allzusehr hineingeleuchtet wird,.so ist es doch um so auf. falliger, daß'oas„Berliner Tagedlatt" sogar in einem ganz eklatanten Einzelfalle der Feststellung der Wahrheit im Krupp-Prozeß so ä n g st l i ch aus dem Wege geht. Wir haben in unserer Montagsnummer die unerhörte Eni. stcllung des Falles Höge— besser des Falles Dreger— festgenagelt. Die gesamte bürgerliche Presse Berlins hat sich über die ungemein wichtige Episode, durch die der Krupp -Direktor Dreger auf das schwerste belastet wurde, durch eine Gcrichtstorrespondenz irreführen lassen. Wir stellten diese gröbliche Täuschung der Oes- fentlichkeit sofort fest und gaben der Erlvartung Ausdruck, daß die getäuschte Presse nunmehr insgesamt der Wahrheit die Ehre geben werde. Was aber tat das„Berliner Tageblatt"? Stellte es nunmehr den Borgang richtig? Im Gegenteil: Es antwortet mit einer törichten Schimpferei auf den„Vorwärts", der wieder einmal— der polemische Sprachschatz des„Berliner Tageblattes" dem„Vor- wärts" gegenüber kennt ja eigentlich nur dies eine Wort— in seinen„Radauton" verfallen sei.(Im Vertrauen und ein für allemal: Wir betrachten daS als Kompliment, denn durch ein Lob unserer diplomatischen und jouralistischen Fähigkeiten durch daS Mosseblatt würden wir uns un st erblich blamiert fühlen. Das„Berliner Tageblatt" bewahre uns also dauernd seine freundliche Gesinnung!) Minder erfreulich ist, dag das„Berliner Tageblatt", obwohl es eine Feststellung des wahren Sachverhalts ablehnt, auch nicht ein Wort der Begründung für diese Ablehnung findet. Eine solche Motivierung würde ihm auch verteufelt schwer gefallen sein. Denn der Bericht des„Vorwärts" ist korrekt, der des„B e r- liner Tageblatts" eine skandalöse Vorkehrung de? wirklichen Sachverhalts in sein Gegenteil. Da. bei stammt unser Bericht auch nur von einem allgemeinen Korrc- spondenzbureau. Die Redaktion hat an diesem— von ihr selbstverständlich völlig unbccinflugten— Bericht auch kein i-Tüp- solchen geändert. Auch mehrere andere in Moabit vertretene Korrespondcnzbureaus haben den Vorgang, wenn auch kürzer, so doch ganz im gleichen Sinne dargestellt, wie die vom „Vorwärts" benutzte Korrespondenz. Der Bericht des o f f i- ziöscn Wolffschcn Bureaus beispielsweise bestätigt durch- aus unsere Darstellung. Ein Vergleich hätte das auch dem „Berliner Tageblatt" bQveisen können. Und eine Nachfrage bei Herrn v. Dreger und Herrn v. Metze«, bei Staatsanwalt, Gericht und Verteidigern würde kein anderes Resultat gehabt haben! Trotz alledem unterschlägt das„Berliner Tageblatt" seinen Lesern den wahren, so außerordentlich wichtigen Sachverhalt. Und das Mosseblatt sucht seine fortgesetzte Irre- führung der Oeffcntlichkeit dadurch zu verschleiern, daß es den Anschein erweckt, als ob der„Vorwärts" im Zusammenhang mit dem„Berliner Tageblatt" von einem Panama der Presse ge- sprochcn habe. Das ist aber gleichfalls eine artige Fälschung. Hatte doch der„Vorwärts" ganz im Gegenteil erklärt, daß er von der Loyalität des„Berliner Tageblattes" selbstverständlich eine so- fortige RichtigstMung erloarte. Nach der heutigen Leistung des„Berliner Tageblattes" nehmen wir diesen Optimismus reumütig zurück. Hat es sich doch selbst den Pgnamistcn zugesellt! » ♦ * YerheirUchung des Korruptionslyrtcrns. Herr v. G o t t b e r g, das Zprachrohr des neuerdings erst reckst als rcgierungsoffiziös anzusprechenden Scherl- Blüttes schreibt: „Aber wie lange soll die k a t i l i n a r i s ch e Arbeit im G c r i ch t s s a a l noch weitergehen? Noch niemals wurden preußische Richter verdammt, der deutschen Wirtschaft solche Wunden zu schlagen. Ein bekannter Historiker schreibt unS u. a.: „Wohl in keinem Kulturlande wäre ein so unsinniger Prozeß möglich. Es handelt sich tatsächlich um Lappalien, die bereits mehr als bestraft sind, und welch ein Aufhebens wird davon gemacht!" Und in der Tat: Nicht nur aus den Landen unserer erklärten Gegner, sondern auch aus denen der Neutralen, aus der Schweiz , aus Belgien und vom Balkan kommen Nach- richten, wie unsere Wettbewerber von den unheilvollsten und überflüssigsten aller Prozesse profitieren. Es sieht so aus, a l s wolle der Staat die deutsche Geschäftswelt noch kleinkriegen, che sie die Milliarde aufge- b r a ch t h a t. Seit zehn Tagen läuft ein preußisches Gericht Trinkgeldern in monatlicher Höhe von 250 Mark nach. Der Re'»fall der Sozialdemokratie ist konstatiert. Im Licht der vorausgegangenen Uebertreibungen betrachtet, ist aus dem Panama eine Ehren- rettung der verleumdeten Firma und unserer Industrie geworden. An die Verwaltung von Heer und Flotte ist nicht zu tippen. Also: Luousgue tandern Catilina? Es weiß doch je'der Berliner Lehrling, daß all- abendlich' größere Brandts in den Weinstuben jeder Mittel st adt im In- und Auslande sitzen. Er weiß auch, daß in großen Geschäftsbetrieben 250 Mark monat- lich nicht nur für Biergeld, sondern gar für liederliche Hand- habung von Bleistiften oder Stahlfedern verschleudert werden können. Von solchen Bagatellen— und hier handelt es sich nach Aburteilung der Militärpersonen um die elendeste Bagatellsache, vyn der je Hunderttausende hörten— ahnen die Direktoren nichts. Die Führer dar Industrie verfahren gemeinhin nicht minder als Staaten. Auch d i e unterhalten im Ausland Agenten und bezahlen sie für Informationen, aber der hohe Beamte, der die Berichte liest, will Iveder vom Geschmierten noch vom Schmiergeld wissen." Cb die Firma Krupp diesem Verteidiger ihres Schmier- geldersystenis nicht künftig doch lieber Schweigegelder offerieren wird?!__ Zu den badifchcn Wahlen. Wer gedacht hätte, daß der ungünstige Ausgang der badischen Landtagswahl unsere Freunde zur Nachprüfung ihrer bisherigen Taktik veranlassen würde, wird ziemlich enttäuscht die Stimmen unserer badischen Parteipresse verfolgen. Es ist gewiß richtig, daß unsere Genossen diesmal unter besonders schwierigen Umständen ge- kämpft, daß die Agitation des Zentrums besonders skrupellos ge- wesen, die zündende Wahlparole gefehlt habe. Aber schon bei diesem Umstand muß nach dem Warum gefragt werden. Freilich, Genosse Kolb ist um die Antwort nicht verlegen. Im Karlsruher.Volksfreund" heißt eS: „Lediglich der Wackertaktik und dem Umstand, daß man auf der Linken nicht den Mut und die Entschlossen- heit fand, sie durch denGroßblock im erstenWahl- gange zu durchkreuzen, verdankt unsere Partei den Verlust von so vielen Mandaten. Wäre der Großblock für den ersten Wahl- gang zustande gekommen, so hätte unsere Partei allerschlimmsten Falles zwei Mandate eingebüßt, da« Freiburger und das des 39. Bezirks Ettlingen -Rastatt . Alle übrigen Mandate wären für uns sichergestellt gewesen. Die Wähler der LinlSparteien hätten der Parole„m it vereinten Kräften gegen dieReaktion" zweifellos Folge gegeben. Die Linke hätte dann erstens eine Wahl- Parole gehabt und zweitens wäre Stimmung in den Wahl» kämpf gekommen, die diesmal gefehlt hat. Wacker wäre aus der Offensive in die Defensive gedrängt worden, die Fälle von Rastatt und Lahr wären unmöglich gewesen. Ob Wacker und seine konservativen Trabanten die Erfolge hätten erzielen können, die sie am 21. Oktober erzielt haben, ist mehr als fraglich... Mögen diejeingen, die das Zustaiidekvminen des Großblocks im ersten Wahlgang verhindert haben, zusehen, wie sie die Folgen ihres Verhaltens mit ihrem politischen Gewissen vereinbaren können. Der Einwand, als ob die Wähler diese der Wackertaktik gegenüber einzig erfolgreiche Taktik nicht verstanden und deshalb nicht befolgt hätten, ist durch die geradezu verblüffend glänzende Disziplin, die jetzt beim Stichwahlkampf gezeigt haben, glatt widerlegt." Wäre das richtig, so hieße das nichts anderes, als daß die Sozialdemokratie darauf verzichten müßte, als selbständige Partei durch ihr eigenes Programm die Massen zu gewinnen und zu be» geistern. Nur in Reih und Glied mit Fortschrittlern und National- liberalen dürfen wir uns als Antiklerikale in die Wahlschlacht trauen. nur als Bundesgenossen der Liberalen in ihrem Kampf gegen daS Zentrum sind für uns Aussichten vorhanden, die „Wähler" auf die Beine zu bringen. Daß dies das Gegen- teil von proletarischer Klassenpolitil ist, ist wohl ein- leuchtend. Aber welch politische Unbelehrbarkeit gehört dazu, eine solche Taktik in dem Moment zu vertreten, in dem sie ihre schwerste Niederlage erlitten hat! Denn diese Niederlage läßt sich nicht wegrechnen. Es stimmt natürlich, wenn gesagt wird, daß wir 1913 nocki immer um etwa 24000 Wähler mehr haben als 1905. Aber es ist ein eigen- tümlicher Trost, daß wir von den 36 000 Wählern, die wir 1909 gewonnen halten,„nur" über 11 000 verloren haben. Wir meinen, der Verlust ist wirklich gerade groß genug und glücklicberweise auch ungewöhnlich genug, um nach seinen Ursachen zu forschen. Daß es in der Stichwahl gerade mit knapper Not gelungen ist, die reine ZenlrumSmajorilät zu verhüten und die Entscheidung den drei Nationalliberalen von Zentrums Gnaden in die Hand zu spielen, kann für Sozialdemokraten um so weniger Grund zur Zufriedenheit sein, als wir die einzige Partei sind, die eine so starke Flucht ihrer Wähler erleben mußte. Wären die badischen Arbeiter von dem Zu- sannnengehen mit den Liberalen(die wohl auch in Baden die Ver- trcter kapitalistischer Interessen, also Klassengegner sind) gar so ent- zückt, warum sind sie denn in hellen Haufen uns ferngeblieben? Ist denn die Vermulung wirklich so unberechtigt, daß eben unsere Werbekraft namentlich in ZenlrumSgebieten abnimmt, wenn wir statt als reine und unabhängige Arbeiter Partei als Bundesgenossen der Liberalen de» indifferenten Masten erscheinen? Und wird unsere Stoßkraft gegen die Liberalen nicht völlig abgestumpft, wenn wir in dem Zusammengehen mit ihnen die einzige Möglichkeit unseres politischen Kampfes erblicken? In Vorahnung Kolbscher Gedanken- gänge schrieb die„Franks. Volksstimme" über das Stichwahlergebnis: „Ob unsere badischen Genosten bei selbständigem Vorgehen nicht mindestens auch 13 Mandate von 20 hätten behaupten können? Die Frage stellen, heißt sie beantworten. Eingewendet werden kann freilich, daß unsere badischen Genossen auch so im ersten Wahlgange absolut frei und selbständig gekämpft und doch keine besseren Resultate erzielt hätten. Auch»vir könnten eine Bevölkerung, die noch so unsicher in ihrem politischen Urteil sei. nicht ummodeln. Dem ist aber zu erwidern, daß die Sozial- demokratie in Baden im ersten Waffengange wohl formell frei, tatsächlich jedoch auch schon gebunden an den Groß block und mit z w e i s e I l o k e r R ü ck s t ch t- nähme auf ihn gekämpft hat. Und diese Gebundenheit lähmte die Slößkrast unserer Wahlbewcgüng. Unsere badischen Genossen konnten namentlich mit den treulosen National- liberalen im ersten Wahlgang nicht so umspringen, wie sie wahrscheinlich sonst gern umgesprungen wären. Und es ist sehr fraglich. ob die Sozialdemokratie mit einer Partei, die solche Marodeure in ihren Reihen hat, wie die Rastatler, Heidelberger und Lahrer , überhaupt noch Abmachungen treffen kann. Solche„Liberalen "— wir kennen sie ja in Nord- deutschland allerdings länger, als unsere süddeutschen Genossen!— sind gefährlicher, als offene Reaktionäre, und doppelt gefährlich, wenn sie gar eine gemeinsame Scklachtreihe in Unordnung bringen. Mit solchen bürgerlichen Verrätern hätte von unseren badischen Freunden sicher in der ersten Wahlschlackit ganz anders abgerechnel werden können, wenn nicht der Großblock für den zweiten Wahlgana zu halten gewesen wäre. Ohne diese lästige Fessel hätte unser Vorstoß ein ganz anderes Gesicht und ganz andere Kraft bekommen können. Er hätte nicht bloß die Arbeiter viel sicherer mitgerissen. er hätte auch auf die liberalen Kreise eingewirkt und sie zu größerer Enlschiedenbeit gezwungen. Kurz, es wäre ein fröhlicherer und wahricheinlich mindestens so erfolgreicher Kampf gewesen. Doch dreht es sich jetzt nicht mehr um dasjenige, was in Baden hätte sein können. Es handelt sich um die Z u k u n f t, und da sind wir sicher, daß unsere badischen Freunde ohne Be- lehrung von außen die richtigen Schlußsolgerungen aus den trüben Ersahrungen von 1913 selbst ziehen werden. Sie dürften es genau so halten, wie unsere französischen Genossen, für die letzter Tage Marcel Cachin in unserein Pariser Parteiblatte schrieb:„Wir haben und wollen keinen Block mit den bürger- lichei, Radikalen. Um das Ministerium der dreijährigen Dienst- zeit schlagen zu helfen, dazu wird keine sozialistische Stimme fehlen. Und in erster Reihe werden unsere Abgeord- neten dabei sein, wenn die gesamte Linke den Schaden zu reparieren sucht, den die Regierung dem internationalen Friede» und den öffentlichen Finanzen zugefügt hat. Dann aber hört jede Gemeinschaft aus... Wenn wir auch nur zeitweise mir den bürgerlichen Radikalen eine Kamps- und Arbeitsgemeinschaft abschließen wollen, so müßten wir alles aufgeben, was unser Parteidasein bedingt, und unsere Organisationen baben dazu weniger als jemals Lust." So wird es sicher auch in Baden kommen. Auch wir meinen, daß die Entwicklung sowohl in als außerhalb Badens dazu sühreu wird, mit der Großblockpolitit ein Ende zu machen. Denn eine Taktik, deren praktisch« Resultate uns so ge- rühmt worden sind, ist in dem Moment unhaltbar geworden, wo sich daS Abgehen von der klaren prinzipiellen Haltung des Klassen- kampfes nun auch in der Praxis so schwer gerächt hat. pol'rifcbe Geberlidrt. Tie Königsmache in Bayern . In der gestrigen Sitzung der Kammer der Reichsräte wurde der Gesetzentwurf betreffend die Regentschaft nach einem Referat des Grafen v. Crailsheim , an dessen Schluß dieser dem Wunsche AuS- druck gab, daß der Gesetzentwurf möglichst einmütig die Zustim- mung des Hohen HauseS finden möge, ohne Diskussion einstimmig angenommen. Da die Kammer der Abgeordneten den Gesetzentwurf bereits am 30. Oktober angenommen hat, steht also der KönigSmache nichts mehr im Wege; nur muß vorher festgestellt werden, daß der jetzige König Otto von Gottes Gnaden unheilbar geisteskrank ist und daraufhin vom Landtag seine Absetzung ausgesprochen werden. Zu diesem Zweck haben sich bereits gestern abend die beiden Refe- renten des Etats des Königlichen HauseS und HofeS, die Ab- geordneten Dr. Casselmann von den Liberalen und Giehrl vom Zentrum, nach Schloß Fürstenried begeben, um sich durch de« Augenschein von dem Befinden des Königs Otto zu überzeugen. Morgen Mittwoch werden zu dem gleichen Zwecke die Präsidenten der beiden Kammern, Graf Fugger-Glött und Dr. von Lrterer nach Fürstenried fahren. Ain Freitagvormittag wird dann die Kammer der Abgeordneten den Zustimmungsakt zu vollziehen habe» und zuvor in geheimer Sitzung darüber beraten mid beschließen, ob die Gründe zur Beendigung der Regentschast und zur Eröffnung der Thronfolge ausreichend sind. Der Zustimmungsalt in der Ersten Kammer ist für Freitag in Aussicht genommen. Zum erstenmal! Für. die deutsche Sozialdemokratie naht ein denkwürdiger Tag. denn in kurzem wird die Stunde kommen, in der deutsche Sozialdeinokraten zum erstennial bei der Ab» setzung eines Monarchen, eines leibhaftigen Königs von Gottes Gnaden mitzureden haben. Nachdem der bayerische Landtag dem Gesetzentwürfe, der die Beendigung der Regentschaft erst möglich macht, zugestimmt hat, be» darf es noch einer besonderen Aktion: der Absetzung des Königs Otto von Gottes Gnaden. Dabei ist aber die Mitwirkung des Landtags insofern erforderlich, als er den Gründen, ans denen die dauernde Regierungsfähigkeit des Monarchen sich er- gibt, zustimmen oder sie für nicht stichhaltig erklären kann. Auf diese Weise werden die bayerischen Sozialdemokraten bei der Ab- setzung des fünften bayerischen Königs mitwirken. Daß so etwas just in Bayern zum erstenmal geschieht, ist ein etwas grausamer Witz der Weltgeschichte, denn es wird immer versichert, in Bayern seien Dynastie und Volk am engsten verbunden. Vivat Sequenz! Tas gastfreundliche Preusten. Aus Flensburg kommt eine Nachricht, die wieder mal die preußische Dänenpolitik im schönsten Lichte zeigt und das höhnische Lachen der ganzen gebildeten Welt herausfordert. Der Ent- decker des Südpols, der Norweger Roald Amundsen , wollte am 16. und 16. November in Flensburg zwei Vorträge über seine Expedition nach dem Südpol halten, den ersten in deutscher, den zweiten in norwegischer Sprache, die bekanntlich dem Dänischen sehr ähnlich ist. Zunächst hatte die Flensburger Polizeibehörde nichts gegen den Vortrag in norwegischer Sprache einzuwenden, dann wurde er plötzlich verboten. Taraus wandte sich der Impresario Amundsens , der Konzertdirektor Sachs in Berlin , an das preußische Ministerium des Innern und ersuchte um Aus- Hebung des Verbots, da der Bortrag rein wissen- schaftlichcr Art sei. Herr Sachs erhielt als Antwort auS Schleswig vorn dortigen Regierungspräsidenten folgendes Tele- gramiil: „Schleswig , 3. November: Auf telegraphischen, an mich zur Verfügung gegebenen An- trag erfolgt bierdurch Bescheid, daß Vortrag Amundsens in norwegischer Sprache in Flensburg nicht gestattet werden kann. Regierungspräsident." Das Verbot ist geradezu unbegreiflich: selbst die billige Aus- rede, Amundsen habe mit seinem Bortrag in norwegischer Sprache den Zweck einer politisch-dänischen Demonstration verfolgt, kann niemand, der auf Vernunft Anspruch macht, ernst nehmen; denn erstens ist Amundsen kein Däne, sondern Norweger, zweitens hat sein Vortrag mit Politik nichts zu schaffen, und drittens liegt Flensburg bekanntlich im Süden des Schleswiger Landes, wo das Dänentum- nur geringen Einfluß hat. Dagegen ist sicher, daß dieses Verbot nicht nur in Dänemark , sondern auch in Norwegen als eine Brüskierung empfunden und die antideutsche Bewegung ungemein fördern wird. Daß trotz dieser Folgen das Verbot von der reaktionären Presse verteidigt wird, ist natürlich selbstverständlich. So schreibt die Zedlitzsche„Post": „Wir halten das hier ergangene Verbot für durchaus be- rechtigt. Da Roald Amundsen die deutsche Sprache vollkommen beherrscht, liegt kein zureichender Grund vor, aus welchem er nicht auch den zweiten seiner Vorträge in deutscher Sprache halten könnte, zumal auch die Flensburger Dänen ganz überwiegend des Deutschen soweit mächtig sein dürften, daß sie seinem Vor- trage zu folgen vermögen. Das Vorhaben Amundsens gewinnt nur dann einen Sinn, wenn man ihm einen ausgesprochen demonstrativen Charakter beilegt und annimmt, daß der Forscher, als er sich auf die norwegische Sprache versteifte, nur dem dänischen Jrredcntismus Zugeständnisse machen wollte. Um so mehr muß man das Verhalten des Regierungspräsidenten billigen." Kapitalistenterror. Die städtischen Kollegien von Peine (Provinz Hannover ) hatten kürzlich einen Nachtrag zur Gewerbesteuerordnung beschlossen, wo» nach die Gewerbebetriebe mit über 200 beschäftigten Arbeitern zu den Krankenhauslasten mit herangezogen werden sollten. Als ein» ziger Betrieb kommt dabei das Peiner Walzwerk in Be- tracht. Das Walzwerk hatte bisher schon vertraglich Beiträge zum Krankenhaus geleistet, aber es sollte durch den beschlossenen Nachtrag zur Gewerbesteuerordnung die Krankenhausleistung des Betriebes auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Schon in der oeschlußfassenden Sitzung der städtischen Kollegien drohte der dem Kollegium angehörende Vertreter oes Walzwerkes mit„schwerwiegenden Folge n", die eine Annahm« des Antrages dach sich ziehen würde. Jetzt hat das Werk tatsächlich diese Drohung ausgeführt, wie folgende Mitteilungen der„Peiner Zeitung" besagen: „Walzwerk und Stadtverwaltung. Die ausgebrochenen Dif- ferenzen zwischen der Verwaltung des Peiner Walzwerks und Sem Magistrat haben oer Direktion des Peiner Walzwerks An- laß zu einer veränderten Stellungnahme gegen- über ihren bisherigen Peiner Lieferanten gegeben. Während bisher die Peiner Geschäftswelt in erster Linie bei der Ver- gebnnq von Arbeiten berücksichtigt wurde, soll fortan nur allein das Interesse des Werkes wahrge- n o m m e n und außerdem die bisherigen Lieferanten nur in einzelnen Fällen herangezogen werden. Es gilt diese Maßnahme für alle Geschäfte ohne Ausnahme, und wenn der einzelne Liefe- rant nicht sogleich sie Folgen merkt, so wird er sie bei neuen Verhandlungen und Abschlüssen merken. Wir können mitteilen, daß einige der bisberigen Lieferanten bereits von der Maßregel betroffen sind." Tie Walzwcrkleitung, die den schärfsten Terror gegen die- jcnigen ihrer Arbeiter übt, die sich ihrer Organisation anschließen oder sich sonstwie im Interesse der Arbeiter betätigen, verlangt also von e-n«r Stadtverwaltung, daß sie sich ihren Wünschen fügt. Erfreulicherweise verharrt aber die Stadtberwaltung bei ihrem Beschluß, wie die Erklärungen des Bürgermeisters in der Sitzung der städtischen Kollegien am Sonn- abend zeigten. Die Stadt sei es sich schuldig, auf g e s e tz- lich er Basis das Walzwerk zu den Lasten heranzuziehen. Da nicht anzunehmen sei. daß der Direktion die öffentliche Meinung gleichgültig sei, glaube er nicht, daß das Walzwerk sich soweit vergessen könne, die Existenz von Peiner Bürgern zu bedrohen. Ein solches Mittel sei vollständig untauglich. Der Bürgermeister
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