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Nr. 206.

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Ericheint täglich.

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

31. Jahrg.

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Telegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin"

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt Moritzplatz , Nr. 1983.

Freitag, den 31. Juli 1914.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Moritplatz, Mr. 1984.

Völkerwürgen oder Völkerverständigung?

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Die Internationale gegen

den Weltkrieg.

Die furchtbare politische Krise hat sich derart verschärft, I Auf diese Lokalisierung" haben sich Desterreich und die] daß schon die nächsten Stunden den Krieg bringen können. deutsche Regierung kapriziert. Man denke, so versicherten sie, Einen Krieg, wie ihn die Weltgeschichte in ihren gigantischsten an teinen Weltkrieg. Es handle fich lediglich um die Ab­Zusammenstößen noch nicht gesehen hat. Einen Krieg, der rechnung zwischen Oesterreich und Serbien , in die sich kein ganz Europa in ein einziges Schlachtfeld, ein Riefenlazarett Dritter zu mengen habe. Romme trotzdem Rußland Brüffel, 30. Juli. ( Privattelegramm des verwandeln muß. Einen Krieg, der für Millionen Tod und Serbien zu Hilfe, so bedeute das Deutschlands , Vorwärts".) Das Juternationale Sozia. Verstümmelung und für Hunderte von Millionen Arbeits- Eingreifen, furz den Weltkrieg! listische Bureau hat in seiner Sizung vom 29. Juli losigkeit, Hunger, Krankheit und Elend bringen wird. Auch Rußland graut schließlich so gut wie allen be- von den Vertretern aller durch den Weltkrieg bedrohten Denn was bedeuten selbst die gewaltigsten Kriege des teiligten Staaten vor dem Weltkriege. Aber die Nationen Erklärungen über die politische Lage in ihren Ländern römischen Weltreichs, was die Stürme der Völkerwanderung, deutsche und österreichische Regierung müssen doch begreifen, entgegengenommen. Durch einen einstimmig gefaßten Beschluß was alle Kriegsschrecken des Mittelalters und der Neuzeit daß das zarische Rußland von seinem Standpunkt aus seinen fordert es die Proletarier aller beteiligten gegen einen Völkerkrieg, der gerade die militärgewaltigsten Schüßling Serbien gar nicht bedingungslos preis- Nationen auf, die Kundgebungen gegen den Krieg Nationen der Welt aufeinander prallen läßt, der ungezählte geben kann! Millionen von Soldaten mit den vollendetsten Werkzeugen unserer fabelhaft entwickelten modernsten Waffentechnik mörderisch gegeneinander treibt!

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Sicherlich wird sich Rußland unter dem Druck seiner inneren Berhältnisse und der Beeinflussung durch die entschieden fried­liebende französische Regierung- trok seiner Mobilisation

Einen Krieg, der nicht nur zu Lande und zu Wasser möglichste zurückhaltung auferlegen und weit geführt werden wird, sondern der auch durch die graufigen gehende Konzessione'n machen. Daß es frei Vernichtungsmaschinen der Unterseeboote und den Luftkrieg lich bedingungslos, auf Gnade und Ungnade Serbien der neue, nie geahnte Schrecken über die heimgesuchte Kultur- österreichischen Straferpedition" ausliefern würde, erscheint

menschheit bringen wird.

Schon wirft das ungeheure Verhängnis seine Schatten boraus. Noch ehe der Kriegszustand zur Tatsache geworden, begehen verzweifelte Kapitalisten Selbstmord, durchirren zu Hunderten entlassene Arbeiter verzweifelten Angesichts die Straßen er ste Opfer des Krieges, denen bald unzäh­Tige andere folgen werden, wenn nicht noch im aller­letzten Augenblick die Vernunft, die Menschlichkeit und das Kulturgewissen über wilde, wirre Leidenschaften den Sieg davonträgt!

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total ausgeschlossen.

Desterreich hat feierlichst versichert, daß es keinerlei territoriale Eroberung beabsichtige. Rußland verlangt dagegen auch die Garantierung der politischen Unabhängig­

feit Serbiens . Und das ist in der Tat des Pudels Kern.

Will Oesterreich Serbien Bedingungen auferlegen, die es aus der Reihe der unabhängigen Staaten streichen, ſtatt Desterreich nur gegen neue großserbische Umtriebe und Attentate zu sichern?!

Hier ist der Punkt, wo Oesterreich offene Antwort geben Denn noch immer halten wir es nicht für möglich, müßte. Vieldeutiges Diplomatendeutsch und gegenseitige daß trotz aller sinnlosen Uebertreibungen, aller Rüstungen, Drohungen verfangen hier nicht mehr, hier muß eine flare aller Mobilisierungen die Herrschenden Europas die unge- Unterlage für Verhandlungen und Verständigung geschaffen heure Verantwortung auf sich nehmen könnten, es zum werden!

Aeußersten zu treiben. Zuviel steht auf dem Spiele- für Und die Brücke zur Verständigung wäre so leicht zu die Volksmassen und für sie selbst! schlagen, wenn nur nicht eigenstirnige Verranntheit zur

und für den Frieden sowie für die schiedsgerichtliche Erledigung des österreichisch- serbischen Konfliktes nicht nur fortzusetzen, sondern zu verstärken. Das deutsche und das französische Proletariat werden kraftvoller als je auf ihre Regierungen in dem Sinne einwirken, daß Deutschland auf Defterreich einen mäßigenden Einfluß ausübt und daß Frank­ reich bei Rußland bewirkt, daß es sich nicht in den Konflikt hineinmengt. Die Proletarier Großbritanniens und Italiens werden diese Bestrebungen ihrerseits aufs energischste unter­stützen.

Der bringlich nach Paris ein berufene Kon greß wird den entschlossenen Friedenswillen des gesamten Proletariats der Welt zum entschiedenen Ausdruck bringen.

Eine Friedensdemonstration in Brüssel .

Brüssel , 30. Juli. ( Privattelegramm des Vorwärts".). Tausende und Abertausende, im größten Saale Brüssels versammelt, bereiteten den Rednern der nternationale Vandervelde, Haase, Keir Hardie , tu banowitsch, Troelstra usw., die gegen den Krieg protestierten und die Solidarität der Völker feierten, stür­mische Ovationen.

In Amsterdam wird am Freitag ein internationales Meeting

Auch die erfahrensten Diplomaten, auch die unterrich- Katastrophe drängte! tetsten militärischen Fachmänner, auch die genialsten Poli- Diesmal ist es wirklich keine konventionelle Lüge, wenn gegen den Krieg stattfinden. tifer und Strategen fönnen nicht wissen, wie die Schicksalslose a Ile Staaten ihre Bereitschaft zu aufrichtigen Ausgleichs­fallen werden und was das europäische Chaos gebiert. Viel verhandlungen beteuern. Denn keinem ist wohl in seiner

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aufs wärmste das Proletariat Rußlands zu seiner revolutionären Haltung und fordert es auf, in seinem heldenhaftem Kampfe gegen den 3arismus fortzufahren, da dieser Kampf eine der wirksamſten Bürgschaften des Weltfriedens bildet.

wahrscheinlicher als der Triumph der einen Mächtegruppe Haut, weder Rußland , das ja nach Wendels Wort die Ein Appell an das russische Proletariat. über die andere ist ein endloses, unentschiedenes, ungeheuer- Revolution im Leibe" hat, noch Frankreich , dessen Regierung Brüssel , 30. Juli. ( Privattelegramm des Vor. lichste Opfer verschlingendes Ringen, das keinem Lande und Presse sich wirklich die äußerste Zurückhaltung auferlegt wärt 8") Das Internationale Sozialistische Bureau beglückwünscht anderes bringt, als namenlose Verheerung, ein Meer von haben. Blut und Tränen, als die Erbitterung der Massen, die dann Und da sollte Desterreich die unfaßbare Gewissenlosigkeit unerbittlich die Frage aufwerfen werden: Wer trägt die haben, sich gegen jede Mahnung zur Mäßigung Schuld? taub zu stellen? Und Deutschland sollte entschlossen sein, mit Und die Frage wird dann nicht so leichtherzige Beant- einem so I chen Bundesgenossen durch Dick und Dünn zu wortung finden, wie jetzt in der frivolen Hezpresse unserer gehen auf die Gefahr der Weltkatastrophe hin? Kriegstreiber! Man wird, wenn aller trügerische Taumel Wir vermögen das noch heute nicht zu glauben. Wir zerstoben ist und die harte Schule der Not die Sinne geschärft erheben erneut den ernstesten Einspruch gegen eine solche Po­hat, die Frage auch zu beantworten wissen! litik der beispiellosesten Verantwortungslosigkeit! Als Partei der internationalen Völfersolidarität richten wir unsere Mahnung und Warnung an die Verant­wortlichen aller Staaten.

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Rußland ist der Schuldige schreit heute der Chorus der deutschen Kriegsheber. Wir sind nie Freunde des zaristi­schen Rußlands gewesen und haben tausendmal ausgesprochen, daß der Staat der Knute und des Arbeitermassakers der lezte Wir warnen Rußland , durch seine Mobilisierung einen wäre, sich Balkanstaaten gegenüber in der Rolle des Befreiers Zustand zu schaffen, der den blutigsten Völkermord heraufbe­und Erretters aufzuspielen. Und wenn eine Gruppe des schwört, aber auch das Ende des Zarismus bringen kann! internationalen sozialistischen Proletariats im Kampfe gegen Wir beschwören Frankreich , seinen ganzen Einfluß auf absolutistische Abenteurerpolitik und verbrecherische Welt- Rußland auszuüben, damit es nicht durch seine plumpe Ko­händelsucht seine Schuldigkeit getan hat, so ist das junge, tat- sakenpolitik auch Frankreich in die unabsehbaren Schrednisse fräftige russische Proletariat es gewesen. Aber unsere des europäischen Krieges hineinreißt!

Imperialisten, unsere bürgerlichen Parteien und unsere Aber wir warnen auch dringlichst noch einmal die deutsche Staatsmänner brüsten sich doch sonst stets damit, Realpolitiker Regierung, den Bogen zu überspannen! Das deutsche Volk, zu sein, die jederzeit gegebene politische Faktoren in das hat die Demonstration des deutschen Proletariats be­Rechnung stellten, statt einfach ins Blaue hinein Forde- wiesen, will den Frieden, will die Verhandlungen, will rungen zu erheben. die Schlichtung des Konflikts!

Europa ein Heerlager.

Petersburg, 30. Juli. Ein Kaiserlicher Utas ruft unter die Fahnen:

1. Die Reservisten von 23 ganzen Gouvernements und bon 71 Distrikten von 14 anderen Gouvernements. ( Rußland hat 58 Gouvernements.)

2. Ein Teil der Reservisten von 9 Distrikten von 4 Gou­vernements.

3. Die Reservisten der Flotte von 64 Distrikten in 12 ruf­fischen Gouvernements und einem finnländischen Gou­bernement.

4. Die beurlaubten Kosaken im Dongebiet Kuban, Terek , Astrachan , Orenburg und Ural ..

5. Die entsprechende Anzahl von Reserveoffizieren Aerzten, Pferden und Wagen find gleichfalls zu den Waffen gerufen.

Mit diesem Ukas läßt der Russenzar, den die Welt einst

Wie konnten und können da diese klugen" Realpolitiker Das beispiellose Treiben der unverantwortlichen den Friedens- Baren nannte, weit über die Hälfte seiner auch nur eine Sekunde lang übersehen, daß doch von vorn Kriegsheber sucht Raiser und Kanzler mattzu­herein mit der Tat der innigsten Freundschaft Rußlands zu Kriegsheber sucht Kaiser und Kanzler mattzuseßen und Serbien gerechnet werden mußte! Wie konnte man da Dester- die Kriegsfurie skrupellos zu entfesseln! reich blindlings schalten und walten lassen, ohne jedwede Rück- Ihm gilt es in der schicksalsschwersten Stunde die uner­ficht auf die Politik des Zaren zu nehmen, dessen Wünsche doch schütterliche Losung entgegenzusehen: sonst die deutsche Regierung über Gebühr respektierte und der

tiefenarmee auf Kriegsfuß seßen und hat damit die Explosionsgefahr in der verbrecherischsten Weise erhöht. Was nügen alle Erwägungen, daß russische Mobilisationen nur langsam vor sich gehen, daß im russischen Heere vieles faul ist. Einen Vorteil haben die russischen Machthaber, fie verfügen über ein schier unerschöpfliches Menschenmaterial, über einen zum größten Teil bäuerliche Bevölkerung mit tiefem Kultur­

doch seinerzeit das Telegramm empfing Rußlands Trauer. Die Bahn frei für Verhandlungen für niveau, die sich heute noch mehr oder weniger willenlos zur

Deutschlands Traner".

Aber sprechen wir nicht von Vergangenem, selbst

nicht von'ng stbergangene m. Halten wir uns an die Situation von heute, das Gebot der Stunde. Prüfen

Schlachtbank schleppen läßt. Mit dieser Maßnahme der russischen Regierung und durch die heimtückische Haltung der russischen Diplomatie wird das Mobilisierungsfieber in Europa zu einer die Katastrophe herbeiführenden Höhe ge­

die Sicherung des Friedens!

Kriegshehern! teigert. Noch hat Deutschland , noch haben die westlichen

wir den Standpunkt der Lokaliſierung" des österreichisch- Nieder mit den

Serbischen Konflitta