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hat der Minister kein Verständnis, denn daZ einzige, waZ er zu sagen wußte, war: Wir leben in Preußen! Das wissen wir auch ohne Herrn v. Schorlemer. Am Montag wird die Etatsberatung durch die Besprechung der freikonservativcn Interpellation über die Dienstbotenpersicheruiig unterbrochen. Zaber». Von den verurteilten Rekruten ist einer, der seinerzeit wegen unbefugter Bekanntgabe dienstlicher Mitteilungen an die' Presse be- ziehungsweise wegen UnterschreibenS der bekannten Mitteilungen an denElsässer" mit 43 Tagen Mittelarrest bestraft worden war, begnadigt worden. Er hat von der ihm zuerkannten Strafe bereits 29 Tage verbüßt. Auch die Nachricht, daß der fortschritt- liche Abgeordnete Burg er«Straßburg von der Militärbehörde zu einem Bericht aufgefordert und infolgedessen seinen Abschied als Neserveoberleutnant gegeben habe, bestätigt sich nicht. Dagegen soll einer Meldung des.Matin" zufolge der Stadt Z a b e r n zugemutet werden, gewisse Garantien zu leisten, damit ihr die Gnade, wieder eine Garnison zu erhalten, gewährt werde. Man verlangt das Ver- sprechen, daß die Militärs in Zukunft Iveder belästigt noch beleidigt werden. Von einer Garantie für die Zivilbevölkerung ist natürlich keine Rede.__ Herrn Delbrücks Beweise. Am Dienstag leistete sich der Staatssekretär Dr. Delbrück bei der Verhandlung seines Etats die folgende erstaunliche Ver- teidigung des Einfuhrscheinsystems: .Die Einfuhrscheine sind keine Ausfuhrprämien, soirdern geben lediglich die Möglichkeit, Getreide zum Weltmarkt- preise möglichst schnell abzusetzen. Die Ausfuhr von deutschem Roggen wird nicht ersetzt durch die Einfuhr ausländischen Roggens, sondern von Weizen. Der Verbranch von Weizen ist gestiegen und dadurch ergibt sich die Möglichkeit, Roggen auszuführen." Die Behauptungen des Staatssekretärs sind völlig unzutreffend. Die Weizeneinfuhr ist von 1905/6 bis 1912/13 von 26,15 Millionen Doppelzentner um 1,54 Millionen Doppelzentner auf 27,69 Millionen Doppel- zentner gestiegen, die Noggenausfuhr dagegen von 1,64 Mill. Doppelzentner nm 7 Millionen Doppelzentner auf 8.64 Mill. Doppelzentner. Es ergibt sich, dag die durch das Einfuhr- fcheinsystem formierte NoggenmehrauLsuhc fast fünfmal s o groß ist. als die Mehransfuhr von Weizen. Die Darstellring, daß die Roggenausfuhr durch die Weizeneinfuhr ausgeglichen wird, ist also em Unsinn vop wunderbarer Klarheit. Herr Delbrück   hat aber auch behaliptet, daß die Einfuhr- scheine keine Ausfuhrprämien darstellen. Der Mi- nister, der den Gesetzentwurf auf Aufhebung des Jdentitäts- Nachweises und die Begründung dcS EinfuhrfcheinsystemS in seiner heutigen Form rechtfertigte, Dr. M i q u e l, mar aller­dings einer anderen Ansicht. Er erklärte am 7. März 1894 auf eine Anfrage des Abgeordneten Nickert,daß der Bilndesrat von d er M ö g li ch ke it die Scheine als Zollgeld zu verwenden, keinen Gebrauch ni a ch e n tv ü r d e, in einem Zeitpunkt, wo die Äusfllhr die Einfuhr überschreitet und bares Geld aus der R e i ch S k a s s e zu­gezahlt werden müßte. In einem solchen Falle würde das Gesetz überhaupt ganz seinen Zweck verfehlen und wir würden dann allerdings ganz u n- berechtigte Ausfuhrprämien gewähre n." Und bei der zweiten Lesung des Gesetzes am 9. März 1894 unter- strich Dr. Miguel seine Erklärung vom 7. März mit den Worten,daß in dem Augenblicke, wo die Ausfuhr größer sein würde als�die Einfuhr, die Verwendung der Einfuhrscheine als Zollgcld aufhören müßte; darüber könnte nicht dex mindeste Zweifel sein." Im Jahre 1912 führte Deutschland   315 724 Tonnen Roggen ein und 797 317 Tonnen aus. Aber das Einfuhr- fcheinsystem, durch das nach den Worten des Finanzministers Der Zelözug in Frankreich  . Mit der Neberschreitung deS Rheins," schreibt John Holland Rose   in seiner Geschichte Napoleons  ,grisfen die Verbündeten nicht Napoleon  , sondern die französische   Revolution an." So war es in der Tat, denn abgesehen von den in Festungen eingeschloffenen französischen   Truppen war bis zum Ende des Jahres 1813 daS Hauptrampfziel Befreiung des deutschen   Bodens von den fremden Eroberern, auf der ganzen Linie erreicht. Wenn die Verbündeten ihre siegreichen Waffen über den Rhein   trugen, um in das Herz Frankreichs   vorzustoßen, Paris   zu besetzen und Napoleon   die Krone vom Kopf zu schlagen, so war das insofern ein ausgesprochen konterrevolutionäres Unternehmen, als eS schließ­lich mit der Wiederaufrichtung der Bourbonenwirtschaft enden mußte. Aber unter den Verbündeten herrschte durchaus keine ein- bellige Meinung über das Vordringen nach Frankreich  . Oester- reichs Viachthaber, an ihrer Spitze Metternich, unterstützt von der englischen   Regierung, sahen sich am Ziel ihrer Wünsche und konnten nur wenig mehr von einer Fortführung des Krieges er- warten, um so weniger, als sie dem russische» Zarismus einen höchst unerwünschten Machtzuwachs bringen mußte. Sie waren denn auch bereit, Ende 1813 mit Napoleon   aus Grundlage der Nheingrenze und zwei Monate später auf der Basis der Grenze von 1792 Frieden zu schließen. Der Zar Alerander dagegen drängte stürmisch nach Paris   und wollte nicht ruhen, bis der Thron der Napoleonideu zerschmettert am Boden läge, weniger aus eitler Ruhmlust, als weil er in dem schwedischen Kronprinzen Berna- bot t e einen ihm blindlings ergebenen Anwärter für die fran- zösische Krone befaß. Mit dem Zaren an einem Stricke zogen die kühnen Draufgänger in der preußischen Heeresleitung wie Blücher  , Gneisenau und G r o l m a n, und auch Frie­drich Wilhelm III., wenn cpuch schwankend und stolpernd, neigte sich der Meinung seines Freundes Alexander zu. Auf den Gang der kriegerischen Operationen mutzte dieser Zwiespalt hemmend und hindernd einwirken. Die Hauptarmee der Verbündeten setzte, aus der preußischen und russischen Garde, aus Batzern und Württembergern, aber in der Hauptsache aus Oester- reichern bestehend, unter dem Oberbefehl Schwarzenbergs  bei Basel   über den Rhein   und marschierte bedachtsam auf daS Plateau von Langres, das, als Wasserscheide dreier Meere, die wundersame Fähigkeit haben sollte, ganz Frankreich   zu beherrschen. Für einen so verwitterten Gamaschenknops wie de» vertrauten Be- ratec des Preußenkönigs, v. Knesebeck  , war es denn auch der Rubicon, der auf keinen Fall überschritten werden durfte, und auch das Oberkommando Schwarzenbergs   lieh sich nicht nur durch die Rücksichten auf Metternichs diplomatische und politische Pläne, sondern auch durch die Ueberlieferung des seligen Hof­kriegsrats zu Wien   bestimmen, einen geheimnisvollen strategifchen Krieg gegen Flüsse und Bergrücken zu führen, der mit der Be- sctzung des Plateaus von Langres   eigentlich beendigt war, statt mit keckem Angriff den Stier bei den Hörnern zu packen. .,B l ü ch e r und mehr noch G n e i s e n a u," schrieb mißbilligend der Oberfeldhcrr selber an seine geliebte Rani,treiben mit einer so wahrhaft kindischen Wut nach Paris  , daß sie alle Regeln des Kriege« mit Füßen treten. Ohne die Hauptstraße von Chalons  nach Nancy   mit einem bedeutenden Korps zu decken, laufen sie wie Dr. Miquelganz unberechtigte Ausfuhrprämien" gewährt werden, besteht noch immer. Aber Herr Delbrück   leugnet was Dr. Miquel als eine unumstößliche Tatsache zugab, und hütet sich, genau so das Wort des für das Gesetz verantwortlichen Ministers einzu- lösen, wie sich der preußische Ministerpräsident hütet, das Versprechen der Thronrede wahr zu machen, eine zeitgemäße Wahlrcfonn in Preußen durchzuführen. Ei» genialer Vorschlag. DerFall Stoecker" hat, wie man weiß, einiges Aufsehen erregt, da e-Z selbst in Preußen bisher nicht dagewesen war, daß einem völlig unbescholtenen jungen Manne der Berechtigungsschein zum Etnjäbrigendienst entzogen wurde, nur weil die Betätigung für die Sozialdemokratie moralisch minderwertig mache. Nach langem Zögern sieht sich auch dieKöln  . Ztg." Stoecker war Berichterstatter an unserem Kölner   Parleiblait genötigt, einen Leitartikel zu dem empörenden Falle zu veröffentlichen. Das nationalliberale Blatt ist so gnädig, uns nicht in Bausch und Bogen zu den moralisch Defekten werfen zu wollen: Man kann eifriger Gegner, ja ein Feind der Sozialdemo- kratie sein, mau kann die Sozialdemokratie als daö größle Uebel, die Agitation für sie als den schlimmsten Fehler ansehen daß dieser Fehler aber ein sittlicher Defekt, ein niorali scher Mange l sei, wird man jedenfalls generell nicht behaupten können." Sehr schmeichelhaft. Und nun kommt natürlich die energische Forderung, dem Sozialdemokraten Stoecker die rechtmäßig erworbene Berechtigung wiederzugeben und für die Folge Rechtswidrigkeiten zu unterlassen? I w o! Nur etwas anders soll die Entrechtung vor sich gehen. Man höre: Sind im m i l i t ä r i s ch e n Interesse entsprechende Vor­schriften über die Oualifikalion der Freiwilligen erforderlich, so möge man die Gesetze dabin ändern, daß der freiwillige Eintritt in das Heer oder in die Marine von der persönlichen Eignung des sich Meldenden abhängig ist, man ersetze also das Wort moralisch" durch das Wortpersönlich". Dann wird gegen die gewünschte Auslegung vom Standpunkt der Gesetzes- interpretation nichts zu erinnern fein." Das ist beinahe zu schlau, als daß man den Gedanken einem nationallibcralcn Gehirn zutrauen könnte. Wo mag dieser geniale Vorschlag ausgeheckt sein? Der Kriegsminister wird nach solchem Stichwort nun wohl endlich die Sprache wiederfinden, denn seit vier Monaten liegt ihm die Sache vor, und als am IS. Januar Genosse Hofrichter seine kleine Anfrage stellte, war die Angelegenheit noch nicht geprüft. Jetzt weiß v. Falkenhayn, was er zu ant- Worten hat!___ Die Wehrsteuer fließt viel reicher, als man angenommen hat. DieKölnische Zeitung  " wenigstens meldet, daß die Steuerbehörden über- rascht seien, weil die Einschätzungen allgemein erheblich höher ausfielen, als varher angenommen. Diese Erscheinung dürfte Vor allem auf den Generalpardon zurückzuführen sein, der zahlreiche Vermögen nachgewiesen hat, die bisher unver- steuert waren. Es dürfte deshalb vielleicht möglich sein, daß die dritte Quote zum einmaligen Wehrbeitrag nicht voll erhoben werde. Die Gemeinden würden durch diese Einschätzung erheblich höhere Einnahmen erzielen, ebenso der Staat für seine Steuern, Fürsorgeerziehung und Wucherpolitik. Der Satz, daß in der Hauptsache die sozialen Verhältnisse die Verbrechen verschulden, erfährt eine neue Bestätigung durch die soeben veröffentlichte Statistik über die Fürsorgeerziehung Minder- jähriger in Preußen für das Jahr 1912. Wie die Waisen und die unehelich Geborenen das verhältnismäßig größte Kontingent zur Zahl der Verbrecher uno der Prostitutertcu stelle», so finden sich unter ihnen auch die meisten Fürsorgezöglingc. Hatten doch von den 1912 der Fürsorgeerziehung überwiesenen 9999 Minder- jährigen nicht weniger als 4227 oder 42,7 Proz. bereits vor ihrem toll bis Brienne, ohne sich um ihren Rücken und Flanken zu be- kümmern, machen sie nur Entwürfe zu parti  « fines im Palais Royale." Blücher   nämlich hatte, während B ü l o w und Win- tzingerode Holland im Sturm leerfegten, am Neujahrstage 1814 bei Caub   den Rhein   überschritten und war, die auf dem Wege liegenden Festungen einschließend oder beobachtend, durch die Ar- dennen über Saarbrücken  , Metz   und Nancy   in die Champagne   ein- gerückt, aus der vor mehr als zwei Jahrzehnten, im ersten Kreuz- zug der Ostmächte gegen die französische   Revolution, die preußischen Truppen in so trostlosem Zustand zum Rhein   zurückgeflutet waren. Hier griff ihn Napoleon   am 29. Januar bei Brienne an, um seine Vereinigung mit der Armee Schwarzenbergs   zu hindern, doch trotz eines unbestrittenen Erfolges der Franzosen gelang es Blücher   am 1. Februar, unterstützt durch Truppen der Hauptarmee, bei La Rothiere den Kaiser zu werfen. Aber wäh. rend ihn diese Niederlage in trübste Stimmung verstrickte und er der Vollendung seines Schicksals verzweifelt ins Auge sah, weckte ein Fehler der Verbündeten plötzlich wieder den genialen Schlachten- meister von ehedem in seiner Seele. In der Heeresleitung der Verbündeten war endlich der Marsch auf Paris   beschloffen ioorden, aber während Blücher   seine Truppen ein paar Tagemärsche nach Norden vorschob, um dann nach Westen umzubiegen, sollte Schwarzen borg aus der Linie Bar-sur-Seine Sens gegen die französische   Hauptstadt operieren. Aber nur mit dem größten Unmut im Herzen setzte der Oesterreicher   den Feldzug fort, schon weil Metternich den am 5. Februar in Ehätillon zusammen­getretenen Friedenskongreß nicht durch ernstere kriegerische Er- eignisse zu stören wünschte. So blieb daS Haupthccr zögernd zurück, und mit seinen, alten Fcldherrnblick ersah Napoleon  seinen Vorteil, als BlücherS Heer beim raschen Vorrücken der linken Flankendeckung durch Schwarzenbergs   Truppen ent- behrte: Wie ein Panther sprang er blitzschnell dem Feinde an die Kehle und biß viermal zu, am 10. Februar bei Champeaubcrt, am 11. bei Moutmirrail, am 12. bei Chateau-Thierry   und am 14. bei Etojjes. Jeder dieser Kampftage schlug eine Abteilung des Blücher scheu Heeres aufs Haupt, EtogeS zwang gar den Marschall Vorwärts selbst, sich rückwärts zu wenden. Diese Erfolge erfüllten Napoleon   mit neuer Siegessicherheit und ließen ihn dem Ehätilloner Friedenskongreß ein Ende machen. Im Geiste sah er sich schon wieder jenseits des Rheines stehen und ganz sicher- lich stärkten die Februarsiege seinen moralischen Rückhalt im Lande. Als nämlich zu Ende des Jahres 1813 der Kaiser nach Paris  zurückkehrte, um neue Aushebungen und neue Rüstungen zu be- treiben, machte Frankreich   gar kein Hehl daraus, daß es des ewigen Krieges müde war. Handel und Gewerbe lagen danieder, auf den Aeckern wuchs das Unkraut, die Steuern waren maßlos erhöht worden, die Staatspapiere sanken von Tag zu Tag in dem- selben Tempo, wie die Lebensmittelpreise stiegen, und selbst die Gehälter und Pensionen wurden nicht mehr voll ausbezahlt was wunder, daß die mißgestimmte Bourgeoisie ihren Willen zur Fahnenflucht kundgab und ihre Sprecher im gesetzgebenden Körper, die Raynouard  , Gallois   und Flaugerqueö, zum erstenmal eine energische Sprache gegen den Cäsar zu führen wagten. Tie bourbonisch gesinnten Aristokraten gar sahen aus dem Unglück des Baterlandes ihr Heil emporblühen und wie sie im Faubourg Saint-Germain auf das nahe Ende des Verhaßten 14. Lebensjahre den Vater oder die Mutter oder beide Eltern der» loren, davon 10,2 Proz. dadurch, daß der eine Elternteil die Familie verließ! Hinzu kommen noch 1367 unehelich Geborene, die meist der Wohltat einer geordneten Erziehung in, Elternhause entbehren mußten. Mithin waren 3604 Kinder 56,6 Proz. vor der Uebernahme in die Fürsorgeerziehung teils sich selber über- lassen, teils fremder Obhut anvertraut gewesen. Von den anderen Kindern entstammte ein großer Prozentsatz Familien, in denen der Vater oder die Mutter, oft auch beide Eltern, mit den Strafgesetzen in Konflikt geraten waren. Nimmt man an, daß in diesen Fällen die Eltern einen ungünstige» Einfluß auf ihre Kinder ausgeübt hoben, so bleiben noch die zahllosen Kliider übrig, denen eS infolge der durch die Art der Arbeit bedingten Abwesenheit der Eltern von ihrer Häuslichkeit an der nötigen Aufsicht gefehlt hat. Tiefen Grund erkennt auch die offizielle Statistik als durchschlagend an, aber anstatt die Bestrebungen des Proletariats auf eine Verkür» zung der Arbeitszeit und namentlich auf Erhöhung der Löhne zu unterstützen, damit die Frauen nicht gezwungen sind, zur Bestrei- tung des Lebensunterhalts mit zu verdienen, sondern sich der Er- ziebung ihrer Kinder widmen können, verweist der Bericht auf die Notwendigkeit einer stärkeren Entfaltung der Schutzarbeit der freien Liebestätigkeit. Wir sind die letzten, die den Wert der freien Lisbestätigkeit, vorausgesetzt, daß sie ohne Sonderinteresscn, ohne Rücksicht auf Religion und Politik, ausgeübt wird, verkennen, aber die freie Liedestätigkeit darf immer nur als Ersatz einspringen. In erster Linie sind Staat und Gemeinden verpflichtet, ihre sozialen Aus- gaben zu erfüllen. Wenn wir hören, daß 50 Mütter des Jahrgangs 1912, von denen 66 Fünsorgezöglinge abstammen, unter Sitten- kontrolle standen und daß fast der dritte Teil aller Zöglinge Eltern mit lasterhaften Neigungen oder geistig minderwertige Eltern hatten, so zeigt das, wo der Hebel anzusetzen ist. Geradezu vernichtend aber ist das Urteil, das die Statistik, wenn auch nur indirekt, über unsere die Lebenshaltung verteuernde W'rtschafts- Politik fällt; sie weist nach, daß von den Eltern, deren Kinder der Fürsorgeerziehung überwiesen sind, mehr als die Hälfte, nämlich 54,7 Proz. ein Einkommen von weniger als 900 M. und weitere 83,1 Proz. ein solches von 900 bis 1500 M. hatten. 5,4 Proz. waren überhaupt ohne Einkommen. Nur 0,3 Proz. hatten ein Einkommen von 3000 bis 6000 M. und nur 0,1 Proz. mehr als 0000 M. Mit abnvhmeiidem Einkommen wird also die Möglichkeit einer ord­nungsmäßigen Kindererziehung erschwert. Daß die offizielle Statistik diese Binsenwahrheit ausdrücklich konstatiert, wäre eigentlich überflüssig. Weit wichtiger erschein! uns dagegen die Tatsache, daß seit dem Jahre 1901 der Prozentsatz der Familien mit einem Einkommen von 9001500 M., deren Kinder in Fürsorgeerziehung gegeben ist, ständig steigt, während der Prozentsatz der Familien mit unter 900 M. Einkommen in dem gleichen Maße gesunken ist. Das ist ein Beweis für die auch in sittlicher Beziehung so unheilvoll wirkende Politik der Ver- teuerung der Lebensmittel. WüÄe die preußische Rc- gierung ihren Einfluß im Bundesrat nach der Richtung hin geltend machen, daß mit dieser Politik gebrochen wird, dann könnte sie die rund 10 Millionen sparen, die sie nach dsm neuen Etat allein an Zuschüffen an die Kommunalverbündc zur Ausführung des Für- sorgeerziehungSgesetzeS ausgibt, eine Summe, die von Jahr zu Jahr größer wird. In diesem Etat wird wieder eine Million mehr gefordert als im Jahre 1913, und zwar wird der Mehrbedarf be- gründet mit der durch die allgemeine Steigerung der Lebensmittel- preise bedingten Erhöhung der P f l e g e g e l d 1 ä tz e für die !,ürsorg«zöglinge und mit der weiteren Zunahme der Zähl der- selben. Mit dieser Begründung, die an sich einwandfrei ist, spottet die Regierung ihrer selbst und weiß n i ch t w i«._ Ttreikjustiz. Kurz vor WeihnaSten setzle der Unternehmer Richter au« Ragnit  , der üi Tilsit die Arbeiten am Güterbahnhof übernommen hone, die Stundenlöhne der Arbeiter von 88 auf 34 Pf. herab. Ein Teil der Arbeiter war damit»ichl zufrieden und versuchte, die anderen Ar- beiler zur Niederlegung der Arbeit zu bewegen. Einige beleidigten und bedrohten die Arbeitswilligen, und der Arbeiter Vinceck mißbai» delle in seiner Erregung sogar zwei Arbeiter. Dafür wurde er zu 8 Moilaten Gefängnis verurteilt. Ein Monat wurde ihm von der Untersuchungshaft angerechnet. Die Aufhebung des Ar« beilswilligeir-HaftbefehlS wurde abgelehnt. Drei Arbeiter erhielten je zehn Tage und zwei Arbeiter je eine Woche Gefängnis. Und da« bei schreien die Scharsmacher nach strengeren Straten! tranken, begrüßten sie in den vom Feind besetzten Gebieten die fremden Herren freudig als die Wiederhersteller der Legitimität. Aber auch die Bauern hingen dem Manne, der letzten Endes doch immer ein Bauernkaiser gewesen, nicht mehr unbedingt an. Re- belliertcn sie auch nicht gegen ihn, so war doch an die Stelle der früheren Begeisterung eine dumpfe Ergebung getreten. So wurden die Steuern mit den größten Schwierigkeiten eingetrieben und statt daß der Geist von 1792 Freiwillige auf die Beine gebracht hätte, flohen die Ausgehobenen zum größten Teile alsRefrak- täre" in die Wälder. Zwischen Troyes   und Noyent verschwanden vom 3. bis zum 5. Februar 6000 AuSgehobene spurlos, und sogar unter den Triariern Napoleons  , in der alten Garde, waren Desertionen nichts Seltenes. Dazu fehlte es allenthalben, so über- raschend schnell war der Einbruch der Verbündeten erfolgt, an Vorräten, Munition und Ausrüstungsgegcnständen, die Arsenale waren leer, in manchen Truppenkörpcrn entfiel auf je zwei Mann eine Flinte. Aber wo es Napoleon   gelang, die neu ausgehobene junge Mannschaft zur Vaterlandsliebe und Opfermut hinzuretßcu, schlugen sich diese ungeübten, kaum einexerzierten, schlecht ge« kleideten und schlecht bewaffneten Milchbärte wie alte Helden. Aus solchen Milchbärte», die kaum reiten konnten, bestanden die- rassiere, die bei Valjouan fünf feindliche Eskadronen über den Haufen ritten, solche Milchbärte waren die Jäger zu Pferde, die in den Straßen von Montercau die Oefterreicher zu Paaren trieben, solche Milchbärte das 28. Infanterieregiment, das in der Schlacht von Bac-sur-Aube nur mit dem Bajonett den Wald von Levigliy, einer gegen vier, verteidigte, ebenso wie das 14. Regiment der jungen Garde, das sich bei Craonne  , überschüttet von feindlichen Stückkugeln, drei Stunden auf einem Hügelkamm hielt und von 920 Mann 650 verlor! Wenn die Waffentaten, die Napoleon  mit diesen schnell zusammengerafften Haufen erzielte, einen Um- schwung der öffentlichen Meinung zugunsten des Kaisers zuwege brachten, so trugen ebenso viel dazu die vandalischen Taten der Ver­bündeten bei. Unbeschadet der papiernen Versprechungen, die in schönen Pro- klamationen der Verbündeten den französischen   Bürgern Leben und Ekgentui» gewährleistete», hatte der Krieg in Feindesland bei den Siegern bald alle viehischen Triebe wachgetitzelt. Es war noch das Geringste, daß die Heere der verbündeten Monarchen Dörfer und Städte ratzekahl geplündert hinter sich ließen, darüber hinaus stand Raub, Mißhandlung, Totschlag und Notzucht auf der Tages- ordnung.«Der Schrecken," schrieb Gneisenau,geht vor uns her und Hungersnot folgt uns." Mit den Kosaken, Baschkiren und Kalmücken wetteiferten preußische Regimenter in der Entfesselung der Bestie im Menschen General jy o r k donnerte die Offiziere seines Korps, das gelegentlich in einer Nacht zu ChalonS   57 00» Flaschen Champagner aus trank, einmal an:Ich glaubte die Ehre zu haben, ein preußisches Armeekorps zu kammandieren. ich kommandiere aber eine Räuberbande." Und wenn die preußische Heeresleitung vorwärts drängte, so nicht zuletzt, weil sie fürchtete, durch Plünderung und Missetat werde bei längerem Verweilen das Volk zur Wiedervergeltung aufgestachelt:Stehn wihr und zaudern," schrieb Blücher   im Februar,«so zehren wir alles us und bringe» daß voll! zur verzwcifflung und alles steht in masse wider uns uf." Aber dieser Volkskrieg toar nicht mehr zu vermeiden: mit wilden Grausamkeiten antwortete er auf die schändlichen Greuel, die Russen, Preußen und Oesterreicher   ins Land getragen.