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1. Beilage zumVorwärts" Berliner Volksblatt. Nr. 36. Dienstag, den 13. Februar 1894. 11. Jastrg. Varlsmsnksberiihko. Deutscher   Reichstag  . 47. Sitzung vom 19. Februar, 1 Uhr. Am Bundesrathstische: v. Stephan. Fischer u. A. Die Berathung des Etats der Post- und Tele- graphen-Berwaltung wird sortgesetzt. In der Betriebsverwaltung werden für die Oberpost direklionen(40 Oberpostdirektoren, 144 Oberpost- und Posträthe, IS Postbauräthe, 156 Post- und Telegraphen-Jnspektoren, 9 Posb bau- Inspektoren) insgesammt 58 950 M. für 9 Posträthe und 4 Postinspektoren mehr verlangt. Die Budgetkommission hat die Mehrforderung nicht beanstandet. Das Zentrum(Abgg. Graf Hompesch u. Gen.) haben zu diesem Titel folgende Resolulion eingebracht: Den Reichskanzler zu ersuchen, veranlassen zu wollen, daß dieAnnahme und Bestellung gewöhnlicher Packele der Reichspost an Sonn- und Feiertagen mit Ausnahme der Weihnachtszeit(18.-30. Dezember) auf Eil- sendungen beschränkt werde. Abg. Liugens(Z.) weist darauf hin, daß er sich seit 16 Jahren bei der Berathung der Postetats zur Aufgabe gestellt habe, für die Jnnehaltung der Sonntagsruhe und Sonntags Heiligung durch die Beamten unter Berufung auf das göttliche Gebot einzutreten. Es sei anzuerkennen, daß der Ches der Post Verwaltung mit der ihm eigenen Energie die Erfüllung dieses Gebots angebahnt habe; auch in diesem Jahre seien Fortschritte zu verzeichnen. Wenn aber leider auch eine bedingungslose Durchführung der Sonntagsruhe und Sonntagsheiligung nicht möglich sei, so bleibe doch noch manches zu wünschen übrig. Der Packetverlehr an Sonntagen könne ohne Nachtheil für die Bcrkehrsinteressen fortsallen und so einer weiteren großen Zahl von Beamten die Gelegenheit zur Sonntagsruhe und zum Kirchen- besuch gegeben werden. Besonders störend sei es, wenn während der Kirchzeit an Sonntagen die Packetwagen der Post durch die Straße rollten. Die Rücksicht aus das Publikum würde in diesem Falle zu weit getrieben. Redner bittet, zum mindesten den Zentrumsantrag anzunehmen und aus diese Weise auf eine Besserung der Zustände hinzuwirken. Im Interesse weiterer Einschränkungen des Sonntagsdienstes läge es vielleicht auck, das Porto für an Sonntagen zu bestellende Briese und Telegramme zu verdoppeln. Staatssekretär v. Stephan: In unseren Bestrebungen, die Sonntagsruhe immer allgemeiner durchzusühren, fahren wir unausgesetzt fort, wenn wir es auch nicht mit der starren Auf- fassung des alten Testaments, sondern des erheblich milderen des neuen halten, die da besagt: Der Mensch ist nicht um des Sabbaths willen, sondern der Sabbath um des Menschen willen da. Unmöglich kann die deutsche Postverwaltung auf diesem Gebiete einseitig vorgehen; andererseits sind internationale Vev Handlungen auf diesem Gebiete nothwendig ganz ungemein zeit raubend und wcilschichtig, zumal der Sonntag nur bei einem Theile der im Weltpostverein   verbündeten Staaten der Ruh- und Feiertag ist. Aus demselben Grunde verbietet sich eine Aenderung an den Portosetzen. Die Sonntagsruhe ist bei 99,99 pCl. der Beamtin durchgeführt. Nur ein Beamter unter 10000 ist von der all gemeine» Durchführung dieser Maßregel ausgenommen, ein Resultat, wie es günstiger nicht erwartet werden kann. Ließe man den bis- herigen Sonntagsdienst für den Montag liegen, so würde derM ontags- dienst prompt und ordnungsmäßig sich nicht mehr abwickeln lassen. Der gestellte Antrag würde in dem inneren Betriebe der Post- Verwaltung nichts ändern; die Wagen, die Beamten, die Bureaus. alles müßte parat gehalten werden, auch wenn es sich nur um Eilsendungen handelt. Außerdem ist es aber immer gefährlich, privilegirte Sendungen zu haben; gerade den Spekulanten würde diese Einrichtung zu gute kommen, denn ihnen käme es auf den Portozuschlag nicht an; der reelle Geschäftsverkehr aber würde benachtheiligt werden. Ebenso muß hier die Konkurrenz des Auslandes in Rechnung gestellt werden. Immerhin wird der Bundesrath die Resolution, falls sie angenommen werden sollte, in Erwägung nehmen. Abg. Geschcr(dk.) tritt für den Antrag des Zentrums ein. Die Gegengründe des General-Postmeisters seien nicht stichhaltig. Abg. Müller- Sagau(freis. Vp.): Der Vorschlag einer erhöhten Bestellgebühr für Sonnlagsbestellungen würde auf den Verkehr ganz außerordentlich nachtheilig wirken. Freie Volksbühne. Als Februar-Vorstellung bietet dieFreie Volksbühne" ihren Mitgliedern Schiller's TrauerspielKabale und Liebe  ", das für die I. Abtheilung am Sonnlag imNatronal- Theater" aufgeführt worden ist. Den älteren Mitgliedern ist das Stück schon einmal in einem früheren Spieljahr gegeben worden. Die erneute Aufführung unterschied sich jedoch von jener früheren in merklicher Weise, nicht blos durch die höheren künstlerischen Leistungen, die diesmal von den Darstellern geboten wurden, sondern auch durch eine liebevollere Hingabe der Zuhörer an das Werk des Dichters. Dieser doppelte Fortschritt bedeutet einen Fortschritt derFreien Bolls- bühne" überhaupt, deren Ausgestaltung und Festigung besonders in diesen beiden Punkten neben dem dritten, der Zusammensetzung des Spielplanes nämlich, sich durch die letzten beiden Jahre zurückverfolgen läßt. Es ist äußerst lehr- reich und hat einen eigenen Reiz, durch das Mittel der Wieder- auffohrung eines bereits früher gegebenen Stückes einen Rückblick in die Ansänge des Vereins zu thun und zu messen, wie wen man inzwischen vorwärts gekommen ist. Schon aus diesem Grunde ist die Wiederaufführung vonKabale und Liebe  ", wem, auch die Entschließung des Ausschusses mehr durch äußere Umstände beeinflußt worden zu sein scheint, dem Schreiber dieser Zeilen außerordentlich erfreulich gewesen. Aus derselben Empfindung heraus werden hoffentlich auch diejenigen älteren Mitglieder, denen die erneute Ausführung etwa unerwünscht gekommen �sein sollte, diese nachträglich doch billigen. Und wer das klassische Drama überhaupt von derFreien Volksbühne  " verbannt wissen möchte, der muß wenigstens diesem Drama gegenüber die Waffen strecken.Kabale und Liebe  " hat unbedingt ein Anrecht darauf. im Spielplan einerFreien Volksbühne  " sogar wiederholt seinen Platz zu erhalten. Auf eine Wiedergabe der Handlung des Stückes kann diesmal verzichtet werden. Das Schicksal der Musikanten- tochter Luise Millerin und des Ministersohncs Ferdinand von Walter ist am Ende den meisten derjenigen unter unseren Lesern, welche diesen Zeilen Interesse entgegenbringen, bekannt genug, als daß hier noch einmal aus- sührlich erzählt zu werden brauchte, wie die junge Liebe des un- glücklichen Paares mit den Unterschieden ihresStandes" in Konflikt geräth, und der zarte Bund durch die Kabalen eines herrsch- und habsüchtigen, auf dem Ministersessel waltenden Vaters zerrissen wird. Was heute an dem Drama am meisten fesselt und wohl auch in der«Freien Volksbühne  " am meisten gefesselt hat, ist ja auch gar nicht die Handlung, deren beinahe bis zum Ueberdruß oft behandelter Stoff uralt, wenn auch leider immer noch unveraltet ist. Es liegt auch nicht eigentlich rn den Charakteren, aus denen heraus sich die Handlung ent- wickelt. Es liegt mehr in den Verhältnissen, in denen die Charaktere wurzeln und aus denen heraus sie sich gestalten, in Ab. Zimmermann(Antisemit): Wir find auch für den Antrag Hompesch und wünschten, derselbe ginge noch weiter. Der gesammte Dienst bei der Post fordert bei den Unterbeamten zu einer ständigen Kritik heraus. Die Briefträger haben Ustündigen Dienst; einen ganz freien Sonntag haben die Brief- träger nicht, mit einziger Ausnahme einiger Geldbriefträger. Diese Zustände sind wenig erquicklich. In Dresden   hat ein Brief- träger vom 18. Dezember bis zum 97. Januar dienstplanmäßig keinen freien Sonntag oder Feiertag gehabt. Wie läßt sich dies in Uebereiustimmung bringen mit der Erklärung, daß die Beamten spätestens den dritten Sonntag frei haben. Die Arbeitswoche wird bei der Post berechnet zu sieben Arbeitstagen. Das findet man in keinem Verwaltungszweig, nirgends in der Privatthätigkeit. Wenigstens sollte man die Dienststunden am Sonntag verlegen. In Belgien   ist der Nachmittagsdienst am Sonntag neuerdings aufgehoben. Was in diesem Industriestaat möglich war, muß auch bei uns durchführbar sein. Die bei uns dieserhalb ange- stellten Ermittlungen sollten doch zu einem baldigen Abschluß gebracht werden. Die Arbeiter und Dienstboten könnten ganz wohl am Sonnabend Abend oder Sonntag früh ihre Kor- respondenz und ihren sonstigen Verkehr mit der Post besorge». In kaufmännischen Kreisen wünscht man die Vertagung des Sonntagnachmittagdienstes auf die Mittagszeit von II 1 oder 12 bis 9 Uhr. Während zahlreiche Briefträger Jahrzehnte lang keinen freien Sonntag haben, wird anderen Beamten derselben Kategorie ein freier Sonntag nur nach absolvirtem Nachtdienst gewährt, ein völlig werthloses Zugeständniß. Es scheine, als ob die Zentral- behörde das Beste wolle, aber die nachgeordneten Instanzen nicht genügend den Verfügungen von oben nachkämen. Da müsse denn doch größere Energie von der Zentrale entwickelt werden. Die Unzufriedenheit der Postbeamten ist keine künstlich gemachte. Herr v. Stephan sagt, wenn wir den Sonntag als Feiertag fest- legen, könnten auch die Nationen, welche andere Tage heilig halten, deren Anerkennung von uns verlangen, so die Israeliten die des Sabbaths. Wo ist denn der jüdische Staat, mit dem Herr v. Stephan einen Weltpostvertrag abgeschlossen hat? Ich kenne ihn nicht, will uns aber Herr v. Stephan bei seiner Ein- Achtung helfen, so soll er uns willkommen sein.(Heilerkeit.) Abg. Schädler(Z.): Wir verlangen unsere Resolution für den Postbeamten, der doch sozusagen auch ein Mensch ist. Wenn man einseitig die Handelskammern befragte, wie der Herr Staats- sekretär anzudeuten scheint, dann würden wir wohl überhaupt zu keiner Einschränkung kommen; aber das Volk besteht doch nicht blos aus Handelskammern(Heiterkeit). Auch ich würde gern in der Richtung der Einschränkung noch weiter gehen, bin aber im Augenblick damit zufrieden, wenn die Resolution an- genommen wird. Der Packelpostdienst macht sich am Sonntag am krassesten und störendsten fühlbar, verletzt am allertiessten das Volksgewiffen. Die Staatsbetriebe müssen mit gutem Beispiele vorangehen. Bor Mehrausgaben, die die Erreichung dieses Zweckes verursachen würde, schreckt das Zentrum nicht zurück. Abg. Singer(Soz.): Wir sind hier nicht auf einem kirch- lichen Konzil, um die Unterschiede zwischen Judenthum   und Mohamedanismus, zwischen Katholizismus und Protestantismus  zu erörtern, sondern wir müssen uns aus wirthschaftlichen und sozialen Rücksichten mit dieser Frage beschäftigen. Die sozial- demokratische Partei hat, so lange sie an den parlamentarischen Verhandlungen lheiluimmt, immer verlangt, daß die Beamten in den Genuß einer ausreichenden Sonntagsruhe gesetzt werden, und keine Beamtenkatcgorie ist in ihrem Dienst so angestrengt, wie gerade die Postbeamten. Wenn ihr Dienst nicht mehr als 70 Stunden betragen soll, so ist es in der That sonderbar, daß sieben Arbeitstage gerechnet werden, während über- all wo anders nur sechs Tage gerechnet werden.(Zu- ruf: Hier auch!) Wenn mir von den Herren von der Postverwaltung zugerufen wird, daß auch bei ihnen nur 6 Arbeits- tage gerechnet werben, so sind 70 Stunden eben zu viel! Nun kann man aber der Postverwaltung allein keinen Vorwurf machen, daß sie nicht für eine genügende Sonntagsruhe sorgt. Voraus- setzung ist selbstverständlich eine strengere Durchführung der Sonntagsruhe im Handel, Gewerbe und Industrie. Man sollte nicht in diesen Erwerbszweigen durch immer neue Bestimmungen die Sonntagsruhe immer mehr durchlöchern, so daß von einer solchen kaum noch die Rede sein kann. Es hieße doch das Pferd am Schwanz aufzäumen, wenn man verlangt, daß die Postverwaltuug dem sogenannten historischen Hintergrund, von dem sich die f andhing abhebt. Und, wenn nicht allein, so doch in erster inie um dieses Hintergrundes Willen gehörtKabale und Liebe  " auf die Volksbühne im proletarischen Sinne. Schiller   giebt uns darin ein abstoßendes, aber leider nicht übertriebenes Bild von dem Willkürregiment und der moralischen Verkommenheit, die an den Fürstenhöfen der deutschen Klein- staaten des 18. Jahrhunderts herrschte, von der Minister- und Maitressenherrschaft.von der schrankenlosen Aussauaung des Landes, von dem nichtswürdigen Menschenschacher, den deutsche Fürsten  nach Amerika   betrieben, von der hochmüthigen Verachtung des Bürgerstandes durch den Adel, von der Rechtlosigkeit aller, die zurBürgerkanaille" und nicht zur Hoskamarilla gehörten. Das sind nun freilich Dinge, die zum großen Theile bereits hinter uns liegen. Vor allem: eineB ü r g e r kanaille" giebt es heute nicht mehr. Heule scheitert auch selten noch ein Herzensbund an dem Unterschied zwischen bürgerlich und adlig, und vollends glaubt keineÄürgcrdirne" mehr, einem solchen Bündniß entsagen zu müssen, weil esdie Fugen der Bürgerwelt auseinandertreiben und die gemeine, ewige Ordnung zu Grund stürzen würde". Dieser Theil dergemeinen, ewigen Ordnung", worunter man damals wie heute die durch Recht und Sitte geheiligte Knechtung und Ver- achtung des einen Theiles der Gesellschaft durch den anderen verstand, ist längst beseitigt. Die altenSchranken der Unter- schiede" sind längst iveggerissen worden, aber freilich nur, um anderen Platz zu machen, die an ihre Stelle treten sollten. Die Unterschiede der Geburt sind durch die Unterschiede des Besitzes verdrängt worden, und wir sind von der Zeit, woMenschen nur Menschen sind", weiter als je entfernt. Das Bürgerthum von dazumal ist, soweit es unter die Besitzenden gehörte oder ge- langte, in die Reihen der Herrschenden hinaufgestiegen, soweit es dagegen besitzlos war oder wurde, in die Reihen der Beherrschten hinabgesunken. Die ehemals zurBürgerkanaille" gezählt wur- den, aber nun durch den Besitzgeadelt" sind, blicken jetzt mit derselben Verachtung auf dieArbeiter kanaille" herab, wie früher der Adel auf das Bürgerthum. ZurArbeiterkanaille" rechnet das besitzende Bürgerthum heute selbstverständlich auch EjistenzenJ wie den Musikus Miller und seine Tochter. Das Schiller'sche Drama zeigt, wie ehedem der dritte Stand durch den ersten vergewaltigt wurde. Für das 13. Jahrhundert war es also ein direktes Spiegelbild der Gesellschaft. Für die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts hat es eher nur noch die Bedeutung eines Gleichniffes. So lange das vollkommene proletarische Seitenstück zu Kabale und Liebe  " in der modernen deutschen Literatur noch fehlt,-- wenn man nicht Hauptmann'sWeber" dafür ansehen will wird der moderne letzte Stand, das besitzlose Proletariat in dem Schiller'sche» Drama wenigstens ein indirektes Spiegelbild der wehrlosen Abhängigkeit, der Knechtschaft und verachteten Lage erblicken, in welcher es stch dem modernen ersten Stande, der besitzenden Bouraeoisie gegenüber befindet. Deshalb die Industrie weiter versorgen, und ihren eigenen Leuten Sonntags Ruhe gönnen soll. Den Vorschlag des Abg. Zimmermann, die Schalterstunden zu verlegen, halte ich für durchaus vernünftig, weil dann die Postbeamten wenigstens den halben Sonntag für sich benutzen könnten, wenn es auch nicht zutreffend ist, daß in der Zeit von 57 Nachmittags am Sonntag der Verkehr sehr still ist. Das ist je nach der Lage des Postamtes sehr ver- schieden. Die Resolution, für welche wir trotz einiger Bedenken stimmen werden, halte ich nur für einen schwachen Anfang. Durch die Verwaltungsschwierigkeiten sollte man sich nicht abhalten lassen. Würde man sich durch jede Schwierigkeit zurückschrecken lassen, so würde daS eine Stagnation der ganzen mensch- lichen Entwicklung bedeuten. Wer den Skandal gehört hat, den die Unternehmer gemacht haben, als sie von der Sonn- tagsruhe bedroht wurden, glaubte, daß der ganze Handel unter- gehen müsse. Heute spricht kein Mensch mehr davon. So wird es in dem Postbetriebe auch gehen. Es gefällt mir nicht, daß die ÄIn trag stell er gestatten wollen, daß Eilsendungen am Sonn- tag bestellt werden. Das ist weiter nichts als eine Konzession an den Geldsack. Das ist nur eine Benachtheiligung derjenigen, für welche 50 Pf. Porto schon keine Kleinigkeit ist. Ferner macht es auch gar keinen Unterschied, ob ein Briefträger, der einen Eil- bries 2 Treppen hoch abgiebt, hierbei auch einen ge- wöhnlichen Brief an den eine Treppe wohnenden Empfänger abgiebt. Es handelt sich hier um das Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Moral, das zu wahren ist selbst auf die Gefahr hin, daß einer kleinen An« zahl von Leuten Unbequemlichkeiten bereitet werden. Verstehen würde ich es, wenn man die Ausgabe von Packeten gestallen würde, deren Inhalt dem Verderben ausgesetzt ist. Man will die Postbeamten für den Sonntag entschädigen, indem man ihnen einen Tag in der Woche freigeben will. Auf diesem Standpunkt stehe ich durchaus nicht. In Deutschland   hat man glücklicher- weise das kirchliche Interesse hierbei in den Vordergrund ge- schoben, daher hat man auch alle Veranstaltungen, auch die dem Volk Vergnügen bereiten sollen, auf den Sonntag verlegt. Ein freier Tag in der Woche wäre also kein Ersatz für den Sonntag. Abg. von Staudt)(dk.) widerspricht der Auffassung, daß der Sonntag vor Allem der Zerstreuung und dem Vergnügen gewidmet sein soll. Redner tritt ebenfalls für die Resolution ein, erkennt ober an, daß bei der Höhe der Portosätze für Eil- sendungen es leicht geschehen könnte, daß der wirthschaftlich Stärkere den Schwächeren schädigt. Es würde deshalb der Ver- waltung anheimzugeben sein, wenn sie aus den Antrag eingehen will, ein besonders ermäßigtes Eilporto festzusetzen, um die entgegenstehenden Interessen zu vereinigen. Die An- gaben des Staatssekretärs, daß die Sonntagsruhe für alle Beamten dergestalt geregelt sei, daß jeder bis aus Einen unter 10 000 entweder den driten Sonntag oder innerhalb drei Wochen von zwei Sonntagen jeden halben frei habe, entsprechen nach seiner Kenntniß der Dinge nicht den that- sächlichen Verhältnissen. Redner nimmt Bezug auf Petitionen aus der Grasschast Mark, wo die Landbriefträger höchstens ein oder zwei Sonntage im ganzen Jahr frei hatten. Staatssekretär v. Stephan erwidert, daß das Rasseln der Postwagen durch die Siraßen am Sonntage erheblich weniger Störungen verursache als der sonstige Wagenverkehr. Wenn Briefträger jeden Sonntag das ganze Jahr hindurch beschäftigt, seien, so könne es fichlnur um Aushelfer handeln, die freiwillig, um bezahlt zu werden, also lediglich aus Rücksicht auf die eigene Existenz sich beschästigen lassen. Nachdem noch die Abgg. Kröber(Vp.) und Gröber(Z.) für die Resolution eingetreten sind und Abg. Müller-Sagan auf die Ausführungen des Abg. Singer erwidert hat, wird der Titel bewilligt und die Resolution gegen vereinzelte Freisinnige und Nationalliberale angenommen. Bei Titel 20(Post- und Telegraphenämter) ver- langt Abg. Müller-Sagan eine genaue Uebersicht über die Ver- theilnng der einzelnen Gehaltsstufen von 3000 bis 5400 M. auf die Inhaber der sogen. Militär-Postämter, welche versorgungs- berechtigten Dffizieren vorbehalten sind. Nach einer kurzen Erwiderung des Direktors im Reichs- Postamt Fischer wird der Titel bewilligt. Bei Tilet 21(Ober-Postsekretäre und Post- sekretär e) fragt muß dieses Drama bei aller Ueberschwänglichleit der Sprache, die zwar für die Zeit des jungen Schiller kaum etwas Befremdendes an sich hatte, aber unserer Zeitfbereits wunderlich genug erscheint, gerade aus ein proletarisches Publikum auch heute noch den Eindruck eineS vollen Wirklichkeitsbildes machen. Zum Verständiß der Zustände, aus und aus denen sich die Handlung ausbaut, bedarf das Proletariat leider! keines Kommentars. Kabale und Liebe  " ist ein durch und durch revolutionäres Stück. Es wirft den Herrschenden den Fehdehandschuh hin und tritt ein für die Beherrschten und Unterdrückten. Daraus erklärt sich der große Erfolg, den es sofort bei dem deutschen Bürger- thum fand, das noch unter dem Druck des absoluten Regiments schmachtete. aber bereits von dem Geiste erfüllt war, der in Frankreich   zum Sturze der Monarchie und zur Brechung der Macht des Adels führte. Manche Wandlung hat sich in diesen hundert Jahren mit dem deutschen Bürgerthum und feiner Stellung zu dem Schiller'sche» Re­volutionsdrama vollzogen!Kabale und Liebe  " ist bekanntlich an den Theatern, die der Bourgeoisie zur Unterhaltung diene«, immer noch ein beliebtes Stück. Aber daß es das noch immer ist, beweist so recht, wie wenig unsere Bourgeoisie noch im stände ist, den revolutionären Schiller zu verstehen. Wäre sie noch fähig, die ganze Tiefe der Entrüstung und des Zornes auszuschöpfen, der diesem Stücke innewohnt, sie müßte gegen seine Aufführung in ihrem eigensten Interesse protestiren und sie zu verhindern suchen, wie es vor 100 Jahren die Stuttgarter  Hoskreise mit Erfolg gethan, und wie es Hauptmann's Weber"-Dra>na gegenüber in unserer Zeit die Polizei im Interesse der kapitalistischen   Gesellschaftsordnung thut.Kabale und Liebe  " gehört nicht blos auf die Volksbühne im prole- tarischen Sinne, nein, es gehört nur und ausschließlich auf diese Volksbühne, weil es nur hier noch in seiner ganzen Bedeutung erfaßt werden, nur hier noch so wirken und den Hörer packen kann, wie es der Dichter gewollt hat. lieber die Aufführung selber nur wenige Worte. Die Dar- steller fanden lebhasten und wohlverdienten Beifall. Zur Be- setzung der Hauptrollen waren so viele Gäste angeworben worden, daß für das Personal des National- Theaters diesmal nicht viel übrig blieb, und nur wenige davon in dem Stück beschäftigt werden konnten. Es wurden gegeben die Rollen der Luise Millerin durch Sophie Burska, deren künstlerische Darbietungen den Mitgliedern derFreien Volksbühne  " aus mancher früheren Vorstellung rühmlichst bekannt sind, des Ferdinand von Walter durch Fritz Herz, des Präsidenten von Walter durch Max Löwenfeld, der von derWeber"« Aufführung her gleichfalls noch in guter Erinnerung sein dürfte, des Hofmarschall von Kalb durch Friedrich Basil  , der Lady Milford durch Agate Thenier. Unter dem Personal desNational-Theaters" zeichneten sich Direktor Max S a m st als Musikus Miller und H. R h o d e- E b e l i n g in der ver- ständnißvoll durchgeführten Rolle des Sekretär Wurm aus. Er.