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bei ihm persönliche Interessen borherrschend' getoesert seien. Seine Abdankung sei ein Beweis dafür, daß das Interesse des Staates sein erster Gedanke gewesen sei. Später erschien Huerta in seinem Lieblingscafe, gefolgt don einer ungeheuren Menschenmenge, die Hochrufe auf ihn aus- brachte. Viele schüttelten ihm die Hand, andere umarmten und küßten ihn. Von Rührung überwältigt, erhob Huerta sein Glas und sagte:Dies soll hier mein letzter Toast sein; ich trinke auf den Präsidenten von Mexiko ." Die Straßen waren bis zur späten Stunde voll von Menschen, doch kam es zu keinen Ruhestörungen. Ter einzige Zwischenfall ereignete sich, als der neue Präsident Carbajal die Kammer verließ. Da ertönten Rufe des Unwillens gegen die Abgeordneten, die sich geweigert hatten, ihre Stimme für die An- nähme der Abdankung Huertas abzugeben, aber Truppen zer- streuten die Demonstranten. Die Abreise. Mexiko , 16. Juli. Huerta und B l a n q u e t haben Mexiköcity gestern abend verlassen. Sie bestiegen den Zug einige Meilen außerhalb der Stadt. Man nimmt an, daß sie sich nach Puerto-Mexiko begeben. Alle Mitglieder des Kabinetts sind zurück- getreten. Fast alle Minister, mehrere Generäle und hohe Be- amte haben bereits gestern-nachmittag vor Huerta die Hauptstadt verlassen. Was öem Kronprinzen gefällt. Die Broschüre des Herrn Frobenius ist bisher ganz un« beachtet geblieben. Sie unterscheidet sich nämlich von ähnlichen alldeutschen Machwerken vor allem durch ihre Langeweile. Es ist wirklich nicht sehr aufregend, wenn einer der vielen Generale a. D. den Krieg für ISIS prophezeit, nachdem so viele seiner Standes- genossen ihn für alle vorhergegangenen Jahre prophezeit haben. Aufregend dagegen ist es, daß der deutsche Thronfolger eine solche Broschüre ausgezeichnet nennt und ihr die größte Verbreitung wünscht. Herr v. B e t h m a n n feiert die deutsch - englische Entspannung als einen Triumph seiner Politik. Herr v. Frobenius aber hält nichts von dieser Entspannung. Er ist viel- mehr überzeugt, daß jetzt mehr als je Mißtrauen am Platze sei. England werde jede günstig erscheinende Gelegenheit ergreifen, um überraschend unS anzufallen und die Kriegserklärung mit den ersten Granaten in unsere Küstenplätze zu schleudern. Und selbst wenn es dazu keine besondere Lust hätte, würden es schon seine Bundesgenossen Rußland und Frankreich zum Kriege treiben. Frankreich vor allem wolle den Krieg. Die dreijährige Dienstzeit sei für die Franzosen wirtschafklich unerträglich. Im Jahre ISIS/16 werden sie zwei völlig ausgebildete Jahrgänge unter den Waffen haben, dann werden sie losschlagen und denRachekrieg" beginnen. DaS sei die unvcr- meidliche Konsequenz der militärischen Maßnahmen in Frankreich . Deutschland aber werde diesen Krieg, der ihm natürlich aufgedrungen ist, mit nie dageivesener Begeisterung führen. Notabene nicht nur gegen England, Frankreich und Rußland , sondern, wenn wir recht verstanden haben, auch noch gegen eine Reihe kleinerer Staaten. Es geht ja alles in einem. Es ist schade, daß der Kronprinz sich so allgemein ausgedrückt und nicht im einzelnen ausgeführt hat, was ihm eigentlich so aus« gezeichnet dünkt. Die.Vossische Zeitung" vermutet, daß es gerade die s e Gedankengänge sind und etwas anderes steht ja eigentlich in der Broschüre nicht drin, die dem Kronprinzen so gefallen haben. Sie ist übrigens das einzige Blatt, das zu dieser neuesten Aktion Stellung nimmt. Sie verlangt, daß endlich die Voraus- setzungen für politische Kundgebungen des Krön- Prinzen amtlich geordnet werden, um den möglichen Nach- teilen eines Widerstreits zwischen seinen Aeußerungen und den Be- Prebungen der verantwortlichen Träger der Politik vorzubeugen. Die übrige Presto schweigt. Auch das.Berliner Tageblatt", das bloß zwei nichtssagende Zeilen an die Sache wendet. Um so nötiger wird eS sein, daß im Reichstag das Nötige über diese politische Telegraphiercrei des Kronprinzen ge- sogt wird._ politische Uebersicht. Preußen heraus! Die Vermehrung des Kollegiums der preußischen Staats- minister durch zwei ausschließlich im Reichsdienst tätige Beamte hat die echtpreußischen Männer schier aus dem Häuschen ge- bracht. Mockten die beiden Staatssekretäre, die Herren v. I a g o>v und Kühn, auch geborene Preußen und nicht im mindesten auch nur des abgcblaßtesten Liberalismus der- dächtig sein die preußischen Kraut- und Stockjunker witterten sofort Unrat. Aber während sich dieKons. Korresp." darauf beschränkte, ausstaatsrechtlichen Bedenken" ihreschweren Besorgnisse" geltend zu machen, läßt jetzt in derKreuz-Ztg." Herr Gustav Göntermann den schrillen Angst- und Kampfruf Preußen heraus I" erschallen: Man ist in der Tat auf dem besten Wege, die Reichs- Verdrossenheit dort zu züchten, wo bisher die festeste Stütze des Reiches ihren Platz gehabt hat. Wir Preußen haben alle Ursache, uns in unseren preußischen Gefühlen, die ein Stück unseres Innen- lebens sind, aufs bitterste verletzt zu fühlen. Wir wollen nicht im Reiche aufgehen und dürfen hierfür keinen Ge- ringeren als Gesinnungsgenossen ansprechen, als unseren teuren Heimgegangenen Kaiser und König Wilhelm, dem gerade die Befürchtung, der König von Preußen werde hinter dem Deutschen Kai-ser zurücktreten, die Annahme der Kaiserkrone so schwer machte. Er und Preußen mit ihm haben dem Reiche das schiverste Opfer gebracht. Gewiß, Preußen habe die Ehre der Führung im Reiche, aber wenn es so weiter geht, dann stirbt eS an dieser Ehre. Mit Recht hat in seiner Rede auf dem zweiten Preußentage in Halle Herr Dr. Wildgrube sDresden) von demstaatssekretarisier- ten Preußen, unter dem der alte, glorreiche Staat des schwarzen Adlers nicht minder leide als seine Mitverbündeten, an dem er eines Tages zu Grunde gehen werde", gesprochen. Die Liebe zu unserem engen Vaterlande und die Sorge um deS Reiches Wohlfahrt lassen uns Preußen gleicherweise die neuesten Vorgänge mit den allerschwer st en Bedenken ansehen. Ich bin dankbar, daß die rechtsstehende Presse die Augen offen hält und daß auch Sie den Finger warnend aufgehoben haben. Wir dürfen um keinen Preis schweigen und mit den Preußen müssen alleDeutschen auf dieSchanzen gerufen werden." Man muß es unfern echtpreußischen Männern lassen, daß sie als die eigentlichen Herrscher unseres verjunkerten Preußens wachsam auf dem Posten sind. Offenbar haben sie nicht den geringsten Anhalt dafür, daß die neue Ver- fitgung die preußische Vorherrschaft gefährdet und doch rennen sie sofort mit eingelegter Lanze gegen den Ministerpräsidenten und den König von Preußen. Auf die sonst so leidenschaftlich verteidigten Kronrechte pfeifen sie in dem Augenblick, wo ihnen eine Aktion der Krone wider den Strich geht. Hübsch ist auch die Ausspielung des teuren heimge- gangenen Kaisers und Königs Wilhelm gegen den gegen- wältigen Träger der Krone. Bald ist's ein teurer heim- gegangener, bald der mutmaßliche Erbe des Thrones, auf den man sich beruft, um die mißliebigen Maßnahmen des der­zeitigen Herrschers zu diskreditieren. Dabei ist man allezeit königstreu bis auf die Knochen". Das alte Spiel. Die Offiziösen dementieren wieder einmal die vom Vorwärts" gebrachte Meldung über die zu erwartenden Rüstungsvorlagen. Wir können demgegenüber nur erklären, daß unsere Informationen zuverlässig sind. Daß die Regie- rungsorgane und die Rüstungspresse die vorhandenen Ab- sichten bestreiten, ist völlig belanglos. Noch vor jeder neuen Rüstungsvorlage haben wir dasselbe Spiel erlebt. Verschärfung der Dänenpolitik. Nach einer Meldung derNeuen politischen Korrespondenz" soll der Rücktritt des Oberpräsidenten von Schleswig-Holstein , v. Bülow, bevorstehen. Mehrere Blätter bestätigen diese Meldung, und zwar bezeichnen sie den Rücktritt als Folge der letzten Dänenhetze im Herrenhause und Anzeichen einer Kursänderung in der Nord- markenpolitik. Bekanntlich verlangte der Schwager des Kaisers, Herzog Ernst Günter zu Schleswig-Holstein , damals schärfere Maßnahmen gegen die dänische Agitation. Herr v. Bethmann Hollweg stellte denn auch energischere Maßnahmen in Aussicht. Da der jetzige Ober- Präsident v. Bülow eine noch schneidigere Politik gegen das Häuflein Dänen offenbar für politisch unsinnig hält, muß er gehen. Die Folgen werden sich bald in dem verzweifelten Widerstand der verfolgten dänischen Bevölkerung undj in einer Zunahme der dänischen Stimmen zeigen. Kriegsministerium« Militärkabinett. Der für das Kriegsministerium hergestellte Neubau in_ der Viktoriastraße in Berlin ist bekanntlich vom Reichstag dem Reichs- schatzamt überwiesen worden mit dem Auftrage, das Grundstück möglichst gut zu verwerten. Mit überwältigender Mehrheit hatte der Reichstag zum Ausdruck gebrocht, daß dieses Gebäude auf keinen Fall dem Militärkabinett zur Verfügung gestellt werden dürfe. Die Angelegenheit scheint nun in ein neues Stadium getreten zu sein. In bürgerlichen Blättern tauchen jetzt Notizen auf, wonach sich die Anwohner der dortigen Gegend über dieRuine", die geeignet sei, das ganze Straßenbild zu verschandeln, beschwert haben. An- geblich besteht auch das Polizeipräsidium darauf, daß der Bau ver- putzt und verglast werden soll. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, daß onS Kriegsministerium trotz alledem auf seinem Plan beharre, da« Militärkabinett dort unterzubringen. Dem Reichstag soll nämlich eine Vorlage zugehen, die einen Neubau für das Militärkabinett fordert und man hofft, daß der Reichstag dann doch nachgeben und das Gebäude in der Viktoriastraße zur Verfügung stellen wird. Es mag richtig sein, daß der Rohbau in der Viktoriastraße nicht gerade einen ästhetischen Anblick bietet; ihn fertig zu stellen liegt aber auch kein Anlaß vor, so lange man nicht weiß, welchem Zweck das Gebäude künftig dienen soll. Viel einfacher wäre es. man würde das Gebäude einfach abtragen. Der Wert der dortigen Liegenschaften beruht nicht etwa in den Gebäuden, sondern in den Grundstücken. Die Baukosten stehen zum Wert der Grund- stücke in einem ganz minimalen Verhältnis. Wenn eine offenbar von oben herab beeinflußte Korrespondenz mitteilt, daß dem Reiche in jedem Monat eine Summe von rund 17 660 M. verloren geht, so wäre es doch immer noch billiger, das Gebäude zu beseitigen. Wir glauben nicht, daß der Reichs- tag nachträglich umfallen wird. Dazu haben sich die Parteien denn doch zu sehr festgelegt. Wenn Herr v. Falckenhahn ein neues Gebäude für das Militär- kabinett will, dann wird er erst die Notwendigkeit eines solchen Neubaues nachweisen muffen. Das jetzige Gebäude in der Behren- strahe genügt noch auf Jahre hinaus, wenn man dem Chef des MilüärkabinettS, General v. Lhncker, die Wohnung nimmt, die er in dem Gebäude inne hat. Die Angabe des Kriegsministeriums, daß der General Anspruch auf eine Dienstwohnung habe, steht auf recht schwachen Füßen. Eine Dienstwohnung kann jedenfalls nur dann zur Verfügung gestellt werden, wenn eine solche vorhanden ist. Werden in diesem Falle die Wohnräume des Generals zu Bureau- zwecken benutzt, dann erhält der General eine Wohnungsentschädigung von jährlich 13 333 M., eine Summe, für die man in Berlin stets eine Wohnung bekommen kann, die würdig ist, selbst einem preußi- schen General zum Aufenthalt zu dienen. Die gesicherte Existenz bis ins hohe Alter. Der Ort, an dem das Kaiserwort über die gesicherte Existenz bis ins hohe Alter fiel, hat an einem Tage zwei furchtbare.Beispiele dafür geliefert,>vie weltfremd dieses Wort ist. Durch Selbstmord wegen Nahrungssorgen endete der 61jährige Maschinenschlosser Schaube, der früher bei der Eisen- bahnbehörde beschäftigt war und sich während der Arbeit im Freien ein Bcinleiden zuzog, das ihn crwerbsunsähig machte. Er erhielt eine monatliche Rente von 13 M. Da er damit natürlich nichts anfangen konnte, begab er sich auf die Arbeit- suche, konnte aber wegen seiner Krankheit nichts finden. Schließlich trieb ihn die Sorge in Schwermut und zum Selbst- mord durch den Strick. Am selben Tage zog man aus der Oder den 59jährigen Arbeiter Kottwitz, der infolge rheumatischer Leiden arbeits- unfähig war und sich nur mühsam fortbewegen konnte. Sein Gesuch um Invalidenrente wurde abgewiesen, weil er ja noch das berühmte Drittel des gesunden Arbeiters verdienen konnte. Da eine Tochter mit Plätten nur 19 M. die Woche und ein eben der Schule entwachsener Sohn nichts verdiente, packte den Alten die Verzweiflung und er suchte den Tod in den Wellen! Während diejenigen, die durch die Lasten unserer Sozial- Politikruiniert" werden, in die teuren Badeorte reisen, müssen die Armen mit dergesicherten Existenz" aus Hunger und Not zum. Selbstmord schreiten l Neuauflage des Falles Jastrolv. An der Berliner Handelshochschule sind zehn Lektoren für fremde Sprachen zum 1. Oktober gekündigt wor­den. Es sind ihnen neue Verträge vorgelegt worden, die b e d e u- tend niedrigere Gehälter festsetzen als die bisher be- zogenen. Die Lehre, die die Studenten durch ihren Streik anläß- lich des Vorgehens gegen Professor Jafirow erteilt haben, scheint also nichts gefruchtet zu haben. Das Vorgehen gegen die Lektoren macht womöglich noch einen schäbigeren Eindruck als das gegen Jastrow. Protest gegen Regierungswillkür. Wie wir kürzlich berichtet haben, hat der Magistrat der Stadt Kiel auf Verlangen der Provinzialschulbehörde dem Kieler Turn- »alz Wanderflutz die.Erjau�nis zux AeytHuzig per Mstijchen Schultürnhalleck entzogen. Der Kieler Turck- und Wanderklub ist die Organisation, in der nach der durch Gerichtsurteil erfolgten Politischerklärung der Freien Turnerschaft an der Kieler Förde die Kieler Arbeiterjugend im Turnen und Spielen unterichtet wird. Die Regierung hatte ihr Verlangen begründet mit den Verordnungen aus den Jahren 1834 und 1839, wonach für den Unterricht von schulpflichtigen Jugendlichen ein Erlaubnisschein der Schulbehörden erforderlich ist. Gegen diese reaktionäre Maß- nähme hat am Dienstag abend eine außerordentlich stark besuchte Versammlung in Kiel protestiert. Die Regierung hat, wie der Referent in der Protestversammlung, Genese Adler, feststellen konnte, selbst zugegeben, daß sie einen reinen Willkürakt begangen hat, daß es ihr nur darum zu tun ist, die Bestrebungen der Ar« beiterschaft auf körperliche Ertüchtigung ihrer Jugend zu unter- binden. Der Vorstand des Kieler Turn- und Wanderklubs hat nämlich, als zuerst das Ersuchen an ihn gestellt wurde, nachzu- weisen, daß seine Turnleiter im Besitze eineß Unterrichtserlaubnis- scheines sind und die Kieler Kreisschulinspcktion erklärt hatte, daß sie solche Erlaubnisscheine nicht ausstellen könne, andererseits aber feststand, daß Sozialdemokraten ein solcher Erlaubnis- schein nicht ausgestellt wird, an die Provinzialschulbehörde folgen- des Ersuchen gestellt: Sie möge dem Turn- und Wanderllüb einen staatlich geprüften Turnlehre» zur Verfügung stellen, der Verein werde sich dessen Anordnungen unbedingt fügen. Wenn das aber nicht geschehen könne, möge die Regierung dem Verein mitteilen, wie er dem Verlangen der Regierung auf Heranziehung von Turn- leitern mit Unterrichtserlaubnisscheinen nachkommen könne. Der Verein war also bereit, sich gewissermaßen unter Aufficht der Re- gierung zu stellen. Die Regierung ging aber auf dieses Ersuchen überhaupt nicht ein, sondern erklärte kurz und bündig, für den! Turnunterricht im Kieler Turn -- und Wanper« klub liege gar kein Bedürfnis vor, weilt in den Volks« und Fortbildungsschulen Turn- und Spielunterricht' erteilt werde, Das sagt dieselbe Regierung, die die bürgerlichen Turn, und Sportvereine mit allen Mitteln unterstützt und förderth Nackter kann also nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß die Regierung reine Willkürpolitik gegen die I u gendHewc guug der Arbeiterschaft betreibt!!' Die Versammlung kennzeichnete denn auch irt einer an­genommenen Resolution das Vorgehen der Regie rung alS moralisch und gesetzlich ungerechtfertigt. In der Resolution wird weiter festgestellt, daß des Magistrat der Stadt Kiel mit der Entziehung der Turnhallen die Städte« ordnung verletzt hat. Der Turn- und Wanderllüb mußte für die Benutzung der Turnhallen eine jährliche Miete zahlen. Nach der Städteordnung müssen aber die Stadtverordneten bei allen städtischen Angelegenheiten, die ökonomische Bedeutung haben, mit« wirken. Der Magistrat durfte also gar nicht, ohne Pi? Stadt« verordneten zu fragen, das Mieteverhältnis auflösend Kirche und Kapitalismus . Die Zentrumspresse wehrt sich in einem Artikel gegen den Vorwurf, daß die Kirche daS kapitalistische Wirtschaftssystem für göttlich und unabänderlich halte. Wörtlich heißt eS: Ganz besonders unrecht tut der Sozialismus der Kirche, wenn er ihr die unsinnige Lehre unterschiebt, das heutige kapitalistische Wirtschaftssystem mit seinem Drum und Dran sei ein unabänderlicher Bestandteil der göttlichen Weltordnung.«.. O Ironie! Die Sozialdemokratie verschreit die Kirche als Stütze des Kapitalismus, und die kapitalistische Presse bringt es zu gleicher Zeit fertig, uns als halbe Sozial- demokraten hinzustellen! In Wirklichkeit ist die Kirche weder das eine noch das andere. Sie ist überhaupt kerne Anstalt für natronalökonomische Theorien und iWe- t h o d e n. Ihr kann jedes Wirtschaftssystem lieb sein, welches das Wohl der Menschen fördert und ihre Rechte unangetastet läßt. Sie wird aber auch ein jedes bekämpfen, sobald es diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Daher sehen wir, daß die Kirche sich schon mit den verschiedensten WirtschaftS« systemen vertragen hat. Sie hat sich eingebaut in die altgerma« nische Haus- und Hofwirtschaft. Sie hat ihre Dome errichtet unter der zünftigen Stadtwirtschaft. Sie machte in ihren geist- lichen Territorien selbst den Schritt zum merkantilen WirtschaftS- staat mit und lebt sozusagen auch heute noch unter der ausge- sprochenen Weltherrschaft des Kapitalismus . Wenn wir allerdings die Wahrheit gestchen sollen, dann ist kein Wirt- schaftsshstem dem Geiste der Kirche so wenig zu- sagend wie gerade das kapitalistische von heute. Die Kirche macht ihm den Vorwurf, daß es auf einer lieber- schätzuna des Materiellen beruht, den kleineren Teil der Menschen zu einer übertriebenen Macht- st e l l u n g erhebt, den größeren aber zur Unselbständigkeit verdammt." Daran ist soviel richtig, daß sich die Kirche mit allen Wirt- fchaftssystemen und Staatsformen abzufinden weiß. Sie wird sich auch dem Sozialismus anpaffen, wenn er die Macht hat. Wenn sie aber, wie der Artikel mit Recht sagt, keine Anstalt für..national« ökonomische Theorien" ist, so geht sie auch die Lehre von der Wirt- schaftsentwickelung nichts an. In Wahrheit stellt sich die Kirche ganz in den Dienst des Staates, der seinerseits diezur Un- felbständigkeit Verdammten" im Interesse der Kapitalisten nieder- hält. Damit und durch ihre Lehren von Demut und Unterwerfung wird sie ein gewaltiges Hervschaftsinftrument des Kapitalismus . Der obige Artikel beweist, daß sie sich dazu hergibt, obwohl sie von der verheerenden Wirkung des kapitalistischen Wirtschaftssystems überzeugt ist._ Pockenerkrankung in der Kaserne« Die amtlicheBerliner Korrespondenz" teilt mit: Am 2. Mtai 1914 meldete dieWernigeroder Zeitung" au? Halberstadt , bei dem dortigen Jnfanterie-Regiment Nr. 27 seien 16 Soldaten an Pocken erkrankt. Die Krankheit sei durch Polinnen eingeschleppt worden. Diese Meldung, welche von der impf - gegnerischen Presse mit Ausfällen gegen das Jmpfgesetz weiter­verbreitet wurde, ist in dieser Form unrichtig. Amtlich ist fest- gestellt, daß ein einziger Soldat dieses Regiments an der leichten Form der Pocken erkrankt ist und daß keine weiteren Er» krankungen sich ereignet haben. Der erkrankte Soldat hat sich wahrscheinlich während einer Beurlaubung außerhalb der Garnison infiziert." An der Richtigkeit dieser Feststellung ist wohl kaum zu zweifeln; immerhin hat es doch etwas reichlich lange gedauert, bis man die Oeffentlichkeit einwandfrei informierte. Die Regierung gibt nach. Die Schwarzburg -Rudolstädter Regierung hat bekanntlich im Landtage erklärt, sie werde dem Verkauf der holsteinischen Güter nur zustimmen, wenn die Hofeinkünste bis zum Inkrafttreten deS Kammergutsgesetzes jährlich um 60 OOS M. erhöht würden. Der Landtag hatte vieses Verlangen einstimmig abgelehnt. Jetzt scheint nun auch die Regierung zu der Einsicht gekommen zu sein, daß es nicht immer angängig ist, die Dinge auf die Spitze zu treiben, und hat dem Verkauf ihre Sanktionierung erteilt. Dieanständige Gesinnung eines �oldatensch inders Vor dem Kriegsgericht der 38. Division in Erfurt st<yid am Wsttwoch, den. Juli, der Sergeant Johann Kaspar Martill