Einzelbild herunterladen
 

Nr. 10.

Erscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Biertel: jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mM, wöchentlich 28 Big. frei in's haus. Einzelne Nummer 6 Bfg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags: Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuzs band: Deutschland   u. Defterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. ' n der Boit geitunas Breisliste für 1894 unter Nr. 6919.

Vorwärts

11. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins: und Bersammlungs: Anzeigen 20 Pig Inferate für die nächite Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Grpedition abgegeben werden. Die Grpedition ist an Wochen­tagen bis 7 Ubr Abends, an Gonne und Festtagen bis 9 1hr Vor­mittags geöffnet.

Fernspredjer: Amt I, 1508. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin  :

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Von den

französischen   Gewerkschaften.

Paris  , 11. Januar.

Sonnabend, den 13. Januar 1894. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Seit 1889 giebt das französische   Handelsministerium ein Jahrbuch, l'Annuaire des syndicats professionnels  ( Jahrbuch der Gewerkvereine), heraus, das ein Verzeichniß sämmtlicher Gewerkschaften und Gewerkschaftsverbände enthält und regel mäßig mit einem allgemeinen Bericht über die ganze Syndikats: bewegung eingeleitet wird. Das Jahrbuch für 1893 ist noch nicht erschienen, doch liegt bereits der allgemeine Bericht vor, den das " Journal officiell" dieser Tage veröffentlicht hat. Wenn es kaum zu leugnen ist, daß jede neue Gewerkschaft der um die Emanzi­pation der Arbeiterklasse kämpfenden Armee neue Schaaren zu führt, dann ist der vorliegende Bericht um so erfreulicher, als aus demselben ganz besonders das siete Machsen der Arbeiter­gewerkschaften hervortritt. So hat sich ihre Zahl im ab­gelaufenen Berichtsjahre um 337 vermehrt, wodurch die Gesammt zahl auf 1926 angewachsen ist, während anfangs Juli 1884, d. i. drei Monate nach Erlaß des Gesetzes über die Gewert schaften, es nur 68 derartige Organisationen gab. In den einzelnen Jahren stellt sich ihr Verhältniß wie folgt. Es be standen im Mehr als Mehr als im Vorjahre im Vorjahre

Jahre Arb.- Synd. 68

1884

1889

Jahre Arb.- Synd. 821

1885

221

158

1890

1006

1886

280

59

1891

1250

96 185 244

1887

501

221

1892

1589

839

725

1893

1926

887

1888

224

Eieht man vom Jahre 1885 ab, wo das Plus der Syndikate mehr auf die Unterwerfung der bis dahin ungefeßlich bestandenen Gewerkschaften unter das Syndikatsgesetz vom 21. März 1884 als auf deren Neubildung zurückzuführen ist, dann zeigt sich, daß ihre Zahl sich ganz besonders seit 1887 vermehrt, in welchem Jahre die erste Arbeitsbörse, nämlich die von Paris   eröffnet wurde. Die Arbeitsbörsen üben überhaupt einen bedeutenden Einfluß auf die Gewerkschaftsbewegung aus. Das zeigte sich auch im abgelaufenen Jahr, wo die Zunahme der Gewerkschaften in den Departements: Loire   inférieure, Aude  , Côte d'Or  , Charente  , Pas de Calais   und Ober- Loire mit den jüngst geschaffenen Arbeitsbörsen von Nantes  , Saint- Nazaire  , Carcassonne  , Dijon  , Angoulême  , Boulogne sur Mer   und Puy zusammenfällt. An der Spike der Departements, welche die meisten Gewerkschaften zählen, steht das Eeinedepartement mit 278. Ihm folgen mit 40 und mehr Gewerkschaften oder Arbeitersyndikaten, wie die Bezeichnung hierfür in Frankreich   lautet, die Departements: Rhône  , das 150 Gewerkschaften zählt, Bouches du Rhône 108, Loire   99, Nord 89, Gironde 84, Unter- Loire 69, Obergaronne 66, Ardennen 65, Seine inférieur 44 und Maine  - Loire  , das 40 Ge­werkschaften hat. Singegen besetzen aber, wie ebenfalls bemerkt werden muß, drei Departements: Niederalpen, Oberalpen und Lozère   feine einzige Gewerkschaft.

Von den Städten, welche die meisten Gewerkschaften zählen, steht Baris mit 262 an der Spitze. Weiter haben Lyon   118, Marseille   84, Toulouse   66, Bordeaux   61, Nantes   51, Saint- Etienne   41, Angers   und Lille   24, Algier   23, Grenoble   21,

Feuilleton.

Nachdrud verboten.]

Helene.

( Ale Rechte vorbehalten.

Rouen   20 Gewerkschaften. Ihnen folgen mit 10 bis inkl. 19 Ge-| doch nur den Verwaltungsausschuß des Unternehmerthums bildet, werkschaften: Dijon  , Roubaix  , Saint- Quentin  , Amiens  , Besançon  , die bedeutendste und einflußreichste unter ihnen, die Pariser   Ar­Limoges, Nimes  , Nancy  , Montpellier  , Toulon  , Saint- Nazaire  , beitsbörse, unter dem Jubel der ebenso feigen wie feilen Bour­Havre, Air, Tours, Roanne  , Orléans  , Calais  , Nizza  , Charleville  , geoispresje sperren ließ. Von dieser nun geschlossenen Börse ab­Troyes und Cette. gesehen, zählt Frankreich   gegenwärtig 28 Arbeitsbörsen. Dieselben vertheilen sich auf die folgenden Städte: Marseille  , Nizza  , Car­ cassonne  , Angoulême  , Cognac, Nîmes  , Dijon  , Toulouse  , Bordeaux  ( das 2 Arbeitsbörsen, eine vom Gemeinderath geschaffene und eine unabhängige besitzt), Béziers  , Montpellier  , Rennes  , Tours  , Roanne  , Puy, Nantes  , St. Nazaire  , Cahors  , Agen  , Villeneuve sur Lot  , Angers  , Cholet  , Boulogne sur Mer  , Lyon  , Boulogne sur Seine  , Toulon   und Algier  . Die Zahl der in ihnen sentralisirten Gewerkschaften beträgt 400. Die Arbeitsbörsen haben auch besonders viel zur Bildung von Arbeitsvermittlungs­Bureaus beigetragen, deren Zahl von 271 im Jahre 1892 auf 405 im abgelaufenen Jahre gestiegen ist, also um 134 zuge­nommen hat.

Was die Mitgliederzahl der einzelnen Arbeitersyndikate an­belangt, ist dieselbe natürlich eine sehr verschiedene. In zehn Kategorien eingetheilt, zählen: Arbeiter- Syndikate Mitglieder Arbeiter Syndikate Mitglieder

294

613

386

319 205

20 u. darunter 21-50

51-100

101-200

201-500

62

27

10

7 3

501-1000 1001-2000 2001-5000

5001-10000

Nach Industriegruppen vertheilt, entfallen die meisten Gewerkschaften auf die Bauindustrie, die 324 Gewerkschaften zählt. Ihr folgen die Metallindustrie mit 219, die Bekleidungs­industrie mit 213, die Buchindustrie( Papierarbeiter, Sezer, Drucker, Buchbinder 2c.) mit 168, die Textilindustrie mit 153, die Led erindustrie mit 93, die Nahrungsmittelindustrie mit 81, die Verkehrsindustrie mit 76, die Möbelindustrie mit 72, die Holzindustrie( Schiffbauer, Wagner, Böttcher, Kistenmacher) mit 69, die Montanindustrie mit 68, die Glas- und Thonindustrie mit 59, die Luxusindustrie( Gold, Silber, Uhren, Spielwaaren­fabrikation, Parfümerien 2c.) mit 41 Gewerkschaften. Von den übrigen Betrieben wären noch ganz besonders der Forstbetrieb zu erwähnen, da die in den Waldungen mit dem Fällen der Bäume, dem Echneiden, Hacken und Schichten der Hölzer beschäftigten Arbeiter 29 Syndikate bilden, deren Bestand die so erfreuliche Thatsache bekundet, daß die sozialistische Bewegung von den industriellen 3entren aufs Land hinauszutreten beginnt und nachdem sie basstädtische Proletariat für sich ge­wonnen hat, nun auch das ländliche Proletariat er greift. Das Hauptverdienst für die Bildung dieser Holzhauer­Syndikate fällt unserem Freunde Baudin  , dem sozialistischen  Abgeordneten von Bourges  ( Cherdepartement) zu; denn er war es, der die in geradezu revoltirender Weise ausgebeuteten Holz­hauer seines Departements, die sich ehedem nicht zu mucksen wagten, da sonst gleich auf Geheiß ihrer Ausbeuter die Gendarmerie erschien, um sie ins Loch zu stecken, vor ca. zwei Jahren zu organisiren begann und ihnen seither fiets und in aufopferndier Weise mit Rath und That zur Seite steht. Die felben haben denn auch in einer verhältnißmäßig furzen Beit ihre Löhne verdoppelt, ja selbst verdreifacht, was allerdings noch nicht viel sagen will, da sie vor ihrer Organisirung im Maximum nicht mehr als 64 Pfennige pro Tag verdienten. Aber immerhin gewährt ihnen diese Lohn­erhöhung, die freilich nicht ohne Streits errungen wurde, einen bedeutend menschlicheren Lebensunterhalt als früher. Was aber noch höher anzuschlagen wäre, ist, daß sie sich nun als Theile Aus dem Reichstag  . Im umgekehrten Verhältniß eines Ganzen, des um seine Emanzipation tämpfenden Proletariats fühlen und schon in ihrem eigenen Interesse dem sozialistischen zu dem Interesse, welches das Publikum dem Schicksal der Heere stets neue Refruten zuzuführen suchen. Die Holzhauer- Tabaksteuervorlage entgegen bringt, bekunden die Herren Synditate haben sich denn auch schon von dem Cherdepartement Reichsboten den Verhandlungen gegenüber eine Theilnahm­auf die Departements Loiret   und Nièvre verpflanzt und werden losigkeit die sich nachgerade skandalös ausnimmt. Nicht voraussichtlich noch weiter um sich greifen und durch ihre Erfolge 20 Mann waren heute auf der rechten Seite anwesend, immer mehr ländliche Proletarier anregen, sich zu organisiren ebenso große Lücken weist das Zentrum auf, während die resp. in die sozialistische Bewegung einzutreten. Linke etwas stärker vertreten ist.

10001 u. darüber Die Gesammtzahl der gewerkschaftlich organisirten Arbeiter betrug im abgelaufenen Jahre 402 125, was gegen das Jahr 1892, in welchem 288 770 Gewerkschaftsmitglieder gezählt wurden, eine Zunahme von 113 355 Mitgliedern ergiebt. Diese Steigerung erklärt denn auch die steigende Wuth der Unternehmerpreffe gegen die Arbeiter- Syndikate, deren Tyrannei" die Yves Guyot  und Konsorten ebenso wenig Ruhe läßt, wie die sozialistische Tyrannei". Aber sie werden sich schließlich doch in ihr Schicksal ergeben müssen. Denn die gewerkschaftliche wie die politische Organisation schreitet überall unaushaltsam vorwärts.

"

Politische Leberlicht.

Berlin  , den 12. Januar.

Wie die Gewerkschaften haben auch die Gewerkschafts­verbände an Zahl zugenommen. Während es im Jahre 1884 nur bietet, sind die Galerien überfüllt. Natürlich sind es vor Während so der Sigungssaal ein Bild troftloser Leere 10 solcher Verbande gab, betrug die Zahl im abgelaufenen Berichts- allem die Interessenten der Tabakbranche, welche sich ein­jahr 61, was gegen das vorausgegangene Jahr, das 47 Gewerk gefunden haben. Wir haben heute Vertreter der ersten schaftsverbände verzeichnet, eine Zunahme von 14 Verbänden er giebt. Gleichzeitig hat auch die Zahl der Arbeitsbörsen Zabaffirmen in den Foyers und auf den Tribünen gesehen zugenommen, die, wie schon oben erwähnt, einen so merklichen und besonders war es ein westfälischer Tabakindustrieller, Einfluß auf die Entwickelung der Gewerkschaftsbewegung hat. der sich die unsicheren Kantonisten aus den konservativen Es ist darum auch nicht zu verwundern, daß die Regierung, die Reihen vornahm, um sie in ihrem Widerstand zu bes

ihrigen neigend, fragte er sie lächelnd, ob sie es denn nicht hübsch und behaglich hier fäude.

Sie nickte. Sie wußte, er hatte alles hier angeordnet.

er sich auf die Lippe biß, um dann mit einer Nüance von Ungeduld zu erwidern: " Ich weiß es nicht, und es ist auch gleichgiltig."

-

Es war gewiß wunderschön, aber das hochhinaufreichende" Sieh', da liegt eine Karte bei wie parfümirt [ 15 Wandgetäfel, in dem die Thüre verschwand, und die sie ist!" dunklen Vorhänge, die kein Licht auffingen, dies alles Der Duft schien ihr unangenehm zu sein, aber ihre bedrückte und beengte sie, aber sie getraute sich's nicht zu Augen waren dreifter gewesen: Herr und Frau Lermina" sagen. las fie. Er nahm ihr die Karte aus der Hand.

Roman in zwei Bänden von Minua Kautsky. Sie waren aus dem Dorf herausgekommen, die Luft st rich frischer um ihre Wangen.

Da stiegen abermals dunkle massige Formen vor ihnen auf und wuchsen höher und höher.

Es waren die bewaldeten Berglehnen zwischen denen fie grade hineinführen.

Da kam das Mädchen mit einem zweiten Gericht herein und erzählte von den zahlreichen Blumenspenden, die heute angelangt waren und nun im Zimmer nebenan aufgestellt seien. Helene sprang empor.

Sie wollte sie sehen und bat so beweglich, daß er lächeld gewährte.

Und jezt die gurgelnden Töne eines rasch dahin fluthen­den Wassers; man passirte ein Brückchen, der Wagen machte Er öffnete die Thür des anstoßenden Gemaches. eine scharfe Biegung und hielt plöglich vor einem kleinen erleuchteten Hause.

Wir sind da," sagte Erich, endlich!" Rufe ertönten aus dem Junern des Hauses, Thüren öffneten sich, Lichter erschienen und fremde Gesichter.

Hilfebereit unter tonfusem Stottern und Knigen trat die Dienerschaft den Ankommenden entgegen.

Aber schon hatte Erich seine junge Frau aus dem Wagen gehoben und führte sie in das Haus.

Er lachte, daß er sie nun daheim hatte, für sich ganz allein.

Er schob das Stubenmädchen bei Seite und löste ihr selbst die Umhülle und den Kragen aus gefalteten Spitzen.

Er fragte fie, ob sie hungrig sei und freute sich, als sie bejahte.

In dem altdeutsch vertäfelten Speisezimmer war das Couper servirt; er legte ihr vor und füllte ihr Glas mit Champagner; aber sie fonnte nicht effen und nippte nur aus dem Glafe.

Er nahm ihre Hände, und seinen Kopf dicht an den

Eine Hängelampe erleuchtete den Tisch, auf welchem die Blumen dekorativ in Körben und Körbchen, in Vasen und auf seidenen Kissen geordnet waren und einen be­rauschenden Duft ausströmten.

Lene stand betroffen vor so viel Herrlichkeit. Wie schön!" flüsterte sie.

Ein übergroßer Strauß von Orchideen mußte besonders auffallen, Erich hatte ihn sofort bemerkt und seine Stirn runzelte sich im Verdruß.

Er drehte Lene geschickt herum, um ihre Aufmerkſam­feit nach einer anderen Richtung zu lenken, aber sie hatte ihn schon gesehen, und ehe er sich's versah, hielt sie den Strauß in den Händen.

" Sit dieser nicht der schönste von Allen?" fragte sie und betrachtete voll Interesse die großblüthigen, rosen­rothen und gelbbraunen Orchideen, phantastisch in der Form, blendend in ihrer Farben Pracht, gierig in ihrer aufsaugenden Fähigkeit, was sie umarmen, zu verzehren. Sie waren mit kleinen zarten Vergißmeinnicht gemischt, die völlig dazwischen verschwanden.

" Von wem ist der Strauß?" fragte sie so plöglich, daß

"

Es sind Freunde, ich habe sie in der letzten Zeit arg vernachlässigt und sie haben es mir nicht nachgetragen- das ist hübsch von ihnen."

als er die Karte in den Fingern hielt, mit den Lippen Ein eigenthümliches Lächeln umzuckte seinen Mund, den Namen Lermina aussprach und sie dann bei Seite schnellte. Es war

Seine Augen wandten sich seinem Weibe zu. der Blick des heißen, ungeftillten Verlangens, der Blick eines Hungernden, der die Kost, die seinen Appetit wahn­finnig gereizt, fich so lange versagen mußte, bis er sie recht­lich an sich gebracht. Sie war die Wonne, die er seit Monaten ersehnte und sie sollte ihn nun für alles ent schädigen, was er um ihretwillen verschmäht und von sich gewiesen hatte.

Lene zuckte unter diesen großen, blizenden Augen, die sich ihr voll und gerade zuwandten, zusammen; sie senkte die ihrigen, aber sie fühlte sie immer noch auf sich ruhen, sie beugte sich über die Blumen und vergrub ihr Gesicht in dieselben. Plöglich lehnte sie sich schwer an den Tisch und legte die Hand auf's Herz.

Was ist Dir?"

" Ich weiß es nicht, mir schwindelt." Das ist der Blumenduft, tomme von hier fort." Et trat auf sie zu, aber schon war sie nach der Thür gesprungen, die von hier nach dem Balkon führte und hatte sie auf­gerissen.