Ueberschrift:„®tr müssen a u s d e m Turm heraus!" Sein.Berfaffrr, Dr. Julius Bachem, gilt als der geistige Fuhrer der- jenigen Richtung im deutschen Klcrikalismus, die von einer Rücktchr ins Zunstreich des Mittelalters nichts wissen, die mit vollen Segeln hinein in den kapitalistischen Gegenmartsjtaat, die an seinem Reich- Nim, feinen Aemtern und Würden teilnehmen will und die als Aus- gleich die Arbeiter durch die M.-Gladbacherci, durch etwas Sozial- resorm und Gewerkschaftsbewegung mit diesem Gegenwartsstaot zu versöhnen gedenkt. Die„Historisch-politischen Blätter" haben seitdem Artikel von der Art des Bachemschcn nicht mehr gebracht; sie sind. wenn auch nicht mit offener Parteinahme, mehr und mehr aus die Teile der Integralen gerückt, die es mit lleoS Xlll. Satz au s der Enzyklika Rerum novarum halten, daß jede hinweklende Gesellschaft, falls sie erneuert werden soll, zu'ihrem Ursprünge, d. h. zum Mittel- alter und zur Kirche zurückkehren muh. Der Mitarbeiter wendet aus die Macher der heutigen Arbeitersozialpolitik das Wort aus Hamlet an:„Sie schlagen lustig an auf falscher Fährte." Gewiß sind diejenigen im Irrtum, die mit sozialpolitischen Zugeständnissen die Arbeiter für den GcgewvartSstaat zu gewinnen gedenken. Aber nicht minder sind diejenigen auf falscher Fährte, die da glauben, die Gegenwart aus den Zustand des Mittelalters bringen und die Arbeiter des zwanzigsten Jahrhunderts zur Teilnahme an diesem wunderlichen Plan gewinnen zu können. vom Temperament zur Hrgamfation. Brüssel , im April. lEig. Ber.) Der erste Generalstreik von 1898, dieser prachtvolle Ausdruck des jähen Volkswillens, der sturmglcich das Zensuswahlrecht hinweg- fegte, hat dem belgischen Sozialismus im Ausland eine gleichsam dauernde Gloriole verliehen.„Belgisch reden" war Jahre hindurch der populäre Ausdruck für revolutionäres Wollen und Aufräumen mit politischer Unbill. Nur wollten inanche, die die sozialistische Bewegung in Belgien verfolgten und näher prüften, einen Wider« spruch finden zwischen der blendenden Auhenseite, die die ganze Periode bis zum Generalstreik auszeichnet und den organisatorischen Verhältnissen der Partei, wie sie sich in den späteren Ziffern ihrer gewerkschaftlichen und politischen Verbände ausdrücken. Die Beurteilung der Sachlage ist verständlich und liegt nahe genug, aber der Widerspruch wird sich für den, der ihm historisch nachspürt— zu welchem Zweck das Buch des Genossen Bertrand„Hietoirs de la Democratie et du Socialisme en Belgique" �Geschichte der Demokratie und des So- zialismui in Belgien ) zu empfehlen ist, ziemlich auflösen. Das belgische Proletariat, dem sein trauriger Ruhm, das schlechtest be» zahlte, auSgebeutetste Europas zu sein, noch immer anhaftet, und der in seinen Konsequenzen fortwirkt, ist unverhältnismäßig spät zum Bewußtsein seiner Befreiungsaufgabe erwacht und später noch er- folgte seine Einordnung als diszipliniertes Heer in die Internationale. Das erste Programm der belgischen Sozialisten datiert aus dem Jahre 1877 und im Jahre lS8ö wurde die belgische Arbeiterpartei gegründet. Schwach nur. ungleich und sprunghaft und eigentlich nur von der vlämischen Be- völkerung getragen, äußert« sich vorerst da» politische Streben und soziale Bewußtsein der Arbeiterklasse. Liest man in dem erwähnten Bertrandschen Buch über die Entstehung und etappenweise Bor- rückung der Arbeiterpartei, so findet man unschwer den psycho- logischen Schlüssel zu manchen,, was von ferne betrachtet frappiert. In der ganzen EntwickelungSlinie des belgischen Sozialismus tritt aber ein Moment, blitzartig Wesen und Kern der Arbeiterbewegung beleuchtend und erklärend, immer wieder hervor: der Durchbruch eines prachtvollen Rassentemperaments, das die Revolten— Streik» von 1886 geschaffen, das die Sturmtage des Generalstreiks von 1893 entzündet und schließlich im Generalstreik der 400 000 im Vorjahr zu herrlicher Höhe emporgestiegen ist. Hier aber zeigt sich, schon kräftig abgezeichnet, was man als Geist einer neuen Epoche im belgischen Sozialismus und Parteileben ansprechen möchte: neben dem Temperament organisatorische Kraft und Disziplin: noch ber früher lodernde Wille, aber abgegrenzt, auf» klarst« vorgezeichnet, in Bewußtheit und Zielfestigkeit gebannt. »* * Der Osierkongreß der belgischen Ärbeiterpartei hat diesen„neuen Geist" aufs glücklichste bestätigt. Nicht nur in. dem Sinne, daß die Parteiberichte das Erstarken der Partei in den verschiedensten Rich- lungen künden: alle Föderationen verzeichnen— mit Ausnahme von fünf—«rnste Fortschritte: die Zahl der angeschlossenen Gruppen hat sich von 1268 deS Vorjahres auf 1877 erhöht— die? trotz des fortschreitenden Zentralismus, der doch die Gruppenzahl verringert. Die Herrschaften haben sich von den selbstverständlichen Rückwirkungen des Generalstreiks mehr als„erholt" und zeigen gegen das Borjahr ein Aufsteigen uin, absolut genommen, mehr als SSO» Mitglieder, zum Kummer der Klerikalen, die die Gewerkschaften durch den Generalstreik zugrunde gerichtet hofften. Die BildungS- arbeit der Partei geht mächtig vorwärts, die Kurie und die Schüler« zahl nehmen zu, neue Institutionen entstehen, die Arbeiten weiter zu führen; die Presse wurde allenthalben ausgestaltet, ein neues v.'änlisches Tageblatt wird dieser Tage trscheiereu. Ale höchst zu wertendes Symptom in all bief« Erscheinungen sieht aber dieser Parteitag selbst. Er war still, vielleicht nüchtern zu nennen gegen den der Generalstreiksperiode, aber er war be- zwingend durch den ernsten Arbeitseifer, der um so bezeichnender ist. als er in der Hauptsache der Frage der Parteiorganisation all, die die Teilnehmer einen vollen Verhandlungstag hindurch in ■.öfeicr Spannung hielt, wie die» früher einmal wohl nur einem ürmischen Ereignis der Stunde gelungen wäre. Die Hingabe der �pner an den Gegenstand, die leidenschaftliche Verfechtung ihrer hosen, war nicht minder charakteristisch und erfreulich. Denn all e» zeigt— neben vielerlei Erscheinungen, die zu kennzeichnen wir n» hier versagen müssen— die Einmündung deS Temperaments- stil» in den organisatorischen, den die Gewerkschaften mit ihrer Jen- tralisationSarbeit so erfolgreich eingeleitet haben. Die Debatte hat kein Resultat gebracht und eS ist nicht zu be- dauern. ES ist nebenbei noch bezeichnend in dem erwähnten Sinn, daß der vorweggenommene Besckluß des Kongresses, zu keiner end- gültigen Abstimmung über die Projekte zu schreiten, die Leidenschaft rer Stimmung um nichts beeinträchtigt hat: man focht für die �dee. für ihre Klarlegung, für den Erfolg der Partei.... Daß keine Abstimmung erfolgt ist, hat fein doppelt Gute»: die Frage bedarf noch der Diskussion, der AuSreifung, und die Debatte hat hierzu außerordentliche Anregungen und wertvoll« Fingerzeige -eliefert. Das andere Wichtige ist, daß sich die Organisationen nun mit der Frage der Parteiorganisation weiter befassen, die Mitglieder nicht vor Beschlüsse, sondern vor da» Problem selbst stellen und so deren Interesse immer mehr auf die Lebensfragen der Partei, auf ihre Existenz Notwendigkeiten und Bedürfnisse und auf ihre politische und fiuan- »ielle Fundieruttg einstellen. Bei aller Verschiedenheit der Pläne und Borschlage für die organisatorisch« Neugestaltung der Partei, war gleichwohl bei alle« Rednern daS gleich? Streben sichtbar, der unzureichenden politischen Organisation lebensfähigere Formen zu geben, die politische Propa- ganda zu stärken, die politische Erziehung der Massen in die Hand zu nehmen und überhaupt den ganzen organisatorischen Apparat den Bedürfnissen der Parteientwickelung und den Aufgaben des Sozia« lismus entsprechend umzugestalten. Such haben alle auf das Mißverhältnis hingewiesen, daS sich darin ausspricht, daß von der Geiamtmitgliederzabl der angeschlossenen Gruppen nur S.6 Proz.— von etwa 284 lXX> Mitgliedern nicht ganz 16 600— politisch organisiert find. Nicht minder waren die Redner alle einig darin, daß die derzeitig« Beschickung der Kongresse auf Grund der Gruppenvertretung. die Kampfe»- gruppen und Vergnügung»« und Sportvereinen gleiche? Recht und gleichen Einfluß sichert, unhaltbar ist. DaS KommiisionSprojekt ver- langte die Vertretung durch die Wahlkreise. Alle Kritiken und Vor- schlüge stimmten darin überein, daß die Kongresse in Zukunft weniger zahlreich beschickt, solider vorbereitet und auf einem den. Parteierfordernisien Rechnung tragenden BertretungS- system aufgebaut werden muß.— Auch in der finanziellen Frage herrschte Einigkeit in dem Sinne, daß sür> entsprechende reguläre Einkünfte der Partei gesorgt werden müsse. Nur ein Redner sprach sich gegen höhere Beiträge der politischen Organisationen aus. Das Charakteristische indes an der Debatte war die Einmütigkeit der Redner vor allem in diesem Punll, daß das bisherige Verhältnis von Partei und Gewerkschaft im Sinne deS Zusammen- arbeitenS und einer einheitlichen Aktion auf« recht zu erhalten ist. Totsächlich hat der Kongreß auch in seiner Resolution ausgesprochen, daß diese Auffassung auch für die künftige Organisationsausgestaltung maßgebend bleiben muß. Ein einziger Redner, der selbst er- klärt hat, daß er gewohnt ist, in der Minorität zu sein— hat einer Abtrennung der Gewerkschaften vom Parteilörper das Wort geredet.— So darf man nach allem sagen: wenn auch nicht Einstimmig» kell in bezug auf die Wege, so herrschte doch volle Einmütigkeit in den Absichten, eine Reorganisation in dem angedeuteten Sinne herdeizuführen- So läßt alles hoffen, daß der belgische Sozialismus«ach so vielerlei Siegen, die daS Temperament und der revolutionäre Wille des Volkes vorbereitet haben, in nicht ferner Zukunft auch den einer erstarkten modernen Organisation buchen wird. politische Ueberftcht. Militärverwaltuug und Reichstag. Die Regierung hat gleich zu Beginn des neuen Sessionsabschnittes den Beweis geliefert, daß sie nicht die mindeste Lust hat, den Willen des Reichstages irgendwie an- zuerkennen. Sic hat ganz besonders gezeigt, daß sie genau so wie in den Tagen der Zaberndebatte entschlossen ist. die Willkur der Militärverwaltung über die Rechte der Volks- Vertretung zu stellen. Man erinnert sich wohl des Be- schlusses. den der Reichstag kurz vor den Osterferien gefaßt hat, als es sich um die Erwerbung eines Terrains im elegantesten Viertel Berlins zu Zwecken des Militärkabinetts handelte. Der Reichstag lehnte sich gegen dieses Vorgehen auf und stellte das Gelände und das Gebäude dem Reichs- schatzmnt zur Verfügung, während er zugleich gesetzliche Maß- nahmen forderte, die. derartige' Mißbrauche unmöglich machen sollen. Ter Kriegsminister war mit einem blauen Auge davongekommen, und es war erlaubt zu vermuten, daß er sich in dieses nicht allzu bittere Schicksal fügen würde. Aber weit gefehlt! Jetzt eben ist dem Reichstag ein neuer Er- gänzungsetat vorgelegt worden, in dem wiederum allen Wün- schen des Militärkabinetts voll Rechnung getragen wird. Herr v. Falkenhayn begründete diele neue Vorlage in biedermännischem Tone, indem er versicherte, die Auf- lassung des Grundstücks durch das Reichsschatzamt habe kein Ergebnis gehabt, und es bleib« wirklich nichts anderes übrig. als das Militärkabinett dort unterzubringen. Nicht im ent. serntesten denke die Heeresverwaltung daran, über diese Frage etwa einen großen Streit zu provozieren. Genosse Stücklen, der die Angelegenheit von Anfang an mit großem Eifer ver« folgt hat und sie in all ihren komplizierten Einzelheiten genau kennt, erwiderte dem Kriegsminister mit aller Deutlichkeit. daß tatsächlich hinter der neuen Vorlage nichts anderes steckt als die Absicht, dem Willen des Reichstags zum Trotz die Herren vom Militärkabinett im Tiergartenvisrtel anzu- sitzdeln. Ter Reichstag ist durch den Herrn v. Lyncker tatsächlich brüskiert, der sich nun einmal in den Kops geietzt hat. unbedingt in der Viktoriastraße wohnen zu wollen. Tie Auffassung unseres Genossen wurde von dem Fortschrittlor Liesching unterstützt, der gleichfalls erklärte, daß es sich wegen des Budgetrechts des Reichstags um«ine politische Frage handelt. Der Etat wurde daraus der Budgetkonunis- sion überwiesen. Bei der fortgesetzten Debatte über das I m v f w e s e n vertrat Genosse Thiele seinen impfgegnerischen Stand- Punkt, während der Präsident des Reichsgesundheitsamts. Herr Bumm. das Jmpfgesetz als ein bewährtes Schutz- mittel gegen die Gefahren der Pockenseuche bezeichnete. Auch der Zentrumsarzt Dr. G e r l a ch svmch sich für den Impf - zwang aus. Genosse Bernstein vertrat mit guten Gründen die gleiche Anschauung, während der Zentrumsabgeord- nete Dr. Pfeiffer wiederum gegen das herrschende Gesetz sich wandte. Tie überlange und recht akademische Debatte, die den Reichstag zwei Tage seiner kostbaren Zeit gekostet hat. endete mit der Annahme des Antrages des Konservativen Arn- stadt. der die Petitionen, soweit sie die Einsetzung einer Kommission zur Prüfung der rechtlichen und wissenschaftlichen Grundlage des geltenden Jmpsfiesetzes verlangen, dem Reichskanzler zur Berücksichtigung, in ihrem übrigen Inhalt zur Erwägung überweist. Die Einsetzung einer paritätischen Kommisston aus Jmvsgegnern und Jmpffreunden wurde unter großer Heiterkeit des Hauses mit Stimmengleichheit im Hammelsprung abgelehnt. Morgen steht an erster Stelle eine heute von untren Genossen eingebrachte I n t e r- v c l l a t i o n über die mecklenburgische Ver- fassungsfrage, worin das Reichstagswahlrecht für Mecklenburg verlangt wird. Kirchliche Unduldsamkeit und Kircheuaustrittsbeweguug. Den herrschenden Klassen, die die Kirche al«-in Instrument zur Unterdrückung und Ausbeutung de» Volke» betrachten, liegen die AirchenauStrilte schwer im Magen. Davon legt Zeugnis ab die am Mittwoch im preußischen Abgeordnetenhause fortgesetzte Beratung d«S KultuSetat», die die Frömmler und Mucker in eine gereizte Stimmung versetzte, wie man sie sonst an ihnen nicht gewohnt ist und wie fie sich nur durch ihr böse» Gewissen erklärt. Allerdings ging Genosse Adolf Hoffmann , der sich zu wiederholten Malen über die Kirchenaustriiisbewegung verbreitete und nachdrücklichst die Trennung der Kirche vom Staat forderte, nicht gerade glimpflich mit den offiziellen Vertretern der Staatskirche um. Gestützt auf ein umfangreiches Material, dessen Richtigkeit anzuzweifeln auch die Gegner nicht wagten, schilderte er die innige Berquickung von Kirche und Kapitalismus und bewies schlüssig, wie eS um die soziale Betätigung im christlichen Staat bestellt ist. Man baut Kirchen, die leer stehen bleiben, weil man durch Bernachläsfigung der Grundsätze des echten Christentums dem Bolle die Religion verekelt. An Kirchen ist Ueberfluß, aber an Krippen. Siechenhäusern. Krankenhäusern und ähnlichen Anstalten fehlt eS. Dazu die Unduldsamkeit der obersten Kirchenbehördeu, die liberale Pastoren, wie Traub, aus ihrem Amte entfernen, aber nichts dagegen haben, wenn Geistliche von den Charaktereigenschaften des bekannten Pfarrers Luther aus Stahnsdorf weiter dem Boll« das Gegenteil von dem predigen, woran sie im Innersten ihres Herzens glauben. Eine werlvolle Ergänzung fanden die Hoffmannschen Auk- führungen durch eine zwar kurze, aber deshalb nickt minder Wirkung?- volle Rede des Genossen Braun, der eine gründliche Abrechnung mit dem famosen Abg. Heckenroth vollzog. Wenn Herr Heckenroth nach dieser Abfuhr noch nicht einsieht, wie schlecht e-Z ihm ansteht. sich als Apostel der Wahrheit aufzuspielen, dann ist ihm nicht zu helfen. Wohl den empfindlichsten Schlag versetzte Braun diesem typischen Vertreter einer Richtung, die Verfehlungen einzelner Sozial- demokraten zu verallgemeinern und der Partei zur Last zu legen pflegt, durch die Aufzählung von Fällen, in denen AmlSbrüder des Herrn Heckenroth sich schwere Verbrechen haben zu Schulden kommen lassen. Auch der Pole v. TrampczinSki und der Däne Nif f e n legten anschaulich die Art und Weise dar, wie die Kirche dem Staat in ihrem unsittlichen Kampfe gegen Polen und Dünen zu Hilfe eilt. Ein zu diesem Etat gestellter Antrag Cassel jVp.) und v. Campe(natl.) auf Unterstützung leistungsschwacher Synagogen- verbände wurde, nachdem sich u. a. die Sozialdemolraten aus prinzipiellen Gründen dagegen erklärt hatten, einer Kommission über- wiesen. Zu Beginn der Sitzung beriet das Haus in erster Lesung den Nachtragsetat betreffend den Erwerb des neben dem Ab- geordnetenhaufe gelegenen Grundstücks. Die bürgerlichen Parteien hatten den Wunsch, den Etat debattelos an die Budgetkommission zu bringen, aber Genosse Liebknecht machte ihnen einen Strich durch ihre Rechnung, indem er der Katze die Schelle umhing und nachwies, daß es sich in Wirklichkeit darum handelt, die vom Reichs- tag einigen Beamten wegen ihrer sonderbaren Geschäfte mit Herrn v. Winterfeld auserlegte Regreßpflicht auf den preußischen Etat zu übernehmen. Zwar bestritt der Minister die Richtigkeit dieser Be- hauptung, aber bestreiten ist noch nicht widerlegen In der zweiten Lesung wird unsere Fraktion auf die Frage zurückkommen. Donnerstag: Fortsetzung der Beratung des KulluSetats. Ter bayerische Walchenseekrcdit. In vorgerückter Abendstunde nahm am Dienstag die bayerische Abgeordnetenkammer den Regierungsantrag an, den sogenannten"Walchenseekrcdit dem Verkehrsministerium zu entziehen und dem Ministeriuiü des Innern zu übertragen. Dagegen stimmten nur die Bauernbündler und ein kleiner Teil des Zentrums, während vereinzelte Libc- rale sich der Abstimmung entzogen. Damit hat endlich die Abgeordnetenkammer ihren Beschluß erneuert und bekräftigt, daß mit dem Ausbau des Walchensees zugleich die staatliche Elektrizitätsversorgung des Landes, soweit das Privatkapitol sich dieser noch nicht bemächtigt hat. unternommen werden soll. Auch die Reichsratskammer dürft« kaum wagen, sich diesem Beschlüsse zu widersetzen. Doch selbst dann, wenn der Beschluß Rechtskraft erlangt bat, wird noch immer die Leffent- lichkeit mit größter Aufmerksamkeit darüber wachen müssen, daß dos Werk nicht weiter verschleppt wird; denn das Elektro- kapital wird trotz des parlamentarischen Beschlusses im Kampf gegen die staatliche Elektrizitätspolitik schwerlich erlahmen, hat doch noch in letzter Stunde der liberale Münchener Kom- merzienrat Schön versucht, dem Elektrokapital zu Hilfe zu kommen, indem er Fragen an die Regierung stellte, die nichts weniger beabsichtigten, als die Aushöhlung des Walchcnsec- Werks zu sichern, bevor es noch begonnen. Er wünschte näm- lich Auskunft darüber zu haben, ob— bei Verzögerung des Ausbaues des staatlichen Unternehmens— der Staat e» Ge- meinden und Privaten verweigern würde, ihrerseits Wasser- kräste auezubauen. Die Anfragen konnten keinen anderen Zweck haben, als das Privatkapital zu ermuntern, ruhig weitere Gebiete der Elektrizitätsversorgung an sich zu reißen. damit es für den Staat nicht mehr vrel zu tun gäbe. Der Regierungsvertreter gab vernünftigerweise, auch nach Wieder- bolung dieser Fragen, keine Antwort. Im übrigen war das Interesse an den Debatten ziemlich erschöpft, da das Ergebnis nicht mehr zweifelliaft war. Bemerkenswert waren die Ausführungen des Genoss»» G e n t n e r über die sehr ungünstigen Erfahrungen, die man in Oberfranken bei den Verträgen mit dem Elektrokonzern gemacht hat._ Eine bayerische Lex Heinze. Die Kammer der Reichüräte hat einstimmig den vom Abge- ordnetenhause angenommenen Antrag betr. Bekämpfung der Un- sitllichkcit zugestimmt. In diesem wird die Regierung ersucht, mit allen gesetzlichen Mitteln die zunehmende Unsittlichkeit hauptsäch. lich in den Großstädten zu bekämpfen und ferner beim Bundesrat dahin zu wirken, durch eine Aenderung der Reichsgewerbeordnung Unterlagen zu schaffen zur Bekämpfung anstößiger Schaufenster« Ausstellungen und der Reklame für Antikonzeptionsmittel. Animierkneipcn und BarS usw. Im Lause der Beratung wieS der Minister de? Innern Frei« Herr v. Soden energisch die Behauptung des Abg. Freiherr» von Cramer-Klett zurück, daß München ein Hauptherd der antichrist- lichen Agitation sei. Auch ei« Jubiläum. In diesen Tagen, nämlich am 23. April, war eS gerade«in Jahr her. daß der Reichstag infolge der Enthüllungen über den Kruppslandal beschloß, eine UntersuchungSkommission einzusetzen. Di- Regierung machte diesem Beschluß de? Reichstags Obstruktion und berief schließlich nach langem, langem Zögern an Stelle der vom Reichstag beschlossenen Untersuchungskommission die famose „RüstungSkommisfion". die auS einer höchst gemischten Gesellschaft gebildet wurde, zu der aber der Urheber der ganzen Sache. Genosse Liebknecht nicht zugelassen werden sollte! Trotzdem am 23. April 1913 Freisinn. Zentrum' und National« liberale die tapfersten und prinzipiellsten Erklärungen für da» Siecht einer parlamentarischen UntersuchungSkommission und den Srust ihre» Nachprüfungsrechte» abgegeben hatten, war diesen Parteien der m den diversen Krupp -Prozessen strotz geflisientlichster Vorsicht der Behörden und Gerichte) aufgerührte KorruptionSschmutz s» peinlich, daß ihnen die Lust zu weiterer Reinigung verging und si«
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