Historische Presse der deutschen Sozialdemokratie → Vorwärts : Berliner Volksblatt
Vorwärts : Berliner Volksblatt
Bereits am 30. März 1884 erschien in Berlin das von Wilhelm Blos und Paul Singer verantwortete „Berliner Volksblatt“, das wegen des Gesetzes „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ nominell nicht offen sozialdemokratisch auftreten konnte und daher den neutralen Nebentitel „Organ für die Interessen der Arbeiter“ trug. Diese Tageszeitung wurde nach dem Auslaufen des Gesetzes ab dem 1.1.1891 offiziell zum „Vorwärts - Berliner Volksblatt - Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ und erschien im Folgenden bis zum Verbot durch die Nationalsozialisten am 28.02.1933.
Der „Vorwärts“ war von Anfang an zugleich Zentralorgan der Partei und örtliche Parteizeitung für Berlin, was stets Konfliktpotenzial mit sich brachte, da er inhaltlich nicht nur vom Parteivorstand, sondern auch von einer gegenüber dem Vorstand zeitweise gleichberechtigten Pressekommission der Berliner SPD kontrolliert wurde. Er erschien zunächst sechs Mal wöchentlich, 1919 kam bis zum Ende 1933 eine tägliche Abendausgabe hinzu. Chefredakteur war bis zu seinem Tod im Jahr 1900 Wilhelm Liebknecht , dem zeitweise u.a. Adolf Braun , Kurt Eisner und Bruno Schoenlank als Redakteure unterstanden. Die Auflage stieg von anfangs 42.000 (1893) auf 165.000 (1912), sank dann während des Ersten Weltkriegs und pendelte sich in der Weimarer Republik wieder im sechsstelligen Bereich ein.
Die Spaltung der deutschen Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg wurde auch in ihrer Parteipresse ausgetragen. Nachdem der Vorwärts zuvor wegen kriegskritischer Artikel mehrmals für kurze Zeit durch die Militärzensur verboten worden war, entließ der Parteivorstand im November 1916 sämtliche Redakteure. Unter dem neuen Chefredakteur Friedrich Stampfer , der bis 1933 im Amt bleiben sollte, wurde eine neue Redaktion aufgebaut. Gleichzeitig baute die innerparteiliche Opposition das bis dahin unbedeutende „Mitteilungsblatt der sozialdemokratischen Wahlvereine Berlins und Umgegend“ zu einer Wochenzeitung aus, die in der Gründungsphase der sich von der SPD abspaltenden Unabhängigen sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) wichtig wurde und ab 1918 vom USPD-Zentralorgan „Freiheit“ ersetzt wurde.
Ab den mittleren 1920er Jahren konsolidierte sich die Weimarer Republik nach den revolutionären und konterrevolutionären Turbulenzen ihrer Frühzeit. Der „Vorwärts“ als Zentralorgan der mittlerweile wieder vereinten SPD öffnete sich in dieser Zeit mehr und mehr den Ansprüchen von Leser_innen, die von einer Parteizeitung auch unterhalten werden wollten. Er baute seine Technik- Sport- und Kulturbeilagen aus und entwickelte die von 1928 bis 1932 erschienene, auf Unterhaltung fokussierte Abendausgabe „Der Abend“. Mit dem Aufstieg der NSDAP in den frühen 1930er Jahren wurde jedoch der Aspekt des politischen Kampfs wieder wichtiger und dominierte die Zeitung bis 1933.
Nach dem Erscheinen der letzten Ausgabe des „Vorwärts“ vom 28.2.1933 wurde unter dem Vorwand des Reichstagsbrands die gesamte sozialdemokratische Presse zunächst für zwei Wochen und dann endgültig verboten. Der SPD-Parteivorstand rettete sich vor der politischen Verfolgung ins Exil nach Prag, wo er ab dem 18.6.1933 die Exilzeitung „Neuer Vorwärts“ herausgab.
Die „Historische Presse“ bietet eine nahezu vollständige Digitalisierung der Vorwärts-Jahrgänge 1891 bis 1933 incl. zahlreicher Beilagen auf Grundlage von Originalausgaben aus dem Bestand der Bibliothek im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, stellenweise ergänzt durch Bestände der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn. Wir bieten außerdem eine Teildigitalisierung der Jahrgänge 1884 bis 1886 und 1888 bis 1890 des „Berliner Volksblatt“ auf Grundlage von Originalausgaben aus dem Bestand des International Institute of Social History in Amsterdam.