Der Militäretat im bayerischen Landtag.In der bayerischen Abgeordnetenkammer wurdö amMittwoch der Milittrctat erledigt und gegen die Stimmender Sozialdemokraten angenommen. Von allen Seiten wurdeder bekannte Erlaß des Kriegsministers gegen die tätlichenund wörtlichen Soldatenmißhandlungen lebhaft begrüßt. DerKriegsminister selbst erklärte zu den Klagen über allzu großeMilde der Kriegsgerichte gegen Soldatenschinder, auch ihnhätte manches Urteil befremdet, undkönner auch nicht in die Unabhängigkeit deRichter eingreifen, so habe er doch unlängst in einem besonderen Falle ausseiner Meinung kein Hehl gemacht und bemühe sich auch, in Disziplinarfällenbessernd einzuwirken. Von der Absicht der Reichsregierung, eine neue Militärvorlage einzubringen, ist demKriegsminister nichts bekannt. Die Entziehung der EinjährigFreiwilligen-Berechtigung wegen sozialdemokratischer Gesinnung erklärt der Minister für unzulässig. Das schließeaber, meinte er, nicht aus, daß im Einzelfalle die besondereArt der Betätigung die Qualifikation beanstanden lasse.Die Abgeordnetenkammer vertagte schließlich ihreSitzungen auf unbestimmte Zeit, um den Ausschüssen Gelegenheit zu geben, ihre Arbeiten zu fördern.„Heuchelei" oder Infamie.Die»Deutsche Tageszeitung' hatte, wie bekannt, bor kurzemdie Schwindelmär in die Welt gesetzt, zwei sozialdemokratischeNationalräte in der Schweiz hätten Landesverrat verübt und seiendeswegen verhaftet worden. Auf die Festnogelung dieser mit denüblichen Nutzanwendungen auf die deutsche Sozialdemokratie versehenen dreisten Schwindelei besaß das Oertel-Organ die UnverfrorenIjeit, den Kern der behaupteten Tatsache einfach aufrechtzuerhaltenund obendrein die gekränkte Anstandstante zu spielen. Jetzt endlich,nachdem der Schwindel im Lande den gewünschten Eindruck gemacht,fühlt sich das Bündlerblatt bemüßigt, der Wahrheit die Ehre zugeben und einzugestehen, daß die beiden schweizerischen Genossen andem behaupteten„Landesverrat' völlig unschuldig sind. Aber diejungen Leute des Herrn Oertel müßten nicht die Gesinnungsgenossender Liebertschen Wahrheitsgarde sein, wenn sie nicht auch noch auihrem Rückzug dem verhaßten Gegner eins auszuwischen suchtenUnd zwar tun sie das in folgender Weise:„llnfer Gewährsmann erklärt es zunächst für eine„unbestreit-bare Talsache', daß ein organisierterSozialdemokratsich als Spion versucht hat. Die sozialdemokratische Press« hatbehauptet, die betreffende Person gehöre keiner sozialdemo-kratischen Organisation an und um ihre Behauptungglaubhafter zu machen, hinzugefügt, daß an ihrem Wohn-orte gar keine sozialdemokratische Organi-s a t i o n bestehe. Diese Behauptung ist bewußt irreführend; dennan dem betreffenden Orte besteht eine Sektion des sozial«demokratischen Textilarbeiterverband«», derenMitglied die fragliche Persönlichkeit ist. Als Mitglied einer sozialdemokratischen Gewerkchaft hat sich der Spion auch an sozialdemo�kratische Nationalräte herangemacht und von ihnen gewisse Aus-künfte, die Fragen'der Landesverteidigung berührten, erbeten und er«halten. Glücklicherweise ist der Spionageversuch bereits in den erstenAnfängen entdeckt und vereitelt worden! und die Auskünfte, welchedie sozialdemokratischen Nationalräte bis dahin gegeben hatten,waren unschädlicher Natur und offenbar auch ingutem Glauben gegeben. Ihnen kann man deshalbwohl höchstens den Vorwurf machen, daß sie vielleicht vorsichtigerhätten sein sollen; daß aber ein organisierter Sozialdemokrat beieinem Spionageversuch abgefaßt worden ist, hält unser Gewährs«mann als„unumstößliche Tatsache' austecht, und er be-zeichnet die Vorwürfe des.Vorwärts' gegen die„Deutsche Tage»>zeitung' als„bodenlose Heuchelei'.Der Gewährsmann gibt also endlich zu, daß die beiden sozial-demokratischen Nationalräte von ihm zu Unrecht verleumdet wurden.Damit aber bei der Geschichte doch noch etwas an der'Sozialdemo.kratie hängen bleibt, behauptet er nun dreist und gotteSfürchtig,der angebliche Spion, der sich die Auskünfte geben ließ, sei„organi-sierter Sozialdemokrat' gewesen.' Wir lassen hier die Frage völligunerörtert, ob der Mann mit den erhaltenen Auskünften, die nachdem eigenen Geständnis des Gewährsmannes der„Deutschen Tages-Zeitung"„unverfänglicher Natur' waren, wirklich Spionageabsichtenverfolgte. Entscheidend ist, daß das Oertel-Organ und sein schweize-rischer Hintermann es fertig bringen, auS dem Umstand, daß der-landesverräterische' Italiener angeblich einer Gewerkschaftangehörte, eine Mitschuld der sozialdemokratischenPartei zu konstruieren. Diese Lumperei steht auf derselbenHöhe wie die krampfhaften Versuche des Bündlerorgans, die Sarajewoer Mörder als Sozialisten auszugeben. Gegenüber diesergeradezu krankhaften Berleumdungssucht kann man allerdings schonnicht mehr von„bloßer Heuchelei" reden; hier handelt es sich schonum bewußte Infamie!Reichstagsersatzwahl in Koburg.Am Freitag, den 1t). Juli, fällt im Wahlkreise Koburg die Ent-scheidung. Mit äußerster Schärfe wird der Wahlkampf geführt.Die bürgerlichen Parteien— Fortschrittler und Nationalliberale—katzbalgen sich gegenseitig, um möglichst in die Stichwahl zukommen.Mit den schäbigsten Mitteln suchen sie sich' gegenseitig den Rang inder Bekämpfung der Sozialdemokratie abzulaufen; die Fortschrittlersind in der Verwendung des Reichsverbandsmaterials jedoch nichtzu übertreffen. Die Abgg. Pfarrer Naumann und Konrad Haußwann, Kopsch und Wiemer suchen zu retten, was möglich ist. Inunseren Reihen herrscht siegesfrohe Kampfesstimmung.Hine„Tageblatt"-Legendc.Das„Berliner Tageblatt" berichtet triumphierend von einer-Niederlage", die Genosse Liebknecht in der Generalversammlungseines Kreises erlitten habe, weil dort gegen seinen Widerspruch dieVerlegung der Maifeier auf den ersten Sonntag im Mai empfohlenworden ist. Nun ist ja richtig, daß die Generalversammlung vonPotsdam-Osthavelland einen derartigen Beschluß gefaßt hat; indeßkeineswegs aus Abneigung gegen die Arbeitsruhe am 1. Mai,sondern nur, weil sie der Ansicht war, daß durch die Regelungder Unterstützungsfrage in bezug auf den 1. Mai eine wirksameDurchführung der Arbeitsruhe leider zu einer Unmöglichkeit ge-worden fei. Es liegt also nur eine praktische Differenz vor.Warum aber verschweigt das„Berliner Tageblatt' zwei andereBeschlüsse derselben Generalversammlung: den einen, der dieHaltung unserer Reichstagsfraktion in der Kaiserhoch-Frage billigt,und den anderen über die Propaganda des Massenstreiks? Geradeder letztere Beschluß ist um so bemerkenswerter, als im ver-gangenen Jahre dieselbe Generalversammlung einen ganz ähn-lichen Antrag abgelehnt hatte._Herr v. LoebeN wird gemeinnützig".Durch die.nationale' Presse macht die folgende Notiz dieRunde:„Die Minister des Innern und der Landwirtschaft haben durchemen Erlaß den Regierungen empfohlen,„auch zur Be-kampfung der sozialdemokratischen Landver-bände' die Rechtsauskunft für Minderbemittelteonf dem Land« durch Staat, Kreise, Landwirtschaftskammern mit' staatlicher Unterstützung einzurichten. Zur Beihilfe für die Beratung sind Juristen, Anwälte. Assessoren usw. in Aussicht genommen.An entfernten Orten sollen Sprechtage eingerichtet werden.'Nach der staatlichen Jugendpflege und Volksverficherung die staatliche Rechtsberatung I Das deutsche Volk wird sich vor lauter Fürsorge von oben bald nicht mehr zu retten wissen. Und das allesnur, weil man in den Regionen der Falckenhain, Loebell und Trottzu Solz den panischen Schrecken vor der roten Revolutionsparteinicht loszuwerden vermag I_die österreichische Regierung unü üasAttentat.Wien, 8. Juli. Die Blätter erfahren über die gestrige gemeinsame Ministerkonferenz, man habe darin eingehenddie Maßnahmen in der inneren Verwaltung Bosniens und derHerzegowina erörtert, die sich mit Rücksicht auf die letzten schrecklichen Vorkommnisse als unumgänglich notwendig erweisen. DieseMaßnahmen bezögen sich auf den ganzen Bereich der VerwaltungBosniens und der Herzegowina. Ein gegen Serbien gerichtetet und im technischen Sinne als diplomatische Aktionzu bezeichnender Schritt sei nicht in Aussicht genommen,Der gemeinsame Firianzminister habe einen sehr eingehenden Be,richt über die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung, die überdas Attentat in Sarajewo eingeleitet wurde, erstattet. Die Maßnahmen, welche beschlossen wurden, sollen keineswegs eineSistierung der Verfassung oder auch nur eine Ein,schränk ung der verfassungsmäßigen Institutionen umfassen, diediesen Ländern im Jahre 1910 verliehen wurden. Es soll vielmehrder Versuch gemacht werden� durch Verwaltungs-maßnahmen, vornehmlich auf dem Gebiet der Polizei, Vor-kehrungen zu treffen, die eine strenge Ueberwachung der Tätigkeitund der Verbindungen der großserbischen Agitation ermöglichen,andererseits durch Verschärfung de? Grenzüberwachungsdienstesunerwünschten Zuzug aus dem Auslande fernzuhalten. Ins,besondere foll auch dem weiteren Eindringen der großserbischenAgitation in die Schulen ein Ziel gesetzt werden. In bezug auden Grenzüberwachungsdienst soll unter anderem eine Vermehrungder Donauflottille in Aussicht genommen worden fein.Der Mfsianö ln Albanien.Janiua, 8. Juli. K o r i tz a ist gegenwärtig von denepiroti-fchen Truppen eingeschlossen, welche die Stadt besetzen wollen,wenn sie von den albanischen Truppen geräumt wird, und sich einerBesitznahme durch die Aufständischen zu widersetzen gedenken.Durch Funkfpruch wird aus Durazzo vom 7. d. M. ge-meldet: Auch heute ist in der Lage keine Veränderungeingetreten. In der verflossenen Nacht wurde aus unbedeutendemAnlaß auf der ganzen Vorpostenlinie ein Feuer eröffnet, nacheiner halben Stunde aber wieder eingestellt. Sonst verliefen Tagund Nacht ohne Zwi schenfall.England.Schwierige Lage der Regiernng.London, 8. Juli.(Privattelegramm des„V o vwärt s'.) Die Tage der Regierung scheinen gezählt zu sein;gestern abend entging sie wieder einmal nur mit knapperNot der Niederlage. Die Regierung erhielt bei einer w i chtigenAbstimmung über ein konservatives Amendement,das einem Mißtrauensvotum gleichkam, eine Mehrheit von nur 23 Stimmen, obwohl die Arbeiterparteifürsiestimmte. Die Abstimmung war das Resultat desVerhaltens der Gruppe der liberalen Millionäreund einiger Liberaler, die die untätige Ulsterpolitik desKabinetts verurteilen. Beide Gruppen enthielten sich derAbstimmung._Sieg der Arseualarbeiter.London, 8. Juli.(Privattelegramm des»Vorw ä r t s Der Streik im Woolwicher Arsenal endete miteinem vollständigen Sieg der Arbeiter. Das Resultat derVerhandlungen zwischen den Gewerkschastsbeamten und derArsenalleitung ist wie folgt: Alle Arbeiter wie auch derMonteur Entwistle, der sich auf Anordnung seiner Getverk,'chaft weigerte, auf einem von Streikbrechern hergestelltenFundament eine Maschine zu montieren, kehren an ihrefrüheren Posten zurück. Ein aus den Vertreternder Arbeiter und der Regierung bestehender Untersuchungsausschuß wird eingesetzt, der sich mit den dem Konflikt zugründe liegenden Grundsätzen zu beschäftigen hat. Was auchdas Resultat der Untersuchung ergeben wird: Entwistle undandere Arbeiter, die in dieselbe Lage wie er versetzt werden'ollten, werden nicht bestraft. Den Arbeitern wirdvon ihren Organisationen empfohlen, die Arbeit auf schonausgeführten Bauten nicht zu verweigern, wenn nach ihnenkeine Streikbrecher beschäftigt werden. Dervollständige Sieg hat bei den Arbeitern begeisterte Freudehervorgerufen: die Unorganisierten strömen indie im Arsenal vertretenen Gewerkschaften.Mus öer Partei.Einer von der alten Garde.In Chemnitz ist am Mittwoch der frühere Chefredakteur derChemnitzer„Volksstimme', Genosse August EnderS, im Altervon 88 Jahren gestorben. Von Beruf Schriftsetzer, war Enders,der der Partei seit seiner frühesten Jugend angehörte, von 1888bis 1890 Geschäftsführer der Leipziger Parteidruckerei. Nach feinemAustritt war er zunächst ein Jahr in der Redaktion der Erfurter„Tribüne" tätig, um dann einem Ruf nach Berlin an den„Vor-wärts" Folge zu leisten. Als im Jahre 1899 die„Volksstimme'in Chemnitz geschaffen wurde, betrauten die Chemnitzer Genossenden Genossen Enders mit der Leitung des Blattes, die er nacheiniger Zeit mit der Redaktion des Feuilletons vertauschte. MitEnders verliert die Partei einen treuen, braven Genossen.Aus den Orgamsatlouen.Der 16. Pommersch« Parteitag tagte in der Zeitvom 6.— 7. Juli in Stralsund. Anwesend waren 69 Delegierteund 20 sonstige stimmberechtigte Teilnehmer. Außerdem vomParteivorstand Genossin Z i e tz- Berlin und vom BezirksvorstandMecklenburg Genosse Kröger- Rostock. Den Geschäftsbericht er-tattete der Parteisekretär Genosse Horn. Der Bericht erstreckt sichüber die Tätigkeit von zwei Jahren. Die Zahl der Parteimitgliederhat sich in dieser Zeit nur um 667 vermehrt; die Zahl der Orts-vereine ist sogar von 96 auf 91 zurückgegangen. Im allgemeinenherrschte eine starke Mitgliederfluktuation. Einen recht erheblichenMitgliederverlust brachte der verunglückte Werftarbeiter.treik. DiesozialistischenGemeindevertreter habenich um 8 vermehrt. Die Partei hat jetzt in 26 Orten 77 Per-treter. Ein vorzüglicher Parteiort ist Barth, eine Stadt von7600 Einwohner. Dort find von den 760 gewerkschaftlich organi-sierten Arbeitern 680 Mitglieder der Partei.— Der Kassenbericht laßterkennen, daß die Beiträge der Wahlkreisorganisationen erne Zu«nähme von durchschnittlich 11,08 Proz. erfahren haben. DaS Parteigeschäft hat sich recht gut entwikelt. Leider ist in dem Abonnenten-stand des„Polksboten" gegenüber 1912 ein Rückgang eingetreten.Genosse Kuntze, der Referent über den Punkt„Presse' empfiehltdie Beibehaltung des Preßfonds, der als Druckereifonds bestimmtist. Er wendet sich auch gegen die Absicht der Genossen in Vor-pommcrn, für ihren Bezirk ein eigenes Parteiorgan zu gründen,da das nicht lebensfähig sei. Beschlossen wird, den Preßfonds inetwas veränderter Form beizubehalten. Ueber die Neugründungsollen Verhandlungen für einen glücklichen Ausweg angebahutwerden.— Sodann sprach die Genossin Zietz-Berlin über„dieproletarische Frauenbewegung". Sie gab eine Reihe wertvollerAnregungen, die dazu beitragen sollen, das Interesse der Frauenfür die politische Bewegung zu wecken. Ueber„Wirtschaftspolitikund Agrariertum" hielt Reichstagsabgeordneter Vogtherr einenVortrag. Er kennzeichnete darin u. a. auch das reaktionäre Strebender heutigen Machthaber, insbesondere des Militarismus. SeineAusführungen trugen mit dazu bei, daß aus der Mitte der Ver-sammlung der Antrag gestellt wurde, daß der pommersche Partei-tag das Verhalten der Fraktion bei Schluß des Reichstags durchaus billige. Gegen eine Stimme wurde der Antragangenommen.— Beschlossen wurde noch, daß bei Delegationen zuden Kreisversammlungen die Abteilungsführer und weiblichen Ver-trauenspersoncn in erfter Linie zu berücksichtigen sind und daß dieWahlen der Delegierten zu den Parteitagen in der KreiSgeneral-Versammlung oder in Wahlbezirken, die von der Kreisgeneralver-sammlung festgelegt sind, mittels Stimmzettel zu erfolgen haben.Zum Internationalen Kongreß wurde Genosse Horn delegiert.-»Die Generalversammlung des Sozialdemokratischen Verein? fürden Wahlkreis Dortmund-Hörde tagte am 5. d. M. in Dort»mund. In dem Bericht des Parteisekretärs wurde der Enttäuschungdarüber Ausdruck gegeben, daß es noch nicht gelungen sei, das ersteZehntausend an Mitgliedern zu überschreiten. Die Zunahme betrugnur 480, so daß eine Mitgliederzahl von 9802 erreicht wurde. Dar-unter sind 1936 weibliche. Auch das Ergebnis der Gemeinderats-Wahlen sei unbestiedigend gewesen, obwohl für die Agitation größereMittel aufgewendet wurden. Das Obligatorium der„Gleich-heit' für die weiblichen Mitglieder wurde abgelehnt. Weiter wurdeder Einrichtung von Vortragskursen für Gemeindevertreter zuge-stimmt. Ferner sollen jährlich zwei Konferenzen abgehalten werden,in denen zu taktischen Fragen Stellung genommen werden soll.Zum Verhalten der Reichstagsfraktion beim Kaiser-hoch lag eine Entschließung vor, die ihr Einverständnis mitdem Beschluß der Faktion ausdrückte. Der ReichstagsabgeordneteErdmann ersuchte, über sie zur Tagesordnung überzugehen unddie Entscheidung den Parteitagsdclegierten zu überlassen. DieAenderung unserer Taktik werde als eine Kundgebung gegen dieMonarchie aufgefaßt. Die Frage der Staatsform sei aber durch-aus nicht dringlich. Wir hätten näherliegende Aufgaben zu lösen.Die Entschließung wurde aber mit großer Mehrheit a n g e-nommen. Ein Antrag, die Parteitagsdelegierten zu verpffichten,sich gegen die Abonnentenversicherung auszusprechen,wurde gleichfalls angenommen. Der Parteitag soll durch vierDelegierte beschickt werden, die durch UrWahl gewählt werden.Als Vorsitzender wurde Redakteur H e u ß l e r und als Kassierer derSekretär Klupsch gewählt.Halbastatische Preßverfolgungenleistet sich der Krakauer Staatsanwalt DolinSki gegen die sozial-demokratischen Tageblätter„Naprzod"(Vorwärts) und„GloS'(Stimme). Letzthin ließ er, als er den„GloS' wegen Wieder-fabe der von dem amtlichen k. k. Telegraphenkorre-pondenzbureau zusammengestellten serbischen Blätter-stimmen konfiszierte, auch gleich über 2000 Exemplare des nicht-konfiszierten„Naprzod' mitschleppen. Der Herausgeber der beidenBlätter, Reichsratsabgeordneter Genosse Daszynski, verlangteden Ersatz deS Schadens in Höhe von 200 Kronen. Als er sichmit dem nach galizischer Landessttte erfolgten Angebot eines Teil-ersatzes nicht zufrieden gab, erhielt er gar nichts. DaszynSki hatjetzt den Justizminister in einem offenen Schreiben aufgefordert,mü dieser Schandwirtschaft aufzuräumen.Letzte Nachrichten.Der französische Senat für soziale Reform.Paris, 8. Juli.(W. T. B.) Der Senat verhandelte heuteüber einen Gesetzentwurf betreffend Kredite zur Herabsetzung derArbeitszeit in industriellen Betrieben der Ministerien der Finanzenund des Krieges auf 49 Stunden durch Anwendung der englischenWoche. Finanzminister Noulens erinnerte in seiner Begrün.dung deS Gesetzentwurfs an die von der Regierung gemachten Ver-sprechungen, an die günstige Abstimmung der Kammer über denEntwurf und an die schon begonnenen Versuche, die eine Art vonVerpflichtung geschaffen hätten. Der Berichterstatter de SelveSbekämpfte den Entwurf wegen der Rückwirkung, die er auf dieFinanzen haben würde, und weil zu befürchten sei, daß die eng-lische Woche, wenn man sie den Staatsbetrieben gewähre, auch inder Privatindustrie obligatorisch werden müßte.(Lebhafter Beifallauf zahlreichen Bänken.) Ministerpräsident V i v i a n i beschworden Senat, der gegenwärtigen Regierung zu gestatten, daß sie diewohlüberlegten Versprechungen erfülle, die die vier vorhergehendenMinisterien gemacht hätten. Der Minister machte sich anheischig,nachzuweisen, daß die Reform auf die Privatindustrie nicht sozurückwirken würde, wie der Berichterstatter es befürchte. SozialeReformen könnten durch Gesetzentwürfe nur verwirklicht werden,wenn sie sich allmählich einbürgerten. Viviani bat zum Schluß.die Schwere der Verantwortlichkeit der Regierung nicht noch zuerhöhen. Darauf wurde die Generaldebatte geschlossen. Der Gesetz-entwurf wurde mit 246 gegen 10 Stimmen angenommen.Vom mexikanischen Kriegsschanplatz.NogaleS(So nora, Mexiko), 8. Juli. In einer Botschaft anCarranza berichtet General Obregon von einem bedeutenden Siegder Insurgenten vor Guadalajara. Nach einem mehr als 36stün-digen Gefecht hätten sie die Bundestruppen vernichtet.Laredo(Texas), 8. Juli. Wie von authentischer Seide ge-meldet wird, haben die Generäle der Konstitutionalisten sich mitüberwiegender Mehrheit dagegen ausgesprochen, der Aufforderungder Vermittler von Niagarafalls entsprechend mit Huerta zn-ammenkommen, um eine provisorische Regierung einzurichten.....Ei» österreichischer Offizier als russischer Spion. �Lemberg, 8. Juli. Wie aus Tarnopol berichtet wird, wurdeder Leutnant des 16. Infanterieregiments, Schmidt, in dem Mo-ment verhaftet, als er bei einer Eisenbahnbrücke Vermessungenvornahm. Man nimmt an, daß er als Spion in russischen Dienstenstand. Schmidt wollte seiner Verhaftung Widerstand entgegen«etzen, indem er den Gendarmen mit einem Revolver bedrohte.Dieser setzte Schmidt jedoch das Bajonett auf die Brust, worauf sichLeutnant Schmidt verhaften ließ.Ein ungetreuer Notar.Rufach(Elsaß), 8. Juli. Der von hier gebürtige Notar JuliusHecht wurde heute mittag unter dem Verdacht, große Summe»Geldes unterschlagen zu haben, verhaftet. Im Laufe des Nachmit-tags wurden die Bureaus des Notars durch die Staatsanwaltschaftgeschlossen und die vorhandenen Bücher beschlagnahmt. Die Ver-hastung des Notars Hecht, der in das Kolmarer Untersuchungs-gefängniS eingeliefert wurde, erregt hier großes Aufsehen.