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Zr. 229. 30. Jahrgang. t feilnt des Jormötls" Kerlim IslUIntt. Donnerstag, L September 1918. Das Crfurter Schreckensurteil vor dem Oberkriegsgericht. Erfurt  , 3. September 1913. DaZ bekannte Urteil des Kriegsgerichts der 38. Division in Erfurt   vom 27. Juni gegen sieben Reservisten und Landwehr- männer aus Wolkramshausen  , das damals in der politischen Welt allgemeines Aufsehen erregte und Gegenstand leidenschaftlicher Auseinandersetzungen im Reichstage wurde, unterliegt am heuti- gen Mittwoch der Nachprüfung durch das Oberkriegsgericht des XI. Armeekorps, das seinen Sitz in Kassel   hat und eigens für die heutige Verhandlung nach Erfurt   gereist ist. Durch das Urteil vom 27. Juni waren der Arbeiter See, der Zimmermann Hage- meier, die Maurer Ropte, Georges und L a n g h e l m, der Dienstknecht S ch i r m e r und der Bergarbeiter Kolbe wegen militärischen Aufruhr zu insgesamt 15� Jahren Zucht- Haus und 12� Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Ange- klagten, von denen sechs Familienväter find, hatten am 16. April der Kontrollversammlung in Rüxleben   beigewohnt und nachher tüchtig dem Alkohol zugesprochen. Sie übersahen, daß sie am Tage der Kontrollversammlung den Militärgesetzcn unterstanden, und ließen sich unter dem Einfluß des Alkohols zu unüberlegten Hand- lungen hinreißen. Sie kamen dabei in Konflikt mit einem Gendarm und einem Polizcisergeanten, die sie zur Ruhe mahnten. Sie wider- setzten sich deren Anordnungen und verhöhnten und beschimpften sie. D-ie Beamten machten die Leute darauf aufmerksam, daß sie am Tage der Kontrollversammlung als ihre militärischen Vorgesetzten gelten, aber die Angeklagten gaben nicht»ach. Tie beiden Beamten schlugen schließlich mit der Waffe auf die Ruhestörer ein. Vor Gericht entschuldigten sich die Angeklagten damit, daß sie völlig b e- trunken waren. Das Gericht hielt im Sinne der Anklage den Tatbestand des militärischen Aufruhrs für gegeben und verhängte die obigen Strafen. In der Begründung sagte es, daß in der Handlungsweise der Angeklagten der Tatbestand des militärischen Aufruhrs deshalb gefunden werden müsse, weil ein Gendarm als Vorgesetzter der Angeklagten zu gelten habe und weil die Ge- sahr bestand, daß eine unbeschränkte Anzahl Leute sich den Bc- teiligten gegen den Gendarmen anschließen konnte. Die Ange- klagten waren durch das Urteil so bestürzt geworden, daß sie den Verhandlungsführer baten, ihnen das für sie unfaßbare Urteil noch einmal zu verlesen. Die meisten der Angeklagten waren in Tränen aufgelöst und erschütternde Szenen spielten sich zwischen ihnen und ihren im Zuhörerraume weilenden Frauen und näheren An- gehörigen ab. Das Urteil wurde am 28. Juni im Reichstag zuerst von dem sozialdemokratischen Abgeordneten Scheidemann   scharf kritisiert, und auch die Redner anderer Parteien wandten sich gegen seine große Härte. Am 36. Juni beschloß der Reichstag   dann rast einstimmig die Einfügung von mildernden Um- ständen für diese Vergehen in das Militärstrafgesctzbuch, nachdem Reichskanzler v. Bethmann Hollweg   zugesagt hatte, für die An- nähme dieses Beschlusses auch im Bundesrat einzutreten. Der Bundesrat hat inzwischen dem Antrag gleichfalls zugestimmt, so daß die Angeklagten der Wohltat des gemilderten Strafgesetzes teil- haftig werden konnten. Uebrigens haben nicht alle Angeklagten von dem Rechtsmittel der Berufung Gebrauch gemacht, sondern nur die fünf am schwersten Bestraften: der Maurer Ropte, der zu einem Jahr Gefängnis und der Maurer L a n g h e I m, der zu sieden Monaten Gefängnis verurteilt ist, haben sich bei dem Urteil beruhigt. Die Verhandlung gegen die sieben Reservisten und Landwehr- männer begann heute früh in dem kleinen niedrigen Verhandlungs- saal eines alten Gebäudes im Erfurter   Kasernenviertel. Die niedrigen Fenster lassen kaum soviel Licht herein, daß eS dem Richter möglich ist, die Akten zu verlesen. Die Angeklagten er- scheinen in ihrer Uniform. Den Vorsitz führt Oberstleutnant Schollmeyer, als Verhandlungsführer fungiert Oberkriegs. gerichtsrat Platz, die Anklage vertritt Kriegsgerichtsrat Schulter; in die Verteidigung der Angeklagten teilen sich Rechtsanwalt B a r na u- Berlin und Justizrat Schneichel- Erfurt. Nach Eröffnung der Sitzung gibt der Verhandlungsführer Oberkriegsgerichtsrat Platz eine Darstellung der Vorgänge, die zur Verhandlung geführt haben. Hierauf erfolgte die Verlesung des Urteils, welches lautete: Hagemeier: wegen Widerstandes, Beleidigung und mili- tärischen Aufruhrs ö Jahre 3 Monate Zuchthaus und Entfernung aus dem Heere. See: wegen militärischen Aufruhrs, Widerstandes und Bc- lcidigung 5 Jahre 3 Monate Zuchthaus und Entfernung aus dem Heere; Schirm er: wegen militärischen Aufruhrs und Widerstandes 5 Jahre 2 Monate Zuchthaus und Entfernung aus dem Heere; Georges: wegen gefährlicher Körperverletzung, militärischen Aufruhrs und Widerstandes 5 Jahre 6 Monate Gefängnis und Entfernung aus dem Heere; Kolbe: wegen militärischen Aufruhrs, Bedrohung, Wider- standes und Beleidigung 5 Jahre 3 Monate Gefängnis und Eni- fernung aus dem Heere; Ropte: wegen Widerstand, Beleidigung und Bedrohung 7 Monate Gefängnis; Langhelm: wegen Widerstandes und Beleidigung 1 Jahr Gefängnis. Das erstinstanzliche Urteil führt aus, daß die Gendarmen den Angeklagten keine Veranlassung zu ihrem Auftreten gegeben haben, lediglich das Auftreten der Sicherheitsorgane überhaupt habe genügt, um in dieser brutalen Weise gegen die militärischen Vor- gesetzten vorzugehen, die in geradezu bewundernswert ruhiger Weise die Leute fortgesetzt zur Ruhe ermahnt hätten. Ein der- artiges unerhörtes und' geradezu gemeingefährliches Vorgehen hätte bei Festsetzung der Strafe berücksichtigt werden müssen. Andererseits hätte der gute Leumund der Angeklagten und die Tat- fache, daß sie unter der Einwirkung des Alkohols gehandelt hätten, strafmildernd gewirkt. Ter Verhandlungsführer stellt dann an der Hand der Akten fest, daß der Gerichtsherr sich bei dem vorigen Urteil beruhigt hat, ebenso die Angeklagten Langhelm und Ropte. Die beiden letzteren Angeklagten verbüßen zurzeit ihre Strafen. Dagegen haben die anderen fünf Angeklagten Berufüng eingelegt. Weiter weist der Verhandlungsführer auf die für die Verhandlung in Frage kommende neue Novelle zum Militär st ras- g e s e tz b u ch hin und ermahnt die Angeklagten, die Wahrheit zu sagen. Verteidiger Rechtsanwalt B a r n a u- Berlin stellt eine Reihe von neuen Beweisanträgen, es sollen vier Zeugen aus Wolkrains- hausen geladen werden, die zum Teil über den guten Leu- m u n d der Angeklagten und zum Teil darüber vernommen werden sollen, daß der Gendarm und der Polizeiwachtmeister sich in ihren Angaben geirrt haben. Das Gericht beschließt die Ladung dieser Zeugen. Hierauf wird in die Vernehmung der Angeklagten eingetreten und zwar wird zunächst der Angeklagte Arbeiter Moritz See vernommen. Er ist Landwehrmann ersten Aufgebots und wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädi- gung vorbestraft. Er gibt zu, nach der Kontrollversammlung in Rüxleben   gewesen zu sein und gewußt zu haben, daß er am Tage der Kontrollversammlung aktiver Soldat war und unter dem Mili- tärstrafgesetzbuch stand. Es war ihm auch bekannt, daß der Gen- dorm und der Wachtmeister seine militärischen Vorgesetzten find. Er erklärt aber weiter: Es ist bei uns Sitte, daß, wenn Kontroll- Versammlung gewesen ist, diejenigen, die das letztemal und die- jenigen, die das erstemal dabei waren, Bier ausgeben. Wir haben auch an diesem Tag ordentlich getrunken und etwa 126 Liter Bier und viele Schnäpse zu uns genommen. Nachdem das Bier, das ausgegeben war, von uns getrunken war, haben wir für unser Geld weitergetrunken und so waren wir schließlich alle sehr stark betrunken. Verhandlungsführer: Sie sollen sogar die Wirtin festgehalten haben, so daß die anderen sich nun Bier einschenken konnten. Angekl.: Davon weiß ich gar nichts, es mag in der Trunkenheit passiert sein. Als dann der Polizist Müller gerufen wurde, soll der Angeklagte sich wieder Eintritt verschafft baben. Angekl.: Das kann so sein. Verhandlungsfübrer: Dabei sollen Sie mit dem Fuß gegen die Tür gestoßen und kräftig geschimpft haben. Angekl.: Geschimpft werde ich wohl haben. Vcrhandlungsführer: Sie sollen gesagt haben, Sie müßten die schweren Steuern bezahlen und die Beamten ernähren. Angekl.: Das mag sein. Verhandlungsführer: Haben Sie auch wirkliche Schimpfworte gebraucht? Angekl.: Auch das kann sein. VcrhandlungSsührer: Wieviel Stenern zahlen Sie denn? Angekl.: 9 M. Staats- und 12 M. Gemeindesteuern. Verhänd- lunassührcr: Nun, soviel Steuern wird der Gendarm wohl auch zahlen! Haben Sie gerufen, Sic find Sozialdemokrat und Ihnen habe niemand etwas zu sagen? Angekl.: Ich habe das nicht gerufen und auch nicht gehört, daß es gerufen worden wäre. Ucber die Ursache der weiteren Vorfälle erklärt der Angeklagte, daß einer der Wolkramshäuser mit einem der Hcinroder in Streit geraten sei. Was im einzelnen nun geschehen ist, weiß ich nicht mehr, alle Angeklagten waren sehr durstig und tranken sehr viel und mögen schon auf die Polizisten geschimpft haben. Nur soviel weiß ich, daß die Polizisten sofort den Säbel zogen und dreingeschlagen haben. Verhandlungsführer: Sie wollen von nichts wissen, weil Sie betrunken waren, und nur das eine wissen Sie, daß die Polizisten die Säbel gezogen haben. Angekl.: Ich weiß, daß ich im Hausflur sofort von Polizisten ge- schlagen wurde. Verhandlungsführer: Haben Sie in dem Moment, als Sie sich dem Beamten widersetzten, denn nicht daran gedacht, daß er Ihr militärischer Vorgesetzter war? Angekl.: Nein. Ich war zu betrunken; wenn ich nüchtern gewesen wäre, hätte ich das alles nicht gemacht. Verhandlungsführer: Das ist meistens so. Hinterher, wenn es zu spät ist, tut einem so etwas leid. Wieviel haben Sie denn getrunken? Angekl.: Etwa 25 36 G l a s B i e r.- Verhandlungsführer: Dann werden Sie auch besoffen gewesen sein und geschimpft haben. Angekl.: Das alles soll uns eine ernste Mahnung sein. Vcrt. Justizrat Schneichel: Der Angeklagte wußte also theoretisch, daß ein Wachtmeister sein Vckrgesetzter am Tage der Kontrollversammlung ist, aber infolge der Trunkenheit und der allgemeinen Aufregung war ihm in diesem Moment dieses Bewußtsein ge- s ch w u n d e n. Der zweite Angeklagte Zimmermann H a g e m c i e r ist gleich- falls Landwehr mann zweiten Aufgebots, verbciratet und Familienvater. Er ist wegen Körperverletzung vorbestraft. Auch er gibt an, an diesem Tage sehr viel getrunken zu haben, und gibt zu, daß er dem Gendarmen und später dem Wachtmeister Widerstand geleistet hat. Es sei aber kein starker Widerstand ge- Wesen. Vcrhandlungsführer: Haben Sie auch gerufen, daß Sic schwere Steuern zahlen müßten und daß Sie mit diesen Steuern die Hungerleider von Beamten ernähren müßten? Angekl.: Das kann möglich sein. Verhaudlungsführcr: Auffällig ist es, daß Sie sich dem Gendarmen gegenüber als Soldat aufspielten, dem niemand etwas zu sagen'hat, während Sie dem Wachtmeister als freier Arbeiter und Sozialdemokrat gegenübertraten und über schwere Steuern klagten. Angekl.: Das weiß ich im einzelnen nicht, wir waren betrunken. Verhandlungsführer: Das ist eben so mit dieser Arroganz des einfachen Soldaten gegenüber einem Polizisten. Sie sollen nun gemeinschaftlich mit den anderen Angeklagten versucht haben, in die Wirtschaft einzu- dringen, und Sie sollen dabei tätlich gegen den Gendarmen und gegen den Wachtmeister vorgegangen sein. Angekl.: Das ist nicht richtig. Wir sind nicht tätlich geworden. Verbandlungsführer: Sic sind aber doch deswegen verurteilt worden. Angekl.: Ich war ganz sprachlos, als ich das hörte. Vcrhandlungsführer: Sie sollen mir einem Stock auf den Gendarmen eingeschlagen haben. Angekl.: Auch das ist nicht richtig. Dagegen hat der Gendarm mit dem Säbel von hinten auf uns einge» schlagen. Verhandlungsführer: Ueberlegen Sie fick-doch nur, was Sie sagen. Das kann doch nicht richtig, sein. Treten Si« übrigens auch nicht so keck hier mit solchen Behauptungen auf! Angekl.: Ich kann nur die Wahrheit sagen. Vert. Justizrat Schneichel: Auch für diesen Angeklagten gilt also, daß die Trunkenheit ihm in dem Moment seiner Handlungen das Bewußt- sein raubte, es mit einem Vorgesetzten zu tun zu haben. Angekl. Dienstknecht Schirm er ist gleichfalls verheiratet und hat die Verurteilung an sich nicht durch die Berufung angefochten, sondern lediglich das Strafmaß. Er gibt zu, gewußt zu haben, daß ein Gendarm als sein militärischer Vorgesetzter gilt, entschul- digt sich aber mit Trunkenheit, die ihm dieses Bewußtsein kleines feuilleton. Friedrich Engels   über Marx und Bebel. Dem deutschen Parteiarchiv gehören jetzt auch die Papiere Johann Philipp Beckers, des prächtigen, immer tätigen, immer frisch-frohcn Pfälzers, der an dem Hambacher Fest   von 1832 teilnahm utid 7>ann in allen revolutionären Bewegungen in Teutschland und in der Schweiz   zu finden war. In Friedrich Engels  ' Nähe machte er 1849 den badischcn Aufstand um die in Frankfurt   bc- schlossene Reichsverfassung bis zum allerletzten Augenblicke mit; während der Internationale gab er von 1866 bis 1871 denVor- boten", das Organ der Internationalen Arbeiter-Assoziation, her- aus und die Zeit des Sozialistengesetzes sah ihn wiederum dienst- eifrig an der Arbeit für die Sache des Proletariats. Unter Beckers Papieren befinden sich 35 Briefe, die Engels an ihn schrieb. Einen davon, der am 14. Oktober 1884 aus London  ahgesanot wurde, veröffentlicht jetzt N. Rjasanoff im Wiener Kampf". Darin ist auch von Marx und Bebel die Rede. Marx war seit anderthalb Jahren tot und Engels war daran, das ver- antwortungsvolle, schwere Amt des Testamentsvollstreckers zu er- füllen. Aus dieser Arbeit heraus schreibt er nun an Becker: Wegen meiner Gesundheit mach Dir keine Sorgen, ich habe ein lokales, manchmal störendes, aber keineswegs allgemein nach- wirkendes und nicht einmal unbedingt unheilbares Leiden, das mich schlimmstenfalls kriegsdienstuntauglich macht. Vielleicht kann ich aber doch wieder in einigen Jahren zu Pferd steigen. Ich habe nicht schreiben können seit vielen Monaten, aber dik- tieren, und bin mit dem zweiten Buch desKapital" so ziem- lich fertig, auch die englische Ucbersetzung des ersten Buches<so weit sie fertig, drei Achtel des Ganzen) durchgesehen. Auch habe ich jetzt Mittel gefunden, vermöge deren ich wieder einigermaßen auf den Beinen bin und bald noch weiter zu kommen hoffe. Das Pech ist vielmehr, daß ich, feit wir Marx verloren, ihn ver- treten soll. Ich habe mein Leben lang das getan, wozu ich ge- macht war, nämlich zweite Violine spielen, und glaube auch, meine Sache ganz passabel gemacht zu haben, lind ich war froh, so eine famose erste Violine zu haben, wie Marx. Wenn ich nun aber plötzlich in Sachen der Theorie Marx' Stelle vertreten und erste Violine spielen soll, so kann das nicht ohne Böcke ab- gehen, und niemand spürt das mehr als ich. Und wenn' erst die Zeiten etwas bewegter werden, dann wird uns erst recht fühlbar werden, was wir an Marx verloren haben. Den lieber- blick, mit dem er iin gegebenen Moment, w o tasch gehandelt werden mußte, stets das Rich- tige traf, und sofort auf den entscheidenden Punkt losging, den hat keiner von uns. In ruhigen Zeiten kam es wohl vor, daß die Ereignisse mir ihm gegenüber dann und wann recht gaben, aber in revolutionären Mo- menten war sein Urteil fast unfehlbar." Eine andere Stelle des Briefes betrifft Bebel. Da setzt nun Engels das Urteil hin: Daß Bebel im Sommer bei Dir war, habe ich mit Kreude von Dir gehört. Dein Urteil über ihn ist ganz das meinige. EristderklarsteKopfinderganzendeut- scheu Partei und dabei durch und durch zuver- lässig und nicht zu beirren. Was man selten findet, ist, daß sein großes Rednertalent alle Philister er­kennen es, und zwar völlig, an, und Bismarck   hat seinem Papier  - fabriksassocie Wehrend gesagt, Bebel sei der einzige Redner im ganzen Reichstag   ihn ig keiner Weise verflacht. Das ist seit Demosthenes   nicht mehr vorgekommen, alle anderen Redner sind flache Köpfe gewesen." Der Schlußgruß an Becker zeichnet dann das Wesen des Alten" damals trug Becker in der Bewegung diesen Namen in ein paar kurzen Worten:Also nun halt Dich recht wohl, tapfer h ä l t st Du Dich von s e l b st." Der Unverwüstliche, damals den Achtzigern nahe, hielt sich noch zwei Jahre lang. Im Dezember 1886 ist er in Genf   gestorben. Jbsln-Erinnernngc» von Georg BrandcS. Georg BrandeS   ver- öffentlicht imMercure de France" einen Aufsatz über Ibsen  , in dem er von einem eigentümlichen Dramcnplan deS nordischen Meisters erzählt. Brandes und Ibsen   speisten zusammen, und als Lamm- braten ansgetrageii wurde, meinte Brandes, daß selbst das Lamm ein Tier sei, das so manchen Dichter angeregt habe.Ganz meine Meinung", sagte darauf Ibsen.Ich hatte sogar einmal den Plan, einDrama überdaSLammzu schreiben. Ein Maim ringt mit dem Tode, er kann nur gerettet werden, wenn es ge- lingt, sein Blut zu erneuern. Man transfusioniert deswegen das Blut eine? Lammes in seine Adern und auf diese Weise wird er geheilt. Von diesem Augenblick an träumt er unauf- hörlich davon, das Lamm wiederzusehen, dem er sein Leben ver- dankt. Endlich findet er eS in der Gestalt einer Frau. Er liebt sie. Ist es nicht unvermeidlich, daß er sie liebt?"Zweifellos," ent- gegnete Brandes,aber es ist sehr selten, daß man eine Frau findet, die ein Lamm ist."«Nichts destoweniger kommt eS vor," schloß Ibsen  ,es kommt bor  ." Der große dänische Kritiker versucht in dieser Geschichte wie in seinen anderen Darlegungen hauptsächlich die wirklichen Elemente zu schildern, die Ibsens   Phantasie in Bewegung brachten. Unter den zahlreichen Modellen zum Peer Gynt   befand sich ein junger Däne, ein phantastischer Jüngling, mit dem der Dichter in Italien   zu- sammentraf.Den jungen Italienerinnen erzählte er, daß sein Vater, der in Wirklichkeit ein bescheidener Schuldireitor war, zu den intimen Freunden des Königs von Dänemark   gehöre, und daß er selbst ein besonderer Herr sei; um das zu beweisen, trug er oft eine» weißseidenen Anzug. Er hielt sich für einen Dichter, aber er bedurste zur Inspiration gewisser grandioser Landschastcn und er« klärte, er könne nur im Hochgebirge tragisch fühlen. So reiste er einmal nach dem Gebirge von Kreta  , um eine Tragödie zu schreiben, kehrte aber unverrichteter Sache zurück." Die Figur der Nora   wurde in Ibsen   durch die Briefe einer jungen Frau angeregt, mit der er korrespondierte. Sie deutete ihm allerlei Schwierigkeiten und Nöte nur obenhin an und reizte so den Hang des Dichters zur Analyse, der auS den wenigen An­spielungen ein ganzes Frauenschicksal, eben das der Nora, kombinierte. Später erfuhr er übrigens, daß er richtig geraten hatte. Aus diesem Drang, sich in fremde Personen zu versetzen und über die Motive ihrer Handlungen nachzudenken, ist auch die Gestalt de-Z E i l e r t L ö v b o r g geboren worden. Ein junger Gelehrter. der eine tiefe Verehrung für Ibsen   besaß, schickte ihm eines Tages nach München   ein Paket, das alle Briefe des Dichters an ihn und die Photographie Ibsens   enthielt. Die rätselhafte Sendung konnte sich der scharfe Seclenkenner nicht anders erklären, als daß der junge Mann in einem Anfall von Geistesverwirrung ihn mit einer anderen geliebten Persönlichkeit verwechselt habe und wer konnte das sein als eine Frau, von der er so Abschied nahm. Diese Deutung mußte ihm der Gelehrte dann selbst als richtig bestätigen. Die Persönlichkeit der Reb'ekka West und der Konflikt in Rosmersholm sind die dichterische Wicderspiegelung eines Abenteuers, das ein skandinavischer Aristokrat durchlebte, der sich in seiner un- glücklichen Ehe mit einer Verwandten seiner Frau tröstete. Selbst in dem so persönlichen Bekenntnis des Solneß sind einzelne Züge dem Leben entnomnien. So blieb Ibsen   die Acußerung einer jungen Deutschen   unvergeßlich, die zu ihm sagte:Ich habe niemals be- greifen können, wie man sich in einen unverheirateten Mann verlieben kann. Denn wenn er nicht verheiratet ist, hat man ja nicht das Ver­gnügen, ihn einer anderen zu rauben." Dieser einzige Ausruf er- öffnete Ibsen   einen tiefen Einblick in die Frauenseele.' Notizen. Theaterchronik. Das Schiller- Theater 0 sWallnertheater) bringt heute Donnerstag zum erstenmal in dieser «aison eine Aufführung von HebbelsGyges   und fein Ring". Musik. DerVerein für Fraue n u nd Mädchen der Arbeiterklasse" veranstaltet am 21. September, nach- mittags 4 Uhr, im Blüthner  -Saal, Llltzowstr. 76, ein Konzert, in dem Werke von Johann Sebastian Vach aufgeführt werden. Die Eintrittskarte kostet 66 Pfennig. Die französis che Nordp olexpedit ion Julius von PayerS, des SohneS des österreichischen Nordpolforschers. hat am DicnStag den Hafen von St. Servan auf dem Expeditions- schiffFrangoiS Joseph" verlassen. Die Reise erfolgt unter dem Protektorate des Unterrichtsministeriums. DaS Schiff, das mit Apparaten für drahtlose Telegraphie ausgerüstet ist, wird unter« Wegs in den nordischen Gewässern auch'biologische Studien vor- nehmen. Ein Mei st erWerk Turners nach Amerika   ver- kauft. Das Museum der schönen Künste in Boston   hat aus dem Besitze der Familie Tabley des englischen Malers Turner berühmtes großes GemäldeDie Fälle von Schaffhausen  " erworben. Der Meister selbst sah in diesem Bilde eine seiner besten Leistungen. Eine Beobachtungsstelle für Sonne»Physik soll nach dem Plane der Engländerin Miß Procter auf Neuseeland  errichtet werden. Arabisches aus Nordnorwegen. Nördlich von Drontheim   wurden auf einem Gehöft 57 arabische Silbermünzen, die wahrscheinlich um das Jahr 1666 vergraben worden sind, ans Tageslicht befördert. Bisher wurden arabische Münzen nur in den Ostseeländern gefunden. Man weiß, daß die Araber von Südosten her einen lebhasten Handel mit Rordeuropa unterhielten: ihr Handel kreuzte Rußland   auf dem Wolgawege.