Einzelbild herunterladen
 
zahlreiche kleine Unternehmer, besonderL in F o r st, in die Gefahr kommen, ihre Existenz einzubüßen. Hinzu kommt weiter, daß zahlreiche Firmen aus den Kreisen der Tuch- Händler und Konfektionäre, die in der Niederlausitzer  Tuchindustrie Aufträge placiert haben, in arge Bedrängnis ge- raten. Eben hatte das Geschäft in der Tuchbranche etwas lebhafter begonnen, nachdem es durch die Jnteressenkämpfe bei der Gründung der deutschen Tuchkonvention mehr denn ein Jahr lang schwer beunruhigt worden war, da sind es die Lausitzer Tuch- industriellen, die durch einen vollständig unüber- legten Beschlutz die ganze Konfektion und den Tuchhandel auf daS empfindlich st e schädigen. In den letzten Wochen sind die Wollpreise erheblich gestiegen und alle interessierten Kreise sind sich einig, daß wir bei der vorhandenen Wollknappheit noch höhere Preise zu gewärtigen haben. Da sucht sich der Tuchabnehmer noch möglichst umfangreich mit Ware zu versehen, um so meht, da infolge der Kämpfe, die vor Jahres- frist zwischen Fabrikanten und Abnehmern stattgefunden haben 'uFd die zu einer längeren Ordersperre führten, Lagerbestände in gangbaren Waren nicht groß vorhanden sind. Besonders die G r o s s i st e n, die ihren Abnehmern gegenüber Lieferungsver- pflichtungen eingegangen sind, zu deren Erledigung sie auf die Ware der Lausitzer Tuchindustrie angewiesen sind, befinden sich in banger Sorge. Den Arbeitern ist es bekannt, daß die Androhung der Aussperrung in den Unternehmerkreisen noch größere Bestürzung ausgelöst hat als die Aussperrung des sächsisch- thüringischen Färberverbandes im Jahre 1912. Aber aus dieser Bestürzung muß Empörung werden, wenn jene Kreise er- fahren, mit welcher Leichtfertigkeit der Unternehmerverband eine solche wirtschaftliche Katastrophe heraufbeschworen hat. Leider hat sich die bürgerliche Presse wieder dazu hergegeben, die hanebüchensten Unwahrheiten über die Ur- fachen des Konfliktes zu verbreiten; sie bedenkt nicht, daß sie mit ihrem blinden Haß gegen die Arbeiter dem deutschen Wirt- schaftsleben den allerschlechtesten Dienst erweist. Die.Deutsche Tageszeitung" behauptet, für jeden Walkereiarbeiter würden 4 M. Lohnerhöhung verlangt, daS müsse den Ruin der Niederlausitzer  Tuchindustrie herbeiführen. Wahrheit ist, daß sich die Walkerei- arbeiter mit Zugeständnissen zufriedengegeben hätten, die im Durchschnitt für jeden Arbeiter etwa 4 M. Lohnerhöhung pro Woche betragen hätten. Man würdigt ja die ganze Niederlausitzer   Tuch- Industrie in geringschätzigster Weise herab, wenn man behauptet, ihre Konkurrenzunfähigkeit sei gegeben, wenn der Betrieb so ein paar Mark Lohn pro Woche mehr zahlen müsse. Nur wenige Be- triebe beschäftigen in der Walkerei mehr als 1 bis 2 Personen. In einem der größten Forster Betriebe mit insgesamt 399 Arbeitern sind nur 6 Personen in der Walkerei beschäftigt. Das blöde Ge- schwätz, daß durch die Lohnforderungen der Walkereiarbeiter die Konkurrenzfähigkeit der Industrie gefährdet werde, mutz nun ver- stummen. Die Walker stellten keine Forderung, die unerfüllbar gewesen wäre. Sie wollten in der Hauptsache, daß durch Festsetzung von Mindest löhnen der Lohndrückerei ein Ende gesetzt werde. Wie schlimm die Dinge hier liegen, zeigt die Lohnstatistik, die Wochenlöhne von 16 bis 27 M. aufweist. Und diese Lohnstatisfik weist die weitere Tatsache auf, daß die höchsten Löhne meist in den kleinsten Betrieben gezahlt werden. Gefordert wurde: für Arbeiter an der Lochwalke 25 M., für andere Arbeiter 24 M. Mindestlohn. Die ursprüngliche Forderung war also erheb- lich niedriger als die jetzt schon gezahlten Höchstlöhne. Bei den Ver- Handlungen aber gingen die Arbeiter mit den Forderungen noch herab. Hätten die Unternehmer für die etwa 99 bis 199 Per- sonen, die weniger als 24 M. verdienten, eine Lohnzulage gewährt, dann waren die Differenzen aus der Welt geschafft. Aber davon wollten die Unternehmer nichts wissen. Nur für die Arbeiter mit Löhnen unter 19 M. sollte der Lohn auf diesen Satz gebracht werden. Das betraf nur ganz wenige Personen und konnte die Arbeiter nicht befriedigen. Nachdem die Verhand- lungen kein anderes Ergebnis mehr brachten, legten die am schlechtesten entlohnten Arbeiter die Arbeit nieder. Es ist nicht wahr, daß die Niederlegung der Arbeit während der Verhandlungen erfolgt ist. Die Verhandlungen waren a b g e- schlössen; es handelte sich nur noch darum, den Unternehmern schriftlich mitzuteilen, ob die Arbeiter dem ungenügenden Zuge- ständnis zustimmen oder nicht. Die Walker stimmten nicht zu, und da für die meisten von ihnen keine Kündigungsftist besteht, ge- langten die Unternehmer früher in den Besitz der Nachricht von der Niederlegung der Arbeit wie in den Besitz des ablehnenden Schrei- benS der Arbeiter. So liegen die Dinge. Jetzt erst, wenn die Oeffentlichkeit weiß, welcher Geringfügig. keit wegen die Unternehmer eine solche wirtschaftliche Störung und schwere Schädigung taufender unbeteiligter Arbeiter und Geschäfts- leute herbeiführen, wird man zu der Ansicht kommen müssen, daß man es hier mit einer Handlungsweise zu tun hat, deren Brand- markung nicht scharf genug ausfallen kann. Selbstverständlich hat die Organisation der Arbeiter noch bis in die allerletzte Zeit alles getan, um zu einer Einigung mit den Unternehmern zu kommen; aber die Unternehmer lehnten alles rundweg ab, sie wollten keine Einigung. Kampf gegen die Arbeiterschaft um bedingungslose Nieder» werfung, das ist das Ziel der Unternehmer. Es geht das deutlich aus allen ihren Publikationen hervor. Den Ar- beitern soll durch die Aussperrung und die Hungerpeitsche die Ab» ficht ausgetrieben werden, jemals wieder Lohnforderungen zu stellen. Selbstverständlich wird das nicht gelingen. Gelingen aber wird den Scharfmachern eine enorme Schädigung der Nieder- lausitzer Tuchindustrie, indem sie, wie wir beim ersten Bekannt- werden der Aussperrungsabsicht schon sagten, ihre Abnehmer und deren Aufträge in andere Bezirke der deutschen Tuchindustrie treiben. Die Aussperrung wird der Oeffentlichkeit den Beweis liefern, daß es keine größeren Schädlinge der Volks- Wirtschaft gibt als blindwütende Unternehmer- verbände. Wie wir erfahren haben, sollen von dritter Seite Schritte unternommen worden sein, um den für die Tuch» und Konfektion?- grotzindustrie so verhängnisvoll wirkenden Streit aus der Welt zu schaffen._ ver Sieg der mexikanischen Rebellen. Washington  , 17. Juli. C a r b a j a l hat der Regierung der Vereinigten Staaten   informell mitgeteilt, daß er die Absicht habe, zugunsten Carranzas zurückzutreten. Das Verhalten der Vereinigten Staaten  . Mexiko  , 17. Juli.  (Meldung des Reutcrschen Bureaus.) Präsident C a r b a j a l hat die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen angeordnet. Alles hängt jetzt davon ab, ob Carranza und C a r b a j a l zu einer Einigung gelangen. Wenn Carranza darauf besteht, gewaltsam in der Stadt Mexiko   einzuziehen, wird init der Anerkennung zurückgehalten werden, bis eine Wahl stattgefunden hat. Jedenfalls werden die Vereinigten Staaten   die Anerkennung einer konstitutionalistischen Regie- rung verschieben, bis eine befriedigende Regelung der sich aus der Revolution ergebenden Forderungen erfolgt ist. Die amerikanischen   Truppen werden nicht aus Veracruz   zurückgezogen werden, bevor nicht jede Schwierigkeit beigelegt ist. Die Forderungen Carranzas. Montercy, 17. Juli.  (Meldung des Reuterschen Bureaus.) Nach Aussage hoher Beamter auf Seiten der Konstitutionalisten will Carranza, sobald die Konstitutionalisten zur Herrschaft gekommen sind, die Gültigkeit der Schulden Huerias nicht anerkennen. Diese Mitteilung war die Antwort auf Anfragen be- treffend die Meldung, daß die fremden Regierungen durch die Re- gierung der Vereinigten Staaten   verlangt hätten, Carranza solle die Schulden Huertas anerkennen und allen polittschen Gefangenen Amnestie gewähren. Carranza erklärte, nur wenn die Bundes- truppen sich bedingungslos ergeben würden, könnten die vorgeschlagenen Verhandlungen über den Einzug der Kon- st i t mt i o n a I i st e n in die Stadt Mexiko   erfolgreich sein. Daß Carbajal anstelle Huertas getreten sei, sei für die Konstitutionalisten kein Grund zu einem Kompromiß bezüglich der Grund- sätze, für die sie kämpfen. politische Uebersicht. Labiau  -Wehla«. Das Wahlergebnis von Labiau-Wehlau hat begreiflicher- weise in der konservativen Presse keinerlei Begeisterung ent- flammt. Dafür ist man auf die seltsamsten Beschönigungs- versuche verfallen. Ausgerechnet dieK r e u z-Z e i t u n g", die zu Beginn des Wahlkampfes triumphierend geschrieben hatte:Ein großer Teil der Wähler ist außerhalb des Wahl- kreises auf Arbeit und das sind wesentlich Anhänger des Freisinns und der Sozialdemokrati e," sucht nunmehr den Stimmenverlust der Konservativen auf die dringenden Erntearbeiten zurückzuführen! DieDeutsche Tageszeitung" tröstet sich damit, daß wohl mancher Landwirt seine Stimme �für diesen Wahlgang für entbehrlich ge- halten habe. Sie hofft also, daß es den Konservativen ge- lingen werde, noch zahlreiche Reserven für die Stichwahl mobil zu machen. Selbstverständlich fehlt auch der Stoß­seufzer Uber   dieskrupellose Agitation der Freisinnigen" nicht. Als ob die bürgerlichen Parteien untereinander sich in den Wahlgeschäften irgend etwas vorzuwerfen hätten! Die liberale Presse ist selbstverständlich hocherfreut über das Resultat des ersten Wahlganges. Sie hofft, daß die Stichwahl den Sieg der vereinten liberalen Parteien sichern werde. Sie verhehlt sich dabei nicht, daß die Konservativen in der nächsten Woche mit dem Mute der Verzweiflung noch eine leidenschaftliche Agitation entfalten und alle Praktiken der Wahlbedrückung anwenden werden, um ihre Niederlage abzuwenden. Diesem Treiben gelte es von liberaler Seite eine erhöhte Aufklärungsarbeit entgegenzustellen. Die heiße Stichwahlwoche erfordere noch einmal Eifer und Opfer. * Nach dem vorläufigen amtlichen Wahlresultat erhielten bei der Reichstagsersahwahl im Wahlkreise Königsberg 2 (Labiau-Wehlau) von 15 849 abgegebenen gültigen Stimmen der Kgl. Amtsrat Schrewe-Kleinhof, Tapiau  (kons.) 7522, Bürgermeister Wagner-Tapiau(Fortschr. Vp.) 6131 und Parteisekretär Linde-Königsberg(Soz.) 2176 Stimmen. Das Opfer einer Denunziation. Unter höchst eigenartigen Umständen kam am Freitag vor dem Oberkriegsgericht des 3. Armeekorps in Berlin   die Ver- urteilung eines Musketiers zustande. Auf die Bezichtigung eines einzigen Zeugen hin wurde nämlich der Musketier Fischer vom Jnfanterie-Regiment Nr. 64 zu 3 Monaten Gefängnis ver- urteilt, weil er angeblich als Soldat eine sozialdemokratische Gesinnung betätigt habe. Der Sachverhalt ist kurz der folgende: Als Fischer mit seinen Kollegen am Gründonnerstag in Urlaub fuhr und sich'? mit mehreren Kameraden im Coups bequem gemacht hatte, betrat ein anderer Passagier, ein Herr v. Lengerke, der bis dahin in einem benachbarten Abteil gesessen hatte, das Abteil, um sich mit den Soldaten in ein Gespräch einzulassen. Bei der um militärische Verhältnisse sich drehenden Unterhaltung soll nun der Musketier Fischer jene Aeutzerungen getan haben, die ihm als sträfliche sozial- demokratische Betätigung so schwer angerechnet wurden. Auf die Frage, wo der Ersatz für das Regiment herkomme, soll er nach den Bekundungen v. Lengerkcs gesagt haben: Aus Ostpreußen  . Dumm kämen die Ostpreußen   zum Regiment, dort aber würden sie auf- geklärt und verließen sie das Regiment als Sozialdemokraten. Erst im Heere würden sie aufgeklärt. Als dann v. Lengerke meinte, im Kriegsfalle werde aber doch jede politische Meinungs- Verschiedenheit ausscheiden und alles einmütig gegen den Feind losziehen, soll, wiederum nach der Bekundung v. LengerkeS, Fischer gesagt haben:Wenn gezögert wird, dann werden wir einmal ordentlich gegen den inneren Feind los- Zehen und alles kurz und klein schlagen." Die Bekundung des einzigen Zeugen, eben des Herrn v. Lengerke, der einige Wochen Fahnenjunker gewesen war, birgt schon von vornherein den absurdesten Widerspruch in sich. Denn der angebliche Sozialist Fischer soll sich auf einmal als wütendster Gegner desinneren Feindes" geäußert haben! Oder sollte der Angeklagte sich mit dem aufdringlichen Fragesteller nur einen Scherz erlaubt haben? Dann wäre es doch sehr fraglich, ob nicht die ganze Unterhaltung einfach der Ausfluß einer lusfigen Laune war, auf die kein Pfifferling zu geben ist! Hinzu kommt, daß die ganze hochnotpeinliche Unter» s u ch u n g, die beim Regiment auf die schriftliche Denunziation Lengerkes hin unternommen wurde, auch nicht das gering st e Belastende gegen Fischer zutage gefördert hat. Daß Fischer Sozialdemokrat sei, konnte weder der Kompaniechef, noch der Feldwebel, noch irgendein Kamerad bekunden! Wohl aber mußten die Vorgesetzten ihm das Zeugnis einestüchtigen Soldaten" ausstellen. Daß in dem Regiment in irgendeiner Weise jemals ein« sozialdemokratische Agitation durch Wort oder Schrift auch n-ur versucht worden sein sollte, mußte ebenfalls ver- neint werden. Auch di« Kameraden, die in dem Coupe bei der Unterhaltung zugegen waren, konnten sich absolut nicht auf die an sich so widerfinnig en Aeutzerungen besinnen, die der Fahnenjunker a. D. ihrem Kameraden zuschrieb! Es war also nicht das geringste erwiesen, nicht das leiseste Verdachtsmoment gegen Fischer vorgebracht worden. Er selbst bestritt ganz entschieden, eine solche Aeußerung getan zu haben. Mehr noch: Die angeblichen Aeutzerungen Fischers schlagen einander derartig ins Gesicht, daß sie im Ernst gar nicht geschehen sein konnten! Und trotz alledem wurde der Angeklagte auf das wunderliche Zeugnis des An- gebers v. Lengerke hin zu drei Monaten Gefängnis ver- urteilt. Aber bei unserer Militärjustiz darf man sich ja längst nicht mehr über Unbegreiflichkeiten wundern! Der Kampf um die Arbeiter-Turuvereiue i« Bayern  . In Neustadt   a. d. Lisch hat der Bezirksamtmann Freiherr  von Ausseß den Arbeiter-Turnverein für politisch er- klärt und verboten, daß Volksschlller und Fortbildungsschüler an den Turnstunden des Vereins teilnehmen. Dagegen ist vom Verein Beschwerde an die Kreisregierung in Ansbach   eingelegt worden. Obwohl die Beschwerde noch nicht entschieden ist, sucht der Bezirks- amtmann sein Verbot durchzusetzen. So verbot er vor einigen Wochen, gelegentlich eines Festes des Arbeiter-Turmvereins, die Teilnahme der Schüler im Festzuge. Die Turner waren aber schlauer als der Bezirksamtmann. Sie stellten die Schüler 59 Meter vor dem Festzuge auf, so daß die auf- gebotenen Schutzleute und Gendarmen keinen Anlaß zum Ein- greifen hatten. Dieser Tage wurden nun 21 Zöglinge des Arbeiter- Turnvereins vor die Schulkommission aufs Rathaus geladen und durch einstimmigen Beschluß der Kommission zu je 2 Stunden Arrest verdonnert, weil sie vor dem Festzug hermarschiert waren und trotz des Verbots die Turnstunden weiter besucht haben. Zugleich wurde ihnen angedroht, daß die Arreststrafe auf vier Stunden erhöht und sie der Staatsanwaltschaft übergeben würden, wenn sie dem Turnverein nicht fernbleiben. Luch gegen diese Bestrafung haben die Eltern der Zöglinge Beschwerde eingelegt. Trotzdem wurde bereits ein Zögling durch einen Schutz» mann in den Arrest abgeführt. Also mit der Be» strafung von Kindern führt man in Bayern de» Kampf gegen die Arbeiterturnvereine. Auf ein tieferes Niveau ist der Kamps gegen die freiheitliche Arbeiterbewegung wohl kaum zu bringen._ Preuhische Jnsttz. Das Schöffengericht Ehrl st bürg(LandgerichlSbezlrk Elbing) hat gegen den Gauleiter Baude in Elbiug wegen an­geblicher Uebertretung des§ 18 Ziffer 2 des Reichsvereins- gesetzes ein Urteil gefällt, dessen Begründung eine geradezu klassische Unkenntnis der Arbeiterbewegung verrät. Nur die wichtigsten Stellen aus der schriftlichen Urteilsbegründung: Der Angeklagt« wird wegen Uebertretung gegen§ 18 Ziff. 2 de» Reichsvereinsgefetzes zu 15 M. Geldstrafe, im Nichtbei- treibungsfalle zu 3 Tagen Haft und ferner zu den Kosten des Verfahrens verurteilt. Gründe: Am 21. Februar 1914 fand in der Gasttvirtfchaft der Witwe Wert(füher von jtanel) in Christburg   eine Versammlung de? Vereins organisierter Bauhandwerker statt. Sie war öffentlich, und der Angeklagte als Gauleiter im Bauarlbeiterverband hatte sie«inberufen und leitete sie. Es wurden in ihr erörtert zu- nächst VereinSangelegenheiten, nämlich Wahl deS VertranenS- manns und die Unterstützungseinrichtungen des Verbandes, ins» besondere di« Arbeitslosenunterstützung, ferner Tarifverhältnisse. Die obigen Tatsachen sind durch die glaubhaften eigenen An- gaben des Angeklagten für erwiesen erachtet. Werl   er diese Ver» sammlung nicht bei der Polizeibehörde vorher angezeigt hatte, war gegen ihn einq Strafverfügung der Polizeiverwaltung in Chriftburg vom 1. April 1914 aus den§§ 5 und 13 Ziffer 2 des Reichsvereinsgesetzes ergangen und hat er rechtzeitig gegen sie auf gerichtliche Entscheidung angetragen. Er wendet lediglich ein, daß die Versammlung nicht eine politffche gewesen ist. Nach§ 5 des Vereinsgesetzes ist eine Versammlung anzeigepflichtig, wenn in ihr politisch« Angelegenheiten erörtert werden sollen. Dies ist nach dem Dafürhalten des Gerichts in der fraglichen Ver- sammlung entsprechend der Absicht des Veranstalters geschehen. Wer einen Einblick in die Verhältnisse der inneren Politik hat, der weiß, daß die Vereine und Beamten des Bauarbeiterver- bandes ihre Weisungen von der Leitung der sozialdemokratische« Parlamentsfraktio» erhalten und daß diese Vereine nicht nur soziale und wirtschaft­liche Ziele verfolgen, fondern, gleichsam nur Einrichtungen der sozialdemokratischen Partei, erhebliche poli- tische Bedeutung haben, ferner daß jede Versammlung dazu be- nutzt wird, die bisherigen Mitglieder und etwa neu hinzu- tretende in der politisch-sozialdemokratischen Lebensauffassung zu befestigen oder für sie zu gewinnen. Deshalb ist eine solche Ver- sammlung, wenn in ihr auch nur Vereinsangelegenheiten in weiterem Sinne erörtert werden, eine politische; denn der Verein und seine Ziel« sind politischer Art. Demgemäß war di« frag- liche Versammlung anzeigepflichtig, und da der Angeklagte sie ohne die vorgeschriebene Anzeige veranstaltet und geleitet hat, so ist er nach§ 5 Ziffer 2 des Vereinsesetzes strafbar. Die von der Polizeibehörde eingesetzte Strafe von 15 M. oder 3 Tagen Hast erscheint angemessen. Die S&stenentscheidung folgt aus§ 497 St.P.O. gez. Otto." Deutsche Gerichtshöfe haben schon oft bewiesen, welch ein fremdes und unbekanntes Gebiet ihnen die moderne Arbeiter- bewegung ist, aber was sich die Richter in Christburg   da zu- sammenkombininert haben/ ist selbst für ostelbische Verhältnisse ein starkes Stück. Daß Zweigvereine einer Gewerkschaft von derLeitung der sozialdemokratischen Parlamentssraktion" Weisungen empfangen, ist eine so originelle Entdeckung, daß sie berechtigten Anspruch auf ein Reichspatent hat. Es graut ihnen. Die neuen Steuerpläne der Regierung haben begreiflicherweise im Bürgertum alles andere denn angenehme Enipsindungen aus» gelöst. Die bürgerlichen Parteien haben die aufpeitschende politische Wirkung der bisherigenFinanzreformen" zur Genüge kennen ge- lernt, um begreiflicherweise zu wünschen, eine Zeitlang von neuen Steuern oder auch nur Steuerplänen verschont zu bleiben. So stöhnl denn auch das nationalliberaleLeipziger Tageblatt  " in einer Belrachtung über die jüngsten Steuerabsichten der Regierung: Dennoch neigen wir dazu, die Meldungen von neuen Steuern vorderhand z» bezweifeln. Wir neigen dazu aus dem ganz einfachen Grunde, weil wir sie nicht wünschen. N i ch t a u s i r g e n d- welchen privatwirtschaftlichen oder egoistischen, sondern ausschließlich aus patriotischen, aus geradezu staatserhalleuden Erwägungen. Das fortwährende Zur-Aderlasien, diese auf das steuerliche Gebiet übertragene Nadelstichpolitik, verträgt nämlich auf die Dauer kein Einzelindividuum, kein Stand, keine Berufsschicht, kein Volk. Es geht nicht an, daß man der Nation vorredet: strengt euch nur diesmal noch recht an und tut kräftig Geld in die Staatssäckel; ihr werdet hinfürder nicht wieder belästigt. Und daß man lächelnd, als ob nichts gewesen wäre, im Jahre darauf wieder vor sie hin- tritt und mit den gleichen Redewendungen neue Opfer von ihr heischt. Unser Erwerbsleben und auch unsere Jndividualwirtschast brauchen zunächst einmal Ruhe." Aus patriotischen, aus staatserhaltenden Erwägungen" wünscht das nationallibcrale Blatt keine neuen Steuern, denn letzten Endes kommen sie politisch der Sozialdemokratie zugute. Und davor grauts dem Bürgertum. Wäre keine Sozialdemokratie da, es würden frisch und munter und ohne Gebissensbisse dem braven Michel auch