Nr. 89. 31. Iahlgang. 1 Keil«« des Jotmätls" Knlinet KoMlitl Dieestag. 31. Marz 1914. Gewerkschaftliches. �iue neue Schlinge für üas koalitionsrecht. Das Kölner Oberlandesgcricht fällte soeben eine Entscheidung, die— wenn sie vorbildlich werden sollte— die Ausübung des Koalitionsrechtes der Arbeiter außer- ordentlich einschränken würde. Im Juni 1913 wurde in .KL1n,BayenthaI in der Nähe der Walterschen Gärtnerei an Telegraphenstangen und an Straßenecken ein Zettel folgenden Inhalts angeklebt: „Achtung! Gärtner? Wegen Stichtanerkennung des mit der Gruppe Köln abgeschlossenen Tarifvertrages(Stunden- lohn 46 Pf.) ist über die Firma Otto Walter, Köln-Bayenthal, die S p e r r e verhängt. Jetzige Löhne 25 M. pro Woche? Nein, pro Monat!! Lohn pro Stunde demnach 36 Pf. Jeder Gärtner meide den Betrieb. Allgemeiner Deutscher Gärtner- verein." Dieser Anschlagzettel führte zu einer Anklage gegen die Vorstandsmitglieder des Allgemeinen deutschen Gärtnerver- oins, Schulze und Schleinitz, lvegen B e l e i d i> gung(I) des Gärtners Walter. Vor dem Kölner Schöffengericht machten die Angeklagten geltend, daß der ab- geschlossene Tarif ausdrücklich 46 Pf. pro Stunde vorsehe, gegen ihn habe Walter verstoßen. Sie seien daher zu ihrem Vorgehen berechtigt gewesen. Sie wurden beide zu 59 M. Geldstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der als Nebenkläger zugelassene Gärtner Berufung ein. Die Straf- kammer sprach nunmehr den Angeklagten Schulze frei, wäh- rend Schleinitz zu 190 M. Buße verurteilt wurde. In den Gründen hieß es: Es ist nicht erwiesen, daß Schulze, der Vorsitzende der Ortsgruppe Köln , den Zettel verfaßt hat, er war daher freizusprechen. Was den Inhalt des Zettels an- langt, so hält das Berufungsgericht für erwiesen, daß der Nebenkläger Walter den Tarif verletzt hat. Beleidigung aus§ 186 des Strafgesetzbuches fällt weg, weil der Wahrheitsbeweis gelungen ist. Aber Schleinitz hat sich einer Beleidigung aus§ 185 schuldig gemacht. Der In- halt des Zettels spricht deutlich aus, daß Walter sich zu dem Tarif in Widerspruch gesetzt, daß Walter Löhne zahlte, die ..Hungerlöhne" seien. Wenn auch nicht gerade dieses Wort gebraucht war, so konnte doch die Mit- teilung ihrer ganzen Fassung nach nicht anders verstanden werden, als ein Ausdruck der Entrüstung über Walters Ge- schäftsgebaren und eine"Warnung, bei einem derartigen ver- tragsbrüchigen Unternehmer zu arbeiten. Die Mitteilung sei also geeignet gewesen, Walter in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, und Schleinitz sei sich dessen bewußt ge- Wesen. Allerdings ist zugegeben, daß sie eine zur Wahr- nehmung berechtigten Interesses gemachte Aeußerung enthielt, denn Schleinitz hatte als Vorstands- mitgliedundMitgliedderTarifkommission ein doppeltes Interesse an der Jnnehaltung des Tarifes. Aber die Art und Weise, w i e er dies einer unübersehbaren Personenmenge zur Kenntnis brachte und Walter in der Oeffentlichkeit bloßstellte, spricht für die Absicht der Beleidi- gung und einer schwerwiegenden Kränkung Walters. Darum war ihm der Schutz de»§ 193 nicht zuzubilli- gen. Sein Vorgehen gegen Walter war gemein- gesährlich(!) und dazu angetan, den Boykottierten auf das schwerste zu schädigen. Deshalb ist auch die Strafe er- höht worden. Die Revision von Schleinitz, die vor allem rügte, daß ihm der Schutz des§ 193 zu Unrecht entzogen worden sei, wurde jetzt vom Kölner Oberlandesgericht verworfen. Wer den Wortlaut des Anschlagzettels durchliest, wird nicht finden können, daß sein Inhalt irgendwie erheblich von den Bekanntmachungen abweicht, welche die Gewerkschafts. vorstände zur Warnung vor Zuzug sönst in der Arbeiterpresse .zu veröffentlichen pflegen. Nur hat man diesmal den Weg i oes Anschlags gewählt, um die Warnung auch an solche Ar- f beiter gelangen zu lassen, welche durch Presse und Versamm- langen für die Organisation nicht erreichbar sind. Wenn das Gericht aus dieser Art der Veröffentlichung die Absicht der Beleidigung herausdestilliert, dann verhindert es praktisch dadurch den schriftlichen Verkehr mit den sogenannten Arbeits- willigen und tut,>vas Gendarmen und Polizei sonst tun, indem sie die Annäherung zwischen Streikenden und Arbeits- willigen unmöglich machen. So wird ohne irgendwelche Inanspruchnahme der Gesetz- gebung die Ausübung des Koalitionsrechtes mehr und mehr eingeengt. Und diesen jämmerlichen Rest eines lediglich auf dem Papier stehenden Rechtes möchten die Scharfmacher der Arbeiterschaft auch noch rauben! Verlln und Umgegend. Zur Lohnbewegung der Brauereiarbeiter. Im Laufe des gestrigen TageS hat zwischen den Vertreten: der beteiligten Organisationen und dem Vorstand deS Vereins der Brauereien sowie der Lohnkommission desselben eine Bespreckung stattgefunden, in der neue Zugeständnisse gemacht wurden, welche der heute abend stattfindenden Versammlung der Vertrauensleute und Lohnkommission vorgelegt werden. Bis zur endgültigen Regelung der Angelegenheit, die nach jeder Richtung hin beschleunigt wird, ersuchen wir unsere Mitglieder, nichts zu unternehmen, was geeignet erscheint, Differenzen hervorzurufen. Die an der Lohnbewegung betrUigte» Organisationen. » Vorstand und Vertrauensmänner der Zahlstelle Berlin des Verbandes der Brauerei- und Mühtenarbeiter haben beschlossen, denjenigen Arbeitslosen, die bis einschl. 24. März er. ausgesteuert sind, aus die Dauer von 3 Wochen die Arbeitslosen- Unterstützung, wie dieselbe im Verbandsstalut vorgesehen ist, aus Lokalmiiteln weiterzuzahlen. An dieser Unterstützung nehmen auch die als.Vize' beschäftigten Kollegen teil mit der Matzgabe, datz diese Kollegen die Unterstützung nur für arbeitsfreie Tage, aber in derselben Gesamihöhe erhalten. Die Auszahlung der Unterstützung beginnt erstmalig am DienS- tag, den 24. März er. in der Geichästsstelle, Mulackstratze 16. Verband der Brauerei- und Müblenarbeiter, Zahlstelle Berlin O. 64, Mulackstratze 16, I. Fernspr. Amt Norden 4618. Die Maßschuhmacher Groß-Berlins stehen in einer Lohnbewegung. da der im Jahre 1966 abgeswlossene Tarifvertrag zum 1. April d. I. von der Arbeiterschaft gekündigt wurde. Eine letzte Verhandlung mit dem Arbeitgeberverband wird vor Ablauf des Tarifvertrages noch heute abend erfolgen. Die Beschlutzfassung über die Lohn- bewegung findet morgen in einer Branchenversammlung in»WilkeS Festfälen' statt._ Die gelben Berliner . In der gelben Werkvereinsbewegung kam e» im vergangenen Jahr« zu einer Spaltung. Die Berliner, die in Gefahr standen, von den Essenern um die Führung der Bewegung gebracht zu werden. trennten sich von diesen unter dem Vorgeben prinzipieller MeinungS- Verschiedenheiten. Sie proklamierten, am Streikrecht festhalten zu wollen für den Fall.berechtigter' Forderungen der Arbeiterschaft. Da sie aber jeden Streik von vornherein für unberechtigt erklären, so hat ihr anscheinend so kühnes Auftreten für die Unternehmer praktisch keine üblen Folgen. Die Unternehmer würden ihnen auch l Entziehung des Wohlwollens und der materiellen Unter- stützung wären die unausbleibliche Folge, und die ganze stolze gelbe Berliner Bewegung wäre weggeblasen. Am Sonnabend haben nun die Lebiusbriider m Berlin eine Vertreterversammlung abgehalten, in der sie sich gegen die Essener in einem Kartellverband Deutscher Werkvereine zusammenschlössen. Räch einer Reklame- notiz, die sie durch das Wojffsche Bureau versenden, waren gegen 166 Bertreler.einer grotzen Anzahl auf dem Boden des Berliner Werkvereinsprogramms stehende Werkvereine anwesend, u. a. aus Berlin , Dresden , Chemnitz , Bischofswerda . Würzen, Meitze», Halle a. d. Saale . Hamburg , Mainz , Wiesbaden , Frankfurt a. M. und anderen Städte». Nach eingebender Diskusfion wurde der Zu- sammenschluh auf dem Boden des Berliner Werkvereinsprogramms beschlossen. Die meisten der anwesenden Vertreter erklärten sofort den Anschluß ihrer Vereine: eine Reche weiterer Vertreter stellte diesen Anschlutz für die allernächste Zeit in Aussicht. Einstimmig wurde folgende Resolution aitgenomme»: „Nach den Ausführungen der einzelnen Redner konstatieren wir, datz eine Einigung zwischen der Berliner und Essener Werk- Vereinsrichtung ausgeschlossen ist. Die anwesenden Vertreter deutscher Werlvereine begrüßen die Anregung zur Gründung deS Kartellverbandes Deutscher Werlvcreine und geben die Erklärung ab. das Programm der Berliner Wsrkvereine anzuerkennen, weil eS den berechtigten Wünschen der deutschen Arbeiterschaft ent- spricht.' Der neugegründete Verband soll aßigeblich mit über 56 660 Mit« gliedern ins Leben treten. Tarifabschlust im Stemsetzgewerbe. Im November� vorigen� Jahres trat die paritätische Schlich- turtgskommission für das Stemsetzgewerbe zusammen, um einen neuen Tarif zu beraten. Die Anträge der Arbeitgeber bedeuteten für die Arbeiter lvesentliche Verschlechterungen nach jeder Richtung. AIS lveiteres Moment, die Verhandlungen zu erschweren, beschlossen die Innungen Eberswalde und Potsdam , sich an den Verband- lungen zur Schaffung eines neuen Tarifes nicht zu beteiligen, obgleich ein großer Teil der von ihnen nusgeführteu Arbeiten im engeren Groß-Berlin gelegen ist. Die Beratungen nahmen mehrere Monate in Anspruch. Immen wieder versuchten die Parteien, sich zu verständigen, bis nun docl, kurz vor Ablauf des alten Tarifvertrages(aur 31. März 191-si, das Berliner Gewerbe- gericht als Einigungsamt angerufen werden mußte. Eine Sub- kommission ordnete die noch strittigen Punkte und nach zweitägiger Beratung kam das Etniguugsamt zu einem Schiedsspruch, der wesentlich folgendes enthalt: Die täglüjhe Arbeitszeit be- trägt 9 Stunden. Vom 1. November bis'Ende Februar kann eine Verkürzung der Arbeitszeit bis zn 7 Stpnden täglich vereinbart werden. Die Pausen werden bei nieunstünbiger Arbeitszeit nach den Vorschlägen der Arbeitnehmer, klci verkürzter Arbeitszeit nach den Vorschlägen der Arbeitgeber geregelt. Der Stunden» lohn beträgt in Berlin und den Orten i<n Umkreise von 6 Meile« um Berlin : Für Steinsetzer vom 1. April s1914: 86 Pf. „ Rammer. 1. April:t914: 66. . Steinhauer„ 1. April Itg14: 76. In den Orten außerhalb des seclsmeiligen Umkreises u« Berlin werden die Löhne durch BeMlutz der SchlichtungS- kommission festgesetzt. Fahrgelderentschädigung unterliegt der freien Vereinbarung der Parteien. Uür Junggeselle«, welche vom 1. April 1914 ab ausgelernt hiaben, kann innerhalb de» ersten Gesellenjahres der istundenlohn 5.bis 16 Pf. als oben fest» gesetzt betragen. Die Meister bezw. AetriebSinhaber sind verpflichtet, Lehrlinge auch während des j Vinters zu beschäftigen und in die Pflichtfortbildungsschule bezN>. Fachschule zu schicken. Der Tarifvertrag gilt auf die Dauer jwn zlvei Jahren. AIS Organ zur Ueberwachung des Tarifvertrages zur Schlichtung von Streitigkeiten und Entscheidung von M einungSverschiedenheiten über die Anwendung der einzelnen Bestimmungen des Antrage» wird für den Geltungsbereich des Tarifvertrages eine SchlichtungS- kommission gebildet, die aus mindestens ftiiif Vertretern der Arbeit- geber und Arbeitnehmer und der gleiten Anzahl von Stell- Vertretern zu bestehen hat. Der Akkordtarif für die Steinhauer kemnte noch kurz vor Zu- sammentritt des Einigungsamtes durch die jwritätische Schlichtungs- kommission geregelt werden. Es werdeii gezahlt: Für Klein. Pflaster aus allen Steinsorten 6,56 M. bis 7,56 M., Schwedische Reihensteine nachzuputzcn pro Stück 6,65 ZN., Packe aus Plötzkyer Riaterial 1,16 M., Packe aus allen übrigen Steinsorten 1,36 bis 1,85 M.; Mosaik, Berliner Profil. Bernbuvger Material 12,66 M.; Mosaik, Berliner Profil, Plötzkyer Matevial 13,66 M.; Mosaik, 4 bis 6 Zentimeter Seitenfläche, Bernbuvger Material 6,56 M.; Mosaik, 4 bis 5 Zentimeter Seitenfläche. Plötzkyer Material 8.66 M.; Mosaik, 3 bis 5 Zentimeter Seitenfläche 9,56 M.; halbfeiner Mosaik, gearbeitet aus getvöhnlichem Mosaik 16,56 M. Alle anderen Positionen wurden auf glatte Summen erhöht. Achtung, Kleber! Wegen Tarifbruch ist h ie Firma B u r m a n n, Chausieestr. 44, gesperrt. Die Schlichtungskommission. Kleines Feuilleton. Politische PfeffcrbonbonS von Theodor Storm . Briefe Theodor GtormS, des grotzen Erzählers und Liederdichters, an Tycho Mommfen. den Jugendfreund, werden in der.Neuen Rundschau' erstmals bekannt gegeben. Ein Brief von 1856, auS StormS Aiyl Potsdam geschrieben, also mitten auS Zeit und Lager der nach- märzlichen Reaktion, ist mit einigen Spritzern polnischer Satire gewürzt. Die mannhafi-gerade Natur SiormS, die dem Treiben der Kriecher und Schleicher in der„Blütezeit der Schufte' mit geitzelnden Strophen der Verachtung über die krummen Rücken gegangen ist, mach: sich in diesem Briefe Luft.- Mommsen hatte dem Freunde mit Gcherzreimen behängte Ge- schenke geschickt, und nun antwortete Storm:.Für Ihre Consetti und Pfefferbonbons noch einige aus meiner Fabrik. Ich habe e» zu stillem Vergnügen gemacht, als bei den diesjährigen Wahlen nach einem Ministerialrescript bie Beamten aufgefordert wurden, regierungSmätzig zu wählen.' Was StormS demokratische Art von diesem Ansinnen der preutzischen Regierung hielt, sagt er sogleich in dem Satz:„Unserem Gericht ging zufällig diese Beleidigung vorüber.' Da nun diese Sorte Beamten- beleidigung von oben herunter ein Stück eiserner Bestand der Re- gierungSweiSheit geworden ist, sind auch die vor einem halben Jabrhundert fabrizierten PfefferbonbonS genietzbar geblieben.„Zur Erziehung' schreibt Storm über die Verse, die der Sammlung seiner Gedichte bisher nicht eingefügt wurden. Die Regierung, verkörpert al» bornierter Jugenderzieher, hat das Wort: Nimm nun. Pflaum' oder Pfirsich! Ich gebe dir gänzlich die Wahl; doch Nimmst du den Pfirsich, pah auf. was dir zu Mittag geschieht! Freilich nur nach Gewissen und gänzlich nach Ueberzeugung! Riet' ich ein Anderes dir, gut nicht wär' eS fürwahr. Aber bedenk'S, ich bin hier sehr— sehr anderer Meinung; . Und— daß du meiner bedarfst, hoffentlich weitzt du es doch! Und dann sammelt der Dichter seinen Spott in den beizenden SchlutzverS: Also lasset uns die Kinder und Jungen erziehen, Und sie werden gewiß patzlich für allerlei Dienst. Man darf gespannt sein, ob die bürgerliche und junkerliche Presse wagen wird, diese Stachelverse für ihre Leserschaften abzu- drucken. Der Tassen-BhzantiniSmuS. In den Blättern la« man vor kurzem: „Der bei den Danziger Leibhusaren stehende Prinz Friedrich SigiS- mund von Preußen begab sich nackt der letzten Sturmflut in den Krei« Putzig zur Besichtigung der ungeheuren Sturmschäden. Dabei UtftU er im P»tziger Kurhause ein und trank dort Kasse«. Kaum hatte sich der Prinz entfernt, als ein Beamter der dortigen Kreis« Verwaltung auf den KurhauSwirt zutrat und ihm die Tasse, auS der der Prinz getrunken, für 16 M. abkaufte.' Derlei rührsame Geschichten wandern immer wieder durch die Presse. Und der Grotlbutzsche„Türmer' bemerkt dazu: ES braucht nicht einmal eine Taste zu sein; gelegentlich tut's schon ein fort- geworfener Zigarenenftummel. Man sieht: eS ist im WesenSlern dasselbe unterwürfige Geschlecht, das ehedem bis in den Stratzenkot sich neigte, wenn in vergoldeter Sänfte Serenissimus vorüber- getragen wurde. Rur dos Kostüm wurde anders; nicht die Art, kaum der Ausdruck der Empfindungen. Und dabei klagen sie über die zunehmende Dreistigkeit der Demokratie, die vor den Thronen nicht einmal halt mache! Der.Türmer', der selber mit Demokratie nichts gemein hat, zapft an einer anderen Stelle des Heftes, das diese Klage enthält, seinem Programm die Worte ab:„DaS Volk will an Autoritäten glauben, eS sehnt sich nach diesem Glauben, man mutz e» ihm nur möglich machen.' Die.Autoritäten', vor denen die Demokratie nicht hall macht, werden diese Forderung natürlich mit einem vergnügten.Sehrrichtig!' begrüßen. DerTassen-ByzantiniSmuS, von ihren Sachwaltern wohlgefällig gefördert, stirbt nimmer aus und schießt sogar üppig ins Kraut. Der.Türmer' mag sich zur Sache merken: Wer A sät, wird B ernten. Etz schau» S' aba... Ein Kapitelchen von der Münchener Gemütlichkeit wird in der.Kölnischen Zeiiung' erzählt. Also, ich kam 5 Minuten vor 7 Uhr in die Mlltelhalle des Münchener Haupt- bahnbofs und verlangte vom Schalterbcamten eine Fahrkarte dritter Güte, D-Zug nach Mannheim . Der Mann sah mich gutmütig und sonder Arg an; dann fragte er:„Ja. mit welchen Zug woll'n S' denn sahr'n?'—.Ich will jetzt gleich um 7 Uhr fahren!I Bitte Mannheim , dritter!'—„Soo? Etz glei?' Er zog um- ständlich seine Uhr. beklopfte sie, sah dann nach der Bahnhossuhr, wozu er sich aus dem Schaltersensler herausbeugen mutzte, und stellte die weitere Frage:„Ja, etz sin fei nur noch fimpf Miiiutten! Werden S' denn da den Zug noch schaffen?' Ich(erbost):„Ja, wenn Sie so lang rummachen, freilich nicht! Also, bitte, eins dritter, Mannheim 1"— Er(streng, sachlich): .lieber Karlsruhe oder über Bretten -Bruchsal ?'— Ich:„Ja, daS ist mir gleich! Mit dem 7-Uhr-Zug will ich...'— Er:„Ja. über Karlsruhe kostet'S 96 Pfenning mehr!'— Ich:„Mit dem 7-Uhr-Zug will ich...'— Er:„Also, da iS Ihr Billett; macht soundsoviel! JesiaS, a Zwanzgmarkftück! Wechseln aa no?I(Er zählte bedächtig daS Wechselgeld.) Soo I Etz Hammers ja I Etz laufen S' nur! Sonst sährt er Eahna grad...' Ich stürmte mir kurzem Gruß davon und auf den Bahnsteig hinaus. Gollseldank! Da winkte schon das Schild:.D-Zug AligSburg-Ulm-Siuttgart-Karleruhe-Pfalz.' Im Sturmschritt näherte ich mich dem Bahnsteigschaffner:»ach rückwärts warf ich noch einen Blick: Noch eine Minute bis 7 Uhr II Da! Klapv!! Warf der Babnsteigsckaffner die Tür zum Steig zu! Ich(hilseflehend meine Karte vorweisend):„Sie, ich möcht fei auch noch mitfahr'n!— Er (sachlich):.Bedaure sehr! Der Zug fährt bereits!'— Ich: „Aber da steht er ja noch in aller Gemütsruhe!'— Er:»Das Abfahrtszeichen hat er aber schon! Er nnzß sofort..— Ich! „Aber, so lassen Sie mich doch wenigstens het'ein!'— Er(gekränkt): „Wenn Sie's durchaus woll'n l' Und mit �sichtlichem Widerstreben öffnete er die Tür zum Bahnsteig nochmals. I'nipste meine Fahrkarte und... deutete ganz sachlich, durchaus nicht schadenfroh, auf den Zug. der gerade sich langsam in Bewegung setzte.„Sehng S'. i hob's Eahna ja glei g'sagt. daß S'n nimma dvwisch'u. Na, bernhing S' Eahna nur! Um 8 Uhr 22 geht ja wieder a Zug nach Mann- heim!' Ich stapfte initzmutig zum Fahrkartenschalter zurück und fragte ob diese Karte auch zum Zug um 8 Uhr 22 Min. Geltung habe. Der Beamte erkannte mich togleich wieder.„Ja, gelln S', ey Barn S' den Zug nimmer erreicht?" Ich schüttelte verneinend den Kops. Er:„Na, Sie ham ja glei wieder an Zug l Der sährt freilr über Bretten unn Bruchsal ; da müasi'n S' a andere Fahrkart'n ham. So! Da krieng S' etz no 86 Pfennig rauS. Wenn S' nimma auf'n Bahnsteig gangen wär'n, taat i Eahna sogar 96 geb'n. Aba etz iS das Büllettl amal g'locht; da gib'tS nur 86 Pfennig. Etz schaun S' aba, datz S' den 8-Uhr-22-Zug net aa no vcrsaimen I' Notizen. — Theaterchronik. Das Deutsche Kimstlerthearer beginnt die Forni. die eine Spielzeit lang erprob: wurde, aufzulösen: Rudolf Rittner scheidet Ende Mai aus der Leitung aus. WaS er schon im November angestrebt hat, wird ihm jetzt zugestanden. Und auch von Else Lehmann heißt e§(mit nachfolgendem Dementi allerdings) sie fei jetzt auS dem Verbände des Theaters ausgeschieden und werde einstweilen eine neue tspielverpflichtung nickt eingeben. Hoffentlich gelingt eS, die Künstlerin für da». Theater der Freien Volksbühne zu gewinnen. Denn daS wird an« gestrebt. — Die Schule Reimann versendet soeben ihr neue» Prvgramm für das Sommersemester 1914, welches am 2. April be- ginnt. Hans Baluschek wird die Korrektur einer Landschaftsklasse übernehmen. Auch wissenschaftliches Zeichnen für Studierende der Medizin und der Naturwissenschaften ist in dem Lehrplan mit aufgenommen. Der Werkstättenbelrreb ist durch eine Abteilung für Schneiderei erweitert worden.— DaS Sekretariat der„Schule Reimann" ist in der LandShurer Straße 38. — Mistrals R u hm in Zahlen. Eine französische Zeitung berechnet, daß Mistrals epische Dichtung Mirsio autzer 27 Ucbersetzungen ins Hochfranzösische, drei deutsche , vier englische, vier spanische, zwei dänische, zwei ungarische, vier italienische, eine polnische, zwei rumänische, zwei russische, drei schwedische, eine tschechische lieber- setzung erlebt habe und einmal in Blindenschrift umgesetzt worden ist. Also ein Weltbuch unbedingt! Die Heldin hat nicht weniger als 32 Statuen. Bilder, Zeichnungen und Medaillen angeregt. L y d if ch e Inschriften wurden von amerikanischen Altertumsforschern in der Gegend der alten kleinafiatischen Krösus« stadt SardeS entdeckt. Man fand Inschriften, die nebeneinander in griechischer und lhdrscher. und andere, die in lydischer und aramäi- scher Sprache abgefatzr sind. Mit Hilfe dieser beiden Schlüssel wird sich die lydische Sprache wohl enträtseln lassen.
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