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Nr. 203. 31. Zahrgasg. 1. Skilizr i>tt Jormirts" ßttlin« WsM Diksstsg. 28. Illli 19t4. ver Krieg. Vor drei Jahren überfiel Italien   urplötzlich das wehrlose Tripolis  . Ebenso urplötzlich fällt heute Oesterreich über das kleine Serbien   her. Banditenpolitik wurde das Vorgehen Italiens   genannt. Diese Politik des plötzlichen Ueberfalls Schwächerer scheint Mode unter den europäischen   Mächten werden zu wviien. Als Vorwand weiß Oesterreich   nichts vor- zubringen, als ein paar Beschuldigungen, die aus demselben Milieu entstammen, wie der Jriedjungprozeß und der famose Konsul Prochaska und daher einstweilen nicht den mindesten Glauben beanspruchen können. Doch mit ethischer Beurteilung ist wenig getan. Wir müssen versuchen, die Ereignisse zu begreifen. Das ist aller- dings nicht leicht, denn je näher man zusieht, desto un- begreiflicher erscheint das ganze Vorgehen Oesterreichs  . JMan führt Krieg doch nur, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, das sich auf friedlichem Wege nicht erreichen läßt. Welches Ziel verfolgt Oesterreich? Will es bloß sein Prestige wahren? Aber daran hat doch niemand gezweifelt, daß ein Staat mit rund 5l) Millionen Einwohnern stärker ist, als einer mit 4 Millionen! Das Prestige könnte eher leiden, wenn es sich herausstellt, daß die Niederwerfung des Kleisten nicht leicht wird. Gerade mit Serbeil hat Oesterreich   da böse Er- fahrungen gemacht. Die Serben in der Krivoschja im südlichen Dalmatien  empörten sich 1869 und dann wieder 1882 gegen die Versuche, sie zum Militärdienst zu zwingen. Eine Handvoll schlecht- bewaffneter Leute, etwa 23906 Mann, behaupteten sie sich 1869 gegen die österreichischen Truppen, die schließlich fast 30 000 Mann ausmachten, so gut, daß die Regierung, um sie zum Frieden zu bringen, ihnen nicht nur die Befreiung von der Wehrpflicht bewilligte, ihre Waffen ließ, sondern auch noch 200 000 Gulden Schadenersatz zahlte! Was man dafür erkaufte. war nichts als eine Ergebenhcitsadresse der Aufständischen an den Kaiser. 1882 wurde man endlich mit ihnen fertig, aber nur durch das Aufgebot einer Macht, die doppelt so groß war, wie die 1869 entsandte. Kurz vorher. 1878, hatte Oesterreich Bosnien besetzt, das etwas über eine Million Einwohner zählte. Nur die mohammedanische Minderheit erhob sich gegen die Okkupation, trotzdem nnißte die Monarchie 4 Armeekorps aufbieten, um in blutigem Kriege den Aufstand niederzuwerfen, was sie 5000 Mann und 200 Millionen Gulden(340 Millionen Mark) kostete. Es bleibt abzuwarten, ob diesmal der Krieg mehr Prestige bringen wird. Und mit welchem Erfolg darüber hinaus kann er enden? Gewiß, die großserbische Propaganda ist für Oesterreich sehr unbequem, ja sogar gefahrvoll. Aber sie ist ein Produkt der serbischen   Nation, nicht des serbischen   Staates� Selbst wenn es gelänge, diesen gänzlich aufzubeben und Oesterreich anzugliedern, was doch nicht zu erwarten, so würde die serbische Propaganda damit nur ihre Formen ändern, aber an Gefährlichkeit für Oesterreich, wenigstens in seiner jetzigen Form, nicht verlieren. Die Vermehrung der 3 Millionen Serben Oesterreichs   um 4 weitere Millionen, müßte dem Drang dieses Elements nach Selbständigkeit einen gewaltigen Anstoß geben und seine Kraft enorm steigern. Mag mit dem serbischen Staat geschehen, was will, die serbische Nation kann durch Oesterreich nicht vernichtet werden. Und es könnte keine sinnlosere Politik geben, als die, sie gleichzeitig zu mißhandeln, zu erbittern und drirch Vereinigung aller ihrer Elemente innerhalb der eigenen Grenzen zu stärken und gefährlicher zu machen. Was soll also durch die Opfer des Krieges erreicht wer- den Opfer, die auf jeden Fall ungeheure sein werden, selbst wenn er lokalisiert bleibt? Will Oesterreich   wirklich nichts als den Triumph, es zu erzwingen, daß die Bedingungen seines Ultimatums in Serbien   durchgeführt werden? Bilden sich seine Staatsmänner etwa ein. daß die serbische Nationalidee, die ebenso in den Verhältnissen verankert ist, wie es die italienische und die deutsche gewesen, an Kraft und Gefähr- lichkeit für Oesterreich verliert, wenn die großserbische Pro- paganda in einem serbischen   Amtsblatt verurteilt wird und ein paar österreichische Polizisten Amtsgewalt im serbischen  Staat bekommen? Allerdings, wenn die österreichischen Burcaukraten so un- sinnige Erwartungen hegen sollten, so dürften sie sich darauf berufen, daß die Blüte deS deutschen   Liberalismus diese Er- Wartungen teilt und auf das Niveau der gleichen Polizei- bomiertheit gesunken ist. Indessen haben die Leiter Oesterreichs   noch eine andere Entschuldigung, und das ist die verzweifelte Lage des Staates, die vernünftiges Handeln zwar nicht unmöglich macht, aber doch sehr erschwert. Wie Rußland   und Italien   leidet auch Oesterreich daran, daß es der Vergeudung von Produktiv- kräften, die der moderne Militarismus mit sich bringt, früher entwickelte als die Vermehrung der Produktivkräfte, die der industrielle Kapitalismus bedingt. Der industrielle Kapita- lismus bedeutet rascheste Verbesserung und Vermehrung der Mittel des Massentransports und rascheste Entwicklung der Technik. Das wirkt auf das Heerwesen zurück und bringt stete Vermehrung der Truppen und stete Umwälzungen ihrer Bewaffnung mit sich, die den modernen Militarismus kenn- zeichnet. In Westeuropa   erwächst dieser moderne Militarismus mit seinen Lasten erst im Gefolge des industriellen Kapita- lismus: dieser marschiert jenem voran. In den agrarischen Großstaaten, die sich militärisch auf gleicher Höhe behaupten wollen, entwickelt sich dagegen der Militarismus auf einer rückständigen ökonomischen Basis: er geht dort dem in- dustriellen Kapitalismus voraus und hindert damit vielfach dessen Erstarken. Auch in Westeuropa   kann der Militarismus ökonomisch hemmend und belastend wirken. Um wie viel rascher der Kapitalismus   dort wächst, wo der Militarismus wenig be­deutet, zeigen die Vereinigten Staaten  . Aber weit mehr als auf dem industriellen Westeuropa   lastet der Militarismus auf den schwachen Schultern der agraischen Großstaatcn, auf Italien  , Rußland  , Oesterreich, den Balkanländern. Oester- reich ist dabei besonders schlecht dran wegen seiner vielen Nationalitäten. Auch Rußland   zählt nicht wenige Nationen, doch ist der große Kern des Landes einheitlich national, die nationale Buntheit ein« Eigentünilichkeit seiner Grenzen. Em solcher Kern fehlt Oesterreich  . Die Sprache ist aber ein gewaltiger ökonomischer Fattor. Ockonomie heißt Zusammenarbeit, die unmöglich ist ohne Verständigung, ohne Sprachgemeinschaft. Je ausgedehnter die Sprachgemeinschaft, desto ausgedehnter das Gebiet der direkten ökonomischen Gemeinschaft. Sprachgrenzen er- schtveren den Verkehr ebensosehr wie Zollgrenzen. Die Zer- splitterung eines Staates in verschiedene nationale Gebiete hemmt die ökonomische Entwicklung des Kapitalismus, der nach großen, ausgedehnten Märtten verlangt, ebensosehr, wie es im feudalen Staat die Binnenzölle der einzelnen Pro- vinzen taten. Der aufstrebende Kapitalismus beseitigt nicht nur diese, er strebt auch danach, alle Nationsgcnossenschasten in einem Staate, d. h. einem Zollgebiete zu vereinigen und innerhalb dieses Gebiets allen Einwohnern die gleiche Sprache beizubringen. In diesem Streben fNnd er in Oesterreich unüberwind- liche Hindernisse. Ja noch mehr, im Laufe der Entwicklung schliffen sich die nationalen Unterschiede nicht ab, die er vor- fand, sondern wurden zu wachsenden Gegensätzen. Der industrielle Kapitalismus   entwickelte sich langsam, um so rascher die Lasten des Militarismus, die mit ver- doppelter Wucht auf Bguern und Kleinbürger fielen. Rascher noch als in Frankreich   und Teutschland wurden sie dort expropriiert. Die auf dem Lande überflüssig gemachten Schichten fanden keine Industrie in den Städten, die sie aufnehmen konnte. Wie in Rußland  , in Italien  , den Balkan  - ländern, setzte auch in Oesterreich   während der letzten Jahr- zehnte eine starke Auswanderung namentlich nach Amerika   ein. Doch nicht jeder konnte auswandern. Ein großer Teil des Nachwuchses des untergehenden Kleinbürgertums wendete sich intellektuellen Berufen zu oder suchte als Angestellter sein Brot. Der Andrang zu diesen Schichten wuchs für diese bildete jedoch die Auswanderung kein Heilmittel. Was mau in Amerika   brauchte, waren unqualifizierte Arbeiter und Bauern, nicht Intellektuelle und Handlungsgehilfen. Deren Zahl nahm rasch zu, ohne daß eine rasche Aus- dehnung der Industrie eine Zunahme des Wohlstands der Bevölkerung ihnen ein ebenso rasch zunehmendes Arbeits- gebiet geschaffen hätte. Gerade für diese Schichten spielte nun die Sprache eine besonders große Rolle. Wer einen Arzt, einen Advokaten braucht, eine Zeitung lesen, bei einem Kleinhändler kaufen will, bevorzugt diejenigen, deren Sprache er versteht. Die Ausdehnung der eigenen Nation, der eigenen Sprache ist daher gerade für diese Schichten eine Lebensfrage, und je mehr die Konkurrenz in ihren Reihen wächst, desto wilder stachelt er dort, wo die Bevölkerung verschiedenen Nationen angehört, die nationalen Gegensätze an. Das Stocken der ökonomischen Entwicklung, das zum größten Teil durch die nationalen Gegensätze hervorgerufen ist, wird seinerseits wieder ein Mittel, diese Gegensätze noch weiter zu verschärfen. Sie haben schon einen solchen Grad erreicht, daß sie leider auch schon gelegentlich das Proletariat ergriffen. Die Politik der österreichischen Regierungen wirkt noch dahin, Oel ins Feuer zu gießen. Oesterreich   enthält nicht bloß verschiedene Nationen, es enthält auch außer Tschechen  und Madjaren keine Nation vollständig, sondern nur Teile von ihnen, andere Teile leben in benachbarten Staaten. Ein solches Nationengemisch kann nur zusammengehalten werden dadurch, daß der Staat trachtet, ökonomisch und poli- tisch seine Nachbarn zu überragen: dadurch, daß er seinen Einwohnern mehr Wohlstand oder Freiheit gibt, als sie im Nachbarland finden. Das ist das Geheimnis des Zusammen- Halts der Schweiz  . Im Polizei-, Militär- und Pfaffenstaat ist davon natür- lich nichts zu merken. Armee, Kirche, Bureaukratie sollen den Staat zusammenhalten: ihre Herrschaft bedeutet das Unterbinden jeden Fortschritts. Trotz alledem läßt sich auch Oesterreich nicht ganz vor ihm verschließen. Die Völker er- wachen auch dort zu eigenem politischen Leben, was zunächst die Form des Nationalismus annimmt. Sobald die Bureaukratie erkannte, daß sich diese Ten- denzen nicht mehr verhindern ließen, suchte sie, aus ihnen für sich Kapital zu schlagen: Divicke et irnpera, teile und herrsche, wurde ihr Grundsatz. Seit Metternich bildet die ständige Verhetzung der Nationen, um sie zu schwächen, ein beständiges Prinzip der österreichischen Regierungen. Sie merken nicht, daß sie mit dem Teilen um zu herrschen schließlich auf w" Teilung des beherrschten Gebiets, auf den Zerfall des Reichs hinwirken. Aber freilich, diese Methode ist für den Moment bequemer als jene, die verschiedenen Nationen zusammen- zuhalten durch Pflegung ihrer großen, gemeinsamen Interessen. Dank allen diesen Faktoren haben die nationalen Kämpfe in Oesterreich   eine Ausdehnung und Schärfe erlangt, die jede gedeihliche Politik unmöglich machen, und gleichzeitig wachsen die Lasten des Militarismus, wächst das ökonomische Elend, so daß selbst unter d«, besitzenden, sonst staatserhal­tenden Klassen verschiedener Motionen die Verzweiflung am Staat, der Abscheu gegen ihn wächst, sein Zerfall als eine Erlösung aus einer unerträglichen Lage betrachtet wird. Kleines Feuilleton. MIeltgescdicftte. Melrgescbickr«! O blutiger Bohn! Uralter Byrnnus auf die Borniertheit! Ulann, o wann kommt des Menfcbcn Sohn, der dich erlöst aus deiner Vertiertheit? Immer noch brütet die alte Hlacht grauenvoll über den Völkern der Erde, aber schon seh Ich rotlodernd entfacht 'flammen des©elftes auf ewigem Herde. freiheit und©leichheit und Brüderlichkeit jubelt die neugeborene Criae 1 freu dich, mein Bert» denn die goldene Zeit dämmert und predigen wird der hleslias! lebt in frieden und baut euer Zelt, viel ach» müßt ihr noch lehren und lernen; ein Bert schlägt durch die ganze Hielt, ein Seilt flutet von Sternen zu Sternen. Ruft drum als Losung von Land zu Land, Eins sei die hlensehheit von Zone zu Zone, erst wenn lie staunend lieh selbst erkannt, dann erst ist fie der Schöpfung Krone 1 _ Hrno Bolz. Die Luft im preußischen DreitlasienhauS. von einigen Land- tagsabgeordneten war die Klage erhoben worden, daß die Luft im Hohen Hause verbesserungsbedürftig sei, und es wurde der Wunsch ausgesprochen, man möge eine Ozonanlage einbauen. Das B«r- liner Hygienische Univcrsitätsinstitut wurde also beauftragt, die Luft- Verhältnisse des Abgeordnetenhauses zu untersuchen. Jetzt ist auf Grund der Prüfungen, wie dieDeutsche medizinische Wochenschrift  " berichtet, der Wunsch der Abgeordneten vom Ministerium der öffent- lichen Arbeiten als unbegründet abgelehnt worden. Temperatur, Feuchtigkeit und Kohlensäuregehalt der Luft haben sich al» sehr günstig erwiesen, und die HcizungS. und Lüftungsanlagen funk- tionieren vorschriftsmäßig. Wie konnte also bloß die Meinung aufkommen, die Luft wäre schlecht? Daß unser Dreiklasscnwahlrecht zum Himmel stinkt, ist ja bekannt, aber daß die Luft im Abgcordnetenhause verpestet wird, im buchstäblichen Sinne verpestet wird, das ist neu. Donnernd fragt die Stimme des Volkes: Wer war der Mann? Nach den Ermittelungen jenes Instituts waren die Lust» Verhältnisse selbst am Schlüsse einer starkbesuchten Sitzung sehr gut. So wurde z. B. eine Temperatur von 17,8 Grad festgestellt bei 33 Prozent relativer Feuchtigkeit. Die Kohlensäurenmenge t» diu Nähe der R e d n e rt r i b ü y e betrug 0,07 Prozent. (Wer bei der Messung just geredet hatte, wird in dem Berichte leider nicht angegeben.! Gegen eine Ozonanlage spricht sich der Minister in einer be sonders boshaften Weise aus, die ihm wahrsckeinlich den Hals brechen dürfte. Er hält eine solche Anlage nämlich für unmöglich, weil dadurch narkoseähnliche Zustände hervorgerufen werden. Der Sinn dieser Wendung ist klar: für Schlafmittel braucht im Abgeordnetenhause nicht erst gesorgt zu werden. Eine gründliche und dauernde Lüftung wird natürlich erst möglich sein, wenn das elendeste aller Wahlrechte beseitigt ist. Erst dann werden die ländlich-schändlichen Gerüche verschwinden. Krieg! Krieg! Die Phrase von der Gefahr, die Deutschland  droht, bat die Zeitschrift derH a m m e r" in der Gluthitze sommer- licher Tage gründlich breitgeschlagen. Jedes nationale Dreck- blättchen fühlt sich heute berufen, den Schrei nach dem Krieg aus- zustoßen. Den Schrei nach dem Krieg, der einfach nicht mehr ab- zuwenden ist. Es ist eine schwere Zeit, in der wir leben, sagt der Hammer" und trifft, weit ausholend, den Nagel der Argumente in einer Weise auf den Kopf, daß die Funken teutscher Begeisterung nur so sprühen. E« bestehen keine Zweifel mehr. Er kann heute kommen, er kann morgen kommen� Ter Krieg natürlich. Unsere Diplomaten, die immer nur die Oeffcntlichkeit beschwichtigen, wissen es am wenigsten. Bereit sein ist alles und überhaupt und so. Die Zeit wird Männer schaffen. Nur stählerne Entschlossenheit und Tatkraft wird Deutschland   zum Siege führen. Und so viel soll man wissen: Wenn der Umschlag kommt, wenn eine untüchtige Regierung durch den Wirbelwind der Ereignisse verschwunden ist und wahr- haften Männern Platz gemacht hat, dann soll jeden der Gedanke an die Gewißheit erfüllen: daß, wenn Deutschland  , das Land der Mitte, in seinem Bestände von einem ungeheuren Sturm bedroht wird, der Erdteil bis in? Innerste erbeben soll, die Länder wanken werden und die First-Eiche Europas   donnernd selbst im Fall ganze Völker mit sich in den Abgrund reißen wird. Bleibt sie aber auf- recht im Sturme stehen, dann wehe denen, die fteventlich den un- geheuren Wafsengang heraufbeschworen haben, der den Deutschen  , wenn er Sieger bleibt, zum Herrn und Gebieter Europa  » machen wird." Eine schwungvolle Phantasie hat derHammer". Das muß man sagen. Aber das Phantasieren mit demHammer" ist noch gefährlicher al» das Philosophieren mit demHammer". E» führt merschtendeels in die Gummizelle. Hnmor und Satire« . D a s M ü n d e 1." Ein Idyll von Fritz Mack. Ein großstädtisches Animierlokal. Die Mehrzahl der Besucher junge GentS, deren Monatseinkommen im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Lebensgier steht. Aber es ist alles da, was so den äußeren Gent macht: Lack- schuhe, durchbrochene Seidenstrümpfe, der neueste Binder, Stock mit Silberknopf.<Krücke hat man nicht mehr!) Sie ergeben sich in einer geräuschvollen Genußfreudigkeit. ES klingt ein ernster Unterton durch: man will zur Geltung kommen. Aber die Mädel«fliegen" durchaus nicht auf die blossen Auch- genießer. Sie ahnen die mageren Börsen. Hinten ist ein Tisch mit älteren Herren. Verheiratete Spießer au» irgend einem Lorort. Dorthin zieht es sie. Ein halbes Dutzend Sektflaschcn ist bereit» geleert. Eine kleine mollige Blondine ist sonderlich zutunlich. Sie sitzt einem Zweizentner-Biedermann mit Glatze auf dem Schoß, streichelt seine Wangen und gibt ihm ab und zu einen schmatzenden Kuß. Dem Dicken wird bei so viel Zärtlichkeit warm. Er ist sichtlich geschmeichelt. Zuletzt fragt er beinahe gerührt: Nu sag mir bloß. Kleine, warum bist du denn so nett zu mir?" Aber kennst du mich denn nicht?' Der Dicke reißt die wäss'rlgen Augen weit auf und grinst ver« legen. Die kleine Mollige kichert in Trillern: Du kennst mich also nickit mehr?" Nun kriegt's der Glotzenmann mit der Angst. Er versucht die Kleine von sich zu schieben. »Aber du bist doch mein Vormund!".Jugend". Notizen. Kauft Lehm! Wie dieUmschau" mitteilt, verschickt der Verlag Schäckermann und de Greift in Krefeld   einen Reklameartikel für den Lehmpastor Felke und für einen.Prachtband" au» seiner Feder. Bei Aufnahme de« Retlameartikel» erfolgt ein Inserat- a u f t r o g, und diegrößten Fachzeitschriften", wieCoufektionair", Deutsche Konfektion" und.Manufakturist" haben den Artikel anstandslos veröffentlicht. Na ja, Lehm stinkt nicht, besonders wenn er zu Gold wird. Die königlicheBibliothek ist am Sonnabend wegen der Neuordnung geschlossen worden, doch bleibt die Bücherausgabe und die Handschriftenabteilung geöffnet. Ein Institut für K o h l e n f o r s ch u n g ist gestern in Mülheini a. d. Ruhr eröffnet worden. Sin Schlager. DerThcaterkurier" brachte dieser Tage folgendes Inserat:.Theaterdirektorcn Achtung! Soeben er- schienen und von mir zum Vertrieb übernommen:Das Drama von Serajewo". Drama in 4 Akten von Lorenz Prell. 1. Bild:Der Verschwörer von Belgrad  ". 2. Bild: .Familienglück im Schlosse Konopitsch". 3. Bild:Unter Mördern". 4. Bild:.Im Tode vereint". Zum Schluß großes Tableau, Leicht zu geben, 4 b Herren, 2 Damen. Ein« fache Dekorationen. Kollegen, ein Schlager, ein Kasscnmagnct für die flauen Sommermonate I Vollständig gedrucktes Material inkl. Auf- führungsrecht IS M. Nur Bestellungen, die bis 21. Juli eingehen, können noch berücksichtigt werden. Off. sind zu richteit a» Dir. Hein- rich Welze!, Herbsleben  (fflotfja).* Die Kino-Seuche läßt gar zu leicht vergessen, daß die Schund« literatur der Dorfschmieren und der Jünglings« und Krieg« vereine noch gemeingefährlicher»st. Besonder» die katholischen Gesellen« und Jungfraueuvereine spielen gewohnheitsmäßig das gemeinste patriotische und militaristische Zeug. Hier hätte der neue.Verband _'~m für Theaterkultur"»ine Aufgabe, Pfäffisch genug ist er ja.