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/lus Engels Sriefen an Joh. PH. Secker. London , S. Tozeniber 188S. Lieber Alter! Ich habe lange nichts von Dir gehört und will Dir deshalb meinerseits ein Lebenszeichen geben, indem ich Dich auf eine fünf- pfundige Geldanweisung aufmerksam mache, die Dir hoffentlich gleichzeitig mit diesem Brief zukommen wird und die vielleicht etwas dazu beiträgt. Dir den Uebergang aus dem alten ins neue Jahr leichter zu machen. Ich hoffe. Du bist noch wohl und munter und bestätigst mir dies bald durch ein paar Zeilen. Ich habe die lehte Zeit tüchtig geschanzt, wie Dir der Verlag der Züricher Buchhandlung wohl anzeigen wird, und namentlich Gelegenheit genommen, allerhand Stücke aus der schönen Jugendzeit 1848/49 wieder aufzufrischen. Das wird verdammt nötig, denn die junge Generation, die das alles vergessen oder gar nie erfahren hatte, fängt an, jetzt wissen zu wollen, was damals passiert, und da ist es nötig, bei den vielen falschen Quellen und Nachrichten ihr auch möglichst viel Richtiges beizubringen. Es wäre von der höchsten Wichtigkeit, daß Tu Deine Memoiren fertig machtest, vor einigen Jahren brachte dieNeue Welt" einige ganz allerliebste Stücke, und Du hast so ein famoses Geschick zum Erzählen und obendrein gehen Deine Erinnerungen volle 10 15 Jahre weiter zurück als die meinigen und umfassen die Zeit von 1830 bis 40, die auch sehr wichtig ist für die spätere Entwicklung. Vielleicht läßt sich auch noch Geld damit machen, was immer mitzunehmen. Jetzt Hab' ich noch den Bauernkrieg umzuarbeiten, der das sehr nötig hat, und dann geht es an den dritten BandKapital", der im Rauhen aus dem Originalmanuskript ins Leserliche fertig diktiert ist. Das war noch eine Heidenarbeit, aber famos. Leider kommen mir dazwischen immer eine Masse Uebersetzungen ins Französische, Englische, Italienische und Dänische , die ich durchsehen muß und die es meist sehr nötig haben. Glücklicherweise reicht mein Russisch und Polnisch nicht so weit, daß ich da nützen kann, sonst hörte das gar nicht auf. Dir wird es eher als Beweis dienen können, welche breite internationale Ausdehnung unser Kommunismus jetzt er- obert hat, und da freut es einem immer, wenn man das Seinige dazu beitragen kann, dies Gebiet noch weiter auszudehnen. Ich hoffe, die elende Balkangeschichte verläuft friedlich. Wir marschieren jetzt so famos voran, überall, daß ein Balkankrieg uns jetzt ungelegen käme zu spät oder zu früh. Aber auch er würde schließlich für uns arbeiten, indem er dem Militarismus ein für allemal esn Ende machte vermittelst Massakrieren von Millionen Menschen und Vergeudung von 1000 Milliarden Franken . Danach wäre kein Krieg mehr möglich. Die Wahlen in Frankreich haben dem Radikalismus die nächste Aussicht auf die Herrschaft verschafft und damit auch uns ein gut Stück vorangeholfen. Die Wahlen haben hier die Jrländer mo- mentan zu Herren von England und Schottland gemacht; keine der beiden Parteien kann ohne sie regieren. Es stehen noch etwa 100 Wahlen aus, aber die werden daran wenig ändern. Damit kommt endlich die irische Frage aus der Welt wenn nicht sofort, so doch in nächster Zukunft, und dann ist auch hier reine Bahn gemacht. Gleichzeitig sind etwa 3 bis 10 Arbeiter gewählt teils an die Bourgeoisie verkaufte, teils reine Gewerkschaftsleute, die sich wahrscheinlich arg blamieren und die Bildung einer selbständigen Arbeiterpartei dadurch enorm befördern werden, indem sie vererbte Selbsttäuschungen der Arbeiter beseitigen. Die Geschichte geht hier langsam, aber sie geht. Herzlichen Gruß Dein alter F. Engels. London , 28. Dezember 1885. Lieber Alter! Hiermit die Anzeige, daß unser alter Borkheim am 18. d. M. in Hostings nach dreitägiger Krankheit einer Lungenentzündung erlegen ist. Er hatte seit zwölf Jahren die Schwindsucht und war seit zehn Jahren an der ganzen linken Körperhälfte gelähmt. Der Arzt sagte, er habe Krankheit genug gehabt, um drei andere Leute zu töten. Er ertrug alles mit unverwüstlicher Heiterkeit und ver- folgte die Bewegung bis zuletzt, soweit es ihm möglich. Ich habe Liebknecht gebeten, ihm einen kurzen Nachruf imSozialdemokrat" zu widmen. Anfangs dieses Monats schickte ich Dir eine Anweisung, die Du hoffentlich richtig erhalten. Im übrigen da die Post drängt und ich in diesen hier für mich unruhigen Tagen nicht oft zum Schreiben komme, wünsche ich Dir ein herzliches Prosit Neujahr und tüchtige Gesundheit; unserer Bewegung braucht man nichts besonderes zu wünschen, sie marschiert überall je nach Ort und Volk verschieden aber überall famos voran und die Balkansauerei scheint auch ohne Weltkrieg vorüber zu gehen. Von ganzem Herzen Dein alter F. Engels. London , 0. Juli 1838. Lieber alter Kamerad! Ich habe die Antwort auf Deinen Brief ein paar Tage auf- geschoben, weil ich erst abioarten mußte, ob sich eine Möglichkeit finden ließ, auf Deinen Pariser Plan einzugehen. Leider nein und zwar: 1. bin ich an England gebunden, weil ich die Korrektur und Herausgabe der englischen Uebersetzung desKapital" besorgen muß, die in der Presse ist und die ich keinem anderen überlassen könnte, auch wenn ich nicht kontraktlich gebunden wäre; 2. aber bin ich wieder seit drei Monaten invalid, kann nicht über 2300 Schritt gehen und hänge von allerhand medizinischen Leuten ab; die Sache ist weiter nichts als genant, aber es kann doch jeden Augenblick eine Verwicklung eintreten, wenn ich mich nicht ruhig halte, und von langen Reisen ist da keine Rede. Und wenn ich auch, wie ich hoffe, bis zum Herbst wieder mobiler werde, so muß ich denn doch diesmal dieser alten Geschichte, die mich nunmehr drei Jahre ab und zu zum Krüppel gemacht hat, soweit es angeht, ein Ende machen, und dazu gehört, daß ich nichts unternehme, was mich wieder zurückwerfen könnte. Ich muß allerdings wieder soweit kommen, daß ich zwei bis drei Stunden weit an einem Stock marschieren kann, sonst gehe ich kaput und kann das Arbeiten nicht auf die Tnuer aushalten. Ich hatte geglaubt, in den letzten vierzehn Tagen so weit zu kommen, daß ich eine positive Besserung konstatieren könnte, aber es geht langsamer, als ich dachte. Nun aber läßt sich die Sacke hoffentlich anders einrichten. Nämlich wenn Du erst in Paris bist, so könntest Tu auch ein wenig übers Wasser hierher komme». Die Kosten dafür trage ich gern, und hier kostetDich derAufenthalt keinen Heller. Den August werde ich an die See geschickt, um mich auszukurieren, im September bekomme ich Besuch aus der Provinz, aus Teutschland und wahrscheinlich auch Lafargnes aus Paris , und da ich nur ein Zimmer frei habe, werde ich wegen Unterbringung der Leute Mühe genug haben. Aber im Oktober ist das vorbei und ich kann Dir das Zimnier jederzeit zur Verfügung halten und würde mich unendlich freuen, Dich bei mir zu sehen. Da haben wir auch mehr Ruhe, alles zu besprechen und zu erzählen als in Paris , wo man doch nie allein ist. Also fasse Deinen Entschluß. Bis Oktober bin ich auch mit den dringenden Arbeiten soweit fertig, daß ich alles andere auf die lange Bank schieben kann, und auch hoffentlich wieder soweit, daß ich wieder kneipen darf. Wenn Du übrigens lieber im September kommst, so schreib mir's, es wird sich dann doch wohl so oder so ein- richten lassen. Wir haben noch allerlei miteinander zu verhandeln und Du kannst mir ganz speziell noch so manche? aus der Ent- wicklungsgcschichte der Bewegung mitteilen, was, wie Du sagst, nie- mand sonst weiß, daß es wahrhaftig ein Unrecht wäre, wenn wir nicht alles täten, um noch einmal zusammen zu kommen und das alles zu erledigen. Die Papiere von Marx habe ich noch gar nicht ordnen können, das ist eine Arbeit von mindestens einem Monat. Vielleicht geht's Die Toaste von peterhos. Preisend seines Landes Stärke Ueber den bekannten Klee Saß im Peterhofer Saale Toastend Herr P o i n c a r 6. Still begräbt er tief im Busen Jenesgrüne Dokument". Als uni welches an der Seine Grade übler Stank entbrennt. Doch den Römer zitternd schwingend Oeffnet auch der Zar den Vtund Und vonFreundschaft",Bündnis",Treue' Tut er das Bekannte kund; Spricht vom heil'gen großen Rußland , Seinem"Volk" undHeer" undHauS" Und beftiedigt trinken beide Darauf ihre Gläser aus.... Horch! ein Knattern vor den Fenstern! Die Nagaika saust, o Zar! Und Kosaken reiten tierisch In des Volks empörte Schar! So, bei unverhofften Klängen Die Komödie ist verspielt Trennt sich Zar und Präsidente, Jener bleich, der abgekühlt. Knax. Der Prozeß Caillaux . (Verkürzter, aber authentischer Bericht.) Vorsitzender: Wir find uns alle darüber einig, daß eS unsere vornehmste Aufgabe sein wird, die Verhandlung aufregend und interessant zu gestalten. Infolgedessen ist auch die Oeffentlich- keit, mit Ausnahme des hier erfreulich zahlreich vorhandenen Publikums, aufs strengste ausgeschlossen. Zeuge A. bekundet einiges über politische Durchstechereien im Jahre 1387 und kommt dann auf dasgrüne Dokument" zu sprechen. Zeuge B. hat einmal mit Herrn und Frau Caillaux ge- ftühstückt. Nach seiner Meinung hätte das mit demgrünen Dokument" Vorsitzender: DaSgrüne Dokument", das bekanntlich gar nicht existiert, befindet sich in der Brusttasche des Herrn Poincars, wenn es nicht etwa in den Akten des Gerichtes sein sollte. Festgestellt ist, daß diesesgrüne Dokument" durchaus nichts Nachteiliges für die Angeklagte oder ihren Gatten enthält. Denn da es überhaupt nicht vorhanden war, so dürften sich höchstens einige unwichtige Bestechungsbeweise gegen Herrn Caillaux oder Mch gegen denFigaro " aus ihm herauslesen lassen. Der Verteidiger: Wir danken dem Vorsitzenden für diese loyale und aufklärende Feststellung. D i e e r st e F r a u des Herrn Caillaux überreicht dem Gericht einen 10 Kilo schweren Postsack mit Briefen. Es sind nach ihrer Aussage teils Liebesbriefe, teils Korrespondenzen ,nit ihrer Schneiderin. Korsitzender: Können Sie uns versprechen, daß durch die Verlesung daS Interesse und die Spannung der Welt erhöht werden? Die Zeugin gibt anheim. die Briefe zunächst von Herrn Henri Bern st ein dramatisch überarbeiten zu lassen. DaS Gericht beschließt so. Der nächste Zeuge hat daSgrüne Dokument" wirklich gelesen. Nach seiner Erinnerung habe es auS teils bezahlten, teils unbezahlten Rechnungen der Frau Caillaux bestanden. Die Angeklagte bittet unter Tränen, dasgrüne Dokument" aus der Verhandlung auszuscheiden, da ihr gerade grün nicht stehe. Das Gericht beschließt so. Der berühmte Verteidiger richtet an Caillaux die Frage, ob er außer der Angeklagten und seiner ersten Frau nicht vielleicht noch andere Gattinnen besitze oder besessen habe und vor Gericht zitieren könne. Es würde das die von allen Beteiligten gewünschte Sensation aufs kräftigste beleben. Caillaux erklärt, er wolle dem Gericht auch hierin gern ent- gegenkommen, er habe aber nur noch nrit illegitimen Frauen aufzuwarten. Aus Gründen der Ritterlichkeit lehnt der Gerichtshof die Ladung dieser Zeuginnen ab. Inzwischen sind weitere Postsäcke von Briefen der Frau Caillaux an Calmette, von Calmette an Fstriu Guehdan, von Frau Gueydan an Frau Caillaux und von Frau Caillaux an Herrn Caillaux ein- gezogen. Da sowohl das Gericht wie auch die Angeklagte, die Zeugen und die Verteidiger die Annahme dieser Briese ablehnen, werden sie öffentlich versteigert. Es gelingt Herrn Bernstein, den größten Teil als Material für seine neuen nächsten Stücke zu erwerben. Ein Geschworener fragt, ob das Gericht sich auch noch ein- mal mit der Tat selb st beschäftigen werde. Es entspinnt sich hierüber eine beftige Debatte. Um 9 Uhr abends erklärt der Pressevertreter, er und seine Kollegen hätten für heute genug zu telegraphieren, er be- antrage deshalb Vertagung. DaS Gericht beschließt demgemäß. Sarghanöel. ES sind eigentümliche Gepflogenheiten, die im Targhandel mit der Zeit herrschend geworden sind. Hier, wo ich wohne, ist eS be- reits vorgekommen, daß schon vor dem Ableben eines Angehörigen bei der Familie die Offerte eines Sarghändlers einging, der sich im Bedarfsfalle auf da» beste empfahl und zu persönlicher Vorsprache im Herbst geschehen muß eS, und da? ehe die Tage zu kurz werden. Ich lasse Dir wieder eine fünfpfündige Postanweisung heraus- nehmen, die Du hoffentlich gleich nach oder mit diesem Brief erhältst. Also entschließe Dich. Ich freue mich ungeheuer darauf, Dich wieder einmal zu sehen und mit Dir von Angesicht zu Angesicht zu verhandeln. Wäre ich noch so stramm auf den Beinen wie Du, so käme ich nach Genf . Aber so! Nun, ich erwarte, Tu tust es für mich und kommst hierher. Dein alter A. Engels. «« Als Abschluß dieser Veröffentlichung geben wir noch zwei Briefe, einen von Wilhelm Liebknecht , den anderen von A u g u st B e b e l an Becker wieder i Lieber Freund! Verarge mir meine Schweigsamkeit nicht. Vieles Arbeiten, Unwohlsein und die Sorge für meine zwei Kinder(4 und 10 Jahre alt) das ist meine Entschuldigung. Daß ich im Reichstag nicht untätig war, wirst Du erfahren haben. Auch hier wirke ich, über meine Kräfte in alter Weise. Mein Versprechen betr. die Internationale Arbeiterassoziation erfülle ich soweit es mir möglich. Aus Sachsen und von Berlin aus werden demnächst eine Masse von Anschlußerklärungen kommen. Erinnere mich daran, wenn sie ausbleiben. Schreibe mir, wann derVorbote" gedruckt wird, damit die Briese, die ich Dir von jetzt ab regelmäßig für ihn zu schicken beabsichtige, nicht alluzuiange liegen müssen. Mit nächstem Monat werde ich wahrscheinlich hier ein eigene? Wochenblatt haben, in dem ich natürlich für die I. A. A. Propa- ganda machen werde. Wie steht es um den Plan, den«Vorboten" in Leipzig erscheinen zu lassen? Tie Sache hat nur eine Schwierigkeit: manches könnte nicht, ich will nicht sagen mit der bisherigen Schärfe, aber doch und doch nicht in der bisherigen Form gedruckt werden. Dem Landfrieden ist in Sachsen keines- wegs zu trauen. Die Regierung fürchtet uns mehr, als sie Bis- marck haßt und wird ihm, wenn er einen Schlag gegen uns zielt, gern gefällig sein. Trotzdem haben wir eine ungleich stärkere Bc» weguugsfrciheit als in Preußen. Ich lege die 2, Reichstaler als Abschlagszahlung bei(wenn ich noch 2 schicke, gedenke ich quitt zu sein.) Apropos, ich vergaß die 200 Exemplare desnaturgemäßen Siegs", die Tu uns übersandt hast. Nicht wahr, Sic sind zu freier Verwendung, namentlich für die deutschen Albeitervereine bc- stimmt? Dein letzter Brief ist nicht vorzufinden. Wie heißt der Verfasser? Bebel wird Dir selbst schreiben. Lebe wohl und sei tausendmal gegrüßt von Deinem W. Liebknecht. Geehrter Herr! Freund Liebknecht läßt Sie bitten, die für Leipzig bestellten Vorboten" nicht an ihn, sondern an die Adresse des hiesigen Ar» beiter-Bildungsvereins, dessen Vorsitzender ich zu sein die Ehre habe, einzusenden. Gleichzeitig füge ich 10 Sgr. in'Briefmarken bei für 1 Exemplar desVorboten"(halbjähriges Abonnement), das ich von Neujahr an haben will. Die Bücher sind, wie Sie aus Liebknechts Brief ersehen, vor 14 Tagen angekommen, und möchte Sie nun bitten, anzugeben, ob wir die 50 Exemplare, die Sie für Ihren Gebrauch reserviert wünschten, Ihnen zusenden oder vorläufig hier behalten sollen. Ferner bitte ich Sie, mir die Adresse des Verfassers mitzuteilen, damit ich mich bei ihm bedanken kann. Ihr werter Brief, den ich nach Berlin nachgesandt erhielt, ist mit verloren gegangen. Wir stehen hier vor einem sehr bedauerlichen Winter. Di« Arbeitslosigkeit ist schon seit Wochen groß, dabei eine große Teue« rung aller Lebensbedürfnisse. sich bereit erklärte. Als er persönlich auch vorsprach, war sein Empfang nicht der beste und gerade die Person, der er einen Sarg anzumessen kam, maß jihn mit einem derben Stock etliche gesalzene Hiebe auf. Und diese Entladung tat ihr so gut, daß sie ihre Krankheit ganz vergaß und gegenwärtig noch ein quietschvergnügtes Leben führt. Gewiß, auch ein �Sarghändler will leben; um leben zu können, braucht er Tote. Der Tod ist somit sein Leben und inacht ihm Freude, weil er durch ihn Geschäfte macht. Trotzdem sollte er diese seine Herzensfreude tief ini Innern verschließen. Ich gehe jeden Tag ein paar Mal an einem Sarggeschäft vorbei. Meist sehe ich an der Türe eine noch junge Frau stehen, die sehnsüchtig über die Straße schaut, ob denn niemand käme und einen Sarg nähme. Dieser Tage sah ich auch, wie ein altes Mütterchen mit verhärtem Gesichte und verweinten Augen auf daS Sarg­geschäft zuschritt. Meiner jungen Frau Sarghändlerin, die wieder an der Ladentür stand, trat die Freude des Herzens beim Anblick des alten, weinenden Mütterchens in das Antlitz. Mit einem be­glückten und freudigen Gesicht öffnete sie die Tür, zog das Mütterchen fast in den Laden, und durch bie Fensterscheiben sah ich, wie sie der alten Frau ihr reiches Sortiment an Kindersärgen angelegentlichst empfahl. Wahrscheinlich hatte die Alte ein Särglein für einen Enkel zu besorgen. Mich schauderte etwas bei der fteundlichen und fteudigen Ge- schäftigkeit der jungen Sarghändlerm. Aber geradezu verblüfft war ich dieser Tage bei einer anderen Gelegenheit. Ein Junge von dreizehn Jahren ertrank in der Spree . Auf das Jammergeschrei der Mutter, die ihren Sohn verschwinden sah, tauchten einige Schwimmer und fanden auch bald das Kind. Alle Wiedcrbelebungs« versuche waren erfolglos. Auch die herbeigerufenen Aerzte konnten nichts mehr machen. Auf das todkündende Achselzucken der Aerzte warf sich die Mutter laut schreiend über ihr totes Kind. Wir Umstehenden waren tief bewegt. Es war eine erschütternde Szene. Da tauchte plötzlich neben meinem Freunde und mir ein Mann auf. klein, dick, fettglünzende Backen, und mit fast fröhlicher Stimnie stellte er sich vor: BeerdigungsinstitutPietät"! Haben Sie vielleicht Verbindung mit der Frau da?" Er zeigte aus die unglückliche Mutter.Ich würde die Besorgung des Sarges und auch die ganze Beerdigung billigst übernehmen." Mein Freund und ich waren mehr verblüfft, als empört. Wie aus einem Munde riefen wir: Mensch, wie kommen Sie mir vor!" Aber, Mann, wie haben Sie das Unglück schon erfahren?' Er erlviderte:Ja, man muß immer auf dem Damm sein. Hier kommt doch fast jeden Tag etwas vor. Und wer zuerst kommt, hat den Sarg weg. Und, meine Herrn, vonPietät" werden Sie glänzend und kulant bedient. Hier meine Karte." Er überreichie uns seine GeschäslSkarte, ging auf die verzweifelte Mutier zu, hinter der er sich postierte, um sich als erster bei ihr empfehlen zu könne».