Nr. 317.
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Vorwärts
Berliner Volksblatt.
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wegte sich ständig durch die Straßen, und nur die ständige Aufforderung, nicht stehen zu bleiben, erinnert an die ungewohnte Situation. Von 4 Uhr ab durchzogen wieder starke Militärpatrouillen mit umgehängtem Gewehr die Straßen.
Wenn die Kreuz- Zeitung " von einer Anarchie in Zabern | Militarismus gegen die geseklichen Ge- Ein Mann au Ottersweiler, der lediglich fragte, spricht, so trifft sie damit, wenn auch nicht in ihrem Sinne, walten handeln, wie sie bisher nur in wilden Ländern, ob ein vorübergehender Offizier der Leutnant von Forstner den Nagel auf den Kopf. Denn was sich in diesen lezten in Mittel- und Südamerika etwa, üblich waren, wo es ja sei, wurde von einer Patrouille verhaftet und auf die Wache Tagen in dem kleinen elsässischen Städtchen abgespielt hat, ist manchmal ein General fertig bringt, dem Präsidenten den geführt. Ein Gendarmeriewachtmeister, der den nichts anderes als Anarchie, nichts anderes als der offene Fehdehandschuh hinzuwerfen und das Banner der Rebellion Verhafteten als Vertreter der 3ibilpolizei für Kriegszustand. Nicht nur von dem Militär der Bevölkerung aufzupflanzen. Einen Staatsstreich nennt man das in sich beanspruchte, wurde abgewiesen. Dies und der Umstand, gegenüber ausgeübt, sondern auch der Kriegszustand, pro- jenen wilden" Ländern. Wir sind neugierig, wie die Regie- daß auch heute( Montag) wieder Militärpatrouillen durch flamiert und betätigt von der Militärgewalt gegenüber den rung die Zaberner Vorgänge am Mittwoch im Reichstage die Straßen ziehen, ist angesichts der Depeschen des KriegsZivilbehörden. Nach den neuesten Nachrichten besteht charakterisieren wird! nicht mehr der leiseste Zweifel, daß die Offiziere von Zabern ministers und des Reichskanzlers an den Bürgermeister nicht nur ohne jede Rücksicht und jeden vorherigen VerstänKnöpfler ganz unverständlich. Da Oberst von Reutter digungsversuch mit den Zivilbehörden eigen mächtig und heute früh in Straßburg weilte, ist anzunehmen, daß verfassungswidrig ihr vermeintliches Recht durchzuauch in diesem Falle sezen versucht haben, sondern daß sie im Gegensatz zu den Wünschen der Zivilbehörden vorgegangen sind.
Und zu
tag,
die
wieder im Einverständnis mit dem Straßburger Militärkommando
Der Reichskanzler über Zabern . Herr v. Bethmann Hollweg gab am Montag im Reichsin Beantwortung der Interpellation der Elsässer, über Vorgänge in Zabern , fogende Erklärung ab: Ich bin bereit, die Interpellation zu beantworten. Sie betrifft denselben Gegenstand wie die Interpellation der vorgegangen wurde. Oberst von Reutter steht auf dem StandFortschrittlichen Volkspartei, von der bisher zu erwarten punkt, daß die Ortspolizeibehörde nicht in genügender Weise war, daß sie nach Beendigung der ersten Etatslesung be- für den Schutz der Offiziere gesorgt habe, eine Auffaffung, handelt werden würde. Inzwischen haben sich in Zabern die von den Zivilbehörden auf Grund der amtlichen UnterVorgänge ereignet von so bedauerlicher suchung als gänzlich unhaltbar bezeichnet werden darf. Da Art, daß ich selbst den größten Wert darauf lege, bald- Oberst von Reutter offen erklärt hat, daß er lediglich auf möglichst dem Reichstage und dem Lande darüber Auskunft Grund seiner Instruktionen handele, scheint der zu geben und jeden Zweifel zu beseitigen, daß Fall immer mehr auf einen Konflikt zwischen dem General die Autorität der Gesetze ebenso geschützt von Deimling und der Straßburger Zivilverwaltung hinaus. wird wie die öffentliche Ordnung und die Autorität der zulaufen. öffentlichen Gewalt. Ich werde deshalb, sobald mir das
Eine offiziöse Nachricht versucht so darzustellen, als ob die unglaublichen militärischen Maßnahmen gegen ein oder zwei Duhend Jugendlicher, die" Volksaufläufe" inszeniert haben sollen, nur deshalb erfolgt wären, weil die Polizei versagt habe, weil gar keine Polizei da gewesen wäre, um ihrerseits Jagd auf ein paar junge Burschen zu machen, die die Herren Offiziere beleidigt" haben sollen. Schon diese Darstellung stellt die stärkste Zumutung an das Urteil der Deffentlichkeit. Denn so wenig wie irgendeine Zivilperson ist ein Offizier berechtigt, zur Selbsthilfe zu greifen. welcher Art Selbsthilfe! Man nehme nur an, daß eine burch ein Spottwort sich getränkt fühlende Zivilperson sofort einen Dolch aus dem Gewande zöge und mit geschwungener Waffe hinter dem Beleidiger her raje. Man nehme an, daß dieser beleidigte Zivilist etwa Mitglied einer Schüßen gilde wäre und nun schleunigst das gesamte Schüßenforps aufböte, daß mit scharf geladenen Gewehren auf den Straßen den Kriegszustand gegen die gesamte Bevölkerung proklamierte, das alle Bürger, darunter Staatsanwälte Wenn Worte überhaupt einen Sinn haben können, so und Richter, fortschleppte und in irgendeinen schmutzigen fann wohl des Reichskanzlers Erklärung, daß die Autorität Steller einsperrte. Natürlich würde in einem solchen Falle so- der Geseze geschützt werden solle, nur den Sinn fort die Feuerwache anrüden und die wildgewordenen haben, daß die Zaberner Militärdiftatur ein ernstliches NachSchüßenbrüder durch Kaltwasserbesprengung zur Besinnung zu spiel haben und fünftigen Versuchen ähnlicher Art unter allen bringen suchen. In Zabern freilich holten die Offiziere eine Umständen ein dicker Riegel vorgeschoben werden soll. Doch halbe Stompagnie Soldaten heran, die das Bajonett auf- wollen wir Herrn v. Bethmann Hollweg einstweilen den pflanzten und scharf laden mußten. Wäre ihnen die Feuer- Kommentar seiner Erklärung am Mittwoch selbst geben lassen. wehr entgegengetreten, so würden sie zweifellos mit blauen Bohnen dazivischen gepfeffert haben!
Ergebnis der sofort eingeleiteten Untersuchung vorliegt, Die Abführung der Gerichtsperfonen
lod
Aber das Säbelregiment des Militarismus herrschte ja nicht nur am Freitag in Zabern , sondern es übte das Schreckensregiment auch noch am Sonnabend und Sonntag aus, trotzdem ganz Deutschland , ja die ganze zibilisierte Welt über die am Freitag verübten Heldentaten die Hände über den Kopf zusammenschlug. Trogdem nicht nur die ganze bürgerliche Presse, mit Ausnahme etlicher Scharfmacherblätter, ihr höchstes Erstaunen und ihre schärfste Mißbilligung über das Säbelregiment in Zabern ausgesprochen hatte, sondern trotzdem auch die Zivil behörden von Zabern und Elsaß- Lothringen bereits Protest eingelegt hatten gegen die ungeheuerliche Säbeldiktatur, blieb es in Zabern bei dem Kriegszustand!"
Ihren Herrn Präsidenten bitten, die eventuell bereits be- wird nach dem B. T. von dem Landgerichtsrat Kalisch gonnene Etatslesung zu unterbrechen und die Interpellation folgendermaßen geschildert: fofort anf die Tagesordnung zu setzen. Ich hoffe, daß das Mittwoch möglich sein wird.
Eine militäroffiziöfe Ausrede?
Eine zu halboffiziösen Mitteilungen benutzte Korrespondenz meldet:
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"
,, Wir famen, fünf Juristen, aus der Sigung, als Soldaten den Weg sperrten. Im Dunkel sah ich, wie Leutnant v. Forstner, der nicht in Dienstuniform war, fich auf einen Jungen stürzte und ihn abführen ließ. Als Jurist bin ich der Meinung, daß ein militärisches Einschreiten nur beim Belagerungszustand oder möglich ist, wenn die Zivilverwaltung militärische Hilfe requiriert. Ich machte darum einen Offizier auf das ungesetzliche Verhalten aufmerksam. Plötzlich tauchte Leutnant Schadt mit einer Patrouille auf und ließ mich verhaften. Staatsanwalt Dr. Kleinböhme intervenierte, darauf wurde auch er für verhaftet erklärt. Als er feinen Namen nannte, ließ Leutnant Schadt von ihm ab mit dem Bemerken: hätten Sie sich doch gleich vorgestellt!" Fronisch fragte der Staatsanwalt: hängt es denn davon ab, was man ist, wenn man verhaftet wird?" Meine Kollegen folgten mir ins Schloß. Ein Teil von ihnen begab sich zum Landgerichtspräsidenten. Noch ehe dieser eintraf, wurde ich nach einer Unterredung mit Oberst Reutter auf freien Fuß gesetzt. Was am Zaberner Fall über seine lokale Bedeutung hinaus geht, ist die Ungesetzlichkeit des Vorgehens der Militärverwaltung. Der Kriegsminister beruft sich in seinem Telegramm an den Zaberner Bürgermeister auf das Generalkommando, das ihm ja nicht untersteht. Die Schuld an der Militärherrschaft liegt also bei Herrn v. Deimling."
Seitens des Generalfommandos in Straßburg find am Sonnabend und Sonntag eingehende Untersuchungen über die neuesten Zwischenfälle angestellt worden. Oberst v. Reutter hatte bereits aus freien Stücken am Sonnabend einen ausführlichen Bericht nach Straßburg gesandt, der seitens des Generalfommandos telegraphisch dem Kriegsminister mitgeteilt worden war. Darauf hin hat sich der Kriegsminister sofort zum Kaiser nach Donau eschingen begeben. Wie wir hören, soll Oberst v. Reutter auf dem Standpunkt stehen, daß die jüngsten Erzesse sorgfältig Soweit Herr Dr. Kalisch. Seine Darstellung findet vorbereitet worden sind und daß sie von einer bestimmten Stelle allgemeine Bestätigung. Die Bürger erklären, daß inszeniert werden, um die mißliebigen Offiziere aus Zabern noch nie eine so tiefe" Misstimmung geherrscht hat. zu entfernen. Es steht fest, daß die Offiziere sich am Freitag Zabern war bisher gut deutsch und frei von Nationalismus. feineswegs provokatorisch benommen haben und ohne Grund Bei der legten Reichstagswahl traten in Zabern nur altbeschimpft worden sind. Zu ihrem Schutze mußte die Wache deutsche Parteien auf. In der Stichwahl siegte der fort aufgeboten werden, weil Polizeibeamte nicht zur schrittliche Hospitant Roeser über den bisherigen ReichsStelle waren. Ein Anrufen der Zivilbehörden parteiler Hoeffel.
Ein Maffenproteft gegen die Vorgänge
Man hütete sich wohl, etwa den Belagerungszustand zu verhängen. Man war sich offenbar bewußt, daß das nach den bestehenden Verfassungsbestimmungen eine Un möglichkeit war, aber man beharrte bei dem Säbelregiment, das man einfach mit dem Rechte des Stärkeren dem Volke und den Behörden gegenüber etabliert hatte. Auch am Sonnabend und Sonntag durchzogen Militärpatrouillen mit aufgepflanztem Bajonett die Straßen der Stadt. Vergebens waren von Zivilbehörden Gendarmen in größerer Zahl requiriert worden, um der Militärbehörde jede Aus. rede zu nehmen, daß die Zivilmacht trotz ihres eventuell besten Willens außerstande sei, die Militärpersonen gegen Beleidigungen zu schützen. Vergebens ersuchten die Zivilbehörden die Militärbehörde, die Polizeigewalt doch verfassungsgemäß den Zivilbehörden zu überlassen. Man fümmerte sich einfach nicht um das Gesetz, man fühlte sich als den Träger des vornehmsten Rockes, als die Macht, die mun einmal ihre Macht ausüben fann, weil sie ja der stärkere Teil ist. Faustrecht nannte man das früher. Und wer sich einbildete, daß der Zustand und des französischen Nachbarvolkes in 3abern passen ganz in den des Fauftrechtes dem finsteren Mittelalter angehört habe, Die Provokationen der einheimischen Zivilbevölkerung den hat die mehrtägige Verhängung des Kriegszustandes über Zabern unter Nichtachtung aller verfassungsmäßigen BeDiese Ausreden verschlimmern für die Verantwort Rahmen dieses Armeekorps, dessen Chef, der ehemalige Hererostimmungen nun wohl eines besseren belehrt. lichen der Grzesse in Zabern noch den Tatbestand. Die Be- vertilger v. Deimling, hier im Grenzlande eine Hetrede nach der Eine Anarchie fürwahr! andern gegen Frankreich halten darf, ohne daß ihm ob dieses für Eine Anarchie, für tätigung des Kriegszustandes ohne vorherige in dieſem den Frieden so gefährlichen Treibens auch nur das geringste bie die Regierung, die höchsten Reichsbehörden von der Falle freilich völlig ungesetzliche! Prottamierung des BeMitschuld nicht freigesprochen werden fönnen, denn lagerungszustandes stellt eine doppelte Verfassungswidrigkeit dar. passiert. In der eingebrachten Resolution, die einstimmig angeSonnabend und Sonntag handelte es sich nicht mehr um Ganz unglaublich aber ist das märchenhafte Gerede von nommen wurde, erheben die Tausende vor der zivilisierten Welt v. Bethmann Hollweg , des Reiches Kanzler, und Herrlichen Ohnmacht der Polizei. Der ganze militäroffiziöse ringern, die er„ Wades" nennt, eine Geldprämie sehen kann, ohne eine leberrumpelung der ahnungslosen Reichsbehörden. Herr der" drohenden Haltung" der" Menge" und der angeb- Protest dagegen, daß ein Offizier der deutschen Armee bei der Instruktion der Retruten auf die Niederstechung von Elsaß- Lothv. Falkenhayn , der preußische Striegsminister, hatten Zeit Beschönigungsversuch läuft auf nichts anderes hinaus, als auf daß er auch nur von der Stätte dieser feudalen Heldentat versetzt ingern, die er„ Wades" nennt, eine Geldprämie seßen kann, ohne genug, die nötigen Maßnahmen zu treffen, resp. zu ver- die Proklamierung des Rechts des militärischen Absolutismus, daß er auch nur von der Stätte dieser feudalen Heldentat versetzt wird". Die Versammelten erklären sich sodann solidarisch mit der anlassen. Oder die Anarchie müßte nicht nur in Zabern der Militärdiktatur unter allen Umständen! in offener Verhöhnung von Recht und Gesetz vom Militär tyranni. geherrscht haben! Der Kriegszustand des Militarismus gegen fierten Zivilbevölkerung von Zabern und sprechen am Schlusse. der bie ordentlichen Staatsbehörden müßte sich auf das ganze Resolution aus, daß sie entschlossen sind, sich gegen die militärische Reich erstreckt haben. Ausreden kann es es hier nicht Dittatur in Elsaß- Lothringen , wenn ihr nicht alsbald ein Ziel geben. Es kann sich nur um die Auflehnung des großen und ganzen ruhig. Eine große Menge Fremder be- gesezt wird, mit allen Mitteln zur Wehr zu sehen, erforderlichen
tonnte angesichts der drohenden Haltung der Menge nicht erfolgen, zumal die Militärbehörde der Meinung ist, daß die Mittel der Zivilbehörde zur Unterdrückung größerer Exzesse nicht ausreichend feien. Die Militärbehörde hat es als ihre Pflicht erachtet, Beleidigungen von fand Sonntagvormittag auf Veranlassung unserer Partei in Mül. Offizieren und Mannschaften mit eigenen Mitteln zu verhindern. hausen i. E. statt. 7000 bis 8000 Personen aller Gesellschaftsklassen Die Militärbehörde kann nicht dulden, daß Offiziere beschimpft hatten sich in der gewaltigen neuen Markthalle versammelt, als von werden, nachträgliche Beschwerden bei der Zivilbehörde würden der einen Rednertribüne aus der Reichstagsabgeordnete 2. Emmel, aur Feststellung der Täter nicht führen. Von der Verhängung des von der anderen das Bezirkstagsmitglied A. Wicky mit ihrer Kritik Belagerungszustandes durch den Obersten des 99. Regiments fann den Storpskommandeur v. Deimling in Straßburg und dem Oberst des militärischen Systems einjeßten, das in Elsaß- Lothringen durch nicht die Rede sein. Ob der Oberst richtig gehandelt hat, v. Reutter mit dem Leutnant v. Forstner in Zabern so klassisch verwerden die näheren Untersuchungen ergeben. Der ausführliche Bericht des Generals von Deimling wird am Montag in Berlin erwartet.
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