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Das Recht auf Vergnügen. Es soll wieder einmal reglementiert werden. Die polizeiliche Bureaukratie ist ihrem Wesen nach am allerwenigsten geeignet, die Binsenweisheit einzusehen, daß man menschliche Sitten oder auch Unsitten* nicht durch eine Unterdrückung oder Drangsalierung ihrer Symptome ändern kann. Durch eine neueVerordnung* soll die Polizeistunde für Groß-Berlin auf 11 Uhr festgesetzt werden. Die Gewährung längerer Polizeistunden über 11 Uhr abends soll nur in den alleräußersten Fällen und nur bei Nachweis eines dringenden Bedürfnisse» bewilligt werden. Ueber 2 Uhr nachts hinaus soll überhaupt die Polizeistunde nicht mehr erteilt werden. Wo in Groß-Bcrlin eine solche Polizei- stunde für CafsS und andere Lokale noch erteilt ist, soll diese bei jeder sich bietenden Gelegenheit, insbesondere bei dem Wechsel des Besitzers solcher Lokale, zurückgenommen werden. Welche Töne! Wie bestricken sie mein Ohr! Erstens: Selbstverständlich kann diese Bestimmung in ihrer ganzen Schärfe gar nicht durchgeführt werden, denn dasNacht- leben* ist gerade für Berlin   so typisch geworden, mit der Lebensart seiner Bewohner und noch mehr seiner Besucher so fest verbunden. daß der Pickelhauben- und Aktcndeckelversuch an der Stärke der all- gemeinen Gewohnheit scheitert. Zweitens: Soweit diese ZwangSverfitilichung gelingen sollte, schädigt sie wieder die sozial Schwächeren und nur diese. Denn natürlich wird man eine Anzahl der teuren Gent  - und Halb- dirnenlokale ruhig weiter bis zum Morgen klimpern, bechern und die Liebe* vermitteln lassen, denbürgerlichen* und proletarischen Restaurants aber das ganz unentbehrliche Geschäft zwischen 10 und l/al Uhr abends naw den Kientöppen, der Abendarbeit, den Ausflügen und den Vereinssitzungen nehmen. Und auf welche der schon überfüllten Berufe werden die Kellner, die kapital- unkräftigen Wirte, das weibliche Personal, die Zapfer losgelassen. Drittens: Was glaubt mansittlich* zu erreichen? Reizen der heimliche Budensuff, die Spiclerklubs und der private Geschlechts- markt in geschlossenen Räumen, wie das in Amerika   und in Eng- land köstlich blüht, die teulsche Zucht zur Nacheiferung? Viertens aber: Wir bestreiten dem Staate schlechtweg das Recht, dem Bürger vorzuschreiben, wie, wo und wie lange er sich amüsieren darf! Die Polizei hat das öffentliche Leben der Menschen �untereinander zu glätten, sie hat den Verkehr zu e r- leichtern und sie hat wo Schwachen offensichtlich Ueble» ge- schieht, zu schützen, sie hat Bergehen gegen die Gesetze zu ver- hindern aber sie hat sich den Teufel um unsere privaten Freuden und Leiden zu kümmern I ES wird sich weisen, ob die Berliner  , die sich ja angeblich .nichts gefallen lassen*, sich auf eine so unerhörte Weis« in ihre privaten Neigungen werden hineinreden lassen! Nur Sie Lumpe flnd bescheiden. Die Titelsucht ist doch eine eigentümliche Krankheit: In dem- selben Grade, wie sie die hohle Anmaßung, die dünkelhafte Selbst- überHebung steigert, beraubt sie die von ihr Befallenen der Fähigkeit, ihren tatsächlichen Arbeitswert einigermaßen richtig einzuschätzen. Während die gewerkschaftlich organisierten Techniker vernünf- tigerweise bestrebt sind, ihrer Arbeit durch die Kampfmittel der sali- darischen Selbsthilfe eine bessere Bewertung zu sichern, richtet der Verband deutscher Diplom-Jngenieure sein ganzes Sinnen darauf, einer kleinen Gruppe von akademisch gebildeten Tech- nikern durch Privilegierung des Diplom-Jngenieur-Titels eine äußere Auszeichnung(und auf diesem Umweg natürlich auch die mit allen Titeln, Orden usw. verbundenen Standesvorteile) zu verschaffen. Zur Belebung der hierfür erforderlichen Agitation läßt eS sich nun nicht umgehen, ab und an die Notwendigkeit und Berechtigung des Tiiel- schutzes durch sogenannteGründe" zu belegen. Dieser Aufgabe hat sich neuerdings in der Zeitschrist des genannten Verbände» ein Dipl..Jng. Dr. M a h e r unterzogen, und da ist es wirklich erfrischend, zu sehen, mit welchem hohen Maße von Anspruchslosigkeit diese Herren ausgestattet sind. Herr Dr. Mayer sagt, es handle sich keineswegs darum, nur die eigene Person zu dekorieren, Herrn f oder g mit einem Titel zu schmücken, sonderndie Tätigkeit, die es Deutschland   ermöglicht hat, statt wie vor fünfzig Jahren vierzig Millionen Menschen heute fünf- Wolkengebilde mit dem matten Dunst verbinden und sich in ihm ver- lieren. Welche erhabene Fülle und doch wie tot und geisterhaft lagert dieser schimmernde Schleier über der blendenden Fläche. Selbst die rote Kapelle des kleinen Friedhofes ragt wie ei» Fremdling au» dem weißen Linnenkleidc hervor. Inmitten dieser einsamen Zauberpracht erscheint plötzlich hinter einem Abhänge ein Weib. Müde und träge, aber doch aufgerichtet schleicht es dem so friedlich liegenden Kirchhofe zu. Bor der Pforte bleibt es stehen. Sie ist wohl verschlossen. Weiter schleppt sich das Weib die Friedhofsmguer entlang. Am Ende des Totenackers hemmt es seine Schritte; seine Blicke schauen suchend umher. Vielleicht eine Lebensmüde? Ich laufe ihr entgegen. Ob ich noch retten kann sie vor einen: unseligen Schritt bewahren? Schon bin ich auf Rufweite ihr näher gekommen; da treten hinter der Mauer zwei Männer hervor, auf sie zu. .Gib die Pulle Herl  * .Und auch da? Geld!* rief der andere. Hier!* Aus ihren Kleidern zog sie eine Flasche hervor.Geld habe ich nicht, ich war drei Tage im Asyl.* Noch nicht mal Geld am Sonnabend?* Der eine faßte da» Weib an der Kehle:Geld wollen wir... wo ist da» Geld...! Oder wir schlagen dich in deine Latrine, daß du Blut kotzt... Heda!* Ich war bald bei den Unholden. Lassen Sie von dem Weibe ab, oder Sie wälzen sich dort im Schnee des GrabcnS!* Hurtig ließen sie von ihrem Opfer. Mit gleichgültigen, stieren Mienen gingen sie an mir vorbei der Großstadt zu. Zwei Burschen im besten Mannesalter. AuS ihren blöden Augen blickte der jahrelang genossene Fusel. Ihre schwulstigen Lippen und ihre regenbogenfarbigen, aufgedunsenen Gesichier zeugten von den Wirkungen des Giftes. Ihr Gang war träge, schlotterhaft I Und die Frau! Eine hohe schlanke Blondine. Das Ebenmaß der Glieder hatte der Alkohol noch nicht zerstören können. Nur ihre Physiognomie zeigte den unverkennbaren blöden Zug de» Trinkers. Auch hier die unglückliche Geschichte eine» verlassenen Weibe». Durch Not und Entbehrung auf die Straße getrieben. Hinab­gesunken in den Pfuhl, in die Arme de» VamphrZ Schnaps. Fest- geklammert in seinen Fängen, um sich nie wieder befreien zu können. Trost und Wärme suchend in den Kaschemmen bei Winters- kälte; durch den Unhold immer tiefer sinkend in die Schuld der Wirtin. .Geh' auf die Straße, verdiene wa» ich gebe keinen Schnaps mehr I Bezahle erst den gestrigen.* Ach, nur noch einen heute; e» ist so kalt. Rachher werde:ch zahlen.* Hier! da« ist der letzte. Komme mir aber nicht eher wieder, M Du zahlen kannst.* undsechzig Millionen zu ernähren, soll gewürdigt werden, die Ideen, die' un» fast ein neues Zeitalter geboren haben, verlangen nach An- erkennung". Welche rührende Bescheidenheit! Weil das ganze deutsch  « Boll mit Ausschluß einer schmarotzenden Minderheit es vermocht hat, seiner wachsenden Zahl innerhalb derselben Landesgrenzen eine er- trägliche Existenz zu ermöglichen, haben ein paar tausend Ingenieure, denen der väterliche Geldsack den Besuch einer Hochschule gestattet hat, Anspruch auf besondere Titel und Auszeichnungen! Mit solcher Logik lassen sich zweifellos noch unsinnigere Forderungen begründen, und das scheint dem Verfasser dieser verstiegenen Beweisführung auch durchaus nicht fremd geblieben zu fein. Denngegenüber allzu ängst- lichen Gemütern", denen seme Begründung nicht einleuchten will, bc- ruft er sich für alle Fälle auf den Ausspruch Goethes: Nur die Lumpe sind bescheiden! Aber mit der Beachtung dieses Wortes hat es gerade bei diesen Herren eine merkwürdige Bewandtnis. Sie vergessen es nämlich immer dann, wenn es sich wirtlich un: die Anerkennung ihrer Arbeit, um die richtige Wertung ihrer Persönlichkeit handelt, bei den Ge- haltSforderungen nämlich. Das Organ der technisch-indujtricllen Be- amten berichtete erst kürzlich wieder über einen derartigen Fall, in dem einem Ingenieur die von chm erbetene Zulage mit dem Hin- weis auf die billigeren Angebote seiner akademischen Kollegen ab- abgelehnt wurde:Sehen Sie bitte," sagte sein Direktor,daß wir scgar einen Diplom-Jngenieur haben können, der ein halbes Jahr umso» st bei uns arbeiten will und dann eine Vergütung von 4S M k. monatlich beansprucht.* Diese lumpenhaste Bescheidenheit gewisser Diplom-Jngenieure ist im Laufe der Jahre so sprichwörtlich geworden, daß der Ober- Ingenieur einer bekannten Firma am Askanischen Platz in Berlin  , der als.Regierungsbaumeister" zu einer anderen, mit den Diplom» Ingenieuren konkurrierenden Titelgruppe gehört, sich wie viele andere einen Spaß daraus machte, seinen mit dem Dipl.-Jng..Titel ge- schmückten Kollegen von Zeit zu Zeit ihreBilligkeit" vorzuhalten. Bis ihn jüngst sein Schicksal ereilte! Bis nämlich seine Dircftion das Personal seiner Abteilung um einen SSjährigen königlich sächsischen Regierungsbaumeister vermehrte, der nun für Tagegelder von 6 Mark am Zeichentisch Striche ziehen und o Schande! sogar Jnvalidenmarken kleben muß! Welche Gemeinhest aber auch! Daß dieser Kapitalismus es sich nicht abgewöhnen kann, selbst den abgestempeltenGeisteSadel" seinen Profitintercssen unterzuordnen! Aber da« wird die titelstolzen Herren natürlich nicht abhalten, sich weiter um Rang und Ehre zu streiten für sechs Mark täglich oder fünfundvierzig Mark im Monat. vom Jahrmarkt öes Lebens. Kaserne irnü Blumenschmuck. In bürgerlichen Zeitungen finden wir die Nachricht, daß beim Train in Tempelhof   schöne weih gestrichene Blumenkästen mit blauen Petunien und anderen Hängegewächsen jedes Kasernen- fenster schmücken. Ganz wohl ist den Herrschaften bei dieser poeti- schen Meldung offenbar selber nicht. Sie reden verschämt von den kahlen Wänden der Kasernen, vom strengen Geist des Soldaten- lebens usw. Sie vermögen einen leichten Anfall von Rührung über da« Tempelhofer   Idyll aber doch nicht zu unterdrücken. An und für sich wären frohe Farben und blumengeschmücktc Kasernen ja ganz und gar nicht» Unvernünftige». In einem Land der allgemeinen Wehrpflicht wohnt in den Kasernen die ganze Jugend de» Landes, und was stünde der Jugend wohl besser an als Fröh- lichkeit und Farbe? Warum sollte nicht ein freudiger Geist herrschen, wo die männliche Jugend zur Verteidigung de» Lande« geschickt gemacht wird? Wer fröhlichen Herzens für sein Land in den Krieg zieht, wird sich besser schlagen, als wer mit einer Fuchtel vorwärts getrieben wird, die im Ernstfall schließlich doch versagt. Der strenge Geist des Soldatenlebens, von dem die bürgerlichen Zeitungen verschämt reden, beruht auf dem Umstand, daß die Idee de» allgemeinen VolkSheerS reaktionär vergiftet worden ist. Was eine Verteidigungswaffe nach außen fein sollte, ist zu einer Waffe gegen da» eigene Volk geworden. Damit die Soldaten auf Väter und Brüder schießen lernen, muß eine furchtbare Disziplin sie zu willenlosen Sklaven machen und dabei spielt der strenge Geist, Ob sie zahlen konnte? O nein, der Unhold nahm ihr da» Sündengeld ab und trieb sie hinau» auf die Wies  « hinter dem Gotteiacker. Da!* sagt« sie und zeigt« auf eine verfallen« Erdhütte,da kannst Du mitkommen. Nur fünfzig Pfennig schenkst Du mir.* Ich sehe in die Augen dieser Verkommenheit, au» denen gierig da« Geschäft und die gezwungene Hingabe de« Wasens Weib blickt, das noch nicht vergessen hat, immer wieder den Kampf um« Dasein zu wage». Die Sonne war hinter dem Dunst verschwunden. Immer dichter zog sich der Schnee dort oben zusammen. Oed« und ver- lassen wie diese« Weib lag die Landschail da. Vom nahen Dorf klang das eintönige Läuten zum Gölte» dienst und verband sich mit den harmonischen Glockentönen der fernen Großstadt zu mächtigen Akkorden. Das Weib stand in Erivartunz einer Antwort hoch aufgerichtet vor mir. Der blaue Emaillekessel. den es aus dem Rücken trug, war auf die Erde gerutscht. Ich warf«in Geldstück hinein und ging weiter. In meine Ohren gellte es und nichts konnte dies« ge- waltige Stimme übertönen, auch nicht die mahnenden, lockenden, irnWinde verhallenden Glockcnllänge:Schnaps, Schnaps, Echnap»!* P. B. Ein strategisther Fehlgriff. Oberleutnant Erich Vetter, kommandiert zum Kriegsministerium, an Oberleutnant Kurt Richter  , kommandiert zum Großen General- stab der Armee.") Berlin-WilmerSdorf  . 10. Juli 1014. Carissimo! Du wirst höllisch erstaunt sein, daß ich solange Deiner Dtra- tegenhöhle ferngeblieben bin. Wie ich Dich kenne, Hut Dir der Gedanke an unsere famose Denkschrift keine Ruhe gelassen, und Du wirst nicht schlecht auf mich geflucht haben, weil unsere geniale Arbeit noch nicht viel über den Titel hinaus gediehen ist. Sicherlich hast Du schon in der Generalstabsbib>>otbek die einschlägige Literatur durchstöbert und das triegSgeschichtliche Material für unsere Denkschrift zusammengeschleppt. Alle» sehr nützlich und lobesam. Einen entsprechenden kriegShistorischen Aufputz muß unser opu» haben, das wird oben sehr gern gesehen und zeugt von tiefgründigem Studium. Also hole nur heran, was Du vom Bastillensturm und den späteren Pariser Straßenkämpfen, vom Julirummel 1830, vom Kampf gegen die rebellische Kanaille in Pari», Wien   und Berlin   Anno 1848, vom Dezemberstreich 1881 des dritten Napolium, von der Niederwerfung der Kommune 1871 ") SieheVorwärts" Nr. 174(Wontagsblatt),Strategie gegen den inneren Feind*. den wir in jenem Prozeß gegen Rosa Luxemburg   kennen lernten, dann allerding» eine entscheidende Rolle. Vielleicht ist nichts be- zeichnender für das gegenwärtige Soidatenlebcn, als daß die bürgerliche Presse bluurengeschmückte Fenster und Kasernen in- stinktiv selber als einen Widerspruch empfindet. In einem freien Volk könnte von blumcngeschmücktcn Kasernen die Rede sein, sofern für ein solches Volk Kasernen überhaupt noch notwendig wären. In Preußen-Deutschland   aber ist der Blumen- schmuck allerdings eine freche Lüge. Blumen in den Fenstern und im Innern unter Umständen der Befehl des sadistischen Unteroffiziers, aus einem Spucknapf saufen zu müssen! Der Widerspruch ist so grell, daß ihn selbst der Stumpfcste empsindcn mutz. Laßt ihr den Kasernen schon lieber das trostlos barbarische Aussehen, unter dem sie nun einmal überall bekannt sind. Eine häßliche Sache hat damit einen durchaus entsprechenden häßlichen Ausdruck ge- funden. Frömmigkeit unü Moöe. Darf sich die fromme Weiblichkert nach der neuesten Mode kleiden? Das Problem wird immer ernster. Die Kirche hat sich in den letzten Jahren wiederholt über die leichtfertigen Tendenzen der heutigen Mode entrüstet und Warnungen erlassen. In der Barnabitenkirchc in Brüssel  , die ausschließlich die elegante Fröm- migkeit zur Klientel hat, erschien kürzlich ein Anschlag auf der Airchentür, der die Damen und jungen Mädchen dringend ersucht, auS Achtung vor dem Gotteshaus in geschlossenen, hohen Kleidern" zu erscheinen. Keinesfalls könne gestattet werden, daßDamen im Decollets" sich dem Altar nähern... ES scheint danach. daß die SonntagSmcsse in der Barnabitenkirchc bisher eher an einen Ballabend am preußischen Hofe gemahnte alS an ein Gotteshaus. Immerhin: die elegante Frömmigkeit ist in einem bösen Dilemma: Frömmigkeit oder Mode? Wem gehorchen: dem Schneider oder dem Beichtvater? Da» ist hier die Frage. Den Barnabiten aber kann man so unrecht nicht geben. Sebon Angelus SilcsiuS schrieb: Tie Tugend nackt und bloß Kann nicht vor Gott   bestehn... And die heutige Mode... Der Geist tzepüebranüs. In einem der WahlkreiS-Leib- und Magenblätter de» Abge» ordneten von Heydebrand, imTrebnitzer Anzeiger", ve- findet sich folgendes Inserat: In meinem Hause ist eine herrl. 1. Etage mit Keller, Hof, Boden. Stall»sw. zu vermieten. Sozialdemokraren ausgeschlossen. Vi. Vt'temeorolr» Schuhmachermeister, Ring 14, pr. Der Meister vom Dreibein und Knieriem hat ohne Zweifel Anwartschaft auf den Hoflieferanten titel de» unge- krönten König« von Preußen, denn von dessen Geist ist er ge- nirgend infiziert. Gefährliche duelltnallerei. Die französische   ZeitungLe Temp«* meldet aus Parma  : Ein Pistolenduell, das zwischen zwei Mitgliedern der Aristokrarie von Parma   ausgefochterr wurde, hat in ganz unerwarteter Weise geendigt. Di« Kugel de« einen Duellanten traf einen Arbeiter In den Kopf, der in einem an den Ort de« Duells angrenzenden Wirtschaftsgarten sein Frühstück verzehrte. Der Zustand dcS Per- wundeten ist sehr ernst. Da« hat noch gerade gefehlt, daß der Duellfexerei vernünftige Leute zum Opfer falle»! Wenn zwei Duellanten sich gegenseitig abschießen, so folgen sie damit nur dem natürlichen Gesetz. wonach die Unvernunft und die Unnatur sich schließlich selbst ausroiten. Trotzdem wird man das Duell au« sittlichen Gründen bekämpfen müssen, weil Standesvorurteile einzelne Personen wider ihren Willen und wider ihr Gewissen in ein Duell verwickeln können. In solchen Fällen ist zwar der Betreffende ein sirtlich minder» wertiger Mensch, ein Feigling; aber er bleibt immerbin ein Bedauernswerter. Nach diesem Vorfall in Parma   aber muß das und von neueren Kämpfen gegen Aufstandsbcwegunge« son mili- tärischem Gesichtspunkte aus aufstöbern kannst. Vergiß vor allem die russischen Strafexpoditionen von 1006 usw. nicht. Wie gesagt, alles sehr schön und sehr gut, aber wir dürfen nicht vergessen, daß der innere Feind von heute etwas anders aussieht als der von Anno dazumal. Mit einer einfachen Kopie der Geschichte wird eS da wohl kaum abgehen; wir werden da in unserer Denkschrift wohl mit originellen, der heutigen Massenbewegung Rechnung tragenden Ideen antreten müssen. Und ich muß Dir» priori gestchen, wenn die Revoluzzer von heute ihre politischen, wirtschaftlichen und orga- nisatorischeir Machtinittel auszunutzen verständen, könnten wir doch manchmal in die Klemme geraten. Aber zum Glück scheinen die KerlS kaum zu ahnen, worin ihre Stärke liegt. Wenn wir dann einmal, fall« es nottun sollte, eingreifen müssen, heißt eS, wie Tu schon damals richtig sagtest, nach den Gesetzen rücksichtsloser Offen- sive schnell und derb zupacken, damit sie überhaupt nicht zur Bc- sinnung kommen. Dabei kann so ein bißchen Herauslocken der Bande sehr vorteilhaft für uns sein. Ta gibt eS eben hier einen Putsch und da einen Krawall, mit dem wir rasch fertig werden. Doch davon später ausführlicher. Zunächst sollst Du den Grund erfahren, weshalb Du bc- gnadeter Moltkejünger so lange meiner anregenden Gesellschaft beraubt warst. Eo wisse denn: Wir im Kriegsministerium, und vor allem wir in der Presseabteilung haben während der letzten Tage geradezu Kopf gestanden. Exzellenz wußte sich nicht zu fassen vor Wut. Boshafte Geister wollen ihn sogar schon in wehmütiger Betrachtung eines frischgebügeltcn Zylinder- Hutes gesehen haben. Und das alle« hat dieser gottverfluchlc Prozeß gegen die klein galizische hebräische Petrolöse Rosa Luxen:- bürg verursacht! Du hattest schon recht, wir haben in der letzten Zeit Pech mit unseren Prozessen. Der ostpreußische Remonte- Prozeß hat mit seinen gutgemeinten aber herzlich unverständigen Sachverständigengutachten die dortigen pserdezüchtenden Pachulkcn rabiat gemacht. Es hagelt jetzt nicht schlecht auf die Remonte- lnspektion im Kriegsministerium los. Da heißt es, wir wären dafür ins Kriegsministerium kommandiert, daß wir die politische Kon- stellation zu beachten hätten, jedenfalls müsse von uns au« alles ver- mieden werden, königstreue und staatSerhaltend« Elemente, wie eS die verehrten ostpreußischen Arbsen mit Spackvertilger sind, vor den Kopf zu stoßen. Nun frage ich Dich, Teuerster, wo nimmt man als Offizier gleich die nötige politische Schulung her. In Lichterfelde   er- fährt man doch von Politik weiter nichts, al» daß Demokraten und Sozis eine gottverfluchte Rasselband« sind, die Hohenzollern   und D. M. Offiziere aber die vornehmste Rolle im Staate spielen. Aus Kriegsschule wird derselbe Salat serviert, und während des Front- diensteS hörst Du im Kasino auch nichts anderes. Das bißchen staats- bürgerlich« Kenntnisse, das man für ein Kommando zum Hans- gebrauch nötig hat, eignet man sich notdürftig durch ZeitungSlcktüre