensbruchprozeß gegen Fröhlich und Genoffen einen Meineid geleistet habe, rührte sich kein Staatsanwalt, obgleich eine solche Aufforderung öffentlich an die Staatsanwaltschaft gerichtet wurde. Der Kronzeuge Hauptmann blieb eben für den Staatsanwalt ein voller Ehrenmann, trotz seiner vielen Vorstrafen, seines üblen Leu- mundes und trotz der Anschuldigung durch seine Frau. Und Genosse Fröhlich, der bisher unbescholtene und bestbeleumdete Mann, dem selbst von Unternehmern ein anerkennendes Zeugnis über seine Tätigkeit als Gewerkschaftsbeamter ausgestellt wurde, blieb der Sträfling bis zur letzten Minute seiner Strafzeit. Die Ver- günstigung, die sonst Unbescholtene durch den Erlaß eines Teils ihrer Strafe erhalten, wurde dem Genossen Fröhlich nicht gewährt, weil er eS verschmähte, lediglich zu diesem Zweck sich zu einer Schuld zu bekennen, von der er sich frei wußte. Hoffentlich hat Genosse Fröhlich die lange Gefängnishaft körper- lich und geistig gut überstanden. Zwar soll sein Augenlicht durch die Gefängnisarbeit sehr geschwächt worden sein. Doch hoffen wir das Beste und wünschen dem schwer geprüften Mann baldige volle Wiederherstellung. Als letzter der 15 Verurteilten befindet sich nun noch der Bau- arbeiter Düpper im Gefängnis, der wegen Körperverletzung mit Todeserfolg zu fünf Jahren Gefängnis verutteilt wurde. Christliche Gemütsathleten. In Elberfeld -Barmen erscheint ein Blatt„Westdeutsche Rund« schau", das als Organ des ftüheren fteikonservativen Reichstags« abgeordneten Linz das Sprachrohr der Christlich-Sozialen und der Freikonservativen darstellt. Dieses evangelisch-christliche Blatt gehött zu den wenigen bürgerlichen Zeitungen, die im Stile der„Post" den verstorbenen Führer der Sozialdemokratte in den rüdesten Ausdrücken schmähten. Es bezeichnete unter anderem Bebel als„einen S ch ä d- ling am deutschen Volkskörper". Diese Bezeichnung scheint dem chttstlichen Blatte aber noch nicht zu- genügen, denn einige Tage darauf wiederholte es seine Rüpeleien in verstärkter Auslage und führte in einer Polemik gegen unser Elberfelder Parteiorgan, das die„christlichen" Aeußerungen festgehalten hatte, aus: „Trotzdem es ja eigentlich überflüssig ist, einem Manne, der Millionen armer Menschen in rasendem Ritt dem sicheren Ver- derben entgegenführie, auch nur noch ein Wort zu gönnen, sei doch noch einmal mit allem Nachdruck das gesagt, was wir in unserer „moralischen Verkommenheit und Charakterlosigkeit" gesagt haben, „Bebel ist nicht nur„ein", sondern„der" Schädling an unserem Volkskörper gewesen". 50 Jahre hat er das„Wohl" der internattonalen Arbeiterschaft nicht etwa„gesucht", sondern vielmehr versucht, dieses„Wohl" in ein großes„Wehe" zu verwandeln. Und wenn die Glocken der Jakobikirche in Zürich bei dem le tz t e n G e I e it B e b eis anstimmten, so war es nicht etwa eine„majestätische Huldigung" und eine. Religionsübung, wie die Kirche es selten getan", sondern eher doch wohl der Ton des Dankes, daß nunmehr der Mann, der hier im Vaterland und weit über dessen Grenzen hinau's seiner Gefolgschaft so n a m e n l o s e n I am m e r ge« bracht hat, dessen Tragweite momentan noch gar nicht zu ermessen ist, daß dieser Mann von weiser Hand hinweggeweht ist. Denn solche.Kulturhelden", die ihr„Ideal" darin sehen, zufriedene Menschen unzufrieden zu machen, können sich in keiner Geschichte, vielleicht noch nicht einmal in der Geschichte der„Genossen", auf die Dauer behaupten." Der„Post" werden diese Roheiten ihrer Wuppertaler„chttst- lichen" Kollegen Freudenschreie entlocken, wir wollen sie wie die übrigen reichsverbändlerischen Entleerungen tiefer hängen. Geld-Patrioten. Das Rittergut M i l ch a u im Kreise Glogau ist aus dem Besitz des deutschen Adeligen v. Schachtmeyer in polnische Hände über- gegangen. Damit sind wieder, so klagen die Patentpalrioten, 1000 Morgen deutscher Erde in polnischen Besitz übergegangen. Als ob diese Herrschaften, wenn ein Geschäft dabei zu machen ist, nicht genau ebenso handeln würden. Der Geldbeutel über das Vaterland ist ein agrarischer Grundsatz und wird es auch bleiben. Tie Polizei und die Presse. Die Polizei spielt im Polizeistaat natürlich die Vorsehung und den Allerwelts-Vormund. Jetzt hat sie auch den Wqchterdienft über die Ehre der katholischen Geistlichen noch übernommen. Das in Herne ericheinende nationalpolnische Blatt„Narodowiec" macht folgende iuteressante Mitteilungen: In der Redaktion dieses Blattes erschien kürzlich ein Geistlicher, weil er in einem Artikel, der seelsorgerische Verhältnisse in einer Pfarrgemeinde behandelte, beleidigt sein sollte. Es hat sich aber herausgestellt, daß der vermeintliche Artikel sich auf diesen Geist- lichen gar nicht bezog und damit war die Sache erledigt. Bei dem Gespräch mit dem Geistlichen stellte sich aber heraus, wie in solchen Fällen Prozesse gegen polnische Zeitungen entstehen. Wenn nämlich in einem polnischen Blatte ein Artikel er- cheint, der seelsorgerische Verhältnisse in irgendeiner Ge- meinde behandelt, so wird dieser� Artikel durch die Polizei verdolmetscht und die Uebersetzung den, betreffenden Gei st lichen zugesandt mit der Anfrage, was er dagegen zu tun gedenke. Oft bemerkt die Polizei dazu, daß, wenn ein entsprechender Antrag ge- stellt wird, die Sraatsanwalt schaft bereit ist, gegen die betreffende Zeitung„im öffent- lichen Interesse" den Prozeß einzuleiten, also ohne daß das für den betreffenden Geistlichen mit irgendwelchen Scherereien oder Kosten verbunden ist. Bisher wußte man, daß die Staatsanwaltschaft zu jeder Zeit bereit ist,„im öffentlichen Interesse" Anklage zu erheben, wenn Landräle. Amtsvorsteher, Polizisten und„Arbeitswillige" beleidigt sein sollen, nun ist dieser Schutz auch noch auf Kapläne und Pfarrer ausgedehnt. Die Prediger christlicher Demut und Nächstenliebe werden eS zu danken wissen._ Der Haager Friedenskongrest. Der Friedenskongreß nahm eine Resolutton zugunsten einer Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich an und befürwottete eine zweite Resolution, wonach der die Panama- Kanal -Akte betreffende englisch -amerikanische Zwist für den Fall, daß er nicht auf diplomattschem Wege geschlichtet werden könne, dem Haager Schiedsgericht unterbreitet werden solle. Der Kongreß sprach sein Bedauern darüber aus, daß die internationale Finanz während des Balkankrieges die Krieg- führenden unterstützt habe, und gab dem Wunsche Ausdruck, daß ver- 'chiedene Fragen(unter anderen die Kodifizierung des Internattonalen Rechts und die Frage des obligatottschen Schiedsgerichts in allen Streitigkeiten) auf die Tagesordnung der dtttten Fttedenskonferenz gesetzt und unverzüglich vorbereitende Kommissionen gebildet werden sollten, bannt die Konferenz im Jahre ISIb zusammentttten könne.
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten