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unterworfen werden. Wie er sich diese Erziehung denkt, bewies er stehenden FußeL, indem er ein begeistertes Loblied auf die Wohltat und den Segen der Prügelstrafe sang. Staatssekretär Tr. Solf teilte au- den Berichten des Gouverneurs von Kamerun   mit, daß dieser sich unbedingt gegen Zwangsarbeit ausgesprochen habe. Mit dem Verbot der Zulassung weiterer Plantagen werde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Eine Resolution Mumm stellte eine Reihe von Forderungen im Interesse der Eingeborenen auf. Hierzu beantragten die Sozialdemokraten: Neu- gründungen von Plantagen sind in den tropischen Kolonien nicht mehr zuzulasse«, und serner der Resolution hinzuzufügen: Regelung der Ärbeiterverhältnisse» insbesondere hinsichtlich der Arbeits- zeit und Minimals ätze der Löhne durch eine von der Regierung zu erlassende und zu kontrollierende Arbeiter- ordnung auf Grundlage des freien Arbeitsvertrages. Genossen W e i I l und Ledebour   begründeten die Anträge und polemi- sierten ledhaft gegen die Haltung der Regierung, besonder? Ledebour nahm sich die Prügelpädagogik des Herrn Paaschc vor. Es sei grundfalsch, von einer Faulheit der Reger zu sprechen. Der Neger wehre sich nur gegen die kapitalistische Ausbeutung, die, wenn sie erst Eingang gefunden habe, die heimische Wirtschaft auflöse und Zustände schaffe, wie sie Europa  , besonders Teutschland im Mittel- alter durchgemacht habe. Es sei nötig, daß die Regierung über die Besitzoerhältnisfe in den Gebieten Auskunft gebe, die von den pro- jelliertcn Bahnbauten berührt oder ausgeschlossen werden sollen. Abg. O e r t e l(l.) pflichtete Herrn Paaschs darin bei, daß es sich bei den Eingeborenenschindereien nur um Ausnahmen handele. Tie Verwaltung stelle sich immer auf die Seite der Schwarzen und verdiene unbedingt Vertrauen. An der Plantagenwirtschaft müsse entschieden festgehalten werden. Eine Resolution des Zentrums verlangte Bestimmungen, wonach l. der staatliche Arbeitszwang in jeder Form aus- geschlossen ist, 2. die Arbeiter angesiedelt werden bei Schaffung ausreichen- der Eingeborenen-Reservatc, insbesondere auf Europäerplantagen die Arbeiter in Dörfern seßhaft gemacht werden untrn Zuweisung von ausreichendem Land als freies Eigentum zur Selbstbewirt- 3. die Frauen von den eingeborenen Arbeitern nicht getrennt werden, 4. die Abgabe von RegierungSländereien zur Anlegung von Plantagen von der Errichtung eigener Baucrndörfer für die Arbeiterfamilien abhängig gemacht wird. Eine Resolution der F o r t sch r i t t l e r wünschte erhebliche Verstärkung der ärzrlichen Versorgung in den Schutzgebieten, be- sonders im tropischen Afrika  ; ein Antrag Keinath(natl.) die Förderung der ärztlichen Weiterbildung in den Kolonien. Im weiteren Verlaufe der Beratungen trat Abg. M u m m (Wirtsch. Vg.) dafür ein, daß das Schwergewicht der Kolonial- politit auf die Eingeborenenkultur gelegt werde; er bestätigte die Ausführungen Lcdebours über den Fleiß und die Wirtschaftlichkeit der Neger und wandte sich gegen das System der öffentlichen Arbciteranwerbung und Zwangsarbeit. Abg. W a l d st e r n(Bp.) stimmte ihm darin zu, daß es sich bei den Mißhandlungen der Neger nicht um Einzelfälle handle und polcmsierte gegen die sozial. demokratischen Anträge. Abg. E r z b e r g e r(Z.) begründete den Zentrumsantrag, daß durch eine baldigst zu erlassende kaiserliche Verordnung Leben, Freiheit und Eigentum der Eingeborenen der Schutzgebiete sichergestellt werde. Ter Sklavenhandel bestehe in ungeniertester Form fort, die HauSfllaverei vermindere sich nur wenig. v,-. Tie vorliegenden Resolutionen wurden angenommen vis aus die der So zi aide mokrat en. die Neugründungen von Plan- tagen generell verboten wissen wollte. Hüter der parlamentsrechte. Nicht genug damit, daß der Fortschritt im TreiNasien- varlament die Allsübung der vornehmsten varlamentarischen Pflicht, die Wahrung und Verteidigung der Volksrechte gegen VergellXlltigungsgelüste der Staatsorgane� fast ausschließ- lich der Sozialdemokratie überläßt es scheint nachgerade auch eine Gepflogenheit der freisinnigen Presse werden zu sollen, die Sozialdemokratie im Gouvernantentone dafür ab- zurüffeln, daß sie wenigstens das tut. was die verdammte Pflicht jedes nicht ganz knickebeinig gewordenen Ltbera- lismus wäre!. Ein geradezu ungeheuerlicher Fall hysterischer Gouver- nantenhaftigkeit liegt diesmal vor. Es handelt sich dabei um die ebenso glückliche wie energische Zurückweisung, die Ge- naffe Liebknecht am Schlüsse der Tienstagssitzung den gerade- zu befremdlichen Ausfällen des Polizeiministers zuteil wer- den ließ. Unser Genosse hatte in durchaus sachlichen Aus- führungen, die formell zwar scharf pointiert und geschliffen waren, aber auch nicht entfernt irgendeine präsidiale Rüge herausforderten, die Praxis des Oberverwaltungsgerichts der gebührenden Kritik unterzogen. Kaum hatte der sozial- demokratische Redner geschlossen, als sich mit der Gebärde eines eifrigen Schulbuben, der seine Lektion brillant gelernt, der Minister deS Innern zum Wort meldete. Man glaubte wunder, welche Trümpfe er nun ausspielen würde. Aber was kam? Keine Silbe einer sachlichen Entgegnung! Nichts als die persönliche Jnvektive, ob sich denn Liebknecht einbilde, um so viel klüger zu sein, als die Gerren vom Ober- Verwaltungsgericht, daß er deren Urteil zu kritisieren wage. Selbst die Rechte getraute sich nicht, diese Entgleisung durch den schwächsten Höftichkcitsbeifall zu cachieren. Mochte sie doch selbst fühlen, daß sich im Munde d ieses Ministers die Frage nach einer intellektuellen Legitimation doppelt komisch ausnehme. Obendrein folgte diesem Geistesblitz so- fort der zweite, daß Liebknechts Kritik auf nichts anderes, als auf eine Richterbeeinfluffung hinauslaufe. Als Herrn von Dallwitz zugerufen wurde:Nanu, was sagten Sie denn im Falle I a g o w?" besann er sich einen Augenblick, fand keine Antwort und klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Liebknechts treffliche Entgegnung brauchen wir mcht zu wiederholen. Nur das wollen wir betonen, daß seine Schluß- kennzeichnung der unmöglichen Einfälle des Ministers als schnoddriger Bemerkungen" in der Tat das Gelindeste darstellten, tvas diesemstarken" Manne gelagt werden mußte. Wie aber glossiert dieV o s s i sch e Z e i t u n g" dielen Vorgang? Unter der Stichmarke:S o z i a l d e m o- k r a t i s ch e Ausschreitungen ini Abgeordnetenhause" sucht sie den Anschein zu erwecken, als ob der s o z i a I d e m o- k r a t i s ch e Redner Provokationen und Exzesse begangen habe. Während sie die beispiellosen Ausfälligkeiten des Mi. nisters nursehr erregt" nennt, wirft sie LiebknechtUnge- vörigkeit" vor. Statt oller Kritik sei dieser fort schritt- lichen Glossierung ein n a ti o n a! I i b e r a l c s Urteil �genubergeftellt. DieNational-Zcitung" schrieb nämlicki über die gleiche Szene: _Darauf meldet sich der Herr Minister v. Dallwitz sehr eifrig zum Wort, um in seltsam schroffen und über. hebenden Worten die Ausführungen des Tr. Liebknecht zurückzuweisen. Ob Herr Tr. Liebknecht glaube, daß er klüger sei, als die Herren vom Oberverwaltungsgericht. Wolle er seinen Wünschen folgen, so würde daS ein Eingriff in die Selbständigkeit des OberverwaltungSgerichtS bedeuten. Sehr erregt ergreift darauf Tr. Liebknecht nochmal das Wort und bedauert es, daß der Minister so wenig sachlich zu reden der- stände und ihm eine Kritik an der Tätigkeit der Gerichte mit so schlechten Gründen verweigern wolle. Mit schnoddrigen Redens- arten könne man eine solche Angelegenheit nicht abtun." Wenn sich dieVossische Zeitung" und andere freisinnige Blätter, die es angeht, noch einen Rest politischer Scham- haftigkeit bewahrt haben, wird chnen sicherlich ob dieses Ler- gleichs die Schamröte ins Gesicht steigen. politische Ueberficht. Der Fall Hamm.   Die Marinedebatte. In besonderer Besprechung, losgelöst von allen übrigen Fragen, die in der Generaldebatte behandelt waren, wurde heute der Fall der Witwe Hamm   erörtert. Genosse Ditt- mann, und die Herren Tr. Pfeiffer vom Zentrum und Tr. Heck fch er von der Fortschrittlichen Volkspartei   hatten sich der Interessen der unschuldig verurtellten Frau und der beleidigten Gerechtigkeit angenommen. Der sozialdemo- kratische Redner gab in anschaulicher Tarstellung an der Hand eines sehr gewissenhaft studierten Aüenmaterials eine klare und eindrucksvolle Schilderung des Tatbestandes, die in der Forderung gipfelte, daß illegale Einflüsse den rechtmäßigen Gang des neu aufgenommenen Verfahrens streng zurückgewiesen werden sollen. Tie Einzelheiten, die Genosse Dittmann vorttug. über- zeugten das Haus sowohl von den unerhörten Ausschreitungen, die sich der frühere Kriminalkommissar v. Tresckow   hat'zu- schulden kommen lassen, wie auch voll der unbedingten Not- wendigkeit, dem Recht endlich zum Sieg zu verhelfen. Mit lebhafter Entrüstung wurde die Darstellung von der Wirk- samkeit des Herrn v. Tresckow   aufgenommen. Die beiden anderen Redner schlössen sich den Angaben unseres Genossen an und Herr Dr. Pfeiffer betonte namentlich, daß es sich hier um einen anständigen Menschen handelt. Dagegen hielten es die Parteien der Rechten bezeichnenderweise für angemessen, auch in dieser Angelegenhett, in der es doch Parteiunterschiede nicht geben sollte, wie Genosse Dittmann mit Recht hervor- gehoben hatte, ihre schweren Bedenken gegen das Vorgehen deS Reichstags zu äußern. Nach der Abstimmung über die zum TitelStaats- sekretär" gestellten Resoluttonen wurde die Spezialdiskussion rasch erledigt. Der von der Budgetkommission angefochtene Titel, der sich auf die Einstellung eines sechsten Reichsanwalts bezog, wurde bei schwacher Besetzung des Hauses gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und des Zenttums angenommen. Dann begann die Generaldebatte über den Marine- etat, die durch eine Rede des Genossen Nosko eingeleitet wurde. Mt großer Sachlichkeit erörterte unser Redner die wichtigsten Fragen, die der Marineetat in diesem Jahre auf- wirft. Er zeigte die große Entwickleung der deutschen Flotte trotz aller zahlreichen Reden-'über eine notwendige Verständigung unter den Nattonen. Er zeigte auch, wie mit der EntWickelung der Flotte sich die Fälle dra- konischer Illsitz und schlechter Behandlung der Soldaten ver- mehrt haben. Tie schweren Unfälle, die sich im vorigen Jahre ereignet haben, namentlich der Untergang der beiden Marine- lustschiffe, veranlaßte unseren Redner zu einer strengen Kritik der begangenen Unvorsichttgketten und Verschlungen. über die er vom Staatssekretär Auskunft verlangte. Einen großen Teil seiner Ausführungen widmete unser Genosse der Frage einer internationalen Verständigung über die Rüstungs- beschränkungen. Er erinnerte an die früheren Verhandlungen über diese Frage und an ihre wenig aussichtsreiche Durch- sührung. Mit einer großzügigen Bettachtung über die künf- tige Entwickelung der Beziehungen zwischen Teutschland und den beiden Wcstmächten schloß Noske seine sehr wirkungsvollen Darlegungen. Der Staatssekretär deS ReichsmarineamtS ging auf zahlreiche der von unserem Redner vorgetragenen Fälle ein und verteidigte, so gut eS ging, seine Verwaltung. Ueber die große Frage der Rüstungseinschränkung äußerte er sich leider nur sehr unvollständig und zaghaft. Diese Zurück- Haltung fand in den Ausführungen des Herrn Erzberger noch eine besondere Unterstützung, da der Zentrumsrcdner die Schuld am Rüstungstreiben vor allem England zuschiebt. Die Wciterbcratung wird am Freitag erfolgen. Alles in bester Ordnung. Die polizeilichen Mißstände mögen noch so groß sein, gerichi- liche Verhandlungen mögen noch so viel belastendes Material zu Tage gefördert haben, die preußische Regierung lehrt sich nicht daran. Für sie bandelt es sich stets um Ausnahmefälle, die die böfe Sozialdemolratie aus Agitationslust zu verallgemeinern bestrebt ist, im großen ganzen aber findet sie alles ist bester Ordnung. In den Akten steht nichts von Polizeiskandalen, und was nicht in den Alien steht, ist für die Herren am grünen Tisch nicht auf der Welt. WaS im Abgeordnetenhause am Donnerstag bei der weiteren Beratung des Etats des Ministeriums dcS Innern von der linken Seite gegen die Polizei vorgebracht wurde, ist gewiß nicht schmeichelhaft für sie. In jedem Staat, der nicht in erster Linie Polizeistaat ist und sein will, würde die Regierung e» für ihre Pflicht halten, im Parlament der Polizei nachdrücklichst vor Augen zu führen, daß die Bürger nicht ihretwegen da sind, sondern sie der Bürger wegen, die zu schützen sie berufen ist. Anders in Preußen. Je wuchtiger die Anklage unseres Genossen Liebknecht gegen den Berliner   Polizeipräsidenten v. Jogow war. um so mehr erscheint er Herrn v. Dallwitz der geeignete Mann zur Ausfüllung feines Posten?. Selbst Jagows offenbar ungesetzliches Verbot des Vereins Berliner   Schutzleute, das außer Liebknecht auch der Abg. Cassel (fortlchr. Vp.) scharf verurteilte, ist in den Augen seines obersten Vorgesetzten eine Heldentat, derentwegen der Polizeigewaltige von Berlin   eine besondere Auszeichnung verdient. Unter diese» Um- ständen ist eZ kein Wunder, wenn Herr v. Jagow sich bald zu neuen Heldentaten rüstet, um so mehr, da er die große Majorität de§ Abgeordnetenhauses auf feiner Seite weiß. Stimmten doch nur die Fortfchrittler, Sozialdemolralen und Polen   für den fottichlittlichen Antrag, der die Regierung ersucht, darauf hinzuwirken. daß die gesetzlich zulässigen Vereinigungen von Beamten nicht behindert und insbesondere der Bereinigung der Berliner   Schutzmänner vom Berliner   Polizeipräsidenten   keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden. Genau so wie nach Ansicht deZ Ministers bei der Berliner  Polizei ist nach Ansicht seines Vertreters bei der Polizei in den Provinzen alles in bester Ordnung. Zwar trug Genosse Hue ein ungeheuer reichhaltiges Material zum Beweis des Gegenteils vor. Der Regierungskommissar mußte auch zugeben, daß die Ausführungen unseres Genossen zum größten Teil den Tatsachen entsprechen, aber er zog daraus nicht den allein richtigen Schluß, daß es Pflicht der Regierung sei, entsprechend dem sozialdemolratischen Antrage eine sorgfältige Untersuchung einzuleiten, sondern im Gegenteil, er meinte, daß die Regierung gegen etwaige Mißstände schon von selbst einschreitet. Die Ersahrung lehrt freilich das Gegenteil. Am Freitag soll die Debatte weitergehen. Aber bevor da» Hau- sich vertagte, hatte es noch eine heitere Viertelstunde. Der neugewählte chriftlichsoziale Abgeordnete Heins hielt seine Jungfern- rede, worin er weidlich auf die Juden schimpfte und durch unfrei- willige Witze den Befähigungsnachweis als Clown des Dreiklassen- Parlaments erbrachte. Hoffentlich gibt Herr Heins bald wieder eine Extravorstellung, damit in den Ernst der Beratungen etwas Ab« wechselung hineingetrogen wird. TieVerwaltungsreform" im Herrenhaus. Das preußische Volk hat zurzeit- wieder die unverdiente Ehre, daß die erlauchten, edlen, geborenen und ernannten Gesetzgeber einige Nachmittage der landwirtschaftlichen Woche für sein Wohl opfern. DaS Herrenhaus tagt nämlich wieder einmal, vermehrt um die Begnadeten des letzten GebuttStagS-PairSschubS. Gleich zu Be­ginn konnte gestern der alte Herr v. Wedel   im deutlichen Gegensatz zu Herrn Kaempf mitteilen, daß S. M. die Glückwünsche deZ Herrenhauses bei der Defiltereour gnädigst entgegen­genommen habe.... Fast ohne Debatte erledigte man das Gesetz über die Bevollmächtigung der Amtsgerichtsschreiber zur Beglaubigung von Unterschriften, wobei ein Regierungskommissar dem Poiener Oberbürgermeister Tr. Wilms die für die Rotare tröstliche Gewiß- hett gab, daß das Publikum die Beglaubigungen nicht billiger bekommen werde, wenn jetzt nicht mehr die Richter, sondern nur die Gerichlsschreiber sie besorgen. Dann kam man zu der Novelle zum L a n d e s v e r w a l t u n g S g e s etz. ES ist daS bekanntlich das hochgepriesene Wunderwerk, das die Jmmediat- kommission, indem sie die Sehnsucht braver Liberaler auf das äußerste anspannte, in jahrelangen, geheimnisvollen Beratungen fertiggestellt hat. Wenn die Sache anS Dreiklassenhau- iomint, wird eS an der Zeit sein, sie im einzelnen zu würdigen. Für beute genügt eS zu sagen, daß der Polizeiminister v. D a l l w i tz diese.Reform" al« einen Fortschritt lobte, wodurch ihr wahrer Charakter zur Genüge klargestellt erscheint. ES wird nämlich die Anfechtbarkeit von Poltzeiver« ordnungen tüchtig eingeschränkt, der Rest sind ein paar innere Aenderungen des Dienstbetriebes, die uns im einzelnen um so weniger zu interessieren brauchen, als die preußische Verwaltung ja zweifellos an ihrer bewährten Tradition festhalten wird: alles durch daS Volk bezahlt, alles gegen das Volk gerichtet' Ein paar Oberbürgermeister bätten ja gern eine wirkliche Reform, aber davon ist natürlich keine Rede; ihr Rückverficherungöantrag wird morgen Freitag, wo das weitergeht, wohl abgelehnt werden. Die starke Regierung. An der Spitze derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung" vom Freitag erklärt die Reichsregierung, daß sie der Zabernkommission kernen Schritt entgegenkommen werde. Die Erklärung lautet: In konservativen Blättern wird die Erllärung, die der Reich«- kanzler in derZabmkommiision" hat abgeben lassen, dabin ge- deutet, daß die Regierung mit dem Reichsiage über Fragen per Kommandogewalt zu diskutieren gedenke. DaS ist ein tatsächlicher Irrtum. Die Frage, in welchen Fällen das Militär b-i inneren Unruhen einzuschreiten hat. ist in den einzelnen Bundesstaaten durch Verfassung, Gesetz und allgemeine Rechtsgrund'ätze geregelt. Auf- der Basis dieser Rechtslage erlaß: die Kommandooewalt ihre Instruktionen. Für eine reichsrechtiiche Bestimmung der Grenzen zwischen der Militär- und Polizeiaewalt, die ein Teil deS Reichstags wünscht, kann wie in der Kommission erklärt worden ist, die Zu« stimmung des Bundesrats nickt in Aussicht gestellt werden. In» wiefern in der Bereitwilligkeit der Regierung, der Kommission über die bestehenden rechtlicken Zustände. Auskunft zu eneilen. eine Bereitwilligkeit liegen soll, die Kommandogewall zur Debatte zu stellen, ist hiernach nickt verständliche" Der Reichstag   weiß nun, woran er ist. Ueber die Kom- mandozcwal: will der Reichskanzler nicht mit ihm diskutieren. Sie sei, so wird offiziös vorgeschützt, durch Verfassung. Gesetz und Rechtsgrundsätze der Einzel st aaten festgelegt. Wie aber von den Offizieren Verfassung und Gesetz respektiett werden, daS hat ja Zabern   bewiesen. Und die Staatsstreichler von Zabern sind ja freigesprochen worden! Wenn die Reichstagsmehrhett auch nur einen Funken Rechts- und Selbstgefühl besitzt, kann sie sich durch diese wohlseile Ausrede unmöglich abspeisen lassen. Sie muß mit äußerster Energie dafür eintreten, daß von Reichs wegen den Ausschreitungen und Anmaßungen der Militärkamarilla ein Damm entgegengesetzt wird. ES wäre eine beispiellose Kurz- sichtigkeit, wenn das Zentrum aus partikularistischen Gründen den preußischen Scharfmachern in dieser Frage sekundieren wollte. Hat sich doch Bethmann Hollweg  , wie die..?!ational- Zeitung" richtig bemerkt, durch diese seine Stellungnahme nur dem Machtgedot des Januschaucrs unter- warfen. Aber wir sind ja nachgerade die beispielloseste Preisgabe der Volks- und Parlamcntsrechte durch die bürgerlichen Parteien gewöhnt. In Sachen der Krupp-Kommission ließ sich der Reichstag von der Regierung maulschellieren, ohne mit der Wimper zu zucken. Es wäre also kein Wunder, wenn auch hier die Rechte des Volkes feige preisgegeben würden. Konservative Gottesfurcht und Sittlichkeit. Wie sckon aus der gestrigen Nummer unseres Blattes zu er» sehen war. haben sich am Mittwoch Reichstag und Abgeordnetenhaus hauptsächlich mit der U n s i l t l i ch k e i t" beschäftigt. Der RcichS« tag anläßlich der Beratung des EralS des Reichsjustizamt, das 36- geordneicnhauS gelegentlich der Beratung deS EialS des Ministerium« deS Innern. Dort will man eS»st charakieristisch die Unsili- l'.chkeü durch die I u st i z bekämpfen, hier durch die Polizei. Der konservative Reichstagsredner Tr. Lertel halte also, wenn er schon mit«ochlagworten schließen wollte, passend mit dem Satze:«Tustitis. fundarnentnm reguorum(die Gerechtigkeit ist die Grundlage der Reiche) schließen können. Er tat dies aber nicht. sondern ricsi am Ende seiner Auslassungen mit ftommem Augen- ausschlag: b undsweutum regnorum tiinor dei iDa« Fundament der Staaten ist die Gottesfurcht). Beinahe wie S. M. selbst. der auch fast in jede Rede eine fromme Wendung einflicht. Die Tot- lochen aber beweisen, daß mit der landläufigen Gottesfurcht in Punkio Sittlichkeit gar nichts getan ist. Der hohe Prozentsatz geschlechtSkranker Offiziere und Akademiker stammt doch zumeist au« den Kieisen der Gottesfurcht und frommen Sitte, und die konier- vaiiven Gesinnungsgenossen de« speziell über die Berliner.ttnsitt» lichkeit" zeternden Landlagsredners Schenk zu Schweinsberg   sind bei all tbrer Gottesfurcht anerkannte Nutznießer sotbancr Unsittlichkeit. Indessen, diese sexuelle Unsittlichkeit ist noch gering und harmlos gegen die Unsittlichkeit. die darin liegt, daß die gotteStürchrigen Herren ihre Mitmen'crien aushungern und nach jeder Hinsicht unterdrücken. Da« ganze konservative> Regiment ist eine große Unsittlichkeit und zeugt von keinerlei echter Gottesfurcht. Und