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Hi. 57. 31. Illhrgavs. 3. Minze des Joritärts" Mite Freitag. 27. Februar 1914. Reichstag. 222. Sitzung. Donnerstag, den 26. Februar 1814, nachmittags 1 Uhr. Am Tische de? Bundesrats: Wackerzapp. Die zweite Beratung des Etats für öas Neichseisenbahnamt wird fortgesetzt. Abg. Stolle(Soz.): Im vorigen Jahre stellte der Präsident des Reichseisenbahnamts in Aussicht, daß eine Verständigung über Vereinheitlichung der Eisenbahneinrichtungen im Güterv er kehr zwischen den Eisen- bahnverwaltungen erfolgen werde. Ich frage ihn nun beute, ob ihm etwas über eine solche Verständigung bekannt geworden ist und was? Gestern hat er nur gesagt, es hätten Kon- ferenzen staltgefunden. Da ist wohl die Frage be- rechtigt, welchen Erfolg diese Konferenzen gehabt haben? Eine Verbindung vom Königreich Sachsen nach der U n t e r w e s e r ist von allen beteiligten Handelskammern wieder- holt gefordert worden, aber noch immer ist diese Forderung nicht erfüllt. Da wäre es Pflicht des Reichseisenbahnamts endlich ein- zugreifen. Wenn wir das verlangen, beweisen wir gerade, daß wir die Bedeutung des Reichseisenbahnamts nicht unterschätzen. Wie weit ist serner dem Wagenmangel abgeholfen worden? 190S waren nur 486 666 Güterwagen vorhanden, von denen allein 266 666 für die Kohlenbcförderung gebraucht werden. In England laufen mehr Güterwagen, trotzdem die Länge der gesamten Eisen- bahnstreckcn dort bedeutend geringer ist. Gestützt auf die Verfassung sollte auch hier das Reichseisenbahnamt als übergeordnete Behörde endlich Wandel schaffen und die Eisenbahnverwaltungen zwingen, mehr Wagen anzuschaffen. Sonst könnten die Großkapitalisten das Reich verantwortlich macheu für den Schaden, der ihnen aus dem chronischen Wagenmangel entsteht. In Frank- reich ist die Berechtigung eines solchen Anspruchs bereits anerkannt worden. Unsere Betriebssicherheit hat der Präsident des Reichs- eisenbahnamts gestern als besonders gut hingestellt. Dabei hat sich neulich in einem Prozeß in Elberfeld   herausgestellt, daß preußische Eisenbahnbeamle bei der Abnabme von Lieferungen in der Weise betrogen worden sind, daß von ihnen als unbrauchbar zurück- gewiesenes Material doch mit dem Stempel versehen geliefert wurde. Die ganze bürgerliche Presse hat diese Dinge totgeschwiegen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Durch schlechtes Material erklärt sich offenbar auch so manches Eisenbohnunglück. DaS Unglück am Harrastunnel ist durch falsche Sparsamkeit verursacht worden, weil man einen Sicherheits- Posten, der früher dort war, eingezogen hat. Die beste Gewähr für die Betriebssicherheit ist die Gewissenhaftigkeit und Dienst- freudigkeit der Beamten. Diese wird aber nicht gehoben, wenn es vorkommt, daß jüngere Leute in höhere Stellen einrücken auf Kosten älterer Beamten, die länger als zwanzig Jahre gedient haben. So werden vielfach Zugführer, die von der Pike auf gedient haben, zurückgesetzt hinter Militäranwärtern.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Ich hoffe, das Reichöeisenbahnamt wird den Mut haben, hier init kräftiger Hand zuzufaffen. Den Kohlenmagnaten werden nach Holland   billige Ausfuhrtarife gewährt, sodaß nicht einmal die Betriebskosten gedeckt werden. Deutschland   aber muß die t e u e r st e n K o h l e n p r e i s e be- zahlen! Gegenüber dem Abg. S ch w a b a ch kann ich nur noch- mals betonen, daß wir uns der Interessen der Eisenbahner sowohl hier im Reichstag wie im bayerischen und sächsischen Landrag stets auf das energischste angenommen haben. Redner geht schließlich auf den sächsisch-preutzischen Eisenbahnkrieg ein und fordert auch hier ein kräftiges Eingreifen des Reichseisenbahn- amtS.(Bravo  ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. List(natl.): Abg. S ch w a b a ch hat gestern nur gesagt, daß sich die Sozial- demokratie den Bestrebungen der Eisenbahner auf Festlegung ihrer Rechts- und Arbeitsverhältnisse feindlich gegenüberstelle. Der Gedanke einer Reichseisenbahngemeinschaft macht immer mehr Schule, er wird in der Presse und literarischen Werkeu häufiger erörtert. Der Staatsbahnwagenverband hat sich gut bewährt. Eine Denk- fchrift über seine Wirkungen im einzelnen wäre aber doch sehr wert- voll. Noch steht es bei uns sehr mangelhaft mit der Einheit- lichkeit im deutschen   Eisenbahnwesen. Vor allem sollten Umleitungen im Güterverkehr nicht zugelassen werden. DaS hat auch der württembergische Landtag gefordert, der im übrigen eine Betriebsmittelgemeinschaft empfiehlt. Besonders benachteiligt ist Sachsen   durch Umleitungen im Personen- und Güterverkehr. Zweifellos ist, daß die Ausnutzung der Wagen und des Lokomolivparks viel besser ist, je größer das einheitlich ver- waltete Gebiet ist. An die Möglichkeit der Schaffung von Reichs- eisenbahnen glaube ich nicht. Preußen wird sein Finanzrückgrat nicht aufgeben wollen. Daß beste wäre vielleicht, die außerpreußisch« hessischen Bahnen für das Reich zu erwerben und sie gemeinsam mit den elsaß  -lothringischen als Reichseisenbahnen dem preußisch-hessischen Eisenbahnnetz als gleichberechtigten Faktor an die Seite zu stellen. Hier ist ein Feld, die nationale Ge- sinnung praktisch zu betätigen und dem Reichßgedanken zum Siege zu verhelfen.(Bravo  ! bei den Nationalliberalen.) Abg. Siebenbürger  (k.): ES ist notwendig, daß die Schweine vor dem Verladen gut ge- füttert und getränkt werden. Wer das Wesen eines fetten Schweines kennt(Heiterkeit), weiß, daß die Schweine dann ohne Schädigung deS Fleisches vom Osten nach dem Westen transportiert werden können. Die jetzige Bestimmung, daß die Schweine unter- wegs gefüttert werden müffen, wenn sie länger als 24 Stunden unterwegs sind, bedeutet eine Roheit für die Tiere. Abg. Dr. Pfeiffer(Z.) wünscht dringend die Einführung von Schlafwagen dritter Klasse) wenigstens einen Versuch sollte man damit machen. Abg. Koch(Vp.) wünscht die Beseitigung des gefährlichen Tunnels bei Ei Sieben durch eine andere Führung der Linie; im Falle einer Mobilmachung könnte ein Unglück in diesem Tunnel zu einer verhängnisvollen Sperrung der militärisch sehr wichtigen Linie Halle Kassel führen. Abg. Dr. Arendt(Rp.) schließt sich dem Vorredner an. Abg. Fischer-Hannover(Soz.): Von Reichseisenbahnen ist bei den bürgerlichen Parteien heute gar nicht mehr die Rede. Wir werden alio noch manchen Kampf auszuführen haben, bis dieses große Verkehrssnstitut R e i ch s f a ch e ist. Aber auch jetzt könnte das Reichseisenbahnamt. wenn es nicht nur bittend käme, sondern seinen Einfluß ernstlich geltend machte, manche Reformen durchsetzen. Zunächst ist das Reisen bei uns zu teuer. In der Schweiz   und in Belgien   reist man billiger. Die Rentabilität würde unter einer Verbilligung der Personentarife nicht leiden, es würde mehr gereist werden. In- Deutschland   scheint man statt an eine Verbilligung, sogar an eine Verteuerung der TariD zu denken. 1666 hat man die Fahrkartensteuer eingeführt, und jetzt heißt es. daß man die Steuer für die erste und zweite Klasse herab- setzen und sie auch für die vierte Klasse einführen will. Dagegen muß entschieden Verwahrung eingelegt werden. Ein weiterer Wunsch bezieht sich auf die A r b e i t e r f a h r k a r t e n, die nur bis zu Entfernungen von Kilometern ausgestellt werden. Diese Grenze müßte erweitert werden(Zustimmung bei den Soz.). Auch müßten die Wagen, in denen die Arbeiter befördert werden, bessere Einrichtungen erhalten, zum mindesten müßte für Sitz- gelegenheit gesorgt werden. Daß die Wagen 4. Klasse modernen Anforderungen nicht entsprechen, darüber besteht kein Zweifel; läßt man diese Klasse aber bestehen, so müßte man auch bei ihnen Nichtraucherabteile einführen und sie auch in Eil- züge einstellen. Freilich ist die 4. Wagenklasse überhaupt keine Beförderung für Menschen.(Zustimmung bei den Sozial- demokraten), sie müßte ganz beseitigt werden, und ebenso die e r st e Klasse, die nur eine Belastung der Bahn darstellen. Die Ueber- schüffe der Eisenbahnen verdankt man den Reisenden dritter und vierler Klasse. Aber auf diese Reisenden nimmt man die ge- ringste Rücksicht.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die günstigsten Schnellzüge führen meist keine Wagen ö. Klasse. Abg. Schirmer(Z.): Der Abg. v., V o l l m a r hat sich stets gegen Reichseisenbahnen ausgesprochen; er erblickte darin genau wie wir die Gefahr einer Verpreußung der Eisenbahnen. Bemerken möchte ich noch, daß die Arbeiterverhältnisse auf den bayerischen Bahnen bessere sind als auf den übrigen Bahnen Deutschlands.  (Sehr richtig! im Zentrum.) Abg. Zimmermann(natl.) wendet sich gegen die Fehmarn  -Linie, an der vielleicht Westdeulsch- land und Westeuropa   ein Interesse haben, nicht aber Ost-, West- und Mitteldeutschland  , diese sind mit den jetzigen Verbindungen nach Kopenhagen   zufrieden. Präsident Wackerzapp: Auf die meisten der erwähnten Dinge bin ich gestern bereits eingegangen. Zwischen Leipzig   und Bremen   besteht bereits eine günstige Tag- und Nachtverbindung. Daher begreife ich die Eni- rüftung des Herrn Abg. Stolle nicht. Auch seine Befürchtungen in bezug auf die Größe des Wagenparks treffen nicht zu. Im letzten Jahre hat der Wagenpark den Bedürfnissen bis auf ein Manko von 6,66 Proz. genügt. Im übrigen ist eine Vermehrung um 6 Proz. in ÄuSsicht genommen. Der Unfall im Harras- tunnel ist wohl auf höhere Gewalt zurückzuführen. Es wird aber. geprüft werden, ob die vorgenommenen vorschriftsmäßigen Untersuchungen des Tunnels richtig ausgeführt worden sind. Daß Preußen sich Sachsen   gegenüber illoyal ver- hält, muß ich bestreiten. Daß die schnelleren Züge von Breslau  nach Basel   über Preußen gehen, liegt an den größeren Gelände- schwierigkeiten in Sachsen  . Den Antrag auf Einführung der vierten Klasse in Eil- und Schnellzügen hat der preußische Eisenbahnminister mit Recht wiederholt abgelehnt, weil dann diese Züge an jeder kleinen Station halten müßten, was ihrem Wesen wider- sprechen würde. Ein ganz befriedigender Zustand wtrd im deutschen Eisenbahnwesen nicht so leicht zu erreichen sein. Aber man sollte sich durch die geringen Mängel den Blick nicht nehmen lassen für die wirklich in großem Maße erzielten Vorteile. Nach meiner Meinung ist das deutsche Eisenbahnwesen gesund und in kräftiger Fort­entwickelung. Abg. Dr. Oertel(k.): DaS deutsche Eisenbahnwesen kann sich gewiß vor dem In- und Auslande sehen lassen. Die Klagen und Wünsche Sachsens   habe auch ich jahrelang vorgetragen. Allerdings habe ich nie behauptet, daß Preußen illoyal vorgegangen wäre, dessen ist Preußen nicht fähig.(Oho I und Gelächter links.) Doch hat Preußen einen etwas ausgeprägten Egoismus. Im übrigen hat gerade der sächsische BundesratSbevollmächtigte in solchen Fällen immer behauptet, Preußen fei Sachsen   immer besonders liebenswürdig entgegen- gekommen. Das Rauchverbot in den Speisewagen in Preußen widerspricht entschieden dem Artikel 42 der Reichsverfassung(Große Heiterkeit), der eine einheitliche Gestaltung des Eisenbahnwesens ver­langt. Wir verlangen diese Einheitlichkeit im Sinne Bayerns  , wo dies Rauchverbot nicht besteht. Ein Schlußantrag wird angenommen. Der Etat wird bewilligt. Es folgt der Etat der Verwaltung der Reichseisenbahnen. Abg. Fuchs(Soz.): Die Personalunion des Chefs der preußischen Eisenbahnen und der Reichseisenbahnen könnte segensreich wirken, wenn der Chef der ReichScisenbahnen sich nicht zu sehr von partikularistisch  - preußischem Geiste leiten ließe, worunter die allgemeinen Verkehrsintereffen und die speziellen elsaß-lothringischen Wünsche zu kurz kommen. Der Staat, aus dem die ganzen Einnahmen der Reichseisenbahnen fließen, hat unerklärlicherweise auf die Verwaltung der sogenannten Reichseisenbahnen nicht den geringsten Einfluß. Das ist ein unhaltbarer Zustand.(Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) Die Ueberschüsse der Reichseisenbahnen sollten dem Lande zugute kommen. Eine Reihe äußerst rückständiger Privatbahnen in den Rcichslanden müßten längst angekauft sein. Auch der Ausbau des Klein- bahnnetzes ist noch sehr mangelhaft. Redner führt einzelne Strecken, speziell auch aus seinem Wahlkreise an. Der Frage der Saar  - und Mosel  -Kanalisterung setzt der Chef der Reichseisenbahn- Verwaltung ebenfalls einen zähen, einer besieren Sache würdigen Widerstand entgegen. Ein wichtiges Kullurwerk ist der Ausbau der Verbindung Basel   Straßburg  , worüber uns eine ausführliche Denkschrift zugegangen ist. Der Minister hat sich auf den Boden des viergleisigen Ausbaues gestellt. Wichtig ist jedenfalls eine Entlastung deS Riedes eventuell durch eine Reihe Stich- und Nebenbahnen. Bei Vergebung der Arbeiten sollten nach Möglichkeik einheimische Firmen zugelasien werden und es müssen die zwischen Unternehmern und Arbeitern am Ort abgeschlossenen Tarife anerkannt werden.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Das ist beim Bau der Nordbahn in Mül- Hausen, der an eine Berliner   Firma vergeben wurde, nicht ge- scheben, was die bekannten Tumulte zur Folge hatte. Auch in der Frage der F r e i f a h r k a r t e n der eliässischcn Landlagsabgeordneten aus den Reichsbahnen zeigt der Minister echt preußischen Geist. Er hat die Forderung>n junkerlich-schneidiger, um nicht zu sagen schnoddriger Weise ganz kurz abgelehnt.(Präsident K a e m p f ruft den Redner zur Ordnung.) Gründe für seine brüske Ablehnung hat der Minister nicht angeführt. In der Frage der Erfüllung von A r b e i t e r w ü n s ch e n sind nur sehr geringe Forlschritte zu verzeichnen. Die gesetzliche Regelung der Dienst- und Ruhezeilen wird abgelehnt, da»kein Bedürfnis dafür vorhanden sei." Diese brüske Ablehnung erfolgt trotz des immer wieder geäußerten Wunsches des Reichstags alljährlich mit denselben Worten. Dabei sind die Löhne, z. B. der Weichensteller und Bahnwärter, ganz un- zureichend. Auch die Lokomotivführer haben in den letzten Jahren nichts Nennenswertes erhalten. Sehr schlecht sind auch die Heizer gestellt, die sogar vielfach Lokomotivführerdienste zu verrichten haben. Um den zahlreichen Beamtenwünschen entgegenzukommen, sollte die Verwaltung sich endlich zur Einsetzung von Belimtenausschüssen entschließen. Die Beamten der Reichseisenbahnen fordern auch in der Besoldung und im Ruhegehalt den Beamten der Post gleich- gestellt zu werden. Den Wünschen der Arbeiter kom'mt der Minister nicht entgegen. Die Dienstzeit von 8 Stunden ist nicht ein- geführt worden, immer noch wird die Verkürzung der Arbeitszeit von 16 auf 9 Stunden für unmöglich erklärt, stellenweise ist sie sogar auf 16Vz Stunden ausgedehnt worden. In klein- sicher Weise wird die Vj siündige Essenspause von der Arbeitszeit abgerechnet. In der Arbeitsfrage kommt der Minister auch den bescheidensten Wünschen nicht entgegen, so daß die Arbeiter bei den badischen und würltembergischen Bahnen sich besser stehen als bei den reichsländischen. Die Löhne sind ja im Durchschnitt etwas aufgebessert worden, das erkennen ivir an; aber die Auf« besserung entspricht keineswegs der Steigerung aller Lebensbedürfnisse, und in Baden   und Württemberg   sind die Löhne höher. Manche Arbeitergruppen erhalten ganz un- zureichende Löhne, so die Rottenarbeiter, die im Durchschnitt nur 3,36 M. erhalten. Auch die Güterlader erhalten ganz unzureichende Löhne; bei ihnen herrscht auch noch das Präaniensy ftem, durch das die Arbeitszeit bis auf dreizehn Stunden ausgedehnt wird. Auch die Maschinen- und Wagenputzer haben das Recht, für Ib'/Mndige Arbeitszeit so viel zu verlangen, wie die Werkstättenarbeiter in neun Stunden. In der Dienstordnung für die Rottenarbeiter wird b e- sondere Vorsicht gegenüber Anträgen auf Lohnerhöhung anempfohlen, da solche Forderungen leicht um sich greifen gerade als ob von einer ansteckenden Krankheit die Rede ist. Trotz der gesteigerten Verkehrsverhältnisse hat sich die Zahl der Werkstättenarbeiter nicht vermehrt, sondern vermindert. Die Zahl der Ueberstunden ist etwas gesunken; aber daraus folgt im Zusammenhang mit der Verminderung der Arbeiter« zahl, daß die Ausbeutung des einzelnen, die Intensität seiner An- spammng größer geworden ist. Hierzu führt namentlich der Zeitakkordlohn, für den der Zeitlohn eingeführt werden müßte.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Sehr umständlich ist auch die Einteilung der Arbeiter, die in 43 verfchiedene Betriebsarten und in 81 v e r s ch i e d e n e L o h n« klaffen zerfallen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten). Die Herren der Verwaltung sollten den Wünschen der Arbeiter, die in den Arbeiterausschüssen geäußert werden, mehr entgegen- kommen. Es geschieht dies nur bei nebensächlichen Bagatellen, aber die Wünsche der Arbeiter inbezug auf Lohn, Arbeitszeit und gesundheitliche Verhältnisse bleiben unberücksichtigt. Verlangt muß auch werden, daß man den Arbeiteransschüssen das Jnverbindung« treten zu gemeinschaftlichem Vorgehen und die Schaffung eines Ze'ntralarbeiterausfchusfeS gestattet. Inbezug auf die Pensionskasse fordern die Arbeiter, daß die Pensionierung schon mit 66 Jahren, und zwar ohne Rücksicht auf die Gesundheit eintrete. Das Koalitionsrecht verlangen wir für die Staats. arbeiter ebenso wie für die Arbeiter in Privatbetrieben, die Staats« arbeiter haben dieselben Interessen wie die in privaten Betrieben. Die Notwendigkeit eines besonderen Staatsarbeiterrechts können wir deshalb nicht einsehen. Sie(zu den Liberalen) fordern es vielleicht, weil den Arbeitern auch heute das Koalitionsrecht durch brutale Verwaltungsmaßregeln genommen wird. Aber ein Staatsarbeiterrecht, dem Delbrück   und Breitenbach zu« stimmten, würde den Arbeitern nur neue Fesseln bringen. Präsident Kaempf untersagt die Ausdrücke.brutal" undwiderrechtlich" in bezug auf die Reichseisenbahnverwaltung.(Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Abg. Fuchs: Ich werde mich den Wünschen deS Präsidenten nach M ö g« lichkeit fügen.(Große Heiterkeit.) Das unwürdige S ch n ü f f e l» f y st e m sollte doch endlich von der Verwaltung aufgegeben werden. Man will keine.Streikverbände" aber gegen das Koalitionsrecht der Aerzte und den streikenden Leipziger   Aerzteverband hat die Re« gierung nichts einzuwenden.(Sehr wahr! bei den Soz.) Welcher Staatsarbeiter würde sich in einen Streik begeben, da er doch weiß, daß seine Existenz auf dem Spiele steht. Durch vernünftiges Ent- gegenkommen könnte die Verwaltung die Streikgefahr ganz be? leitigen. Statt dessen aber schreibt man den Arbeitern vor, welchen Koalinonen sie angehören dürfen; daß man sie zwingt, den freien Gewerkschaften fernzubleiben, ist eine glatte Rechts« Widrigkeit(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten), die zu bekämpfen wir niemals aushören werden.(Lebhaftes Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Schwabach  (natl.) bespricht die Finanzlage der Reichseisenbahnen, die sich infolge deS engen Verhältnisses zu den preußisch-hessischen Eisenbahnen günstig gestaltet hätten. Die Beweise des Abg. Fuchs, denen ich im einzelnen nicht habe folgen können, für die Verhältnisse der Werk- stättenarbeiter schienen mir nicht schlüssig. Die Lage der Arbeiter hat sich gebessert. Die neue L o h n o r d n u n g hat den Eisenbahnern wesentliche Vorteile gebracht. Eine Ueberanstrengung des Personals muß schon in Rücksicht auf die Sicherheit des Betriebes vermieden werden. Bei den Gütertarifen sollte man den Wünschen von Industrie und Handel je nach den lokalen Bedürfnissen entgegenkommen. Eine allgemeine Herabsetzung der Gütertarife würden wir für gefährlich halten, einer Erhöhung der Tarife aber können wir nur ein pnnoipiis obsta entgegensetzen. Solange die preußischen Bahnen solche Ueberschüsse erzielen, kann davon keine Rede sein.(Bravo  ! bei den Nationallibcralen.) Präsident Kaempf ruft nachträglich den Abg. Fuchs zur Ordnung für den Vor« wurf derglatten Rechtsverletzung" gegenüber der Verwaltung der Reichseisenbahnen. Minister v. Breitenbach: Der Abg. Fuchs hat die Personalunion der preußischen und elsässischen Bahnen lebhaft bedauert, er schien es für besser zu halten, wenn die elässischen Bahnen Landesbahnen wären. Damit hat er sich in unheilbaren Widerspruch mit der grundsätzlichen Forde- rung seiner Partei nach Reichsbahnen gesetzt.(Heiterkeit.) Im übrigen hat gerade der jetzige Zustand für Elsaß-Lothringen  eminente Vorteile gebracht. Außer Baden hat kein Land in Deutschland   ein so dichtes Eisenbahnnetz wie Elsaß  (Hört! hört!); in keinem Bundesstaat wird ferner ein so geringer Verdienst pro Kilometer erzielt.(Hört! hört!) Wenn auch nicht bei der Verwaltung, so wird doch bei der Ge« staltung der Verkehrsverhältnisse das Land mit seinen Wünschen be- rücksichtigt. Der Ueberschuß der Reichseisenbahnen, den Abg. FuchS auf 56 Millionen berechnete, ist nur ein Rohüberschuß, ein wrrk« lieber Ueberschuß ist nur in wenigen Jahren besonderer Hoch- konjunktur erzielt worden. Der Beitrag des Landes zu den Kosten des Ausbaus der elsässischen Bahnen ist äußerst gering. Die Vergebung der Aufträge nur an einheimische Firmen ist undurch- fühlbar und unvereinbar mit dem Grundsatz, daß das Reich wirtschaftlich ein E i n h e i t s g e b i e t ist. Dazu komMt. daß die elsässische Industrie Riesenaufträge von anderen Elsen- bahnverwaltungen erhält. Die Forderung liegt also auch nichl im Landesinteresse. Die Firma, die die Arbeiten in Mül- Hausen ausführte, hat durchaus anständige Löhne gezahlt. Sie hat sich dem dortigen Tarifverlrage nicht unierworw)., weil sie darin nicht milgewirkl hatte und die tariflichen Löhne außerordentlich hohe waren. Die Reichseisenbahnverwaltung hatte kein Recht, auf den Unternehmer einen Druck auszuüben. Der Abg. Fuchs hat dann ein Mosaik von Wünschen vorgetragen. Beamtenausschüsfe halte ich nach wie vor in unserer Verwaltung nicht für angebracht; diese Frage ist für mein Ressort erledigt. DaS Verhältnis zwischen Beamten und Verwaltung ist ein so vertrauensvolles, daß eine solche VermittelungSstelle nicht notwendig ist.(Bravo  ! rechts.) Protestieren muß ich dagegen, daß die Lohnerhöhungen nur unter dem Drucke der sozialdemo- lralischen Forderungen erfolgt seien. Die Eisenbahnverwaltung als größler Arbeitgeber ist stets bestrebt gewesen, die LohnverhäUaiffe