ßctrugögewobnbciteii—gegen den StaatVon einem früheren Staatsbeamten wird uns geschrieben:Von Zeit zu Zeit erscheinen im„Vorwärts" Enthüllungenoder Gerichtsberichte über Fälschungen, Bestechungen undUnterschlagungen, die sich herausstellen bei Leistungen undLieferungen für den Staat, sei es für den Militärfiskus, dieEisenbahnen oder öffentliche Bauten. Der Fernstehende ge°rät bei Aufdeckung solcher Vorgänge in Entrüstung,der Temperamentvollere vielleicht in Empörung, der Kenner,der Techniker— lächelt.— Als junger Bauführer ist manzwar anfänglich auch außer sich über die raffinierten Be-trugsversuche; hat man aber einen älteren erfahrenen Tech-uiker als Lehrmeister zur Seite, der auf die Schliche„g e°eicht" ist, dann gewöhnt man sich bald daran, wird ruhigerund lernt im Staatsdienst jeden Lieferanten, jeden Unter-nehmer auf seine Fähigkeit prüfen, den Staat zu hinter-gehen.In Nr. 225 des„Vorwärts" ist ein Bericht über denEssener Stempelfälschungsprozeß gegeben. Der Verfasserkomint aus der Empörung über die Vorgänge nicht heraus.Er ist kein Techniker, sonst würde er sich über das Alltäglichedieser Ereignisse so wenig entrüsten, wie derjenige, der Aehn-liches während seiner Staatspraxis jahraus, jahrein erlebte.Der beste Maßstab dafür, wie wenig sich die Staatsverwal-tung aus solchen zeitweise an die Oeffentlichkeit gelangendenVorkommnissen etwas macht, war die Tatsache, daß nachAufdeckung der Vorgänge bei Krupp der heutige Besitzer,Herr v. Krupp-Halbach. mit einem hohen Orden ausgezeichnetwurde. Das kann nur geschehen sein, um der allgemeinenEntrüstung die Spitze abzubrechen, zu dämpfen, und vorallen Dingen dem Abgeordneten Liebknecht zu zeigen, wiehoch seine Enthüllungen eben eingeschätzt werden.Der Staatsverwaltung, der Bureaukratie, wie sie nuneinmal ist, sind solche Aufdeckungen ganz und gar nichtsNeues. Dazu sind sie viel zu häufig, nur ihre Veröffent-lichung stört unter Umständen, weil von den Ministern inden Parlamenten Rechenschaft gefordert wird, und die HerrenMinister sich dann mit solchen„Nebensachen" beschäfti-gen müssen.Die Unterschlagungen, Veruntreuungen, minderwertigenund fehlerhaften Lieferungen richten sich meist nach der techni-scheu Qualität der Beamten. Hat der Beamte hinreichendetechnische Kenntnisse, dann wird wenig, hat er unzulänglicheKenntnisse, dann wird viel unterschlagen, verdorben oder be-trogen. Ich schätze den jährlichen am Staate verübten Be-trug bei Staatsbauten an Lieferungen und Leistungen ganzbescheiden auf mindestens 5 Prozent der gesamten Bauaus-gaben. Dabei sind solche Ereignisse wie die Essener Stempel-fälschung nicht eingerechnet, denn an sie knüpfen sich imLaufe der Jahre erhebliche kostspielige„unvorhergesehene"� Reparaturarbeiten.Der preußische Baubeamte ist meist ein rein akadennschgebildeter Techniker, zu selten und zu spät dringt er in dieKniffe der Bautechnik ein, durch die der Staat jährlich umenorme Summen geschädigt wird. Ein wohlfeiler und all-gemein üblicher Emwand steht dem Unternehmer vor arg-losen Baubeamten immer zur Verfügung. Wenn ein Betrug,eine Minderlieferung, eine Unregelmäßigkeit aufgedeckt wird,sagt er ganz einfach:„Entschuldigen Sie, Herr Baurat. davonweiß ich nichts, das muß mein Beauftragter mißverstanden,versehen oder verfehlt haben." Dieses Abschieben der Schuldauf die Untergebenen als Sündenböcke stst ein Wald- undWiesenmittel, um jede Schiebung vor Laien und Richternin ein mildes Licht zu rücken. Die ärmsten Beschuldigtenkönnen nicht muksen: denn sie möchten doch ihre Stellennicht verlieren, bekommen unter vier Augen gehörige An-schnauzer über ihre Ungeschicklichkeit und gehen schließlichsogar manchmal auf Monate ins Gefängnis, wenn ihnen ihreStelle gesichert bleibt.—Eine solche Ausrede eines höheren Beamten, wie die imEssener Stempelfälschnngsprozeß sollte aber jederzeit zurück-gewiesen werden, nämlich, daß er seine mangelhaften Prii-fungen bei Materialabnahmen mit Zeitmangel entschuldigt.Das alte Hör.Von Ada Negri.Das alte Tor geht auf in dunkler Winkelgasse:Elend und Aussatz tropft der Mauer klebrige Masse.Echwarz wie ein Schlund und stumm das Tor, das unheilschwere,Tie Wolken hängen tief, tot starrt es, schrecklich ins Leere.Tot?... nein, es denkt.— Weiß Dinge, begraben in Zeitennacht,Weiß vieles— Lieben und Leiden, Erbarmen und Niedertracht.... Heiter ging morgens hinaus, abends kam müd und verdrossenZurück die zarte Gestalt, wachsbleich, mit ihren Genossen.Um den stolzen Mund, in dem graugrünen Auge träumt' es soleuchtend schön.Eines Tages kam st: nicht wieder. Niemand hat sie wiedergesehn.—DaS alte Tor sinnt nach:— In der dunkeln Gass', eines Nachts,Zwei Leiber, ein Knäuel, ein Stoß, ein Schuß, in den Wölbungenkracht's—Zwei Worte: Weh mir! Zu Hilfe!— Hilflos, im Dunkeln belauert,Ermordet... die ganze Nacht hat das Röcheln des Menschen ge-dauert.Vorüber zogen rachitischer Kinder kleine, armselige Bahren,Sie starben an Schwindsucht und Hunger in ihren unschuldigstenJahren.Die Mutter beweinte sie nicht, ganz kurz nur währten die Klagen:Süß winkt des Friedhofs Ruhe den schwachen Kindlein im Schrägen.Vorüber zogen die Arbeiter singend. Aber sie sangenIn schwerem Rhythmus, es klang nach heimlicher Trauer undBangen.Klang nach verborgenen Tränen... Von oben schaute einMädchen und bückteTief ihr Gesicht in die kranke Geranie, die dürftig ihr Fensterchenschmückte.Wie viele Seufzer und Träume des armen Leben? vernahmDas alte Tor?... Nun ist's müde.— Und denkt: Genug Grauenund Gram!Nun werd' ich fallen!*Mit heller Freude werden morgen die Picken und Hämmer diegrauenHäuser des häßlichen GäßchenS zu Schutt und Trümmer zerhauen.Der Baubeamte hat so viel Leute zur Verfügung, wenn erselbst zu bequem zur Abnahme ist, daß die Entschuldigung,er habe keine Zeit gehabt, mit aller Strenge abgewiesenwerden sollte. Die„Stichproben" sind bei so wichtigen Liefe-rungen, wie Eisenbahnmaterialien, höchstens zulässig beiKleineisenzeug: bei großen und schweren Materialien mußmit Sorgfalt geprüft werden.Welchen» Wert aber die Regierung selbst solchen Prozessenbeilegt, wie gern sie ihnen aus dem Wege geht, das läßt sichstets aus der ganzen Handhabung des Prozesses entnehmen— die möglichst schnelle Erledigung ist die Hauptsache, dennes besteht immer die Gefahr, je ausführlicher die Dinge er-örtert werden, desto Schlimmeres wird aufgedeckt. Es gilt,möglichst rasch über allzu unbequeme Einzelheiten hinweg-zukommen, und vor allen Dingen die Schuldigen, wenn siehochstehen, nicht zu tief hineinzulegen.Dieser Kunstgriff leistet erfolgreiche Dienste zur Ver-tuschung und Beilegung der„Unannehmlichkeiten", und diebürgerliche Presse tut ja auch ihr möglichstes, wie der Ver-fasser des Essener Prozeßberichts hervorhebt, solche skan-dalösen Vorgänge totzuschweigen.—Aber nun zur Beantwortung der Frage, die am Schlüssedes Berichts gestellt wird:„War der preußischen Eisenbahnverwaltung bekannt, daß dieArbeiter der Rheinischen Hammerwerke so schlecht waren, wie esvon den Beamten bezeugt ist, und warum wurden dann die ge-schäftlichen Verbindungen nicht abgebrochen?"--Wenn eine Betriebsinspektion oder sonst eine Eisenbahn-behörde schlechtes, unvorschriftsmäßiges Material bekommt,so ist das ihre Schuld, sie hat daher kein Interesse daran,ihren Fehler gleich der vorgesetzten Behörde, der Direktion,mitzuteilen. Die untere Behörde wird sich im Gegenteil be-mühen, wenn sie einigermaßen rührig ist, den Kampf mitdem unangenehmen Unternehmer selbst auszutragen. Erstwenn alle Sträng« reißen, wird an die Direktion Berichterstattet. Aber solche Berichte, Klagen gegen einen Unter-nehmer und gar gegen ein großes Werk erstattet man nicht gern.Erstens weiß man als Baubeamter nicht immer, in welchenfreundschaftlichen Beziehungen ein Werkdirektor zu den vor-gesetzten Eisenbahndirektionsmitgliedern steht, und dannwill man sich selbst nicht das Zeugnis ausstellen, daß manmit seinen Unternehmern nicht ohne Vormund fertig würde.Der Kernpunkt der Schuld ist ein ganz anderer. Erkann aus der Ferne ohne Kenntnis der Verdingungsvorgängegar nicht durchschaut werden. Man müßte wissen, ob dieRheinischen Hammerwerke bei der Ausbietung die billigstenwaren und deshalb den Zuschlag erhalten haben: man müßtewissen, um wieviel die Mitbieter unterboten wurden; manmüßte wissen, wie lange und wie oft die Rheinischen Hammer-werke schon für die dortige Eisenbahndirektion gelieferthaben. Aus der Offenheit, mit der die Fälschungen gewohn-heitsmäßig betrieben wurden, darf man wohl schließen, daßdie Hammerwerks alte Lieferanten sind und daß hier wiedereinmal der alte Uebelstand zutage tritt: es ist für eine Ver-waltung am bequemsten— und das ist das Entscheidende—,soweit wie möglich mit bekannten, recht großen Firmen zuarbeiten. Dabei erwachsen den Aufsichtsbehörden die wenig-sten Arbeiten.War aber die Mindestfordernde sehr viel billiger alsdie Konkurrenten, dann war ihr aus alter Kenntnis derVerhältnisse, d. h. der Personen, und sonstigen Gepflogen-heiten bekannt, was man sich dort alles erlauben darf.„Warum wurden die geschäftlichen Ver-bindungen nicht abgebrochen?"— Das ist nichtso einfach, besonders nicht bei großen und vielleicht dring-lichen Lieferungen. Tie Arbeiten sind in vollem Gange, derAbbruch der Lieferungen fordert einen Aufwand mannig-facher neuer Arbeiten, neue Schreibereien, neue verzögerteLiefertermine, Teilabrechnungen mit dem abgelohnten Unter-nehmer, die unter Umständen schwierig und zeitraubend sind— und neue Arbeitslasten bringen.— Dazu der unbehaglicheSchriftwechsel mit der vorgesetzten Behörde— kurz, es gehtnicht, man kommt mit seinen Arbeiten in des Teufels Küche,d. h. in Rückstand.— Die Regierung will vor allen Dingendie Arbeiten gefördert wissen und unter allen Um-st ändendieöffentlichenSkandalever meiden.Niederreißen die Mauern, die feucht von Fieber und Typhustriefen,Die geschwätzigen Treppengeländer, die Bögen, die schmutzigen,schiefen.Die Stuben, wo wüst durcheinander auf engen LagerstättenVäter und Mütter und Kinder zur ruhlosen Ruhe sich betten.—Dann spürt die traurige Brut zuerst der Liebe WehenUnd sieht, daß auf der Erde noch Bäume in Blüte stehen.Sieht reine, schlichte Freuden, sieht Häuser mit schmucken Ballonen,Voll Luft und Wind, wo Lachen und fröhliche Lieder wohnen.Und du, du altes Tor, gestürzt in Staub und Trümmern,Du siehst zum erstenmal im Fallen die Lichtwelt schimmern.Hörst pochen den heiligen Lenz, den Wecker der Veilchen undWonne,Atmest im Sterben den Sieg der starken, fruchtbaren Sonne.Nachdichtungvon Karl Henckell.�irebenbelucb.Der neugewählte Pastor Grote in Stellhagen hätte ein zu-friedenes und behagliches Leben auf seiner Pfarre führen können!— hätte ihm nicht immer wieder ein Umstand alle Freude ver-dorben: Seine Pfarrkinder gingen nicht zur Predigt. Wenn erdes Sonntags aus der Kirche kam, den schwarzen Chorrock und dieweißen Beffchen abgelegt hatte, und sich an den Mittagstisch setzte,war es immer wieder der Gedanke, vor leeren Bänken gepredigtzu haben, der ihm das Essen nicht recht munden ließ. Ermahnun-gen, Bitten, Drohungen, nichts half: Die Stellhagener kamen nicht!Außer einigen alten Mütterchen, die verloren auf den Bänkensaßen, erschien niemand. Ob auch der Pastor donnernd über diemangelnde Frömmigkeit und Kirchenzucht mit der Bibel auf dieKanzel schlug oder mit den sanftesten Tönen die Himmelsfreudenzu schildern sich bemühte, in frommem Eifer die göttliche Gnadeallen versicherte, die sich nur die Mühe geben wollten, sie mit seinerHilfe zu erbitten— vergeblich. Am nächsten Sonntag war darumnicht eine Haube mehr in der Kirche.Eines Tages hatte der Pastor eine Idee. Die Augen leuch-teten ihm vor Freude, als er nach dem kleinen Hause des KantorsGrün hinüberschritt, der neben dem Schulhause, der Pfarre gegen-über, wohnte.Da rackert man sich ab, um alle Schädigungen und Schlichsaufzudecken— und auf einmal merkt man, daß den höherenAemtern an der Kenntnis dieser„Unregelmäßigkeiten", wiesolche betrügerischen Vorkommnisse genannt werden, ganzund gar nichts gelegen ist. Diese soll gefälligst der Bau-beamte allein durchkämpfen. Und nicht jeder Beamte eignet.sich zu solchem Kampf, der den Fortgang der Bauarbeitenstört und erschwert. Man gewinnt bei seiner vor-gesetzten Behörde nie, wenn man ihr dieAufdeckung von Schwindelmanövern be-richtet!-- Schlagend geht das wieder aus der Tatsachehervor, wie schnell im Stempelfälschungsprozeß Direktor undMitinhaber des Werkes durch Einstellung des Verfahrensaus der Patsche kamen und der Direktor noch obendrein alsZeuge auftreten durfte.—Die Schuld solcher Vorkommnisse liegt bei der Vcrwal-tung, ihrer mangelhaften Energie, ihren mit der Geschäfts-Praxis wenig bekannten Baubeamten. Der Ausgang ist meistwie im Krupp-Prozeß: die wirklichen Hauptschuldigen kommengar nicht auf die Anklagebank, sondern untergeordnete Per-sonen: Werkzeuge der Direktoren werden als Schuldige inden Vordergrund geschoben. Und die Richter haben bald denrichtigen Instinkt für das Mißliche der ganzen Angelegenheit.Sie fühlen, die allzu harte Bloßstellung der höheren Beamtensoll vermieden werden— und aus diesem Gesichtspunkt ent-wickelt sich dann das Gerichtsverfahren.Eine wichtige Rolle spielt dabei der alte Kampf undGegensatz zwischen bremsenden juristisch vorgebildeten Ver-waltungsbeamten und vorwärts drängenden, täglich gegenneue Schwierigkeiten arbeitenden, ringenden Technikern, dieihre Arbeiten in bestimmten Terminen fertigstellen sollen.Dieser Kampf zwischen lähmender Verwaltung und tätigerTechnik läßt sich in dem engen Rahmen eines Aufsatzes leidernicht klarlegen.Vom Jahrmarkt des tebens.OeoretileKe vlnklarkeiten.Nicht nur über den Gebärstreik herrschen innerhalb der Parteidie sonderbarsten Anschauungen, auch sonst finden wir hin undwieder unrer den Parteigenossen bedauerliche Unklarheiten überunsere Stellung zu verschiedenen Dingen. So sind uns gelegentlichder köstlichen Duellforderung, die ein Blaublütiger im Auf«trage Kruppscher Direktoren an unseren Genossen Karl Lieb-k n e ch t stellte, mehrere Zuschriften zugegangen, die über unsereStellung zum Duell ganz sonderbare Anschauungen verratenEin Leser schreibt uns, daß Genosse Liebknecht die Forderunghätte annehmen müssen, als Geforderter hätte er die Wahl derWaffen gehabt. Unser Leser schlägt nun vor, daß Liebknecht dasDuell mit Kruppschen Zlveiunddreißigpfündcrnauf zehn Schritt Distanz hätte austragen müssen. Lieb-knecht hatte den ersten Schuß. Das geht natürlich nicht. Ein andererGenosse schreibt uns, daß Liebknecht sehr richtig gehandelthätte, als er die Forderung ablehnte. Aber auch diese Zu«schrift ist nicht ganz konsequent. Denn es heißt in ihrweiter:„Ich bitte nun, den Forderer zu einem regelrechtenBox kämpf mit mir auffordern zu wollen, wenn es geht, öffentlich.Ich werde dem da? Pistolenschießen schon beibringen.Auch das ist nicht angängig, wenn wir auch glauben, daß nichtimmer der Kopf der edelste Körperteil ist. Wir sind der Auffassung,wenn unsere Gegner wirklich so blutdürstig sind, dann sollen sie nurhübsch unter sich bleiben, innerhalb der Sozialdemokratie ist fürDuellprügeleien keinerlei Neigung vorhanden.Oer �veggebetete Buckel!Auch in unserer materialistisch gesinnten Zeit geschehen nochZeichen und Wunder. Wer kennt nicht die offensichtlichen Gnaden-beweise, mit denen die Frommen in Lourdes überschüttet werden.Aber alle die wunderbaren Heilungen werden übertroffen durch dieGeschichte einer Heilung, die jetzt durch die süddeutsche Zentrums-presse die Runde macht. Eine 27jährige Jungfrau aus Ober-Biedenbach in Baden machte eine Wallfahrt zu dem„Mein lieber Grün," dieser Ton zeigte seine gute Laune,„Sie haben heute einmal wieder hervorrä'gend schön zum GotieS-dienst gespielt. Wirklich, Ihre Kunst wäre wert, an einer Stellevernommen zu werden, wo man mehr Wert auf das Evangeliumlegt, als bei uns. Ich empfehle Sie bei Gelegenheit, einmal demHerrn Superintendenten." Dann ging er allmählich dazu über,Grün auseinanderzusetzen, daß der kirchlichen Laxheit der Ge-meinde entschieden entgegengetreten werden müsse, daß man allesversuchen müsse, um kirchliches Interesse, an dem es so sehr fehle,in den Leuten zu erwecken. Er habe sich zu diesem Zwecke vor-genommen, einen Kirchenchor zu gründen, wie er vielfach ander-wärts auch bestehe. Die Leute bekämen dadurch Gelegenheit, beimGottesdienst sich zu beteiligen... Es sei seine Idee... WaSsein lieber Grün dazu meine?Der alte Kantor kraulte sich hinter den Ohren, lächelte un-merklich und erklärte sich einverstanden...Der Chor wurde gegründet, aber da sich Erwachsene nicht dazumeldeten, mußte man sich mit Kindern behelfen. Trotzdem schiender Pfarrer recht zu behalten. An den folgenden zwei Sonn-tagen waren wirklich einige Leute mehr in der Kirche. Aber amdritten Sonntag war schon alles wieder wie sonst: Außer den alten,bewährten Mütterchen war niemand erschienen.Nach einigen Wochen hatte der Pastor eine neue Idee.Er berief die beiden Kirchenältesten und eröffnete ihnen, daßfür die Ausschmückung der Kirche ganz notwendige Aufwendungengemacht werden müßten. So wäre das Bild über dem Altarwobl durch ein neues zu ersetzen. Man könne schließlich keinenStellhagener darin verdenken, wenn er Sonntags nicht immer einBild ansehen wollte, auf dem selbst in der Nähe kaum etwas zuerkennen sei.Der alte Herr Bulke war damit einverstanden, daß der HerrPastor an eine„Kunstakademie" schrieb und ein neues Altarbildbestellte. Und wenn Bulke einverstanden war, war es sein Kollegeauch.Das Bild kam und wurde aufgestellt. Das alte wurde ent-fernt. An den nächsten Sonntagen kamen einige Neugierige indie Predigt... Nach einigen Wochen war wieder die alte Not.Man hatte das Bild gesehen, den Chor gehört— es gab wirklichnichts Neues in der Stellhagener Dorfkirche.In seiner Verzweiflung griff der Pastor nach einem neuenMittel. Not macht erfinderisch. Er ließ sich von den Kirchen-ältesten die Mittel zu einer Ausmalung der Kirche bewilligen----Wieder kamen die Stellhagener einige Sonntage lang undsahen sich mit kritischen Blicken in dem geweißten Heiligtum um.Dann trat der alte Zustand nneder ein. Die Kirche blieb leer.