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das tzaus öes pöre Lraöin. Von Wilhelm Michel  . Unser Freund, der Pariser  , hatte uns für den Abend etwas ganz Exquisites versprochen. EinigeApaäxnrbälle" waren schon erledigt: anständiger bürgerlicher Verkchrston, tadellose Exaktheit der Tänze. Aiützen und Cachencz zwar allerorten, aber sonst nichts Aufregendes und Ausgefallenes, außer etwa dem seltsamen Götzenbilde der lömwe-arabestrk-, die kunstvoll frisiert in emem kanzelartigen Verschlag an der Wand steckte und eine schrille Geige bändigte, während sie mit den Füßen eine Art Trommel betrieb. Jetzt kamen wir an den Porte St. Denis   vorüber und bogen in eine Seitenstraße ein. Da war es dunkel und still, trotz der frühen Nachtstunde. An den Straßenecken nur hie und da die typischen und lautlosen Gestalten, die nran erst für Schatten oder tote Gegenstände hält, bis beim Vorüber- gehen die weißen Augäpfel leuchten. Sie warten auf etwas, lief in Lumpen gemummt, oder sie zählen schmutzige Kupfer- stücke aus einer Hand in die andere, und streifen den Vorüber- gehenden mit Blicken, die aus irgend einem unbekannten Ab- grund kommen. An eingepreßten Häusern gingen wir hin. Der Pariser blieb stehen und drückte, wie es mir schien, gegen die schwarte Mauer. Aber es war eine Tür, die sich öffnete. Wir traten ein. Ein Schanklokal, Destillengeruch, trübe Petroleumlichter, undeutliche Winkel und eine sonderbare Stille. Da glänzte zunächst der Schanktisch mit dem stumpfen Glänze des Zink- blechs, und hinter ihm wuchs mit Stöhnen und Schnauben ein Mensch auf, den man sich n&it gut im hellen Tageslicht hätte denken können. Ein seehundartiger Fleischklumpen von einem Patron, bleich, aufgeschwemmt, schnauzbärtig. Mit zwei, drei Bewegungen, von Grunzen begleitet, hatte er von jedem einen Franken eingestrichen. Und mittlerweile wurden wir gewahr, daß der Raum mit Menschen vollgepfropft war. Ein Sausen war zu hören, wie von vielen Blasebälgen, ein Rassel und leiseS Fauchen, das den Raum ganz ausfüllte. Ein hemdsärmeliger Gargon kam mit einer Laterne, stellte sich neben uns aui und hielt sie hoch. Tie vielen eingemummten Gestalten, die Sauser und Raßler, waren Menschen. Sie saßen auf Bänken ohne Lehne an schnialen Tischen, hatten Arme und Köpfe auf die PlaAe gelegt und schliefen. Die Rücken hatten sie gewaltig ge- krümmt. Ein regelloses Gewirre von Beinen und Füßen war unter den Bänken. An vierzig Menschen saßen da und schliefen. Keiner rührte sich. Nur der Atem sauste schwer in der zehnmal verbrauchten Luft. Wir sahen und dachten nichts. Es war ja ein Schaustück, zu dem wir geladen waren. Aber das Lächeln, mit dem wir uns gegenseitig unser Staunen quittierten, fiel etwas ge- zwungen aus. Ter Pariser winkte und der Garyon ging voran zu einer Treppe, die in die Höhe führte. Ticke, schweißige Mauern? in einer Art Benommenheit gingen wir die Treppe hinauf. Da waren zwei im Winkel aneinanderstoßende niedere Säle. mit je einer Petroleumlampe erleuchtet, von je eineni langen schmalen Tisch durchzogen, und gleich den, unteren Rauine mit lautlosen Schlafenden angefüllt. Bis in den letzten Winkel. Kopf an Kopf lag auf dem Tische, Rücken an Rücken folgte auf den lehnenlosen Bänken, reglos, versteinert. Rur  das Sausen und leise Rasseln und unsere gepreßten Atem- züge. Kyffhäuser  , daö schlafende Heer und andere deutsche Tmge gingen mir durch den Kopf. Ter Sinn für die Wirk- lichteit dieses Anblicks war mir schon irgendwie getrübt. Ich war wie in ein Bild getreten. Diese grauen namenlosen Ge- stalten waren die Verwünschten aus einem finsteren Märchen. Ich faßte nur die regelmäßige Wiederholung, den starken Rhythmus dieser endlosen Reihe gekrümmter Rücken auf. und dieser Köpfe, die wie abgeschlagen, dinghaft ruhig und unbel'bt, Kohlköpfe, nebeneinander lagen. Hundertmal die­selbe Geste wiederholt, mit geringen Abweichungen, die nur die Regelmäßigkeit des Hauptmotivs dem Geiste schmerz- hafter einbohrten. Auf den meisten der Köpfe hingen die schmutzigen Mützen. Die ungeheuren Wülste der wollenen Halstücher rahmten sie ein. reckten sich an den Pforten empor, mit Schildern, darauf in großer Schrift stand: Privatbesitz! Eintritt streng verboten! Darüber murrte wohl mancher, der früher gern auf diesen Pfaden gewandelt war und sich an Wald und Meer erquickt hatte, darüber murrten vor allem die Fischer, die nun einen großen Ilm- weg machen mußten, wenn sie vom Strande nach Hause gehen wollten oder umgekehrt. Ter Besitzer lachte darüber.Es hat mein Geld gekostet," sagte er, und das glaubte er wirtlich..Niemand und nichts soll ohne meine Einwilligung hier eintreten!" Und so, im Bewußtsein seiner Macht, saß er im Sommer oben auf der Veranda vor seinem Palast, blickte behaglich auf das sonnige, schimmernde Meer hinaus und freute sich seiner lasttragenden Geduld. Und wenn sich einmal ein scharfer Wind erhob, dann schloß er die Veranda und lachte über die Ohnmacht der Wellen, die den breiten Strand überspülten, aber das eiserne Gitter bei weitem nicht erreichten. ES gab zuweilen Aengstliche in seiner Gesellschaft, die sagten: Das Meer ist unheimlich auch in seiner Ruhe? denn man weiß nicht, wie döse es werden kann!" Und mit leisem Schauer und ver- lorenem Blick setzten sie hinzu:W enn einmal" Er ließ sie nicht ausreden und lachte:Ja, wenn mein Haus da unten stünde! Aber hier oben? Du lieber Gott  ! Mag das Aleer schimpfen, wenn's ihn: Spaß macht. Meine Betonmauern sind dick und fest. Außerdem aber," er wies lachend auf den eisernen Pfahl unten an der Pforte:Privatbesitz  ! Eintritt verboten!" Da lachten auch die anderen befteit auf und bewunderten seine Furchtlosigkeit. * Der Sommer verging. ES kam der Herbst und brachte stärkere Winde. Weiter, viel weiter als im Sommer rauschte die Flut über den Strand. Von den Sandburgen der Kinder war schon längst keine Spur mehr. Glatt und eben dehnte sich das sandige Ufer bis zu den niedrigen Vordünen hinauf, auf denen der dürre Stra>fd- Hafer und hier und da eine verkümmerte Weide im Winde seufzte. Es wurde Winter, wurde Weihnacht. Schnee rieselte nieder. Tagelang. Unruhig wogte die See. Heute leckte sie bis auf die Dordünen hinauf, morgen sank sie wieder wie matt zurück Eine» Tages aber kam ein Mann in langen, schweren Wasser- stiefeln aus dem Fischerdorfe herauf, ging zu dem Mast, der unten am Strande   in der Erde steht und hißte einen großen schwarzen Ball am Mast empor. Da fuhren die Fischer nicht hinaus, und die draußen waren und den Ball vom Wasser aus sahen, hoben ihre Netze und kehrten schleunigst heim; denn alle wußten: Nun kommt fcgg Sturm. Unvermerkt war ich schon an der natürlichen Regung des Mitleids vorbeigeraten in das dunkle Land, das dahinter liegt. Ich hatte eine trübe Bewunderung für den Formgeist dieser Stadt, die selbst das Elend noch so rhythmisch gestaltet. Und konnte doch plötzlich fühlen, wie das Blut in den ge- klemmten Arterien dieser verkrümmten Körper sich staute, wie die Lungen sich gegen die verpestete Luft sträubten. Beim Zurücktreten stieß ich mit dem Fuß an eineu, der aus dem Boden log. Er schrak auf und ich erwartete ein Schimpfwort. Aber er, in seinem Schlaf auf nacktem Stein- boden durch einen Fußtritt aufgestört von einem, der für das Besehen dieses Elends einen Betrag bezahlt hätte, um den er sich zwei Nächte in einem Bette hätte kaufen können, er zog die Mütze und murmelte eine Art Entschuldigung. Ich zitterte und gab ihm eine Handvoll Zigaretten, schämte mich dieser Gabe, zog den Hut und ging weiter die zweite Treppe hinauf. Das kalte verschlossene Gesicht des Parisers fiel mir im Licht- schein der Laterne aus. Es ging an Schlafenden vorbei, über Schlafende hinweg. Sie lagen in den Winkeln der Steintreppe, den Kopf auf die Stufen gebettet. Sie lehnten am Geländer, staken in finsteren Gittern, die für Hunde gedient haben mochten. Und droben im zweiten Stockwerke saßen sie wieder an langen Tischen, lange Reihen von Rücken und Köpfen, die sich undeutlich im Finstern verloren, lautlos, ohne Regung, feierlich versteint und verwünscht. Dann ging es zum Dachgeschoß, wo Jahr- hunderte altes Gebälk in undurchdringliches Dunkel hinauf- wuchs: nirgends ein Winkel, in dem nicht ein Mensch zu- sammengekrünrmt hockte und schlief. Uebereinandergeworfen wie Speicherkram und zerfallene Möbelstücke lagen sie, zu grotesken Gruppen zusammengebaut. Alles atmete in diesem höllischen Hause? alles war Mensch: der Fußboden, die finster- sten Winkel. Hände, Füße, Köpfe, Leiber, wohin wir blickten. Die Luft war wie die eines Bärenzwingers. Ich dachte an die Welt zurück, die draußen lag, die strahlenden Boulevards, die lichtdurchschäumten Cafss: Niemals, so schien es, konnte man dahin zurückgelangen. Wir stiegen hinab, der Garyon mit der Laterne immer voran. Jetzt streckten sich aus allen Winkeln lautlos Hände hervor, in die wir Zigaretten und Soustücke legten, als sei das so verabredet und wir zu dieser Verrichtung bestellt. Und während wir mit zitternden Händen in unseren Taschen nach mehr von diesen Dingen suchten, führte uns der Garyon unten über ein offenes Gitter im Fußboden hinweg, durch das man in einen erleuchteten Keller hinabblickte. War es mög- lich? Ich sah in der Tiefe, gerade unter meinen Füßen, einen Teil von einem Tisch, daraus vier Köpfe von Schlafen- den. zwei von rechts und zwei von links. Zwischen zyklopischen Mauern durchschritten wir enge Gänge, feuchter, verdorbener Brodem schlug von unten herauf. Kalte schmale Ste'mtreppen, dann triefende Gewölbe, nach allen Seiten laufend, und über- all Tische und Bänke mit schlafenden Menschen. Diese grauem- volle sllegelmäßigkeit. diese schreckliche Ordnung. Und als wir entsetzt und selbst das Herz kaum mehr bändigend, zurück- wichen, ging der Garyon stumm hinaus, aber nicht in die Höhe, sondern wieder endlose Steintreppen in die Tiefe der Erde hinunter, wo schon das donnerähnliche Dröhnen der Metro sehr nahe klang. Wieder waren dktz Gewölbe voll Sausen und Rasseln des Atems von Elenden, der Schluß- gesang in dieser höllischen Epopöe der gekrümmten Rücken, der regelmäßig nebeneinander hingelagerten Köpfe, der in- einander verkrampfen Gliedmaßen. Unsere Fassung war dahin. Ich weinte. Dem Pariser war eine deutliche Bresche in die kraus urbaua geschlagen. Sorgsam leuchtete der Führer noch in ein finsteres Loch an der Mauer, etwa von der Höhe, daß ein Hund aufrecht hätte hineingehen können. Ich sah nicht mehr hin. Ich wußte, auch da drinnen steckten Menschen, denen die ungeheure Stadt nicht das bißähen Raum zum Ausstrecken ihrer Glieder bieten konnte. Auch da drinnen inußten sie sitzen wie die Toten im Kockergrabe, mit schmerzhaft gekleinmten Adern, die Knie zur Brust gezogen, um den Schlaf zu finden, das Vergessen... Und im Hinaufsteigen trat mir die wahnwitzige Raum- Vergeudung des neuen Paris   vor dem Geist: das prahlende unabsehbare Hinausfliehen der prunktvollen Avenue», dieser Amazonenströme des Verkehrs, die ungezähmte Ebene der Place de la Concorde  , die schlotstarrende Riesenbauten wie Und am gleichen Tage flammte oben in dem großen Hause auf der Düne das elektrische Licht auf. Der Herr war mit seiner Frau gekommen, um einmal das Winterspiel der Wellen zu sehen. Er stand in der geheizten Veranda und sah mit einem Fernrohr auf die bewegte Flut hinaus. Wie interessant I" sagte er. Und seine Frau fügte hinzu: Sehr interessant!" Die Dünung der See ward kürzer, die Wellen schwollen auf, und schaumiger spritzte der Gischt an den Vordünen empor. Die Abenddämmerung mischte sich mit dem Schnee, der in unzähligen Flockenwirbeln die Luft erfüllte und plötzlich fuhr ein Schlag gegen das Haus, daß das Gebälk der Veranda wie im Schreck auf- ächzte und bebte. Ter Schnee klatschte in Fladen gegen die Fenster, und jede einzelne Scheibe erzitterte. Tie Frau dcS Hauses erschrak und sagte furchtsam:Tie See kommt!" Er lachte verächtlich:Meine Betonmauern!" Und er versuchte hinabzusehen, um das zu schauen, wa» da unten vorging. Aber vor seinen Augen tanzte nur ein wildes Heer von Flocken, und die See schien ein einziger Gischt geworden, der mit wilder Wucht heranstürmte. Er leckte über die niedrigen Vor- düncn, verschlang sie, löste sie auf und bildete untckl an der Mauer einen tosenden, tanzenden, gelben Strudel. Und während unten die See wütete, folgte oben ein Sturmstoß dem anderen. Die erste Scheibe brach und fiel klirrend zu Boden; die zweite folgte sofort hinterher, und eine Sekunde später flog ein ganzer Flügel aus dem Rahmen und splitterte krachend ins Haus. Die Frau schrie auf und flüchtete. Er folgte ihr fluchend. TaS Licht erlosch. Finsternis umgab sie in allen Räumen. Kurzschluß!" sagte er, rief die Dienerschaft und ließ Kerzen bringen. Aber der Sturm verfolgte sie. Mit tausend Fäusten häinmerte er gegen das Haus und schüttelte es. Er warf erst einen Ziegel aus dem Dach und dann einen zweiten. Und als er seine Hand erst hineinstecken konnte, ergriff er gleich ein paar Sparren auf einmal, brach sie in Splitter und polterte damit auf dem Boden umher. Von der Decke des Schlafzimmers stürzte der Kalk, und der Kronleuchter wiegte sich hin und her. Der Styirm knickte eine hundertjährige Kiefer und warf sie donnernd gegen das Haus. Er tobte um alle Fenster, heulte im Schornstein und klapperte mit den Türen. Tie Düne zitterte von den Schlägen des heranrufenden MeereS, und das Haus bebte von den Grundmauern bis zum Dachfirst. Jetzt bricht es sich die Zähne an meinen Bctonmauern aus!" lachte grimmig der Mann. meösre Hügel eingrenzen, die riesigen Höfe des Louvre, der Bois de Boulogne  , der Tummelplatz pfeilschneller Reit­pferde und sausender Automobile. Ein Ovferbedürfnis. das Gefühl grenzenlos-:'.- Ohnmacht, unvernünftiger Zorn hatten mich ganz in der Gewalt. Und ein ruhiges, heimliches Wissen: Zusammengekrümmt und verknault wie asiatische Götzenbilder müssen diese Drei» hundert, in stinkende Gewölbe gepfercht, allnächtlich tief unter der Erde hocken. Und aus verknoteten Körpern steigen gual- volle Druckempfindungen Nacht für Nackt als böse Träume in die dumpfen Gehirne empor, und die Gehirne bewahren sie am Tage, viele Tage. Monde und Jahre lang, bis eines Tages die bösen Träume der unterirdischen Gewölbe sich quäl» zuckend aufbäumen, verzweifelt losreißen und in schwarz- gespenstigen Wettermassen über die Place de la Concorde  jagen... Der Patron glotzte uns im Hinausgehen zufrieden an. Unö keiner blickt zum Glanz öer Sterne. Es ist bald Nacht. Die Sägen kreischen Still her aus dem Maschinenraum. Die blanken Eisen, sie zerfleischen Das Kolz von einem Wunderbaum, Der irgendwo in heißer Ferne Die reichbelaubten Lieste reckte And seine Blüten nach der Sterne So silberhellem Schimmer streckte. Die Lampen glüh'n in weißer Pracht... Glüht nur und sprüht es ist bald Nacht. Ein Kreischen noch, dann Grabesstille. Wie sich das tolle Treiben kuscht! Wie mächtig ist doch euer Wille, Die ihr so scheu den Saal durchhuscht! Das Tor steht auf. Die grauen Scharen Bescheint die rote Wachtlaterne, And keiner will sich offenbaren! And keiner blickt zum Glanz der Sterne. Ach ja... in dem Maschinenraum Zerschnitt matt einen Wunderbaum. _ Max Barth«!. Sertram- Ghm. Der Mond war hinter den finsteren Wegetanne» vom Hom- bergSgrund hervorgekommen und leuchtete nun silberblau in das neb- lige Ruhrtal hinein. Die Wellen im Flusse raunten und rauschten am dunklen Uferdamm vorüber. Schweigsam hinter der moosigen Steinmauer des Kohlenlagerplatzes standen in den dämmrigen Wiesen die Weiden und Erlen in langen Reihen und schliefen. Und tiefer im Tale, jenseits der klüftigen Hefterhügel, schimmerten aus stundenweiter Ferne die flinsternden Bogenlampen derFriedlichen Nachbarschächte", hinter denen, über den Bergen der Mark, die letzten, verglimmenden, lichtvioletten Strahlen dcS vergangenen Sommertages zur Ruhe gingen. Ich lag. ein Knabe noch, droben im kleinen Bodenzimmer zu Bette und konnte wie immer nicht schlafen, wenn drunten in der Laube vor meines Baters Hause zu den melancholisth-u Weisen der Ziehharmonika, die meinem Ohm gehörte, von öea jungen Schleppern und Häuerlingen mit ihren verhaltenen Brummst immen die alten Heimatlieder gesungen wurden. So schön, so innig, bis mir die Tränen ins Auge kamen. Was machten die denn in der Laube zu nachtboginnender Zeit? Ei, die sahen beisammen beim Lampenschein, der vom Stuben- fenster durch die schwankenden Wiltoeinranken nach draußen drang, rauchten Tabak, spielten Solo, Napoleon   und erzählten sich ein- ander Gruben- und Berggeschichtcn, die daherum im Lande von einem zum andern wandern. Die Frau lag im Bett und zog sich die Decke über die Ohren. Und immer, wenn Sturm und Meer mit gewaltigem Anprall an die Düne donnerten, schrie sie leise auf. Das ging so stundenlang. Der Schnee klatschte gegen die Scheiben, und Sturm und Meer wurden nicht müde. Stoß auf Stoß gegen die Höhe zu führen. Mit zorniger Ausdauer, mit grimmiger Geduld arbeiteten sie. Und ihr Brausen und Toben erfüllte das ganze Haus. Als es schon gegen Morgen ging, gab eS ein fürchterliches Splittern und Krachen und Brechen. Der Mann fuhr von der Chaiselongue auf und schrie:Die Veranda ist eingestürzt I" Der Boden wankte, und im nächsten Augenblick brach ein Hagel von Kalk, Steinen, Brettern und Balken durch die Decke deS Zimmers. Das hatte ein fallender Schornstein getan. Die Frau war aus dem Bett gesprungen und klammerte sich schreiend an ihren Mann. Der stand mit großen, entsetzten Augen an der Wand und starrte auf das Loch in der Decke. Der Sturm ist im HauS!" sagte er. Dann liefen sie schreiend hinaus und riefen nach der Diener- schaft und nach dem Auto. « Als die See und der Sturm ausgetobt hatten, breitete sich heller, freundlicher Sonnenschein über Flut und Land. Und nun sah man: das Meer hatte den Strand frei und gleich und eben gemacht. Und der Sturm hatte gestürzt und gebrochen, waS alt und morsch und schwach gewesen war. Und waS sich ihnen eigensinnig entgegengestemmt hatte, das hatten sie auS dem Wege geschleudert. Ein eisernes Gitter liegt dort, das ist verbogen und zer- trümmert, als wäre eS ans Streichhölzern gemacht. Die Beton- klotze hat die See aus dem Dünensande gewaschen und hat ein wenig Fangeball damit gespielt. Sie bilden keine Mauer mehr; sie sind ein zerbröckelter Haufen von Trümmern. Sie hat tiefe Löcher und Schlüfte in das hohe Ufer gefteffen, hat alte Bäume bei den Wurzeln gepackt und sie in den tobenden Gischt geschleudert. Ein Teil des HauseS ist niedergebrochen, und der Rest wird bald nachstürzen. Er hängt über der Tiefe. Gestern fanden die Fischer unten an ihrem kleinen Hafen ein Etwas, das sie mühsam auS dem Sande graben mußten. Sie richteten es auf Es war ein armstarker Eisenpfahl; er stak noch m einem Betonllotz und war krumm wie ein Flitzbogen. Er hatte lange protzig an der Pforte gestanden; nun aber verharrte er i» einer tiefen Verbeugung vor der Macht der Elemente. Und a»d|