Fttunde nicht zustimmen. SS widerspricht der Verfassung und eSwürde der Höhe unseres KUduitgswesens schweren Eintrag tun. DieSchule wollen wir allerding« nicht so eingerichtet habe» wie di,Sozialdemokraten, sondern so, wie die christlichen Eltern sie wünschen.Wir werden daher beide Resolutionen ablehnen.— Der einjährig-freiwillig« Dienst hat sich bewährt; wir haben daher keine Beran-lassung, ihn aufzuheben.Abg. Dr. Serschevstemer(Vp.):Mt einem Reichsschulomt verlangen wir nichts, was nicht schonin söderativen Staatswesen vorhanden ist. Wo Arbeitsteilung vor.bände» ist, inutz auch ein« zentrale Znfgmnienfassung vorhanden seinDie Dezentralisation der Kultureinrichtungen halten wir für segens-reich; aber die Zusammenfassung zu gemeinsamer Stoßkraft istnotwendig, wie sie auch in der Schweiz, in der AmerikanischenUnion vorhanden ist. Solch Zentralamt ist keineswegs ein aus-geblasene« Ei. seine Tätigkeit können Sie zum Beispiel aus denBerichten des schweizerischen Zentralamts ersehen, dessen Tätigkeitsegensreich und nützlich ist. Eine Unisormierung wie Herr Schulzwollen wir nicht; die Bereinigten Staate» hoben«ine Einheits-schule, aber ohne Unisormierung. Lossen Sie sich nicht von Vor-eingenommenheit beherrschen, so werden Sie sich doch noch von derNützlichkeit eines Reichsschulamis, wi« vir es fordern, überzeugen.(Beifall bei der Volkspartei.)Abg. Schnlz-Erfurt(Soz.):Ueber die Einheitsschule der Zukunft haben wir alle noch keineganz bestimmte Borstellung, ebenso noch nicht von dem zugründenden Reichsschulamt. Deshalb halten wir e« für falsch.in diesem Stadium der Porberatung, wo es sich darumhanbelh sich um das Prinzip zu scharen, mit Einzelheitenzu kommen und dadurch die Einigkeit zu stören, deshalb redet HerrKerschensteiner bei mir vorbei, wenn er für eine gute Dezentralisationgegen eine falsche Zentralineruna und Schsblonisterung spricht. Ber-, Wieden« Schulgesetze nach uni-rer nationale» Zerrissenheit, ver-schieden« Schulgesetze für Reutz älterer und jüngerer Linie z. B. isteine Torheit, da ist ei» Reichsschulgesetz jedenfalls bester. Auf unsereSchulforderungen bin ich heute nicht eingegangen. Sie werden zuerörtern sein bei unserem Initiativantrag aus Schaffung eines Reichs-schulgesetzes. Herr Marx meinte, in Schulfragen hätten di,Eltern das letzte Wort. Bei den 4'/« Millionen Stimmen, die dieSozialdemokratie bei den letzten Reichstagswahlen bekommen hat,könnten wir u»? ja damit abfinden, wen» nicht gerade die sozialdemakratischen Pltern in Schulfragen auf das Uuerhörtefte»ergrwaltigt würbet,.(Sehr wahr! hei den Sozialdemolraien.) ImInteresse dieser vergewaltigten Eltern müssen wir unsere Schulwünsche auch vor dies gorum bringen.(Beifall bei den Sozial.dema Katen.)Der Antrag Alb recht(Soz.) wird gegen die Stimme« derSozialdemokraten abgelehnt, der Antrag«blaß(Bp.) gegendie Stimmen der Rechten und de» Zentrums angenommen.-Schiffer(natl.)befürwortet einen Antrag auf Vorlegung eines Gesetzentwurf» überden Ausbau des Bundesamts für das Hrimatswesen zu einemR e i ch S a m t für das H e i m a is- und Finanzwesen behufsUebernahme der letzlinftanzlichen Entscheidungen in Rechtsstreitig-Kit«» au« dem WehrbeitragSgesetz« und dem Besitzsteuergesetze.Abg. Graf Westarp(k.):S« fehlt jeder innere Zusammenhang zwischen den sonstigenAufgaben des Bundesamts für Heimatsweien und den Zielen vesAntrag». Ei» Amt, wie«S der Antrag will, würde geradezuschreien nach Ausbau zu einem ReichsoberverwaltunaSgerrcht undaiu solches lehnen wir vrinzipiell ab. In Besitzsteuersragen würdeeS gerade zu einer RechtSungleichheit führe». Da« Besitzsteuer»«setz entspricht in vielen Punkten dem preutzischen Ergänzung«--euergiietz. Derselbe Zensit in Preußen würde demnach iiir die-elbe Sache einmal dem preußischen Oberverwaltung«gericht undda« andere Mal dem ReichSoberverwaltungSgericht unterstehen.Diesen weiteren Eingriff in die Finanzhoheit der Sinzelstaaten machenWir nicht mit.Abg. Dave(Lp.):Wir stimmen für den Antrag, gerode weil wir zu einem Reichs«oberverwaltungSgesetz kommen wolle». Wieviel Rechtsfragen beidem WehrbeilragSaesctz auftauchen, beweist z. B. die Frag» vonBeamten, ob der Generalpardon auch schütze vor Disziplinarstrafenfür frübers falsche Angaben. In, übrigen brauchen wir«in Reich»-oberverwaliungsgericht auch auf andern Gebieten, wie z. B. demverein«» und Versammlungsrecht.(Sehr richtig! links.)Abg. Grzberger(Z.):vor vier Jabren wollte man da« Bundesamt für Heimatswesenabbauen, heute will man alles Mögliche daraus machen. Gewißwäre B.«ine Instanz nötig, die Doppelbesteuerungen verhindert.Aber ich stimme dem Grafen Westarp zu. daß für den einzelnenZensiten die Schwierigleite» viel größer würden. Meiner Ansichtnach ist der Bundesrat die richtige Instanz, um das Wehrbeitrag«»gesetz und Besttzsteuergesetz auszulegen.Abg. Dr. Frank(Soz.):Au« den Ausführungen des Abg. Grafen Westarp haben wir dieNeberzeugung geichöpst, daß wir dem Antrag zustimmen müssen.Was ihn abschre-kl, ist für uns das Sympathische. Die Not«wendlgkeit eines Reichsoberverwaltungsgerichtsist schon oft genug nachgewiesen worden. ES muß verhindertwerden, daß ReichSgesetze nur noch dem Luchstaben nach solche sind.und daß die RechtSeinheit durch die verschiedene Auslegungin den Einzelstaaten illusorisch ge in acht wird.(Sehr wahr lbei den Sozialdemokraten.)Die von dem Grafen Westarp erwähnten Ungleichheiten fürden einzelnen Zensiten würden erst dann verschwinden, wenn dieGrundlage der Steuereinschätzung auf Grund von NeichSgesetzen er-folgte und die Einzelstaaten praktisch nur Zuschläge erheben würden.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Aber zu diesem Ziele habenwir auch noch einen weiten Weg. Uns hätte es Vesser gefallen,wenn der Antrag Schiffer nicht so auf leisen Sohlen ge-schlichen käme, sondern offen ein ReichöverwaltungSgericbt ge-fordert hätte. Aber immherhin kann sich aus ihm Wertvolles ent-wickeln, deshalb werden wir dem Antrage zustimmen.(Bravo Ilinks.)Der Antrag Schiffer wird gegen die Stimmen der Rechten undde« Zentrums angenommen.Die Weiterberatung des Etats wird vertagt auf Sonnabend12 Uhr.Schluß 6>/z Uhr._Mbgeorönetenhaus.90. Sitzung, Freitag, den 6. Februar 1911,vormittags 11 Uhr.Am Ministertisch: Dr. B e s e l e r.Zweite Lesung ües Justizetats.Zu Beginn der Sitzung teilt der Präsident Graf v. S ch w e r i n-L 2 w i tz mit, daß dem Hause eine Zentrumsinterpella«t i o n betreffend den Unglücksfall zweier Zentrums-abgeordneten zugegangen fei, in der auch nach Abhilfe fürdie Zukunft gefragt wird.Abg. Dr. Bell(Z.):Der Umschwung der sozialen und wirtschaftlichen Berhältnisse«ebietet. daß sich die Juristen mehr als früher und bereits auf derniversttät damit befassen. Nur der Jurist, der mit dem modernenWirtschaftsleben vertraut ist, kann seines Amtes walten. Ichbedauere, daß die nachgeordneten Justizbehörden in der Provinzsich nicht immer nach den Anschauungen des Justizminist««hwsichttich der Anstellung der Assesforen richten.— Der Rednerkritisiert des Weiteren dos Berfahren der Justizverwaltung bei derAnstellung der Assefforen und bei der Beförderung der Staatsanwälteund Richter. In der Dortmunder Angelegenheit hat der Justiz-minister der deutschen Rechtsanwaltschaft, dadurch daß er die Er-öffnung des Verfahrens verhindert«, den schlechtesten Dienst erwiese».Der Abg. Liebknecht hat sich mit einer kriminalistischen Statistikbeschäftigt, au« der hervorgeht, daß die Kriminalität bei den Katholiken belonders hoch ist. Aber diese Statistik ist deshalb wertlos,weil sie nicht« einmal zwischen Vergehen und Verbrechen unterscheidet.Der Abg, Liebknecht hat ferner aus der Statistik erweisenwollen, daß andererseits die Kriminalität bei den Monisten undKonfessionslosen besonder« gering ist. Aber diese ganzeRechnung besteht lediglich in einer tendenziösen Phantasie.— ImZusammenhang mit dem S« n sa ti o n s p r o z e ß HedwigMüller bespricht der Abgeordnet« das lebhaft« Interesse, das die.gute Gesellschaft" derartigen Skondalgeschichten der Großstadtentgegenbringt und die Gefälligkeit einer gewissen Presse, diesesSensationsbedürfniS durch Nervenkitzel»de Berichte zufördern. Sc rügt di« eigentümlich liebenswürdige Behandlung„derschönen Sünderin" in jenem Prozeß durch den Vorsitzenden desGericht« und den Staatsanwalt. Dies« Liebenswürdigkeitdes Gerichtsvorsttzenden muß man nun mit dem Betragen desanderen Gerichtsvorsitzcnden in dem Knittel-Prozeß, derseinen Berufskollegen wie einen halbverrückten Menschen behandelt«,vergleichen. Wir danken dem Justtzmtnister für seine gestrige Er»klärung, in der er ein derartiges gehässige« Vorgehen mißbilligte.Dieser Vorsitzende ist nicht der Typus des deutschen Richters,Justizmintster Dr. BeselerIveist die Kritik des Vorredners an den Maßnahmen der Regierunghinsichtlich der Beförderung der Justizbeamten zurück. Im Jnter-esse der Anwaltschaft, das muß ich noch einmal aussprechen,ist im Dortmunder Fall dt« Aufrollung d«S Prozesse« unterblieben.Wenn die.Presseäußermigen über das Verhalten de« AerichtSpräsi»denten und Staatsanwalts im Fall«.Hedwig Müller" zutreffen, sonehme ich keinen Anstand, dies Verhalten zu mißbilligen.(Beifall rechts und im Zentrum.)Abg. Delbrück(f.):Man darf die Besichtigung von Fabriketablissements in ihrerBedeutung für di» Ausbildung der Assessoren-und Richter nicktüberschätzen. Es lohnt sich mcht. den Fall Knittel so aus-fllbrlich zu behandeln, da dieser Fall nicht typisch ist und vomMinister bis zum Abg, Liebknecht alle einig sind, daß dasVerhallen des Vorsitzenden im Gleiwitzer Prozeß unzulässig war.Aber man darf doch nicht wegen dieser Entgleisung über dielenMann den Stab brechen. Wir halten nach wie vor fest an derGottesanrusung bei der Eidesleistung, da darinjedenfalls sine Bürgschaft für di, Wahrheit bei den meisten gegebenwird. Wenn sich einer vor den Richter hinstellt und erklärt, ich leist»den Eid nicht, da ich nicht an Gott glaube, so bringe ichseinem sittlichen Ernst von vornherein Mißtrauenentgegen.(Hält! hört! bei den Sozialdemokraten.) Es handeltsich um eine gesetzlich vorgeschrieben« Formalttät.(Abg. Ad. Hof fm a n n: Der Zeug,: hat ja nur di« Wahrheit zu sagen!)Nicht vom Nackten, sondern vom Unzüchtigen reden wir hierund davor müssen die Kinder bewahrt werden. Auch im Z u k u n f t sst a a t wird man nicht darauf verzichten können, denn von selbstbleiben die Kinder der Verführung nicht fern. Die h e r r l i ch st e»Kunstwerke können Halbwüchsige geschlechtlich erregen. BielMißgriffe kommen nicht vor.(Hört! hörn links.)Die politische Richtung des Richters darf keine Rollespielen, aber«in Sozialdemokrat, der unsere ganze Ge-sellschastsordnmig aus« grimmigste bekämpft und unser« ganzen Ge-setze für verkehrt hält(Oho! bei den Sozialdemokraten), kann nichtRichter sein. Ein sozialdemokratischer Schöffe haterzählt, wie lächerlich ihm seine Funktion vorkam.(Zuruf bei denSozialdemokraten: Wo?) Ich kann es Ihnen jetzt ntckt sagen,ich werde aber nachsehen, da ich e» notiert habe.(Aha! bei denSozialdemokraten.) Abg. Liebknecht sagte selbst, daß er nichtan eine absichtliche Klassenjustiz unserer preußischen Richter glaube,von einigen Ausnahmen abgeiehen. und daß sie den Willen zurGerechtigkeit haben. Ist da? nicht ein glänzendes Zeugnis inunseren erregten Zeiten von den ärgsten Gegnern unserer Ordnung?!— Wenn Sie aber selbst keine Klassenjustiz behaupten, was wollenSie dann mit dem Drohen mit der kochenden Volksseele— wassonst als uns Richter einzuschüchtern, uns verängstigen, uns vonIhnen abhängig zu machen!(Beifall recht».— Widerspruch beiden Sozialdemokraten.) Wo sind die Beweise für Klassen-u st i z, nach denen Sie unausgesetzt forschen? Gewiß kommen malDehler vor, auch bK S t r e i kp r o z e s se n. das isL menschlich. Siesagen, daß scharfe Streikurteile bedeuten, daß die Staatsräson überdie Gerechtigkeit gestellt wird. DaS ist unrichtig. ES soll dadurch beiUnruhe» nur ebenso abgeschreckt werden, wie wenn irgendwo zahlreicheRaubanfälle vorkommen und dann scharf« Strafen verhängt werden.Wir wünschen, daß das Prinzip der Abschreckung bei derStrafvollstreckung nicht ausgeschlossen wird. Der preußische Richter-tand wird sich von den Angriffen der Sozialdemokratie nichteinschüchtern lassen.(Lebhafter Beifall rechts.)Abg. Caffcl(Lp.):Die Strafe ist Sühne für ein begangenes Unrecht, der Ab-ickreckungSzweck darf für die Bemessung der Strafe nicht in Fragekommen. ES entspricht gerade dem Ernst der Gesinnungeines Zeuge», der ohne jeden Zwang dem Richter erklärt, erglaube nicht an Gott und wolle den Eid nicht schwören. Es ist«ineAufgabe der Justizverwaltung, auf diesen, Gebiete Wandel zuschaffen. Man verfolgt unter dem Vorwande Darstellungen, die dieLüsternheit erregen, Dinge, die gänzlich unschuldig sind.(Zuruf:ES komnit auf diePhanlasie des Betrachters an.) Das kann für dieMaßnohmen des siaales nicht entscheidend sein. Man kann dochauch einem so hohen preußischen Beamten, wie dem General-direktor v. Bode nicht den Vorwurf machen, er begünstige dieUnkeuschheit.— Wir schließen uns der Darstellung deS AbgeordnetenI t s ch e r t hinsichtlich des Knitiel-ProzesseS vollständig an.— DieZurückweisung der Anklage im Dortmunder Fall ist für die un»eschollenen Anwälte geradezu verletzend. Man hat ja imKölner Prozeß die Erhebung der Anklage gegen diePolizei nicht unterlasse». Woher die zärtliche Fürsorge fürdi� Anwälte? Wir bedanken uns dafür. Wir verlangen Schutz vorderartigen P aus cha lv erl eumd ung e,i durch die Stegierung.(Beifall links und im Zentrum.) Auch in Kleinstädten, nicht alleinn Großstädten, sinket ein starker Zulauf zu Skandalprozessen statt.In dein Prozeß.Hedwig Müller" handelt« e« sich um eine sehrhysterische, Ironkhasie Persönlichkeft, der gegenüber eine schonendeBehandlung zur Fortführung des Prozesses am Platze war.—Die Vorbildung unserer Juristen aik unseren Universitäten istunbefriedigend; es fehlt z. T. an geeigneten Lehrkräften.Die Maßnahmen der Justizverwaltung bei der Verwendungund Anstellung der Referendare und Assessoren sind nichtimmer glücklich. Die Borsitzenden der Handelskammernmüssen von der Justizverwaltung dauernd an ihre Stellezefei'ielt werden. Der Meinung des Abg. Liebknecht,wr Sachverständige habe in der Hauptsache an der Entscheidungmitzuwirken, trete ich entgegen. lZuruf Liebknechts: DaS habeich gar nicht gesagt.) Da« sagen Sie immer, w-nn man auf IhreAeußerungen zurückkommt. Aber der Richter muß imstande sein.das Gutachten der Sachverständigen zu werten. Die Mit»Wirkung der Laien in. der Rechtspflege ist von großer Be-dsutung: durch eine Entfernung der Laien von der Rechtspflegewürde eine Kluft zwischen ihr und dem Boike entstehen.(Beifall beider Volkspartei.)Minister Dr. Beseler:Hinsichtlich der Direktorenstellen an den Handelskammern schwebennoch Erwägungen. Die Klagen über die Prozeßführung imFalle»Hewig Müller" werde ich nachprüfen.Abg. Haarmau«(natl.):Wenn ber Abg. Liebknecht zwei Stunden gebrauchte, NMseinem gepreßten Herzen Luft zu machen, so hat er doch die altenKlagen über Klassenjustiz und Staatsraison wiederholt: nach einersolchen Klage wirkt sein Bekenntnis, der preußische Richterstand seiintakt, doppelt abstoßend. Von allen Prozeßbeteiligten im FalleKrupp hat der Abgeordnete Liebknecht— ich kann ihn ja alsProzeßbeteiligten bezeichnen�(Heiterkeit)— am schlechtesten ab-geschnitten. Abgeordneter Schiffer hat mit Recht gesagt, daßLiebknecht sein« ganze Partei mit seinem Vorgehen hineingeicgl hat.Der Abgeordnete Liebknecht hat gestern in Aussicht gestellt, daßer noch ganz andere neue Dokumente zutage fördern werde. Da-hinter setzen wir ein großes Fragezeichen. DaS war eineKanonade, mit der er seinen Rückzug decken wollte.Herr Liebknecht ist auf bi«„Ruhrichnellseuerjusiiz"bei dem Streik im Ruhrgebiet vor zwei Jahren zurück-gekommen. Er hat bedauert, daß damals nicht ein Aufstandausgebrochen ist,— Von der Weltfr-mdheit der Richter kann keineRed« sein, da sie nicht hinter Klostermouern nnd auf dem Mondwohnen, sondern in Oeffentlichkeit ihre« Amte? walten. Auf einDutzend fauler Ausreden eine« Angeklagten falleneher zehn Geschworen« als«in Berufßrichter hinem. Damit will ichaber nicht dt» Schwurgerichte diskreditieren. Der Knittel«Prozeß ist einer der Punkte, auf den ich nicht kommen will.(Lachen im Zentrum und bei der VolkSpartei.) Der Abg. Kanzowist in seinem Angriff auf den Gleiwitzer GerichtSVorfitzenden zu weitgegangen.Abg. Bredt(ft.):Dem Zeugen Landrat a. D. R ä t g e r hätte im Krupp-Prozeßnach der Nichtvereidigung doch da» Wort gegebenwerden sollen, sonst steht er ja schlechter da, ww der An«geklagt«, Der zweit« Tilian-Proziß hat übrigens bewiesen, daßRölger gar keine Mittäterschaft zur Last fällt. Bei der hervor»ragenden Stellung de« Herrn R ö t g« r wollten wir da«scslstcllen. In der Ausbildung der Juristen muß dem öffentlich«Recht ein größerer Raum eingeräumt werden.Minister Dr. Beselerwill dies berücksichtigen, aber zu viel könne nicht gelehrt werden.Ein Schlußantrag wird angenommen.Abg. Dr. Liebkuecht(Soz. persönlich):Die Darlegungen des Abg, Dr. Bell über mein« Statistikwaren irrtümlich und sind al» solche vom»Hannov. Courier", dersie zuerst brachte, auch swon zugegeben. Abg. Delbrück hat bc-halwtet, ich hätte gestern gesagt, die Logik bade in der Jurisprudenznichts zu tun und man sollte nach dem Gefühl entscheiden. Einesolche allgemein« These Hab« ich nicht aufgestellt, sondern nur fest-gestellt, daß der Begriff»relative Unzüchtiglett" sich wohl logischund psychologisch konstruieren läßt, daß er aber, rein logisch kon»struiert, in der jetzigen Anwendung zu Tode gehetzt werde. Mein«Ausführungen bezogen sich nur auf die absonderliche juri st rs cheLogik. Abg. Cassel hat mein« Worte über das Verhältnis vonRichtern und Sachverständigen angegriffen, sich aber inzwischenüberzeugt, daß ich keineswegs den Richter zum Sklaven derSachverständigen machen will und im Einverständnis mit ihm stelleich das fest. Abg. H a a r m a n n ist mir in der nicht sehr originellenWeise der Krupp-Presse nach der scheußlichen Bloßstellung der Firmagekommen.(P ras.: Sie sollten nicht nur persönlich, sondern auchkurz sein I) Gegenüber Herrn Haarmann stelle ich fest, daß ick vonGeheimhaltung von Dokumenten und Zuziehung eines Kom-promittierten zu einer Durchsuchung nicht mit Bezug auf Krupp,sondern auf eine ander» Firma gesprochen habe, di« jetztviel genannt wird. Allerdings waren die Bericht« der bürger»lichen Press« über meine gestrige Red« besonder« miserabel.Zur Spezialdebatte beim Justizetat spricht zmächstAbg. Dr. Liebknecht(Soz.):Zu einem Lokallermin in dem Prozeß der Witwe Käckeritz,der in D r« p k a u stattfand, waren auch eine Reihe von Presse»Vertretern verschiedener Parteien erschienen. Diese wurde» von demVorsitzenden des Gerichtes i» schroffer Form an der Besichtigungder Mordstelle gehindert und ferner wurde ihnen verboten, sichschriftliche Notizen zur Verhandlung zu machen. Die Be-schwerde, die von den betreffenden Journalisten erhoben wurde.wurde von dem zuständigen Landgericht zurückgewiesen, und zwar mitder Begründung, daß da» Vorgehen gegen die Journalisten motiviertsei durch den Platzmangel bei zener Verhandlung in Drepkau;man habe den Prozeßbeteiligten den Bortritt lassen müssen.Diese Darstellung wurde von den Journalisten w einer weiterenBeschwerde an die höhere Instanz bestritten. Sie wurde am8. August des vorigen Jahre» eingereicht und ist bis zum heutigenTage nicht beantwortet worden von dem Präfidenten desKomnlergerichl«. Da« kommt einer Nichtachtung der Presse gleich;wir bitte» die Justizverwaltung, sich hierzu zu äußern.S« erfolgt keine Antwort.Abg. Harnisch(Soz.):Die Schnellfeuerjiistiz im Rubrgebiet hat in ver»HSltniSmäßig kurzer Zeit tausende Prozesse absolviert. Nicht so schnellwar man in folgendem Fall in Dortmund, in dem ein katho«sicher Geistlicher bedeutende Rechisgüter in schwerster Weis« verletzthat. Die Sache hat in Westdeutschland größte« Anstehen erregt. Eshandelt sich um die heimlich« Entführung eine«sechzehnjährigen Mädchen« evangelischer Re»ligion, das in der Umgebung von Dortmund seinen allgemeinangesehenen und nicht, etwa sozialdemokratischen Eltern geraubt undin einer angeblichen.Nähstunde" unter den merkwürdigsten Um-ständen zur katholischen Kirche.bekehrt' wurde. Da» Mädchenivurde mit Hilfe der Polizei zurückgeholt, aber es gelang den..Beiebrern"wieder, es feinen Ellern abspenstig zu machen und erst ein Urteilde« VormundschastSgerichtS Dortmund gab eS seinenEltern zurück. E« wurden gegen die katholischen Geistlichen dieschärfsten Beschuldigungen der Nötigung. Erpressung undFreiheitsberaubung öffentlich erhoben. Hat doch einer derGeistlichen dem Bater gedroht, ihm emes SittlichkeitSverbrechenö anseinem Kind zu beschuldigen, wenn er nicht ruhig sein würde. DieseGeistlichen haben erklärt, sie hätten so vorgehen müssen und hättensich sonst einer Sünde gegen ihre Kirche schuldiggemacht. Sogar das Dortmunder Amtsblatt hat da? Verhaltender Geistlichen scharf getadelt und ein Einschreiten gegen sie ge-fordert. Die Staatsanwaltschaft hat aber die Verfolgung ein-gestellt. Warum— daS frage ich den Justizminister I Wirwissen, daß der Kampf gegen den KlerikaliSmuS nicht durch die Justiz,sondern nur geistig gefuhrt werden kann. Nick-t strenge Strafefordern wir, sondern wir fragen, wieso die beim Streik so schnelleStaatsanwaltschaft bei diesem Fall in Hombruch, der übrigens nichtder erste»Bekehrungsversuch" des dortigen Kaplan» war, versagt. Dienationalliberale Partei, die zuerst ein großes Geschreidarüber erhoben hatte, verband sich gleich darauf mit dtm Zentrumbei den Stadtverordnetenwohlen in Dortmund gegen d,e Arbeiter.Wir ersuchen also um Aufklärung!(Bravo! bei den Sozial»demokraten.)Ein RegierungSkomMtssar:Der Minister ist mit dieser Sache nicht besaßt, wie er damitbefaßt werden kann, bestimmt da« Gesetz.Abg. Dr. Bell(Z.):Was hat denn die Sache mit dem Iustizetat zu tun 9 Nur demHaß gegen die Religion und die Kirch« wollt« Abg.Haenisch Ausdruck geben.(Beifall im Zentrum. Heiterkeit beiden Sozialdemokraten.)Abg. Grouowski(Z.):Der Staatsanwalt wird doch für seine Einstellung Gründe ge«habt haben. Hier aber greift ein SozigldemsKat m ein schwebende«