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sicherlich Elemente, die durch einen Mord das verhindern möchten. Das sind die gleichen Leute, die 1903 ihr Vergnügen an der Aus- Kungerungsaktion gegen 160 000 Arbeiter hatten. Das Wahrscheinlichste ist, daß das jetzige königliche Ministerium unbekümmert um den Wahlausgang bleiben und versuchen wird, die Wehrfrage nach königlichem Wunsch zu löse», d. h. einjährige Dienstzeit, 100 Millionen Kronen Militärbudget, Konservierung und Erhöhung der Zölle, Steuererhöhungen und wegen Mangels an Mitteln keine Sozialrcform. Man erhofft in jenen Kreisen den Umfall so vieler Liberalen, daß eine Mehrheit für die Wehrreform auf geplanter Grundlage und mit obigen Folgen sichergestellt wird. Allerdings ist auch ein so starker sozialdemokra- tischer Sieg in den Jndustriebezirken möglich, daß jene Hoffnungen zu schänden werden. Doch ein solcher Sieg ist unwahrscheinlich. Nur darüber ist man einig, daß die Sozialdemokratie Verluste nicht zu befürchten hat. Die kommunalen Landsthings- KreistagSwahlen, die am 25. März stattfanden, haben auf der ganzen Linie einen Aufschwung der Sozialdemokratie gebracht, was für denAus- gang der ReichStagswahl ein gutes Vorzeichen ist. Die vollkommenste Ungerechtigkeit. Im ersten Buch von P l a t o S.Staat' steht ein Satz, der mit roter unzerstörbarer Anilinfarbe über die Tür jedes Zimmers gemalt werden sollte, in dein die deutsche Justiz Urteile fällt. Er lautet: Denn die vollkommenste Ungerechtigkeit bedeutet: gerecht scheinen, ohne es zu sein." Ist dieser Satz richtig, dann kann die deutsche Justiz sich rühmen, im Besitze der vollkommensten Ungerechtigkeit zu sein. Denn was der griechische Philosoph als deren Welen bezeichnet, das.Eerechtscheincn, ohne es zu sein", das hastet ihr als hervor- stechendste Eigenschaft an. Herr Staatsanwalt, Sie brauchen nicht gleich vom Stuhl zu springen. Der Vorwurf bewußter NechtSbeugung, den Sie aus diesem Vorgang herauslesen und zum Gegenstand einer Ihrer berühmten Kollektivklagen wegen Beleidigung sämtlicher lebenden und toten Richter machen wollen, wird hier nicht erhoben. Gegen diesen Vorwurf sind unsere Richter schon durch die einfache Talsache geschützt, daß er nicht bewiesen werden könnte, selbst wenn er tausendmal wahr wäre. Und unbeweisbare Lorwürfe erheben wir nicht nach dem Grundsatz guivis praesumitar bcmus bis zum Beweis des Gegenteils gilt jeder als ehrenhaft. Aber gerade die Verteidiger der heutigen Justiz sollten den Um- stand beachten, daß saklische und schwere Rcchlsbcugungen in 999 von tausend Fällen völlig unbeweisbar sind. Nehmen wir als Bei-- spiel einmal daS Strafmaß» bei dessen Festsetzung der Richter mit unbeschränkter Souveränüär schaltet und waltet. Freilich, das Strafgesetz schreibt ihm Höchst- und Mindcslstrafen vor, aber die Rahmen sind weit und zwischen 3 M. Geldstrafe, der Mindeststrafe für einfache Beleidigung, und einem Jahre Gefängnis, dem Höchst- maß, besteht ein bergehoher Unterschied. Wer garantiert nun, daß bei der Wahl des StrafniaßeS aus rufend Möglichkeiten der Richter nur rein objektives ierechtigkeitsempfind en walten läßt? Nachweisen kann'S pm niemand, wenn er anders handelt, denn alle Motive sind im Schrein seines Herzens eingeschlossen und für jede Strafbestimmung gibt es durch eine tausendsältige Praxis geschossene stereotype Redensarten, die sich in jedes Urteil einfügen lassen. ES ist doch immerhin der Fall theoretisch denkbar, daß ei» Richter innerlich sagt: .An sich halte ich für diese Beleidigung 50 M. Geldstrafe für eine angemessene Sühne; aber der Angeklagte ist ein gefährlicher Sozial- demokrat, dem werde ich'S gehörig eintränken." Und er beantragt sechs Monate Gesängnis. Wer vermag diesen inneren Seclenvorgang zu beweisen? Der einzige, der eS könnte, der rechtsbeugende Richter selber, wird sich hüten, ein solches Verbrechen einzugestehen. Die Mitwelt ist auf die Tatsache des fertigen Urteils angewiesen, sie vermag aus dem Endergebnis nur indirekte Schlüsse zu ziehen. Nun wird sicher von den Verteidigern der Justiz eingewendet: »Co etwas kommt nicht vor. das ist bei einem deutschen Richter ausgeschlossen." Zugegeben, möglich. Aber wer erklärt dann die häustgcn Talsachen, die zu dem gegenteiligen Schluß geradezu herausfordern? Wer gibt dann befriedigenden Aufschluß darüber, wie«s zugehen kann, doß bei gleicher Handlungsweise in politischen Prozessen Gegner der Sozialdemokratie so un- gemein milde. Sozialdemokraten so ungemein hart bestraft werden? Die Sozialdemokratie gibt eine Erklärung, welche die Ehren- hastigkeit des einzelnen Richters grundiätzlich unangetastet läßt. Sie erklärt solche Urleile aus den unbewußten Einflüssen der Cr- ziehung, des gesellschaftlichen Milieus, der politischen Grundstimmung der Richter, aus den unabwendbaren psychologischen Einwirkungen der heutigen Klasieuscheidung. und bezeichnet diese mit dem Klassen- staat untrennbar verbundene Erscheinung als Klassenjustiz. DaS Wort hat bei den Richtern und ihren Anwälten ungeheures Hallo hervorgerufen. Man hat eS als furchtbare Beleidigung des Richterstandes bezeichnet. Ist' es das? Die Herren sollten sich dock klarmachen, doß die sozialdemokratische Tesinitroir der»Klasienjustiz" im Grunde eine Verteidigung der Richter ist. Denn nimmt man diese unsere Erklärung nicht an, so bleibt als Erklärung der heuligen Rechtsprechung nur der Glaube an bewußte Rechtsbeugung übrig, wie er in nicht sozialdemokratisch auf- geklärten Volkskreiseu gar keine Seltenheit ist. Der sozialdemo- kratischen Erziehung gebührt das Verdienst daran, wenn die auf- geklärte Arbeiterschaft eine soziale Erscheinung nicht mehr dem einzelnen Richter als individuelle Schuld anrechnet. Ohne sie wäre der Glauben an bewußre Rechtsbeugung allgemein. Lassen wir doch die Tatsachen reden. Jüngst kam in Neukölln ein Arbeitgeber Hugo JadzinSki, der einen Streikposten mit der Hundepeitsche mißhandelt harte, mit ganzen drei Mark Geld- strafe davon. Leim Bergarbeiterstreik von 1912 aber erhielt ein Bergarbeiter Beiger, der nur dabeigestauden hatte, wie andere «inen Streikbrecher verprügelten, wegen»untätiger Mittäterschaft" sechs Monate Gefängnis; eine bisher unbescholtene Bergarbeiterfrau aus Bövinghausen , die einem Streikbrecher Pfeffer ins Gesicht ge­worfen halte, sieben Monate Gefängnis. Andere Fälle: Wenn sich ein Organisierter an einem Unorgani- sierten vergreift, werden die Strafen schwindelnd hoch. In Sarau hatten 1912 zwei organisierte Bauarbeiter einem Unorganisierten, der nicht mit streiken wollte, die Sachen vom Bau geworfen. Strafe: sieden und drei Monate Gefängnis. Aber dieser Tage erhielt in Tilsit ein organisierter Bauuntecnchnlcr, der einen Unorganisierten, weil dieser nicht mit aussperren wollie, auf der Straße hinsließ. so daß dieser bettlägerig war 10 Mark Geldstrafe'. Vom Landgericht Stendal wurden zwei Arbeiter, die während des Wahlkampfes den konservativen Wahlvereinsvorsitzenden bei der Heimkehr von einer Versammlung verprügelt hauen, zu sechs und zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Ms 1907 in Oberdrees(Rheinland ) fanaiische Zentrumsleute sozialdemokratische Zettelverteiler mit Steinwürfen bombardierten und schwer verletzten. erhielt jeder der Täter 10 M. Geldstrafe. Der Unternehmer H e i n e m a n n fährt seine streikenden Arbeiter an:Sagen Sie Ihrer Streikleitung, daß sie bestochen ist". Er wird freigesprochen. daS ist keine Beleidigung. Aber der Redakteur unseres Kölner Parteiorgans, der den elfmal vorbestraften Haupt- belastungSzeugen im Deutzer Landfriedensbruchprozeß, den steckbrief- lich wegen Zuhälterei verfolgten Hauptmann als.Kronzeugen"(in Gänsefüßchen) und seine aus dem Bordell geholte Frau alsGattin" (ebenfalls in Gänsefüßchen) bezeichnet, büßt diese Gänsefüßchen mit sechs Wochen Gefängnis. Der Bürgermeister H i l d in Arborn(Wests.), der am Wahltag unserem Genossen Günther, der Flugbläkter verteilt, ein Blatt ent- reißt und ins Gesicht schlägt, sühnt die Tat mit 3 Mark Geld - strafe. Die Erfurter Strafkammer verhängt über den Gewerk- schastSbeamten Kröner, der gegenüber der Frau eines Arbeits- willigen das WortStreikbrecher" gebraucht hat, sünf Monate Gc- fävgnis. Ostelbische Justiz: Der Gutsbesitzer Jussas bei Königberg nennt eine Frau, die durch seineu Roggen gegangen ist..verfluchtes Weib" und verprügelt sie gefährlich mit seinem Knotenstock. Strafe: wegen Beleidigung S M., Körperverletzung 10 M., in Summa 13 Mar! Geldstrafe. Der Kuhmelker B. in Kaudiichkehmen bei Jnsterburg hat, weil er sich zu Unrecht entlassen glaubte, den Guts- besitzer und dessen Frau gröblich beleidigt. Strafe: drei Monate Gefängnis. Solche Urteile und fünfhundert andere, die anzuführen nur der Raummangel verbietet, sie müssen das Volk in den Glauben der- setzen, daß die Rechtsbeugung von unseren Gerichten systematisch geübt werde. Und nur die sozialdemokratische Klassenjustiztheorie vermag zum Heile der Richter diesen Verdacht zu zerstreuen. Die Richter sollten eS uns danken, wenn wir die heutige Justiz als Klassenjustiz erklären und damit dieservollkommensten Un- gerechligkeit" den schlimmsten Stachel nehmen. Oder wäre eS ihnen lieber, wir hielten uns an F e r d i n a n d L a s s a l l e, der um das Jahr 1360 an Karl Marx schrieb: .... aber nie wölbt sich meine Lippe zu einein Lächeln tieferer Verachtung, als wenn ich von Richtern und Recht bei uns sprechen höre. Galeerensträflinge scheinen mir sehr ehrenwerte Leute im Vergleich zu diesen Richtern zusei n." Un diesen Worten spiegelt sich deutlich die Erbitterung und Ver- bitterung eines Mannes, der die Klassenjustiz seinerzeit bis aus die Neige ausgekostet hat, über dievollkommenste Ungerechtigkeit", d.e alle Verbrechen der Galeerensklaven übertrifft, weil sie gerecht scheinen will. Aber so sehr wir auch diese Erbitterung nachempfinden, wir wollen menschlicher über die Einzelperionen urteilen, als Lassalle es tat. Dievollkommenste Ungerechtigkeit" bleibt die heutige Klassen- justiz trotzdem._ GoethebunS unö lex tzeinze. An der Schwelle von Berlin W., im Blüthnersaal, versammel- ten sich gestern mittag an 700 Personen, die der Einladung der deutschen Goethebünde gefolgt waren. Die sogenannteKleine lex Heinze" stand auf der Tagesordnung, und alles verlies, wie es vorgesehen war. Zuerst sprach Ludwig Fulda , und seine Aus- führungen berührten sich in vielem mit dem, was derVorwärts" in mehreren Artikeln über die Materie gebracht bat; im übrigen verweilte er natürlich in der Hauptsache bei dem Kapitel: Freiheit der Kunst. Er schloß mit dem Gedanken, daß der Staat keine Kleinlinderbewahranstalt sei und auch der Schutzmann des Schutzes vor dem ewigen Fluch der Lächerlichkeit bedürfe. Die folgenden Redner konnten sich nach den Ausführungen Fuldas wesentlich kürzer fassen und zumeist taten sie eS denn auch. Herr Dr. Ellert, der Vorsitzende des Stuttgarter Goethebundes, wies hin auf ein altes preußisches Gesetz aus dem Reaktions- jähr 1850, das den BegriffAergerniSnahme" enthält, Professor Carl Langhammer, der Präsident der Großen Kunstausstellung, gab Beispiele aus der Rechtsprechung über die Reproduktion von Kunstwerken und betonte, daß nach Annabme jener Paragraphen alle öffentlichen Stätten, vom Schaufenster des kleinsten Papier - Indens an bis zur Großen Kunstausstellung vogelftei würden. Dr. Walter Blocm, der Generalsekretär de ? GoethebundeS und Dramaturg am Stuttgarter Hoftheater, zerzupfte die Begyündung der Lex und meinte, daß mit dem darin enthaltenen Begriff des Erwachsenen" vor Gericht genau derselbe Unfug getrieben werden könne, wie mit demNormalmenschen". Dann kam Frau Braun der Versammlung phychologisch. Sie schloß:Der Schrei nach der Polizei, von Eltern getan/ ist nichts weiter als eine Bankerott- erklärung ihres Erziehungsgeschäftes". Bis dahin hatten alle Redner der Regierung tüchtig den Kopf gewaschen. Nun begann eine sanftere Tonart. Der vorsichtige Pastor Heyn hielt eine Einerseits- und Andererseits-Rede. Herr Dr. OSborn schloß endlich die lange Rednerliste wieder mit frische- ren Worten und Gedanken. Ludwig Fulda verlas dann noch einige Zustimmungserklärungen von den übrigen Goethebünden, den Professoren Liszt , Wilhelm Großmann, Max Liebermann und Ernst Haeckel , von Gerhart Hauptmann und sogar von derVater. ländischen Gesellschaft zur Verbreitung von GeschichtSkenntniS". Darauf erfolgte die Abstimmung über folgende Resolution: Tie Versammlung sieht in den geplanten gesetzgeberischen Maßnahmen gegen die Schaustellung von Schriften, Abbildungen und Tarstellungen kein zuverlässiges Mittel zum Schutze der Jugend, wohl aber eine schwere Gefahr für Kunst und Wissen- schast sowie eine Bedrohung des Buchhandels, die mit aller Ent- schiedenheit abgewehrt werden müssen. Sie verlang! überdies, daß die Behörde jedes Eingreifens schon bei der gegenwärtigen Rechts- läge auf diesem Gebiete nicht von dem Ermessen kunstfremder Polizeiorgane abhängig macht, sondern von dem Urteil eines Bei- rats, der aus berufenen Vertretern der Kunst, Literatur und Wissenschaft besteht-" Die Resolution, die Annahme fand, hat eine schwache Stelle. Die Maßnahmen des Gesetzentwurfs sind nicht nurkein zuver- lässiges Material zum Schutz der Jugend", sondern sind eine Ge- fahr der Jugend. Indem die Resolution das nicht betonte, ver- sagte sie in dem wichtigsten Punkte. politische Ueberftcht. Lebius, Cohn tmd Nathansohn. Der Antisemitismus ist tot und abgetan. Die wild auf- schäumenden Wogen, die die Bewegung gegen das Judentum einst warf, haben sich längst geglättet. Die Flut hat sich verlaufen. Wer heute noch glaubt, mit dem Antisemitismus Geschäfte zu machen, gibt sich arger Täuschung hin. Diese Erfahrung ist dem Besitzer und Cheftedakteur derSlaaisbürger-Zeilung" Rudolf Lebius ebensowenig wie seinen Vorgängern erspart geblieben. Herr Lebius hat früher auch in der Sozialdemokratie debütiert, konnte sich aber in der Partei nicht zur Geltung bringen. vor ollem war finanziell nichts herauszuholen, so wechselte er zu den Gegnern über, denGelben", und gründete deren Organ, die WochenschriftDer Bund ". Kaum war er jedoch in seiner neuen Umgebung warm geworden, als er auch schon mit allen Krakeel hatte mit seinen eigenen Parteigenossen, den Werkvereinen der Essener Richtung, insbesondere aber mit Vorsitzenden und Vertrauensmännern der Berliner Werkvereine. ES regnete Privolklagen und Widerklagen. Die Prozesse häuften sich. Den Unternehmern, die eigentlich die Werkvereine rnS Leben gerufen hatten und daS Blair für ihre Angestellten abonnierten, war der immerwährende Zank und Streit im eigenen Lager selbstverständlich nicht angenehm und da sich Herr Lebius auch sonst wider haarig zeigte, so machte man mir ihm kurzen Prozeß, indem er vor d e Alternative gestellt wurde: entweder denBund" an die Arbeit« geber zu verkaufen oder sämtliche Abonnements zu verlieren. Herr Lebius entschied sich nach langem Zögern für den Verkauf. Da keine der bürgerlichen Parteien mit seinen Ansichten von Politik übereinstimmte und sich auch keine seiner Wellanschauung anpassen wollte, gründete er kurz entschlossen eine neue Partei: die Rationaldemokratie, die es fteilich nur aus zwei Mitglieder brachte. Sie bestand eigentlich nur aus ihm und ieinem Anwalt. Jede Partei, die etwas aus sich hält, besitzt für ihre Mitglieder ein eigenes Organ; Herr LebiuS gründete daher die WochenschriftTer Nationaldemokral". Doch derNationaldemokrat" ging ein, weil sich bald die große nationaldemokraiische Partei auflöste. Und daS kam so! Gerade zu der Zeit, als ihm die Arbeitgeber das Ultimatum stellten, nahm Herr Lebius eine peinliche und genaue Prüfung seiner politischen Anschauungen vor. und bei diesem Gedankenappell bemerkte er zu seiner nicht geringen Ueberraichung, daß er nicht mehr Demokrat, sondern inzwischen kon- servaiiv-agrorischer Antisemit strengster Observanz geworden war. Und diese schöne Umwandlung hatte sich ganz im geheimen vollzogen, ohne daß er etwas davon bemerkt hatte. Als Mann der Tat kaufte er nun die seiner neuen Weltanschauung angepaßte anli« semitischeSiaaisbürger-Zeitung" ihrem Liquidator ab. Ms Herr LebiuS nach mehrmonatigem Experimentieren zu der Einsicht gekommen war. daß der Kampf gegen die Juden ein Kampf gegen Windmühlen und dieSiaatsbürger-Zeilung" als anli- semitisches Organ nichts weiter als einlebender Leichnam" sei, verwandelte er sich auS einem unduldiamrn Antisemiten in einen toleranten Philosemiten. Um die Metamorphose auch äußerlich kennbar zu machen, unterläßt das ehemalige Zentralorgan des Anti» semiliSmuS seit einigen Wochen nicht nur jeden Angriff gegen die Juden, sondern Herr LebiuS ist auch bemüht, sich mrt einem Stab von jüdischen Mitarbeitern und Schriftleitern zu um- geben. Ein Herr Cohn ist bereits als Mitarbeiter tätig und wie uns glaubwürdig versschert wird, auch für eine Redakteurstellung in Aussicht genommen. Mit Herrn Dr. Nathansohn, dem Generalsekretär der gelben Werkwereine, sollen Unterhandlungen schweben wegen Uebernahme deS volkswirtschaftlichen Teiles der StaatSbürger-Zeitung". DaS Alte stürzt: Wo einst Ahlwardt und Dr. Boecke! ihr Juden raus!" ertönen ließen, halten jetzt Cohn und Dr. Nathan- sahn ihren Einzug. Von den Wänden verschwinden die Bilder von Wodan und Thor , und Tcphillolh treten an ihre Stelle. Ob die Slaatsbürger-Zeitung" auch am Sonnabend erscheinen soll, darüber finden noch Erwägungen statt. Alle», was glänzt, vergeht! Neichsverbandsplcite. Die nationalliberalen Bereine des Reichsiagswahl- kreiseS Borna-Pegau veröffentlichen, gekränkt durch das hoch- fahrende Abschiedswort des Generalleutnants v. Liebert an seine Wähler, durch ihren Vorsitzenden Paul Strobel imLeipziger Tageblatt " eine Erklärung, in der die Angriffe und Verdächti- gungen der konservativen Presse zurückgewiesen und die Haupt- schuld an dem Stichwahlergebnis der verkehrten Taktik desReichs- Verbandes gegen die Sozialdemokratie" zugeschrieben wird: .,W! viel auch in der Person selbst liegen und wie viel gefehlt werden kann, beweist das Abschiedswort des Herrn v. Liebert an seine Wähler, wenn er unter anderem schreibt: Ein Teil der liberalen Wähler hat den nach dem Resultat der Hauptwahl den bürgerlichen Parteien zukommenden Wahlkreis an die Sozialdemokraten verraten." Es wird in Kürze noa> auf einige andere Aeußerungen des genannten Herrn zurückzu- kommen sein, die eine Einwirkung aus das letzte Resultat der Wahl erklärlich erscheinen lassen. Ter Wahlkreis war nur mit einem liberalen Kandidaten zu halten. Es fei durchaus möglicki, den kleinen Mann für eine bürgerliche Vertretung zu interessieren und zu gewinnen, nur dürfe man nicht die Taktik des Reichsverbandes anwenden." Tie Nationalliberalen des Kreises Borna-Pegau haben nicht ganz unrecht: daß der Wahlkreis an die Sozialdemokratie zurück- gefallen ist, liegt nicht zum geringsten Teil an der Person des Herrn v. Liebert und der sauberen Taktik des ReichLverbandeZ. Wie bei den letzten allgemeinen Wahlen im Jahre 1912, so hat auch diesmal wieder die Wahlagitation des Reichsverbandes nicht nur völlig versagt, sondern sogar manche Wähler, denen der von dem Rerchsverband ausströmende Gestank allzu scharf in die Nase drang. in das Lager derroten Vaterlandsverräter" getrieben. Auf die Dauer ist das verlogene Operieren der Reichsverbändler mit Fäl- schungen, Entstellungen, Klatsch und Tratsch unerträglich. Eine Zeitlang hat die Mache aus den kleinen Mittelstand und auch aus politisch unerfahrene Arbeiter gewirkt; nachdem man aber mehr und mehr entdeckt hat, wie innerlich verlogen und hdhl diese ganze ReichSverbandsagitation ist, nehmen nur noch besonders Einfältige die Flugblätter des Reichsverbandes ernst. Schon der Name Reichs- verband genügt, um eine Flugschrist in weiten Volkskreiseu zu diskreditieren und als Schwindel zu verdächtigen. Die großen Strategen des Reichsverbandes mögen ja vielleicht in ihren Kreisen als gescheite Köpfe gelten, auf die Massenpsychologie verstehen sie sich aber recht schlecht._ Wieder eiu Vorstost des Zentrums für die geistliche Schulaufsicht.' Das Zentrum hat im preußischen Abgeordnetenhause den An- trag eingebracht, die Staatsregierung zu ersuchen, 1. Anordnungen zu treffen, wodurch die künstliche Einrick- tung de§ Nektorensystems an Volksschulen, besonders auch durch Einführung der Gemeinschafterziehung beider Geschlechter, ver- hindert wird; 2. auch bei Einführung des Rektorensystems die geistliche OrtSschulaussicht beizubehalten, solang« nicht in anderer Weise das der Kirche gebührende Recht aus Miiaufsicht über den ge- samten Unterricht in den Volksschulen sichergestellt ist.