'' In diesem Augenblick kam eine Näherin, oürch den Lärm an- gelockt, aus dem Nebenzimmer, worauf die Burschen Revolver hervor» zogen und die beiden Frauen bedrohten. Sie zogen es indes vor, sich zu entfernen. Vorher fragten sie noch:„Werden Sie uns anzeigen?" Die Aerztin erwiderte:„Nein. Ich beklage Sie. Gehen Sie fort. Sie selbst werden sich denunzieren. Denken Sic nach! Haben Sie Hunger? Wollen Sie Geld zum Essen? Vielleicht kommen Sie dann aus ver- nünftigere Gedanken." Die Eindringlinge verzogen sich schleunigst. Die Aerztin verstän- digte hierauf die Hausmeisterin, die Kassiererm eines benachbarten Ladens und telephonierte mehrere Kollegen an, um sie vor diesen Be- suchcrn zu warnen. Es ist nun höchst wahrscheinlich, daß die Polizei von dieser Affäre rasch Wind bekommen hat. Jedenfalls hat sie die Bomben- träger mehrere Tage lang beobachtet. Warum hat sie sie nicht verhaftet? Nun behauptet sie, daß die in Bcaumont Verhasteten mit zweien der Besucher der Aerztin identisch seien. Frau Dr. Stro- setzki, der sie gegenübergestellt wurden, hat sie wohl nicht agnosziert, dagegen glaubt ihr Dienstmädchen, sie zu erkennen. Aber wenn diese Identität vorliegt, sieht die Verhaftungsszene nach einer beabsichtigten Sensationsmache aus. Man läßt gefährliche Menschen dieser Sorte frei herumlaufen, das Leben ihrer Nebenmenschen gefährden, mit Bomben allergefährlichster Art— so sagen die amtlichen Chemiker— auf Landstraßen spazieren gehen und umgibt dann ihre schließliche Verhaftung mit einem aufregenden Mysterium. Legt das nicht den Gedanken nahe, daß die Bombenmänner gewissen Leuten von der Polizei sehr gelegen kamen, ja, daß sie— vielleicht ohne es selbst zu wissen— an Drähten tanzten, die von fremder Hand gezogen wurden? Bisher sind weitere vier Russen verhaftet worden, auf deren Teilnahme an der Bombenaffäre die Polizei hauptsächlich aus dem Grund zu schließen glaubte, well ihre Adressen bei einem der Bombenträger vorgefunden wurden. Einer von ihnen, ein junger, kaukasischer Fürst Abaschidze, wurde eigentlich nur darum ver- hastet, weil er gerade dazu kam, als ein anderer aus seiner Werk- statt abgeführt worden war und die Polizisten noch dort Ivaren. Wie es heißt, ist Abaschidze ein harmloser Jüngling, der sich in Paris seines Lebens freut und von Landsleuten erfolgreich anpumpen läßt. Jedenfalls scheint der Polizei die Gelegenheit nicht unwillkommen zu sein, bei den russischen Emigranten einzudringen und nach Be- lieben Durchsuchungen anzustellen. Wenn man weiß, auf welchem kollegialen Fuß manche französischen Polizisten mit ihren Kollegen von der Ochrana stehen, gibt die Geschichte zu denken. Ungeheuer- lichcrweise hat die Polizei auch bei Genossin Dr. S t r o s e tz k i , also dem Opfer der Erpresser, eine Hausdurchsuchung angestellt und ist dabei mit größter Rücksichtslosigkeit verfahren. Als wichtige eorpora delicti wurde eine Spule mit Bleidraht, die zu Repara- turcn im Fall von Kurzschlüssen dient, und ein Lehrbuch der Chemie für Studenten mitgenommen. Man denke nun daran, daß sich diese Affäre just im Augenblick ereignet, da B u r z e w neue Enthüllungen über die russischen Polizei- Umtriebe in Frankreich begonnen hat, und die französischen Sozia- listen daran gehen wollen, die Säuberung ihres Landes vom Ochranagesindcl energisch zu betreiben. Man braucht dabei keines- wegs anzunehmen, daß„Kiritschew", der, wie es heißt, in russischen Gefängnissen gesessen hat, bewußt den Agenten gedient habe. Wir erinnern nur an die vielbesprochene Brüsseler Affäre Hartenstein, die dem Erpressungsversuch bei Frau Dr. Strosetzti fast Zug um Zug gleicht, und als deren Anstifter der berüchtigte Harting-Landesen gc- gölten hat, während der unglückliche Fanatiker Hartenstein da? selbst- läse Werkzeug war. Jedenfalls ist diese neueste Bombengeschichte so verdächtig, daß nicht nur alle russischen Sozialisten gegen die Versuche, die revolu- tionäre Emigrcmtion mit ihr zu kompromittieren, protestieren, sondern auch die russische kommunistisch-anarchiftische Gruppe beschlossen hat, eine Untersuchung anzustellen, um zu erforschen, wer„Kiritschew" angetrieben und bei seinem Vorhaben unterstützt hat. 9 9 '* Das Enüe ües Schwindels. Paris , 11. Juli. Nach einer anscheinend von der Polizei- präfektur herrührenden Zeitungsmeldung scheint man nun- mehr zu der Ueberzeugung gelangt zu sein, daß die Ver- hafteten Kiritschew und Trojonareski keiner» lei politischen Anschlag geplant haben, und daß sie nur ganz gewöhnliche Verbrecher sind. pdlitisihe Uebersicht. Aenderung der Geschäftsordnung des Reichstages? Die Gerüchte über den Rücktritt des preußischen Justiz- niinisters wegen seiner Ausführungen im Herrenhause über das Sitzenbleiben der sozialdeniokratischen Reichstagsmitglie- der beim Kaiserhoch haben der halboffiziösen Korrespondenz W o t h, wie sie mitteilt, Anlaß gegeben, an einigelet- tende Parlamentarier eine Umfrage zu richten, um festzustellen, ob tatsächlich wegen des Sitzen- bleibens eine Aenderung der Geschäftsordnung geplant wird. Das Resultat dieser Umfrage faßt die be- treffende Korrespondenz in folgender Mitteilung zusammen: „Eine fraktionelle Besprechung über die Vorgänge in der letzten ReichstagSsitzung hat nach der Schließung des Reichstages nicht mehr stattgefunden. Es kann deshalb«uch nicht gesagt werden, ob die Fraktionen im November Maßnahmen ergreifen werden, um solche Zwischenfälle zu verhindern. Verschiedentlich ist wohl privatim angedeutet worden, daß die bürgerlichen Frak- tionen die Pflicht hätten, den Monarchen vor Beleidigungen zu schützen. Mit Ausnahme der Konservativen sind die bürgerlichen Parteien der Ansicht, daß der Reichstag kaum in der Lage sein dürfte, solche Demonstrationen wirksam zu verhindern. Eine größere Reform der Geschäftsordnung läßt sich nur von einer imposanten Mehrheit durchführen, in Geschäftsordnungsfragen hat im gegenwärtigen Reichstag aber selten Einmütigkeit ge- herrscht. Man vergegenwärtige sich, daß es nicht einmal im preußischen Abgeordnetenhause der Mehrheit gelungen ist, eine Reform der Geschäftsordnung durchzusetzen, die viel weniger demokratisch war, als die bisher für den Reichstag geäußerten Wünsche(Sitzungsausschluß, Geldstrafen usw.). Dazu kommt, daß technische Schwierigkeiten einer Reform der Geschäftsordnung im angedeuteten Sinne entgegenstehen. Ein Kaiserhoch wird meist am Schlüsse der Tagung ausgebracht, ein Ausschluß nach der Schlußsitzung wäre also ein Unding, weil keine weiteren Sitzungen folgen. Ueberhaupt sind Ausschluß von Sitzungen und Geldstrafen Dinge, die der deutsche Reichstag wohl nimmermehr in seine Geschäftsordnung als Ordnungsstrafen einführen wird. In unserer Rundfrage s prachensich fürOrdnungs- st rasen nur Konservative aus, während die übrigen Parteien überhaupt wenig Lust verspürten, den einzelnen Vor- fall zu einer Geschäftsordnungsreform zu benutzen. Gewiß war am Tage der Schlußsitzung die Stimmung dafür vorhanden, im Herbst wird man die Situation aber von anderen Gesichtspunkten auS betrachten. Von einer Seite wird die Schuld an dem Vor- fall dem Präsidenten Kaempf allein zugeschoben, der die An- beraumung einer besonderen Schlußsitzung versäumt hatte. In Zukuizft wird man wohl wieder zu diesem Mittel greifen, zumal die Sozialdemokratie durchblicken läßt, daß sie ähnliche Demon- strationen vermeiden wird. Befürchtet wird in den Antworten auf die Umfrage, daß die Absicht, die Geschäftsordnung zu ändern, zu dem Versuche führen könnte, die Rechte des Reichs- tage? weiter einzuschnüren und die Redefreiheit zu beschneiden. Eine Mehrheit für solche Attentate würde allerdings nicht zu- stände kommen, es würden aber langwierige Debatten sich ent- fesseln, die Zwietracht zwischen den Parteien säen und das Zu- sammenarbeiten der bürgerlichen Parteien noch mehr erschweren würden. Es besteht allgemein der Wunsch, vor- läufig nicht an der Geschäftsordnung zu rütteln." Es ist vernünftig von den bürgerlichen Parteien— mit Ausnahme der Konservativen natürlich— daß sie nicht an der Geschäftsordnung rütteln lassen wollen. Der Erfolg der Rüttelei würde der Sozialdemokratie nichts schaden, wohl aber den rüttelungslüsternen Parteien und der hohen Regie- rung— und nach den letzten Blamagen hat diese gar nicht mehr viel an Ansehen zu verlieren.— Verwerfung der Revision Karl Schneidts. Das Reichsgericht verwarf die Revision des Redakteurs der „Tribüne", Karl Schneidt, der vom Landgericht IH Berlin am 4. April d. I. zu sechs Wochen Festungshaft verurteilt worden war, weil er durch den Abdruck eines von dem Mitangeklagten Dr. Zepler in dessen Blatt„Der Weg" veröffentlichten Briefes eines Backfisches Maximilian in Mexiko . Auch ein Jubiläum. II. Der„Kaiser" Maximilian sollte nur allzu schnell er- kennen, daß er ohne die französischen Bajonette ein Nichts in dem fremden Lande war, denn es gab keine Partei, auf die er sich wirklich stützen konnte. Die Masse des Volkes war durchaus re- publitamsch gesinnt, und was die sogenannten Monarchisten an- ging, so galt der österreichische Erzherzog den Liberalen als zu klerikal und den Klerikalen als zu liberal. In der Tat konnte über die Rückerstattung der verkauften Kirchengüter eine Einigung zwischen Maximilian und dem päpstlichen Nuntius nicht er- zielt� werden, und der Usurpator, der auch mit dem Segen des Papstes hinausgezogen war, sich ein Land und eine Krone zu er- obern, stand bald in einem unversöhnlichen Gegensatz zur römischen Kurie. Auf der anderen Seite wurden die Großgrundbesitzer, die Haciendados, durch eine Verfügung des„Empcradore" aufgebracht, die wenigstens eine bedingte Aufhebung der Peiwnage, der Schuld- sklnverei, ins Auge faßte. Aber dieses Dekret wie fast alle die anderen Verordnungen, mit denen Maximilian überaus ver- schwenderisth um sich warf, blieben auf dem Kanzleipapier stehen, denn er selbst verfügte weder über eine geordnete Verwaltung, noch über eine militärische Macht, um seinem Willen Nachdruck zu verschaffen, und die Franzosen spielten sich als die Herren des „5raisers" auf, dachten aber nicht im Traume daran, seine Be- fehle zu vollstrecken. Namentlich zwischen Maximilian und dem Marschall B a z a i n e gab es eine endlose Kette von Reibe- reien, die sich bei der Frau Maximilians zu einem wütenden Hasse gegen den französischen Oberbefehlshaber verdichteten. Aber nicht nur militärisch, sondern auch finanziell hingen„Kaiser " und „Kaiserreich " ganz und gar von den Franzosen ab. Die Kasten waren leer, und um nur die notdürftigsten Summen zusammen zu kratzen, muhten zu märchenhaft hohem Zinsfuß Anleihen um Anleihen aufgenommen werden. I u a r e z und seine Anhänger hatten sich zwar in einen äußersten Zipfel des Landes zurückgezogen, aber von dort aus be- unruhigten sie durch einen geschickt geführten Kleinkrieg unaufhör- lich die fremden Eindringlinge. Als alle Versuche, die Führer des Gegners mit den lockendsten Versprechungen in das Lager Maximilians hinüberzuziehen, gescheitert waren, gedachte er die republikanische Bewegung in einem Meer von Blut zu ersticken. Ein Dekret vom 2. Oktober 1865 rühmte die„Nachsicht", die die kaiserliche Regierung aufgehetzten Elementen gegenüber bisher an den Tag gelegt habe, und den Erfolg dieser Politik: Die ehrenhaften Männer haben sich um ihre Fahne geschart und die gerechten und liberalen Grundsätze angenommen, die ihre Politik leiten. Die Unordnung wird nur noch von einigen Führern aufrecht erhalten, deren aufgewühlte Leidenschaft mit Patriotismus nichts zu tun hat, und durch eine zügellose Sol- dateska, die stets die letzte trübe Spur von Bürgerkriegen bleibt. Von jetzt ab geht der Kampf zwischen den ehrenhaften Männern der Nation und den Banden von Missetätern und Räubern. Die Zeit der Nach- sichtistvorbei.... t Und im Anschluß daran verfügte ein Dekret vom folgenden Tage, daß künftig alle Anhänger d«S Präsidenten I u a r e z, die mit den Waffen in der Hand ergriffen würden, dem Tode verfallen sollten. Wenig später schickte auch Marschall B a z a i n e an die oberen Befehlshaber der französischen Truppen eine Zivkular- dcpesche, in der es hieß: Den Truppen ist bekanntzugeben, daß ich keine Gefangenen mehr wünsche. JedeS Individuum, mit den Waffen in der Hand ergriffen, wird erschossen. Gefangene werden nicht mehr ausgetauscht. Der Marschall besaß so viel beißende Ironie, diesen Blutbefchl mit dem Satz zu schließen:„Ein Krieg auf Leben und Tod, ein Kampf bis aufs Messer beginnt beute zwischen der Barbarei und der Zivilisation." Im Zeichen dieser von Europa eingeführten „Zivilisation" wurden dann in den folgenden Monden Ströme von Blut verschüttet, und auf nicht weniger als 46 006 schätzte man die Zahl der Republikaner , die Maximilians Dekret und Bazaines Anweisung, die eine so unmenschlich wie das andere, über die Klinge springen ließen! Aber auch der weiße Schrecken in seiner furchtbarsten Form vermochte dem wankenden Throne Maximilians keinen Be- stand zu sichern. Zog die französische Regierung ihre Hand von Mexiko ab, so schmolz die ganze Kaiserherrlichkeit wie eine Schnee- mauer an der Sonne dahin. Dem Louis Bonaparte aber brannte das mexikanische Abenteuer mit jedem Tage mehr auf den Nägeln. Volkstümlich war die Expedition nach Mexiko in Frankreich keinen Augenblick gewesen, und jetzt hakte die immer kühner werdende parlamentarische Opposition daran ein, um die auswärtige Politik des Kaiserreiches überhaupt in Grund und Boden hinein zu verdonnern. Mochten die Sprechminister Na poleons , wie Rauher, von dem mexikanischen Streich als einer genialen und glorreichen Idee faseln, die Thiers, die Favre, die Picard und all die Vorkämpfer der bourgeoisen Opposition hatten den Beifall des Landes für sich, wenn sie die Gefahren der Expedition schilderten, die dem Budget monatlich 14 Millionen koste und 40 000 Mann der besten Truppen dauernd fernhalte, oder wenn sie es gebührend brandmarkten, daß Mord, Brand und Plünderung die Spuren des französischen Heeres in Mexiko be- zeichneten. Mußte die Bewegung im Innern Napoleon , der seine künstlich gemachte Popularität mit Schreck immer mehr schwinden fühlte, schon auf die Notwendigkeit verweisen, hinter dem mexikanischen Abenteuer den Schlutzpunkt zu setzen, so kam von anderer Seite eine viel ernstere Mahnung, Schon im April 1864, noch ehe der Habsburgische Prinz den Boden Mexikos be- treten, hatte die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika die französische Regierung wissen lassen,„eS passe der Politik der Vereinigten Staaten nicht, eine monarchische Regierung errichtet den Kronprinzen beleidigt haben soll. Der Angeklagte Dr. Zepler hatte die Revision zurückgezogem_ Klassenjustiz. Ludwig Thoma zieht in der neuesten Nummer des „März" eine recht interessante Parallele zu der Charlotten burger Denkmalsaffäre und der schweren Verurteilung der daran Beteiligten. Er schreibt: „Vor etwa dreißig Jahren mußten die Alünchen«, welche ftühmorgens über den Odeonsplatz gingen, einen Spaß sehen, den sie unerhört oder übel nannten, über den sie aber gewiß nicht in„ungeheure Erregung" gerieten. Das Denkmal Lud- wigs I. war mit roter Farbe bekleckert, das heißt, nur das Antlitz des großen Kunstenthusiasten war bemalt und sah sonder- bar genug aus. Dem einen der Pagen, der neben dem Pferde einherschreitet, war der Pinsel in die Hand gesteckt, in den Arm des anderen war der Farbtopf eingehängt worden. Diese Steige- rung der Unverfrorenheit wirkte eigentlich versöhnend. Ganz München lachte. Man hatte junge Künstler oder Studenten in Verdacht, aber man gönnte es den Tätern, daß sie unentdeckt blieben. Auch die, welche recht mißbilligend die Köpfe schüttelten, waren doch nicht geneigt, in dem Ulk— so hieß man das in jener angenehmeren Zeit— ein Attentat auf da? Andenken des verstorbenen Königs zu sehen. Die Polizei ließ die Farbe ab- waschen und nach einer Stunde sah Ludwig l. wieder ehern und feierlich zum Hofgarten hinüber. Ich weiß nicht, ob die Unter- suchung mit fieberhaftem Eifer geführt worden ist. Man war damals überhaupt nicht gerne fieberhaft und auch die Staats- anwälte rochen nicht so viel schlechte Gesinnung wie heute. Jeden- falls kam nichts heraus, und ein paar Tage nach dem Vorfalle redete man kaum mehr davon. Mir hat etliche Jahre später ein Universitätssreund den Täter, oder da es mehrere waren, den Rädelsführer genannt. Es war ein Student, der heute ein an- gesehener Mann und Familienvater ist. Und da er, wenn jene Erzählung meines Freundes auf Wahrheit beruht, ein Richter ist, so möchte ich ihn heute wohl fragen, wie er über daS Berliner Urteil denkt, das den Verunzierern des Kaiser Friedrich- Denkmals je 1)4 Jahre Gefängnis zuerkannte. Geht es ihm wie dem Reiter über den Bodensee , der tot vom Pferde sank, als er hinterdrein die Gefahr erkannte, in der er geschwebt hatte?! Wahrscheinlich nicht. Denn er weiß, daß der Spruch gegen ihn nichl so grausam ausgefallen wäre. Er hat einige Anhalts- punkte dafür in dem Verhalten der öffentlichen Meinung, die seine Tat recht milde beurteilte. Obwohl sie erheblich verbreche- rischer war, als die des Rudolf Linke, denn der Münchner Atten- täter hat das Antlitz der Majestät verkleckert, während der Ber - liner nur den Sockel beschrieb. Die Gesinnung des Münchners war auch verdammswerter. Er wollte, von niemand und durch nichts angereizt, bloß Aergernis erregen, Linke hat sich für ein Verbot des Polizeipräsidenten revanchieren wollen. Und doch war gegen ihn die öffentliche Meinung so hart, daß sie seine Verurteilung zu 13 Monaten förmlich billigte. Wird der er« fahrene Richter, der nun aus jenem verwegenen Studenten ge- worden ist, den Unterschied finden, der seine Tat als Jugend» torheit und die des Linke als Verbrechen bewerten ließ? Er liegt ausschließlich in der Klasse, und darin, daß nian die Dummheit eines jungen sozialdemokratischen Arbeiters ans politischen Gesichtspunkten beurteilt. Politik verdirbt nicht bloß den Charakter." Trotz des Jndexverbots. Ueber die Jndizierung von Wackers Schrift„Zentrum und kirchliche Autorität" wird der„Zentralauskunftsstelle der katho- lischen Presse" von zuständiger Seite, wie es in der jüngsten Nummer der„Petrusblätter"(Nr. 41. Seite 492) heißt, geschrieben:' Es handelt sich nun im Falle Wacker gewiß um einen an- gesehenen und um die katholische Sache verdienten Priester. Wenn ihm trotzdem von der römischen Entscheidung vor deren Veröffentlichung keine Mitteilung gemacht wurde, so hat dies seinen Grund eben darin, daß der indizierte Vortrag überhaupt nicht verbessert werden kann, weil die Idee, welche ihm zugrunde liegt, und ihn wie ein roter Faden durchläuft, nach Ansicht der Jndexkongregation u n d d e s Pa p st e s falsch ist. Darum vermißt man in dem Dekret den sonst wohl üblichen Zusatz„donec corrigatur". Ist ein Index- Verbot ohne diesen Zusatz„donec corrigatur" einmal ergangen, auf den Trümmern einer republikanischen und unter den Auspizien irgend welcher europäischen Macht, auf amerikanischem Boden an- zuerkennen". Als nun das Kabinett zu Washington durch die Niederlage der Südstaaten freie Hand bekam, machte es sich. energisch daran, der Monroe doktrin: Amerika den Amerikanern! Geltung zu verschaffen. Rund heraus lehnte es die Aufforderung Napoleons ab, den mexikanischen„Kaiser " anzuerkennen, unterstützte statt dessen I u a r e z ganz offensichtlich und forderte schließlich die französische Regierung auf, ihre Truppen aus Mexiko zurückzuziehen, mit dem nur zu deutlichen Hinweis, daß die guten Beziehungen zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten sonst in drohende Gefahr kommen würden. Vergeblich berief sick M a x i m i l i a n auf den Vertrag zu Miramar, der ihm die ftanzösisdie Unterstützung verhieß, bis er sich selbst eine Nationalarmee geschaffen habe, vergeblich reiste die„Kaiserin" Charlotte nach Paris , um den„Protektor" des mexikanischen Kaiserreichs zur Fortsetzung seiner Hilfe zu bewegen— der in ihr schlummernde Wahnsinn brach als Folge dieser Aufregungen aus—, selbst wenn Napoleon wollte, konnte er nicht anders, als den Feldzug abbrechen, denn ihn weiterführen hieß Krieg mit den Vereinigten Staaten und Revolution im Innern. Im März 1867 schifften sich dann die letzten Franzosen in Veracruz ein, dar- unter Bazaine : er hatte seine Abreise absichtlich verzögert, um Maximilian Gelegenheit zu geben, sich ihm anzuschließen. Aber obwohl die Republikaner sofort jede Gegend überfluteten, aus der die Franzosen sich zurückzogen, und keinem Einsichtigen verborgen bleiben konnte, daß das Spiel gründlich aus war, be- harrte der„Kaiser ", unter dem Einfluß seiner pfäfsischen Um- gebung und im Bann seiner eigenen romantischen Träume, bei dem Eigensinn, im Lande zu bleiben. So kam alles, wie es kommen mußte. Schon im Mai siel der feste Platz Queretaro , in den sich Maximilian mit einem dünnen Rest seiner An- Hänger geworfen hatte, in die Hände der Juaristcn, und da das Blut taufender gestandrechtelter Republikaner nach Rache schrie. wurde der Ex-Monarch von Napoleons Gnaden vor ein Kriegsgericht gestellt, das ihn sehr kurzer Hand samt seinen Gene- ralen M i r a m o n und M e j i a des Todes schuldig sprach. Der unverbesserliche Träumer glaubte noch immer, man werde ihn in eine Hasenstadt bringen und sich dort nach Europa einschiffen lassen, aber I uarez und den Seinen war es blutiger Ernst: am 19. Juni 1867 krachten die Schüsse des Exekutionspelotons, und über den Leichen der drei Verurteilten erhob sich der Schrei: Es lebe die Republik! In den Tagen seiner vermeintlichen Macht hatte Maxi- m i l i a n einen Preis für das beste Lustspiel und das beste Trauerspiel ausgesetzt, ahnungslos, baß sein eigenes Schicksal diesen Preis verdiente, denn was als ausgemachte Komödie im Frühsommer 1864 begann, endete als vollendete Tragödie drei Jahre später, und das einzig Bleibende von diesem pomphaften Kaiserstück war das Bild, auf dem der große französische Im- pressionist M a n e t die Exekution der drei Schacher von Ouerctaro festhielt.
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