Nr. 153 31. Jahrgang.
Montag, 8. Juni 1914.
DURAZZO
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Hurra! Hurra!! Hurra!!!
Unser lieber Herr Polizeipräsident v. Jagow ist wieder da!
Potpourri.
Der Sänger blinzt gen Himmel sehr verdrießlich Und heiser nur entringt sich ihm der Ton. Die Zeitungsschau ist heuer unersprießlich Von wegen Flauheit in der Sensation.
Der Regen rauscht vom grauen Himmelszelte
Und bläulich färbt den Leib die Junikälte.
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Auch Mexiko kann sich nicht Ruh erzwingen. Und Willem, der von Wied, kann nach dem Krach Als ich noch Pring war von Albanien" singen Zum Leierkastenlied von Offenbach! Indes um Wagners Eheheimlichkeiten
Sich Siegfried und Isolde duftig streiten.
Eintönig tagen überall Stongresse, Und lieblich stinkt die Titelschacherei, Und manche Suffragette, so' ne tesse, Verliert die Röppe bei' ner Keilerei.nt So spinnt sich durch die ew'ge Flucht der Zeiten Der bunte Faden der Begebenheiten.
Nur eines bleibt beim knappen Tageslohne, Wobei man mit Vergnügen gern verweilt, Wenn vom Artikel bis zum Följetone
Der flücht'ge Blick durch Druckerschwärze eilt: Für die„ Genossen" hat die ganze Presse, Wenn's noch so still ist, heftiges Intresse!
Heil. Mission.
Snag.
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A. Lalle AL
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und wollte sich heute mittag gar nicht zum Essen zu ihrer Mutter| Redemptoristen aus Deggendorf- wparen in Passau eingedrungen: heim trauen. Es ist bei allem Unglüd nur das eine Gute, daß das eine katholische Invasion( oder auch ein geistlich Burgativ)! lind zukünftige Baby Nr. 2, wie das Mädchen mir heilig versicherte, vom ihre man fann es nicht anders nennen ihre wahren Bärengleichen Friseurgehilfen stammt, der sich doch aber auch ein bißchen stimmen erschütterten mehreremal des Tages Kanzeldede und besser in acht nehmen könnte!" Kirchengewölb; brachen rumorend in die Ohrmuscheln und GehörDie zweite Hinzufügung in dem inhaltsschweren Schreiben gänge der Gläubigen ein; bohrten sich von da, alle Widerstände rührt von der Hand meines Bruders her:„ Geburtenrüdgang! forträumend, bis zu den ein wenig dentmatten Gehirnen weiter Erinnerst Du Dich noch an die kürzlich stattgehabte„ heil. Mission"? und erzeugten nicht selten ein Mizel- und Schauergefühl, das den Aber ich glaube, Du Freigeist warst ja selber einmal in sold ganzen Nacken und oft noch den halben Rücken herniederrieselte. einer„ Standeslehre für verheiratete Männer"!- Nun denn: nicht vierzehn Tage ihrer„ heil. Mission" hatten, war enorm: Der Zulauf, den diese sechzehn Redegewaltigen während all der Von den wenige verheiratete Männer machen gegenwärtig abends an den entlegensten Dörfern, Ortschaften, Weilern und Einöden strömte es Biertischen ziemlich lange Gesichter, und gestern nacht verlieh unser immerwährend herbei. Unser neuer König Ludwig kann sich bei lieber Schwager Pepi dieser fast allgemein herrschenden Stimmung seinem demnächst erfolgenden Besuch in Passau gratulieren, wenn er mir gegenüber auf seine besonders drastische Weise Ausdruck: auch nur annähernd eine solche Massenversammlung erregt! „ Eing'schlag'n hat's!" Ich kannte mich sogleich aus! Denn bei dieser heil. Mission tam als besonders günstiger Umstand Unsere arme, arme Schwester Kathi! Warst Du damals nicht mit noch hinzu, daß ihr Höhepunkt eben in die stille Karwoche fiel, wo Deinem lieben Schwager zusammen in der„ Standeslehre für ver- hierzulande sowieso kein Mensch etwas arbeitet und selbst der sonst heiratete Männer"? Unsere gute Mutter weiß noch gar nichts gleichgültigste Katholik einigermaßen zum Kirchenbesuch aufgelegt davon, daß sie allem Vernehmen nach nun schon zum drittenmal ist! Also: dieses Prediger- Ensemble- Gastspiel war von vornherein Großmama werden soll und deshalb schließe ich auch diesen sehr mit Rücksicht auf diese allergünstigste Woche des ganzen Jahres Brief schnell, ehe sie wieder von der Küche hereinkommt! Ich angesetzt, und dementsprechend war nun der zahlenmäßige Erjedenfalls heirate nie, das schwör' ich anbei sende folg!...
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ich Dir das eine blaue vollstenographierte Heft, das Du bei Deiner Abreise im Nachtkästchen liegen gelassen hast. Willi."
Bedarf es dazu wohl noch eines Kommentars?
Ich sah im Geiste die ziemlich langen Gesichter der verheira teten Männer abends an den Biertischen. Teils ehemalige Schulfameraden von mir, die mit mir auch in jener einen denkwürdigen „ Standeslehre für verheiratete Männer" gewesen waren.
Und ich meinte jene drastische Erflamation meines Schwagers Pepi in der vorgestrigen Pfingstsonntagsnacht bis hierher nach Wilmersdorf vernehmen zu können:
„ Eing'schlag'n hat's!"
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Und dann... und dann... und aber dann erst die Haupt= Barole, die zu dieser heil. Mission in der schönen Dreiflüssestadt ausgegeben wurde!( Da fonnte man so recht einen Zentrumspaft mit der königlich bayerischen Staatsregierung fonstatieren!) Diese Haupt- und Oberparole lautete schlechthin, schlankweg und aufs ungeschminkteste, wofern ich mich so ausdrücken darf: Bekämpfung des Geburtenrüdgangs!
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Man denke: In Mönchskutten gewandete Zölibatäre reizen in gottgeweihten Kirchen von abendlichen Kanzeln herab die verheirateteen Männer bald zur Befolgung ihrer ehelichen Zeugungs-, die Ehefrauen dann wieder zur Erfüllung ihrer EmpfängnisAber dann siegte so egoistisch es auch flingen mag über pflichten an! Ja, auch die Ledigen beiderlei Geschlechts hören alles menschliche Mitfühlen doch bei mir die Schriftstellerfreude fast von nichts anderem mehr, als daß sie ehestens heiraten und mögüber die glückliche Wiedererlangung jenes meines„ blauen vollsteno- lichst Kinder in die Welt jetzen sollen! Ein Passauer Kulturbild von Heinrich Lautensad. graphierten" Heftes, das ich bereits unwiederbringlich verloren Das war Jünglingen, Jungfrauen, verheirateten Männern Ich bin dieses Jahr vom Freitag vor Palmarum den ganzen in jenem meinem„ Passauer Tagebuch" die hastigen Aufzeichnungen so lief einfach alles, was nur Beine hatte, in die Kirchen! Und ob wähnte. Und ich las, während ich den Brief meiner Frau überließ, und Ehefrauen natürlich gleicherweise Sensation! Und wunderschönen Monat April und noch den halben völlig verregneten Monat Mai bis zum Donnerstag nach den drei Eisheiligen Mamer- wieder, die ich am Weißen Sonntag( 19. April, Quasimodogeniti) es nun eine„ Standeslehre für Ehemänner", eine„ Standeslehre tus, Pantratius und Servatius in meiner lieben Heimatstadt Passau gemacht hatte. für Ehefrauen", eine" Standeslehre für Jünglinge" oder eine auf Ferien gewesen. Und jetzt, am dritten Pfingstfeiertag, erhielt Standeslehre für Jungfrauen" galt( in folchen heil. Missionen ich den ersten Brief von meiner Mutter, vom Pfingstsonntag datiert, In den Auslagen aller Spiel- und Galanteriewarengeschäfte, ist alles peinlichst nach„ Ständen" getrennt, damit die Herren während die beiden Nachschriften am Pfingstmontag hinzugefügt wo sonst hunderterlei weltliche Andenken an Baffau" feilgeboten Patres so recht von Herzen- Standreden halten können!): die waren. Dein Bruder und ich fühlen uns wirklich recht verlassen, werden, ging es in diesen Tagen ungleich geistlicher zu: Große Kirchen blieben nimmer leer und auf dem Straßenpflaster schallte feit Deine liebe Frau und Du uns nun wieder davongefahren seid," Platate priesen allenthalben in Riefenlettern Missionswaren" an es abends unter stürmischem Glockengeläut wie von heranmarschieheißt es in dem einen Poststriptum." Denkt Euch nur an unsere Mit anderen Worten: in die sonst so frommen und jedes Schaufenster schien vor lauter Missionsgebetbüchern renden Armeen! fleine Ladnerin Marie, die grad zum letzten Quatember( übermorgen und Rosenkränzen, Heiligenstatuen und Missionskreuzen eine Predigten war nun mit einemmal das sexuelle Moment wird der Bams erst ein Vierteljahr alt) einem unehelichen Kinde fromme Kapelle im Taschenformat. eingeschaltet wie noch nic und so geschah's, daß selbst die völlig das Leben geschenkt hat, scheint schon wieder in der gleichen hoff- Das machte: Sechzehn Predigt Virtuosen acht lange Glaubenslosen miteinander in den Wirtshäusern aufstanden vom nungsvollen Verfassung zu sein. Sie weint und weint und weint bärtige Kapuziner aus München und ebenjoviel glattgesichtige vielen Bier und in ganzen Gruppen nach den Pfarrkirchen oder dem
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