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. Beilage zumVorwärts" Berliner Zlr. 31. Freitag, den 26. Jannar 1894. 11. Jahrg. Vetrlstmentsvertchke. Deutscher Reichstag. . Sitzung vom 25. Januar 1894, 1 Uhr. Am Bnndesrcithtische: v. Bötticher, Gras Posa d ow ski. Nie b erd in g. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Generaldislussion des Gesetzes, betreffend die Abzahlungsgeschäste. Die Vorlage ist schon im vorigen Reichstage berathen worden, aber nicht zur Verabschiedung gelangt. Der neuerdings vorgelegte Entwurf hat die vorjährigen Kommissionsbeschlüffe durchweg akzeptirt, so u. a. die Verwirkungsklausel, deren Beseitigung aus den betr. Verträgen der frühere Entwurf vorschlug, in der Form beibehalten, die ihm die vorjährigen Berathungen gegeben haben. Abg. v. Buchka(dk.) ist erfreut, daß die Vorlage den Be- schlüsien der früheren Reichstagskommisston Rechnung trägt. Tie Verwirkungsklausel sei im Interesse der Sicherung des Ver- käufers berechtigt, aber nicht mehr, wenn sie sich ans die bereits geleisteten Tbeilzahlungen bezieht. Für diesen Fall spreche die Vorlage die Richtigkeit aus. indem beim Rücktritt vom Vertrage wegen Nichterfüllung der Vetragsbedingungen jeder Tbeil ver- pflichtet sein soll, dem anderen die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, der Käufer aber zum Ersatz der durch Ge- brauch und Benutzung der Sachen entstandenen Werthverminde- rung verpflichtet sein soll. Ebenso billigt Redner die Vorschrift, daß die Fälligkeit der Restschuld rechtsgiltig nur dann vereinbart werden kann, wenn der Käufer mit zwei Raten oder mindestens dem zehnten Theil des Kaufpreises im Rückstände ist. Ganz be- sonders ober begründet Redner die Bestimmung, wonach Ab­zahlungsgeschäfte in Prämien-, Lotterieloosen und Antheilscheinen verboten und der Zuwiderhandelnde mit Geldstrafe bis zu 500 M. zu bestrafen ist. Er befürwortet die Erledigung der Vor- läge in zweiter Lesung im Plenum, um ein nochmaliges Be- gräbniß dieses nützlichen Werkes zu verhindern. Abg. Spahn(Z) schließt sich diesem Wunsche an. Abg. Lenzmaun(frs. Vkp.) tritt ebenfalls für eine Spezial- regelung dieser Materie ein; er ist bereit, zum Schutze des Pu- blikums auf diesem Gebiete von der bisherigen Vertragsfreiheit, von dem Prinzip des laissei tairo abzugehen, aber ebenso sehr erscheint ihm die Regelung im Interesse der Abzahlungshändler selbst geboten. Die Nähmaschine vom Gesetze auszuschließen, wie es eine Petition verlange, hält er nicht für richtig. Abg. EnnccccrnS(nl.): Die Vorlage will die Schäden und Auswüchse beseitigen, welche auf dem Gebiete der Abzahlungs- geschäfte hervorgetreten sind, vermeidet aber jede Beschränkung, jede Erschwerung der legitimen Abzahlungsgeschäfte. Daher ist es nur zu billigen, daß an dem Eigenthumsvorbehalt nicht ge- rüttelt wird, die Verwirkungsklausel aber im Interesse der aus- gleichenden Gerechtigkeit nichtig sein soll, wenn sie den Verfall aller geleisteten Raten im Falle der Nichtzahlung einer Rate aus- spricht. Zur gründlichen Erörterung der Einzelheiten wäre den Nationalliberalen die Niedersetzung einer Kommission von 14 Mitgliedern erwünscht. Abg. Werner(Ant. Ref.): Auch wir gestehen zu, daß es solide, legitime Abzahlungsgeschäfte giebt, bei den meisten Ver- trägen, die auf diesem Gebiete abgeschloffen werden, ist es aber der wirlhschaftlich Schwächere, der aus unverantwortliche Weise benachtheiliat wird. Deshalb begrüßen wir die Vorlage mit Freuden und werden uns an ihrer weiteren Berathung in zweiter Lesung lebhast betheiligen. Die abgeschlossenen Verträge sind in der That fast ausschließlich Leihverträge, weshalb der Eigen- thumsvorbehalt ganz berechtigt ist. Roch nicht erwähnt wurden die Vieh-Leihgeschäfte, welche im Westen des Deutschen Reiches zum großen Schaden der Bevölkerung im Schwünge sind und deren Bekämpfung der Reichstag energisch in die Hand nehmen muß. Auch hier muß der wirthschafllich Schwächere gegen die Schmarotzer, die sich hauptsächlich aus dem Judenthum rekrutiren, geschützt werden. ZIbg. Auer(Soz.): Ueber die weitere Einschränkung des Hausirhandels werden wir uns äußern, wenn wir einen bezüg- lichen Gesetzentwurf haben werde». Für die Vorlage können wir ausnahmsweise auch stimmen. Das wirthschastliche Bedürfniß der Abzahlungsgeschäfte wird heute ernsthaft von keiner Seite mehr bestritten; die zweifellosen Mißbräuche aber, die auf diesem Gebiete hervorgetreten sind, wollen auch wir bekämpfen. Daß sich der selbständige Geschäftsmann, der sogenannte solide Handwerker und Kleinhändler die Konkurrenz reeller Ab- zahlungsgeschäfte gefallen lassen muß, versteht sich von selbst. Bekämpft werden soll doch nur das unreelle Geschäft. Würde man nun dem Vorschlage der Petition der Berliner Möbel- Händler entsprechen, daß beim Rücktritt vom Vertrage der Ver- käufer die Differenz zwischen dem gegenwärtigen Werthe der Maare und dem noch rückständigen Theil des Kaufpreises für sich beanspruchen kann, so würde dieser Zweck nicht erreicht, den Käufern vielmehr ein weiterer Nachtheil zugefügt werden. Für die Nähmaschine eine Ausnahme zu machen, sind wir auch nicht geneigt. Die Firma Neidlinger, die immerhin ihren Käufern gegenüber sehr rücksichtsvoll sein mag, versorgt nicht alle Interessenten mit Nähmaschinen, eS passiren vielmehr auf diesem Gebiete die unglaublichsten Schwindeleien und Betrügereien, wie eine Gerichtsverhandlung in Elberfeld beweist. Redner trägt den Fall im einzelnen vor, sowie einige ähnliche Fälle, und weist auch die Nothwendigkeit des Verbots der Abzahlungsgeschäfte in Lotterieloosen und Antheilscheinen an zahlreichen Beispielen, Annoncen von Barletta -, ottomanischen und anderen Loosen eingehend nach. Die Maximalstrase von fünfhundert Mark für die Uebertretung des Verbots möchte eher noch etwas Heraufznsetzen sein. Schließlich regt Redner noch die Frage an, ob nicht auch bei Versicherungen jeder Art die auf den Policen enthaltene Verwirkungsklausel, welche die bis zum fünften Jahre gezahlten Prämien für den Fall der Nichtzahlung einer weiteren Rate verfallen erklärt, als nichtig aufzuheben ist. Durch diese Klausel würden nicht blos bemittelte Leute, sondern auch Tausende von Arbeitern schwer geschädigt, da die Gesellschaften nicht ver- pflichtet seien, die Rückständigen zu mahnen. Dieser letztere Uebelstano wenigstens müffe durch die Gesetzgebung beseitigt werden. Damit schließt die Diskussion. Die zweite Lesung der Vor- läge wird im Plenum stattfinden. Es folgt die erste Lesung des Gesetzentwurfs betreffend den Schutz der Waarenbezeichnungen. Die Vorlage soll die bisherige Gesetzgebung auf dem Gebiete des Markenschutzes erweitern. Es werden durch die Vorlage nicht blos die einge- tragenen Marken geschützt, sondern auch die nicht eingetragenen, welche allgemein im Publikum als Ursprungszeichen für«ine bestimmte Herkunft bekannt sind. Tie Waarenzeichen sollen in eine Zcicheniolle eingelragen werden, welche beim Palentamt geführt wird. Das bisherige Anmeldungsverfahren wird durch ein Vorprüfungsversahren beim Patentamt ersetzt. Abg. Roeren(Z.) erklärt sich für die Vorlage. Redner be- antragt die Verweisung der Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern. Abg. Hammacher(natl.) tritt diesen Ausführungen voll- ständig bei. Dringend unterstützt er den Wunsch, daß die Ent- scheidung über die Giltigkeit eines neu angemeldeten Zeichens nicht dem Amtsrichter, sondern dem Patentamt übertragen wird, ia unsere Richter nicht'genügend vorgebildet seien und di« Mängel des heutigen Zustandes verewigt würden, wenn man nach wie vor statt durch die einzig zuständige technische Behörde im Wege der Klage über die Zulässigkeit entscheiden lasse. Staatssekretär des Reichs-Justizamtes Nicbcrding wendet sich gegen das vom Vorredner besonders betonte Verlangen, wo- durch dem Patentamt die Entscheidung in Dingen übertragen werden würde, welche gar nicht vorwiegend eine technische, sondern weit mehr eine formale juristische Bedeutung hätten. Man brauche also an der Zuständigkeit der deutschen Richter in dieser Beziehung Zweifel nicht zu hegen. Abg. Scdmidt-Elberfeld(freis. Volkspartei) steht in dieser Frage auf'seilen der Vorredner aus der Mitte des Reichs- tages. Die Diskussion wird geschlossen und die Vorlage einer Kommission von 14 Mitgliedern überwiesen. Sckluß 5l/« Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1�/2 Uhr. (Erste Berathung der eben eingegangenen Vorlage betr. eine Er- klärung über eine Verlängerung des bestehenden Handels- Provisoriums zwischen dem Reich und Spanien bis 31. März d. I.; zweite Berathung der Novelle zum Unterstützungswohnsitz-Gesetz und zur Konkur-ordnung.) 11 Uhr. v. Berlepsch, Abgeordnetenhaus. 5. Sitzung vom 25. Januar 1894. Am Ministertisch: Graf zu Eulenburg, v. Heyden. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Interpellation der Abgg. v. K r ö ch e r u. Gen.: Ist die königliche Staatsregierung geneigt, im Bundesrathe dahin zu wirken, daß fernere, eine Ermäßigung der landwirth- schaftlichen Zölle enthaltende Handelsverträge nicht zum Abschluß gelangen, ohne daß eine angemessene Ausgleichung mit den Geldwerihsverhältnissen der in'Betracht kommenden Konkurrenz- länder stattgefunden hat oder gleichzeitig stattfindet?" Auf die Anfrage des Präsidenten von Koller erklärt der Minister für Handel und Gewerbe von Berlepsch, daß er bereit sei, die Interpellation sofort zu beantworten. Abg. von Hcydebrand(k.) begründet die Interpellation: Der Finanzminister habe ausdrücklich die schwere Nothlage der Landwirthschaft anerkannt. Wir müssen erklären, daß nicht der Steuerdruck für die Landwirthschaft das Belastende ist, sondern die Ertragslosigkeit derselben. Was im Herrenhause in Aussicht gestellt ist, kann nicht schnell genug helfen. Es ist gesagt worden, daß nicht die Landwirthschaft norhleider, sondern nur einzelne Landwirthe. Wenn ganz allgemein die Landwirthe dauernd nothleiden, dann kann man nicht mehr von der Nothlage Einzelner sprechen, dann befindet sich eben das ganze Gewerbe in einem Niedergänge. Dann läßt sich aber die Folgerung nicht abweisen, daß zahlreiche Erwerbszweige, die von der Landwirth- schaft abhängen, auch getroffen werden. Das Kleingewerbe ist derartig abhängig von der Prosperität der Landwirthschaft, daß es ebenfalls leiden muß. Es giebt keinen andern Ort, wo diese Beschwerden mit größerem Recht angebracht werden können, als hier dieses Haus. Man möge über das Wahlgesetz, auf welchem unser Haus beruht, denken wie man will, das muß man zugeben, daß der produktive Stand hier viel mehr Vertreter hat als im Reichstage.(Sehr richtig! rechts.) Welchen Grad die Verschuldung des Grundbesitzes hat, davon haben die meisten noch kein rechtes Bild. 1680/87 sind 133 Mill. Mark mehr eingetragen als gelöscht; in den folgenden Jahren I2l, 149, 156 und 205 Mellionen.(Hört! rechts). Es wird festgestellt, daß der sechzigfache Erlrag des Grundsteuerreinertrages, den man gewöhnlich als Werk des Grundbesitzes betrachtet, zu 32 pCt. verschuldet ist. Die Belastung des kleinen Grundbesitzes ist nicht geringer als die des großen. Der letztere hat in de» Landschaften bessere Kreditverhältniffe, während der erstere fast nur Personalkredit bei Privatleuten hat. Unter dem Sinken der Grundrente und dem Steigen der Produktionskosten leidet der kleine Besitzer mehr wie der große, welcher sich noch eher helfen kann. Dazu tritt die Wirkung unserer hochwerthigen Valuta, welche geradezu eine Importprämie in sich fchließt gegenüber Ländern mit einer unterwcrthigen Valuta. Es muß also die Einwirkung des Weltmarktpreises auf den Inlandspreis auf andere Weise ausgeglichen werden durch Zölle und durch Aenderung der Währungsverhällnisse. Jedenfalls erscheint es bedenklich, das Maaß des bestehenden Schutzes noch zu verringern durch Handels- vertrüge. Der nächste und wichtigste Vertrag ist der zu erwartende russische Handelsvertrag, der seinem ganzen Wesen nach besonders schaden muß, weil die russische Valuta nicht blos eine minder- werthige, sondern auch eine sehr schwankende ist. Die Hauplexportartikel Rußlands sind Roggen, Hafer und Holz, welche den preußischen Markt besonders bedrohen. Die Industrie wird manche Vortheile von dem Vertrage haben, namentlich auch die meiner Heimath- Provinz. Dre Regierung sollte untersuchen, welche Wege sie gehen kann auf diesem Gebiete, ehe sie Maßregeln zustimmt, die nachher das Betreten dieser Wege vielleicht unmöglich machen oder doch sehr erschweren. Eine solche Erklärung würde im hohen Grade be- ruhigend auf die Landwirthschaft einwirken. Möge die Hilfe kommen, ehe es zu fpät ist.(Beifall rechts.) Handelsminister v. Berlepsch: Die Staatsregierung sieht sich nicht in der Lage, über den russischen Handelsvertrag in diesem Hause jetzt zu verhandeln. Sie wird sich daher an den allgemeinen Wortlaut der Interpellation halten. Die Staats- regierung wird jedem Handelsvertrag und ganz insbesondere auch solchen Handelsverträgen, in denen eine Herabsetzung der landwirthschaftlichen Zölle vorgesehen ist, ihre Zustimmung nur dann geben, wenn der Inhalt derselben den wirthschaftlichen Interessen des Reiches und Preußens entspricht.(Lachen rechts, Beifall links.) Sie ist aber nicht in der Lage, ihre Zustimmung von einer Bedingung abhängig zu machen, die sie für unerfüllbar hält.(Widerspruch rechts, Zustimmung links.) Der Vorredner verlangt eine Ausgleichung der Währungsverhältnisse; das Reich kann nicht in einem Handelsvertrage eine Bestimmung über die Bindung der Währungsverhältnisse aufnehmen. Vielfach ist vorgeschlagen, man möge eine gleitende Skala ein- führen, welche den Zoll abhängig macht von dem Stande der Valuta. Dieser Vorschlag würde nicht ausführbar sein, er würde für Deutschland die empfindlichsten Folgen haben und namentlich für die deutsche Landwirthschaft eine Gefahr in sich bergen, die viel größer ist als die der Festsetzung eines festen Zolles, Der Zoll würde je nach der Wirkung der Börsenspekulation aus die Valuta Tag für Tag hinauf und hinuntergehen. Einen solchen Weg einzuschlagen, verbieten die thalsächlichen Verhältnisse durch- aus. Wenn, man in Rußland Getreide oder sonst etwas kauft zu einem festgesetzten Preise, so muß man berücksich- «gen, daß in dem Augenblicke, wo das Getreide die Grenze überschreitet, der Zoll sich geändert haben wird. Ich kann anführen, daß auch die preußischen Handels- und gewerblichen Kreise ein Interesse daran haben, daß Mittel und Wege gefunden werden, welche dem Schwanken des Silberpreises einen Damm entgegensetzen. Die Handels- und gewerblichen Interessen verlangen eine gute und gesicherte Währung; sie ver- langen auch die Beseitigung der Schwankungen des Silberpreises. Es ist die Frage auszuwerfen, ob nicht durch das Vorgehen der amerikanischen und indischen Regierung die Gefahr einer Gold- knappheit uns nahe gerückt ist. Die Regierung möchte die...,......________________________ Schwierigkeiten gern beseitigen, unter denen die nach den Silber-(Sehr richtig rechts.) Nicht die Preissteigerung der Waarcn ländern exportirende Industrie leidet. Endlich ist das Moment des heimischen Bergbaues maßgebend. Wir sind nicht eines der Hauptländer der Silberproduktion, aber die Zahl der am Silberbau betheiliateu Bevölkerung ist eine nicht unerhebliche. Ob der Oberharzer Bergbau, den wir wesentlich im Interesse der Bevölkerung fortführen, bei stetig sinkendem Silberpreise ausrecht erhalten werden kann, ist im höchsten Grade zweifelhaft. In ähnlicher Lage befindet sich der Mansfelder Bergbau und in Beziehung zur Silberproduktion steht auch die Bleigewinnung. Für die Entscheidung dieser Frage sind die Verhältnisse des Bergbaues allein sicher nicht maßgebend; aber sie werfen doch ein erhebliches Gewicht in die Waagschale.(Zustimmung rechts.) Brömel(fr. Vg.): Herr von Kardorff hat von taufenden von Subhastationen kleiner Besitzungen gesprochen. Darüber sind wir durch die Statistik zuverlässig unterrichtet. Die Statistik ergiebt aber seit 1886 fortdauernd eine Abnahme der Zwangsversteigerungen land- und forstwirthschaftlicher Grund- stücke von rund 2900 auf rund 1500, und diese Zahl vertheilt sich auf alle Provinzen ziemlich gleichmäßig. Man kann sagen, daß die Behauptungen des Herrn v. Kardorff jeder thalsächlichen Unterlage entbehren. Prof. Conrad hat schon vor längerer Zeit nachgewiesen, daß die Verhältnisse der Ernte, die Frachtpreise u. s. w. einen viel größeren Einfluß auf den Preis haben als die Valuta. Es ist gar kein Bedürfniß für eine gleitende Zollsknla vorhanden. Die Gegnerschaft gegen den Handelsvertrag ist mindestens übertrieben. Man sollte in diesen Währungsfragen keine unnöthige Beun- ruhigung hervorrufen. Man sollte den Silberpreis ruhig den Standpunkt einnehmen lassen, welchen er infolge der fort- schreitenden Konsumtion und Produktion einnehmen wird. In- dustrie und Handel haben kein Interesse daran, Experimente auf diesem Gebiete zu machen. Abg. v. Erffa (K.): Die Antwort des Herrn Handelsministers hat uns nicht befriedigt. Was nützt mir die kaufkräftige In- dustrie, wenn sie nur vom Auslande und nicht von mir kaust. Die Zufriedenheit der Bevölkerung wollen wir erhalten durch die Abwehr des russischen Handelsvertrages.(Beifall rechts.) Abg. Krause(natl.):'Wir geben keine Erklärung ab, so lange wir den Inhalt der Vorlage noch nicht kennen. Abg. Graf HvenSbroech(Z.): Die Landwirthschaft ist nicht nur allein ein bedeutender wirthschaftlicher Faktor, sondern sie ist auch allein geeignet, den Gefahren des Umsturzes entgegen zu wirken. Eine Abstufung des Zolles nach dem Rubelkurs ist nicht möglich. Tie Währungsfrage muß international geregelt werden. Die Ew.- führung einer gleitenden Skala würde der größte Mißgriff sein. Die Landwirthschaft würde mit gebundenen Händen der Börsen- spekulation ausgeliefert. Die Aufhebung des Identitätsnach­weises wird von den Herrn im Osten mir großer Energie ver- langt; vorübergehend kann daraus eine Steigerung der Getreide- preise entstehen, aber schließlich würden alle Bortheile der Börse und dem Zwischenhandel zufallen. Dem Westen wird aber durch die Aufhebung des Identitätsnachweises eben so großer Schaden zugefügt, wie durch die Staffeltarife, deren Be- seitigung der Westen unbedingt fordern muß. Abg. Gothel»(Freis. Vg): Wir halten es für loyal, auf eine jetzt noch schwebende Sache nicht einzugehen. Handel und Industrie haben es sich schwer ankommen lassen gegenüber der großen Agitation der Landwjrthe vollständig zu schweigen, um die Zirkel der Regierung nicht zu stören. Was wollen Sie (rechts) denn erreichen? Es ist doch weiter nichts als eine Demonftration, um unserer Regierung das Leben schwer zu machen.(Heiterkeit rechts.) Abg. v. Kardorff(fk.): Die Landwirthschaft hat sich immer mit der Industrie solidarisch gefühlt. Was den Handelsvertrag betrifft, so liegt die Sache etwas anders. Im Handelsverkehr treten Ausschreitungen zu Tage. z. B. mit den Getreide- Differenzgeschäften, welche die Landwirthschaft schädigen. Die landwirthschaftlichen Interessen sind dieselben, wie die des Mittelstandes, des kleinen Handels und des kleinen Gewerbes in den kleinen Städten. Wir vertreten also ein großes vater- ländisches Interesse. Wie die'Valuta den Import beeinflußt, weiß Jeder, der an der russischen Grenze wohnt. Es ist getadelt worden, daß wir diese Reichslngssache hier zur Sprache bringen. Aber Graf Caprivr hat den Kreis der Reichskompetenz so eng beschränkt, daß die Einzellandtage sich nothwendlg mit diesen Fragen beschäftigen müssen. Beim Fortbestehen der Goldwährung muß die Landwirthschaft in Deutschland zu Grunde gehen wegen der sinkenden Kaufkraft des Volkes. Abg. Graf Bnllestrem(Z.): Für die Betheiligten ist die Unterwerthigkeit des Silbers eine sehr unangenehme Sache; aber wenn man sich mit der Frage beschäftigt, wie dieser Uebel- stand aus der Welt geschafft werden kann, so erkennt man bald, daß das unmöglich ist. Mag man von einer schwierigen Lage der Landwirthschaft oder vieler Landwirthe reden das ist dasselbe vorhanden ist der Nothstand in fast allen Theilen Deutschlands , auch in meinem engeren Vaterlande Schlesien . Die Ursachen liegen hauptsächlich in der Verschuldung, zum Theil infolge der Erbtheilung, zum Theil infolge zu hoher Kostenpreise. Dazu kommen die großen Lasten, welche die Landwirthschaft zu tragen hat und die alt hergebrachte Art der Bewirthfchastung, die Selbstbewirthschastung größere Komplexe, die sich sehr theuer gestaltet. Es ist aber sehr schwer, zur Bewirthschaftung durch kleine Pachthöfe überzugehen. Die Landwirthschaft glaubt, daß bei Festhaltung des höheren Getreidezolles der Nothstand nicht vorhanden wäre. Hätte man den Zoll in der alten Höhe an allen Grenzen aufrecht erhalten können, so würde darin ein gewisser Schutz liegen. Nachdem aber der Zoll gegenüber Oesterreich herabgesetzt ist, woran wir alle gleich schuldig sind, so ist jetzt nicht von sehr hoher Bedeutung, ob Rußland gegenüber dieser Zoll ebenfalls herabgesetzt wird. Mit dem russischen Zollkriege sind die Preise nicht gestiegen, sondern gefallen trotz des höheren Zolles. Die Herabsetzung des Zolles ist kein Geschenk an Rußland ; Rußland muß vollwerthige Kon- Zessionen mache», dann wird der Schaden dadurch ausgeglichen, daß die westliche Industrie konsumtionsfähiger wird. Meine Heimalh leidet unter dem Zollkriege ganz besonders. Die oberschlesische Industrie kann es kaum mehr aushalten. Wenn im ersten Semester 1893 noch 378 430 Zollzentner Wrägeisen und 123 000 Zollzentner Bleche nach Rußland exportirt sind, wobei 5000 Arbeiter beschäftigt wurden, so kann man die Größe eines solchen Ausfalls ermessen. Ich will die Blüthe der Landwirthschaft, aber auch die Blüthe aller anderen Erwerbszweige.(Zuruf rechts: Das wollen wir auch!) Dann lassen Sie von der übermäßigen Agitation, welche die Landwirthschaft nur schädigt.(Beifall links.) Abg. Friedberg(natl.) erklärt, daß sein Fraktiousaenoffe Krause nur in seinem Namen gesprochen habe. Er, Redner, vertrete«ine andere Ansicht. Daß ein niedriger Rubelkurs den Export beförderr. bedarf keines Beweises(Lachen links), das str einfach ein Axiom.(Lachen links.) Wer das nicht anerkennt, mit dem kann man überhaupt nicht streiten. Deshalb ist es wichtig, beim Abschluß eines Handels- Vertrages dieser Seite Aufmerksamkeit zuzuwenden. Ich weiß nicht, wie man sich einer Regelung der Währuugs- frage noch verschließen kann, nachdem Milliarden verloren gehen an Werlhpapieren solcher Staaten, welche an einer schlechten Währung zu Grunde gehen. Gerade diejenigen, welche Frei- Händler sind, sollten diesen Punkt nicht aus den Augen verlieren.