>,■»;»!»« 3, failiijf jira Jatmirls" jikiliirr Bolliililctt. Der liiord Im Tiergarten. (3. Tag.) In der gestrigen Sitzung wurden zuerst noch einmal die drei Zeugen vernommen, die die ersten am Tatorte waren, als sie in der kritischen Nacht die Schüsse im Tiergarten gehört halten. Der Malergehilfe Ziebell schildert die ganze Situation am Tatort wie er sie vorfand. Auf die Fragen an die Angeklagte, was denn passiert sei, habe diese u. a. geäutzert:„Ich habe ihn doch lieb ge- ha bl und er hat mich auch geliebt 1" Die Angeklagte sei völlig nieder- gebrochen gewesen und habe zusammenhängend überhaupt nichts erzählen können. Unterwegs habe die Augeklagte nochmals geäuszert:„Er hatmich doch auch gern gehabt, ich habe kein Stückchen Kuchen, kein Stückchen Schokolade essen können, ohne ihm ein Stückchen abzugeben.— Bor sitzender: Haben Sie denn etwas Derartiges gesagt? Das würde doch mit Ihren gestrigen Angaben nicht übereinstimmen.— Angeklagte: O. doch, das war meine Ueberzeugung.— Vor- sitzender: Das war Ihre Ueberzeugung und da haben Sie jetzt den Georg Reimann so schlechtgemacht.— Angeklagte: Es hat tatsächlich einmal eine Zeit gegeben, in der das, was ich zu dem Zeugen gesagt haben soll, zutraf. Später ist es eben anders geworden.— Der Zeuge bekundet dann weiter, daß sich die Angeklagte im allgemeinen sehr g ü n st i g über Reimann geäußert habe.— Vorsitzender: Es ist doch eigentümlich, daß Sie nur Gutes von Reimann erzählt haben, nachdem er. wie Sie doch behauptet haben, kurz vorher Erpressungen gegen Sie begangen hatte.— Angeklagte: Reimann war mitunter auch sehr lieb und nett, dann aber wurde er Plötzlich gemein zu mir. Reimann ist auch kein schlechter Mensch gewesen, er befand sich nur in schlechter Gesellschaft.— Vor- sitzender: Hat die Angeklagte erzählt, daß sie Selbstmord- absichten habe?— Zeuge: Ja, direkt aber nicht. Sie erzählte, daß sie Reimann im Geschäft schlecht gemacht habe, auch habe er an ihren Freund Dr. St. lDr. jur. Leo Sternberg) einen gemeinen Brief geschrieben. Dr. St. stehe aber für sie viel zu hoch,'der solle mir diesem Schmutz nichts zu tun haben. Durch diese Dinge sei sie völlig zusammengebrochen. Vors.: Hat sie Ihnen erzählt, daß ein Ringen zwischen ihr und Reimann stattgefunden hat?— Zeuge: Jawohl. Sie er- zählte, daß er ihren Arm zurückgedrängt habe, daß sie beide ge- rungen hätten und daß sie dann plötzlich einen Schuß krachen hörte. Auf einige Fragen und Vorhaltungen des Sachverständigen Dr. Toby Cohn erklärt der Zeuge: Die Angeklagte stand seitwärts von der Leiche. Als sie gefragt wurde, was denn geschehen sei, er- klärte sie zunächst, indem sie nach dem Herzen faßte: ich fühle keine Schmerzen. In einem normalen Zustande war sie nicht. Die Augen waren ganz starr. Der Zeuge erklärt, daß er einen solchen Ausdruck noch niemals in den Augen eines Menschen gesehen hat.— Der Zeuge wird von dem Vorsitzenden darauf aufmerksam gemacht, daß er seine in der Voruntersuchung betonte Ueberzeugung. daß der dritte Schuß nicht von der Angeklagten abgegeben sein könne, nach den Ergebnissen des Lokaltermins doch wohl nicht aufrecht erhalten könne. Der Zeuge gibt das zu.— Vorsitzender: Man sieht, daß mitunter ein Lokaltermin sehr nützlich ist.— Juslizrat Fried- mann: Aber alles was Sie, abgesehen von dieser Ihrer Ueber- zeugung, ausgesagt haben, halten Sie aufrecht?— Zeuge: Jawohl! Vorsitzender: Nun, Angeklagte, wie stellen Sie denn nun die Sache dar: meinen Sie, daß Reimann sich selbst erschossen hat oder daß beim Ringen um den Revolver die tödlichen Schüsse los- gegangen sind? Angeklagte: Ich mußte annehmen, daß er einen Selbst- mord begehen wollte, aber da ich nicht zur Ueberlegung kam und Angst hatte, faßte ich irgend etwas und es entstand ein Ringen zwischen uns. Vorsitzender: Was für ein seltsamer Mann muß doch der Reimann gewesen sein. Erst machen Sie ihn schlecht und behaupten, daß er sogar die Absicht gehabt habe, sich durch Sie ernähren zu lassen und Zuhälter zu werden und nun soll er plötzlich ein Held geworden und zu Ihnen gesagt haben:„Wenn Du stirbst, komme ich nach l" Angeklagte: Reimann war immer voller Widersprüche. Vorsitzender: Die Wendung„ich komnre nach", entspricht eigentlich mehr Ihrer Ausdrucksweise. Angeklagte: Er hat immer in überschwenglicher, in Gedicht- form gesprochen und Pose gemacht. Rechtsanwalt Ledermann: ES kann bewiesen werden, daß Reimann ein ganz phantastischer Mensch war. Vorsitzender: ES ist doch ein Widerspruch: Wenn ein Mensch wie Reimann Selbstmord begehen will, dann schießt er ganz sicher auf sich los.— Angeklagte: Ich kann nur sagen: die Waffe entglitt meiner Hand, ich ging der Waffe nach und faßte danach, und was durch meineBe- wegung veranlaßt ist, kann ich nicht sagen. Der zweite Zeuge, der mit dem Vorzeugen auf den Knall des Revolvers sofort an den Tatort geeilt war, Werkführer Tuchel schließt sich dem Vorzeugen an und i st noch immer der Mei- nung, daß die Angeklagte den dritten Schuß nicht abgegeben haben könne, da sie drei schon zu nahe herangekomnien gewesen seien und es hätten sehen müssen. Der Zeuge bestätigt, daß die Angeklagte auf dem Wege nach der Wache von den Vorgängen dieselbe Darstellung gegeben habe, wie sie sie hier vor Gericht und in ihren Memoiren gegeben hat. Sie erzählte, sie habe den Getöteten recht lieb gehabt und alles aufgewendet, um durch ihren Einfluß ihn zum ordentlichen und brauchbaren Menschen zu machen, und nun habe er sie so schlecht gemacht, daß sie sich habe das Leben nehmen wollen. Als der Wachtmeister auf der Polizei- wache sie fragte, warum sie sich denn gewehrt habe, wenn sie sich doch selbst erschießen ivollte, erklärte sie, sie habe Angst vor einer Verstümmelung gehabt.— Vorsitzender: Hat sie erzählt, wie sie in der Nacht nach dem Tiergarten gekommen ist?— Zeuge: Sie sagte, sie wollte sich das Leben nehmen und von dem Getötelen 'den Hausschlüssel des Dr. Sternberg wieder zurück haben. Vorsitzender: Hier in der Verhandlung hat die Angeklagte zuerst gesagt, sie wisse nicht, wie sie dahin gekommen sei.—An- geklagte: Ich bin in einer begreiflichen Erregung gewesen und weiß nicht jede Einzelheit. Borsitzender: Nun, die Leute, die ihr Leben wegwerfen wollen, die denken doch an etwas anderes, als an die Herausgabe eines Hausschlüssels. A n g e l l a g l e: Ich war an jenem Tage überhaupt nicht fähig, zu denken. Ich folgte ganz mechanisch dem, was mir in den Kopf kam und da Reiinann mich zu der Begegnung aufgefordert hatte, bin ich hingegangen. Vorsitzender: So viel Gedanken hatten Sie aber doch, daß Sie die Zeit des Stelldicheins von 8'/z Uhr auf 10 Uhr ver« schoben. Angeklagte: Das habe ich getan, weil ich mich schämte, den Leuten ein Schauspiel durch meinen Selbstmord zu geben. Das wollte ich nicht und deshalb habe ich eine Zeit gewählt, wo es menschenleer im Tiergarten ist. Rechtsanwalt Dr. Ledermann: Hat der Zeuge damals den Eindruck gehabt, daß alles Lüge sei, was sie erzählte, oder ob alles, was sie nach der schrecklichen Katastrophe sagte, wahr sei?— Zeuge: Ich hatte den Eindruck, daß alles wahr sei. Zeuge Kistenberger bekundet im allgemeinen dasselbe wie die Vorzeugen. Auch zu diesem Zeugen hat die Angeklagte ge- äußert:„Wir haben uns sehr lieb gehabt!" Als sie die Waffe hervorholte, habe Reimann sie ihr entrissen. Sie habe den R. dann umarmt und ihm den Arm nach hinten gedrückt. Der Polizeiwachtmeister Hackwitz, der von den drei Zeugen benachrichtigt worden war, bekundet, daß es in jener Nacht sehr dunkel gewesen war. Die Angeklagte, die einen sehr kläglichen Eindruck gemacht habe, habe ihm erzählt, sie habe mit R. einen Streit gehabt. Sie habe sich erschießen wollen und habe auch einen Revolver bei sich gehabt. Als sie den Revolver hervorholte, habe R. die Waffe ihr entrissen und einen Schuß auf sie abgegeben, der ihre Mütze durchlöcherte. Es sei dann zu einem Ringkampf ge- kommen, bei dem sich Reimann zwei Schüsse in den Hinterkopf bei- gebracht habe. Der nochmals herbeizitierte Dr. Leo Sternberg bekundet noch, daß er anr Morgen nach der Tat telephonisch nach der Woh- nung der Mutter der Angeklagten bestellt worden sei. Da er erst aus den Reden nicht klug werden konnte, habe er gesagt:„Du bist wohl wahnsinnig geworden, so etwas zu machen." Die Angeklagte habe sofort aus das entschiedenste bestritten, etwas Unrechtes getan zu haben und habe auch gleich erklärt, Reimann habe Selb st- mord begangen. Die Angeklagte habe sich dann im Bett herumgeworfen und immer gerufen:„Nur nicht reden, nur nicht fragen!"— Um zu erfahren, was nun aus der ganzen Affäre werden würde, sei er, Zeuge, zu seinem Freunde, dem jetzigen Verteidiger, Dr. Ledermann, gegangen, der bei der Polizei Erkundigungen anstellte. Es habe sich ergeben, daß seitens der Polizei Selbstmord angenommen werde und die Leiche zur Beerdigung bereits freigegeben sei. Beide wären dann zu der Angeklagten gefahren, wo es bald sehr vergnügt und lustig zugegangen sei. Auch die Angeklagte habe dabei wieder gescherzt und gelacht.— Der Zeuge bekundet noch, daß ihm die Angeklagte auf seine Frage, weshalb sie, wenn sie Selbstmord verüben wollte, überhaupt noch mit dem Reimann zusammengetroffen sei, ge- antwortet habe, sie habe erst den Schlüssel holen müssen.— Staatsanwaltsrat G y s a n bemerkt, daß die Angeklagte wahrscheinlich deshalb so vergnügt gewesen sei, weil sie von Rechtsanwalt Leder- mann erfahren habe, daß die Polizei Selbstmord annehme und die Leiche bereits zur Beerdigung freigegeben worden sei. Zeugin Frau Müller, die Mutter der Angeklagten wird nochmals befragt. Sie bekundet auf verschiedene Fragen: Die Beziehungen meiner Tochter zu Reimann sind mir immer ganz un- erklärlich gewesen. Die Tochter hatte, wie sie immer sagte, Mitleid mit diesem Jungen; daß in letzter Zeit der Grund ihres Zusammen- Haltens mit Reimann darin lag, daß sie ihn durdh Freundlichkeit abhalten wollte, seine Drohungen auszuführen, wußte ich nicht. Ich wußte auch nichts davon, daß, wie Reimann behauptet, Intimitäten mit der Tochter vorgekommen seien und sie ihn in seiner Wohnung besucht haben sollte. Reimann hatte offenbar einen schlechten Ein- flutz auf sie, sie war sonst i ni m e r gut und lieb zu mir, seit der Bekanntschaft mit Reimann aber war ihr Wesen ganz verändert. Sie sprach auch mehrmals von der Absicht, Selb st mord zu begehen, worauf ich ihr sagte: Aber Heddi, wir haben doch schon traurigere Zeiten durchgemacht, jetzt sind wir doch aus dem Gröbsten heraus und Du hast doch eine gute Stellung I Die Zeugin fährt fort:„Selbst wenn ich ausgelacht werden sollte, muß ich doch fagen: Nach meiner Meinung hat der Junge sie suggeriert. Die Tochter hat mir oft erzählt: wenn Reimann nicht auf der Tour ist, um Gänge zu besorgen, er manchmal eine halbe Stunde lang vor ihr auf den Knien ruht und sie unentwegt anstarrt. Ich bin deshalb der festen Ueberzeugung, daß er sie suggeriert hat, denn es ist von Tag zu Tag schlimmer mit ihr geworden und ich hatte keine Gewalt mehr über sie." So hatte sie einmal erzählt: Rei- mann habe einmal einen Brief gesehen, den Dr. St. an sie ge- schrieben und diesen haben wollen; sie habe den Brief rasch in die Bluse gesteckt, er habe aber im Befehlston gesagt, daß er den Brief haben müsse und da habe sie ihn auch herausgegeben. Zu einem anderen hätte sie sicher gesagt: Sie sind wohl verrückt! Der Junge hätte zweifellos eine große Macht über sie, sie sagte oft auf meine erstaunte Frage, warum sie dies oder jenes tue:„ich muß!" Als sie am Abend der Tat gegen V3IO Uhr lveg ging, sagte sie, ich gehe nach dem Tiergarten, um eine Aussprache mit Reimann zu halten; sie sagte, sie habe das Zusammentreffen auf 10 Uhr verlegt, weil wir in der Tiergarten- gegend recht bekannt seien und sie nicht wollte, daß sie mit Reimann gesehen wurde. Als sie um 11 Uhr noch nicht wieder zu Hause war, wurde ich ängstlich, machte mich auf nach dem Tiergarten und irrte dort wie im Traum umher und rief nach ihr, jedoch ohne Erfolg. Dann eilte ich wieder nach Hause und habe mir gleich ge- sagt: irgend etwas muß passiert sein. Zu Hause angelangt sehe ich ein Papier mit einem schwarzen Fleck und da schoß mir der Gedanke durch den Kopf:„Herrgott, sie hat einen Revolver!" Dann bin ich wieder nach detzr Tiergarten gegangen, ging rufend durch die Gänge, dann ging ich wieder nach Hause, weil man mich be- lästigte. Gegen Vz3 Uhr wurde sie mir dann nach Hause gebracht. Ich war ganz entsetzt und fragte sie:„Hede, was ha st Du gemachl?" Da stand sie wie ent- geistigt und sagte nur leise:„Georg ist tot!" Und da fiel sie mir schon zusammen. Ich brachte sie in das Bett — es war eine furcklbare Nacht! Dann phantasierte sie allerlei Zeug zu- sammen und stöhnte mehrmals auf:„Das Feuer!",„Es knallt ja fo I",„Laß doch die Uhr stille stehen, sie schlägt ja immerzu!" „Ich werde noch verrückt und komme noch ins Irrenhaus!"— Ich mußte mich zu ihr ins Bett legen und die Lampe brennen lassen. Sie hat auch ini Halbschlummer wiederholt„Georg! Georg!" ge- rufen. Am nächsten Tage hat sie gesagt, sie habe den Revolver, mit dem sie Selbstmord verüben wollte, in dem Muff gehabt, er habe ihn wahrgenommen, er habe ihn ihr entrissen und auf sie geschossen, dann habe sie noch einen Knall gehört und dann habe sie, wie sie mir damals fagte, auf der Leiche gelegen. K r i m i n a I s ch n tz m a n n W e n d t, der die polizeilichen Er- Mittelungen in dieser Sache teilweise zu erledigen hatte, sagt aus: Die Sache ist zuerst als Selbsimordsache bearbeitet worden. Der Zeuge ist dann, als der Gedanke an Selbstmord ichwand, beauftragt worden, die Angeklagte nach dem Pollzeipräsidium zu holen. Er fand sie im Bette liegend vor, und sie erklärte ihni, sie sei zu schwach, um nach dem Präsidium zu kommen. Bei der daran sich an- schließenden Befragung der Angeklagten habe sie ihre Mutter aus dem Zimmer gewiesen und sagte: sie würde nicht aussagen, wenn die Mutter im Zimmer bliebe. Sie hat dann dem Beamten die Vorgänge im Tiergarten auch so erzählt, wie den anderen ver- nommenen Zeugen.' Danach habe Reimann im kritischen Augenblick ihr den Revolver entrissen und auf sie geschossen, indem er ausrief:„Erst Du, dann ich!" Dann habe er auch einen Schuß auf sie abgegeben, der den Hut, den sie trug, durchlöchert habe. Tatsächlich zeigte der Hut auch' ein durch einen Schuß herrührendes Loch.— Vorsitzender: Welchen Eindruck machte denn die Angeklagte bei dem Verhör?— Zeuge: Die Müller machte einen unheimlich ruhigen Eindruck, so daß ich gar nicht wußte, was ich dazu sagen sollte. Sie machte ihre Aeußerungen in lächelnoem Tone und pachte verschiedene Be- merkungen, die zu der Sache schlecht paßten.'Als ich ihr andeutete, daß sie eventuell festgenommen werden würde, antwortete sie: „Machen Sie mit mir, was Sie wollen I Machen Sie Hacke- peter aus mir, vergessen Sie aber nicht das Ge- würz dazu! Mir ist alles gleich: wenn ich nachher daliege mit dem Kopfe zwischen den Beinen, dann ist doch alles aus!"— Vorfitzender: Also Redensarten, wie„Recht muß doch Recht bleiben" oder„ich werde fälschlich verdächtigt" u. dergl. machte sie nicht?— Zeuge: Nein. Das Verhältnis der Angeklagten zu ihrer Mutter muß sehr komisch gewesen sein, denn sie gab der Mutter bezüglich der Kleider, die sie ihr reichen sollte, in einem Tone An- Weisungen, die sich kein Dienstbote gefallen lassen würde. ES fehlte bloß noch, daß sie die Sachen der Mutter an den Kopf warf. Als Medizinalrat Dr. Hoffmann die Obduktion vorgenommen hatte, hat er erklärt, daß Selbstmord ausgeschlossen sei. Justizrat Friedmann hält dem Zeugen verschiedene Momente vor, die darauf hindeuten, daß er stark animos gegen die Angeklagte sei. Unter anderem habe der Zeuge draußen auf dem Korridor zu einem anderen gesagt: Die gute Situation, in der sich die Angeklagte vor Gericht zu befinden scheine, werde sofort ein Ende nehmen, wenn er vernommen werde. Der Zeuge erklärt hierzu, daß er nur die Wahrheit gesagt habe. Geständnis? Der Vorsitzende bringt dann gewisse Vorgänge zur Sprache, die sich während des Aufenthalts der Angeklagten in der Irren« an st alt Wittenau abgespielt haben sollen. Die Angeklagte soll nämlich der hier beschäftigten Pflegerin' Kreutz ein teil weises G e st ä n d n i s abgelegt haben. Die Zeugin K r e u tz bekundet: Die Angeklagte erzählte mir eines Tages, sie habe gefchossen, der Mann sei sofort auf das Gesicht gefallen. Frl. Müller erzähle mir dann, sie habe zwei„Bräutigams" oder„Herren" gehabt, einen könne sie nicht leiden; sie habe des- halb darauf gesonnen, einen loszuwerden.— Vorsitzender: Es ist doch auffällig, daß Ihnen die Augeklagte so ohne weiteres etwas Derartiges erzählte. Wie kamen Sic denn überhaupt zu einem derartigen Gespräch?— Zeugin: Die Angeklagte erzählte es einer anderen Patienti n und da hörte ich zu.— Vorsitzender: Angeklagte, erinnern Sie sich nicht eines solchen Ge- spräches?— Angeklagte: Wie ich zur Untersuchung mÄnes Geisteszustandes nach Dalldorf kam, wurde ich in einen unfteund- lichen dunklen Raum einquartiert, zwischen wirklich Geistes- kranke; es war für mich ein entsetzlicher Anblick und_ ich habe schreckliche Dinge erlebt. Bei jenem Gespräch mit einer Patientin, die mir völlig klar vorkam, habe ich dieser erzählt, daß „ m a n b e h a u p t e", ich habe den Reimarm erschossen, die Verdachtsgründe gegen mich seien sehr schwer, da die Schüsse sehr un« glücklich sitzen. Vorsitzender(zur Zeugin): Sie hören, die An- geklagte behauptet, sie habe nur gesagt, man werfe ihr das vor, sie tolle das so und so gemacht haben. Zeugin: Nein, sie hat ganz bestimmt gesagt, sie selbst hat geschossen! Justizrat Leonh. Friedmann: Keine Polizei, kein Untersuchungsrichter, kein Staatsanwalt hat es fertig gebracht, die Angeklagte zu einem Geständnis zu veranlassen und da soll die Angeklagte der Wärterin gegenüber ein Geständnis abgelegt haben? Das wäre doch etwas sehr ausfällig.— Geheimer Medizinalrat K 0 r t u m bestätigt, daß ihm die Zeugin Kreutz sofort nach dem Gespräch jene Mitteilungen gemacht hatte. � Die Zeugin sei in ihrem Berufe zuverlässig und fleißig, allenfalls sei bei ihr eine leichte Beschränktheit feststellbar.— Auf eine Frage eines Ge- s ch w 0 r e n e n, ob sie gewußt habe, waS der Angeklagten zur Last gelegt werde, erklärt die Zeugin Kreutz, daß ihr gesagt worden sei: „Das ist die, die einen erschossen hat." Der Zeuge Kaufmann Biede, der bei der Mutter der An- geklagten wohnt, bekundet unter anderem: Das Verhältnis der Tochter zur Mutter war ein gutes. Die Angeklagte hat ihm mehrfach erzählt, daß Reimann sie mit Liebesanträgen verfolge. Er riet ihr, sich doch zur Wehre zu setzen, sie meinte aber, sie könne die Sache nur mit Güte machen, denn er wolle sie schlecht machen und bei Herrn Dr. Sternberg und in ihrem Geschäft unmöglich machen. Vorsitzender(zur Angeklagten): Sie haben immer gesagt, Sie hätten sich dem Reimann hingegeben, um ihni einen Schweige- sold zu geben. Was hätte denn Reimann tun können, wenn Sie ihm diesen Sold nicht bewilligt hätten?— Angeklagte: Er hätte gewiß im Geschäft Radau gemacht und ich würde meine Stellung losgeworden sein.— Vorsitzender: Dann hätten Sie sich eine andere Stellung gesucht, so fürstlich war doch Ihre Htelle auch nicht. Sie hatten doch Treupflichten gegen Dr. Sternberg,'' und ein Mädchen, das behauptet, daß es so sehr auf Ehre hält, wie Sie, wird sich dann doch nicht einem anderen Manne hingeben!— Angeklagte: Ich habe überhaupt nicht gewußt, was ich damals alles tat. Der Zeuge Biede bekundet noch auf Befragen, daß er wieder» holt Selbstmordabsichteu von der Angeklagten gehört habe, weil Reimann sie so quäle und peinige und sie fortgesetzt verfolge. Die Frage des Vorsitzenden, ob er gesehen, daß Reiinann einmal in Frauenkleidern bei der Angeklagten war, verneint der Zeuge, gibt aber nach Nachdenken zu: er besinne sich nur darauf daß die Angeklagte ihm einmal zugerufen habe, sie solle sich einmal den Reimann in Frauenkleidern ansehen. — Vorsitzender: Also sie hat nicht etwa ihrer Empörung Aus- druck gegeben und Ihre Hilfe erbeten, sondern nur ganz obenhin gesagt, Sie sollten sich den Reimann mal in Frauenkleidern ansehen. Die An geklagte hatte den Vorfall so geschildert: Reimann sei ihr eines Tages in Frauenkleidern begegnet und habe sie aufgefordert, mit ihm ein Kino zu besuchen. Sie lehnte das ab, weil er in dem Aufzuge wie eine Dirne aussehe. Er erwiderte: ich gehe nicht von Deiner Seite und wenn Du mich totschlägst. Um Auf- sehen zu vermeiden, habe sie ihn mit in die Wohnung genommen und den Zeugen Biede um Hilfe gegen Reimann gebeten, der nun schon in Frauenkleidern ankomme. Oberpacker Arndt, der in der Buchhandlung von Mittler an- gestellt ist, erklärt auf Befragen der Verteidiger: Reimann sei sehr flink und mit netten Formen begabt gewesen; er habe ftüher eine Dienerschule durchgemacht. Richtig sei es. daß er sehr beweglich und gelenkig war und beispielsweise die Beine über sein« Schultern legen konnte. Angeklagte: Reimann machte manchmal in einem engen Gange eine Kreuzbeugung, so daß sowohl sein Kopf, als auch seine Beine sich am Boden befanden. Vorsitzender: Das iväre ja zu erklären für den e r st e n Schuß, aber wie brachte sich der Mann den zweiten Schuß bei? lieber eine Photographie, die den Georg Reimann in Frauenkleidern und neben ihm seinen Bruder Erich R. zeigt, werden die Mitglieder der Familie Reimann vernommen. Sie erklären dazu, daß es sich um einen Silvesterscherz gehandelt habe, bei dem Georg Reimann ein Kleid seiner Schwester angezogen habe. Der Photograph habe ihm— wie die Photographie zeige— auch noch eine große Sektflasche in den Arm gegeben. Wie liefen die Schüsse? Dr. med. R ö s k e, der Vorsteher des Leichenschauhauses, er- läutert an einem Schädel die Richtung der in den Schädel des Rei« mann gedrungenen Schüsse. Danach könnte sich ein und der- selbe Mensch diese beiden Schüsse nur dann beigebracht haben, wenn er den Revolver zuerst in die eine und dann in die andere Hand genommen hätte. Jeder Schuß muß an sich schon tödlich ge- wesen sein. Der Schuß in den Hut der Angeklagten muß in einer Entfernung von 12 Zentimetern abgegeben worden sein. An der Hand der' Leiche haben sich Spuren von PulverscWeim nicht vor« gefunden. Nochmals das„Geständnis". Die Zeugin OberpflegerinVöltz aus der Irrenanstalt Dall- dorf erklärle, daß die schon als Zeugin vernommene Pflegerin Kreutz ihr mitgeteilt habe, daß die Angeklagte ihr eingestanden habe, den Reimann erschossen zu haben.— Vorsitzender: Die Kreutz soll aber Ihnen noch eine zweite Aeußerung der Angeklagten mitgeteilt haben, die vielleicht ebenso interessant ist.— Zeug i n: Jawohl, sie erklärte mir, daß die Angeklagte u. a. geäußert Hab: Sie habe einen Bräutigam, der dafür sorgen wolle, daß ihr nichts passiere, er habe die Sache in die Hand genommen. Entweder käme sie ganz frei oder aber es werde nicht sehr schlimm ausfallen. — Vorsitzender: Na, Angeklagte haben Sie etwa? Derartige?
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