Nr. 208. 31. Jahrgang. 2. KeilM im Lmiick" Serlim vcksdlR Zanntag, 2. Auguß 191�. Mittwoch, äen 5. August: 2ahlaben<l m Groß-Berlin. Soweit in den Vororten ein anderer Tag festgesetzt ist, erfolgt die Bekanntgabe durch die örtlichen Borstände. Parteigenossen! Die Berliner Parteileitung beabsichtigte am Dienstag, de« 4. August, öffentliche BoltSversammlungen einzuberufen, um der Arbeiterschaft Groß-Berlios noch einmal Gelegenheit zu geben für den Frieden einzutreten. Dieser Plan ist ver- eitelt worden. Dem Geuoffen Eugen Ernst als Einberufer der Berfammlungen wurde von dem Königliche« Polizeipräsidium folgender Bescheid: »Auf Ihr Gesuch vom 1. August er. um Genehmigung von 17 öffentlichen Versammlungen für den t. August er., abends*1�1 Uhr. mit dem Thema: »Für den Friedenl Gegen den Krieg I- wird Ihnen zum Bescheide, daß ich die Genehmigung zur Abhaltung dieser Versammlungen versage." Die Bersammlunge« finden demnach nicht statt. Soweit Berfammlungen in den Bororten einberufen find, folgt Bekanntgabe in der nächsten Nummer des„Vorwärts". Der geschäftSfnhrende Ausschuß. vor unö nach öer Entscheidung. Heute fällt die Entscheidung! Das war der Hauptgedanke, der am gestrigen Tage durch alle Hirne, durch alle Herzen zuckte und wie eine gewitterschwüle Wolke über der Reichshauptstadt lagerte. Er war es auch, der vom frühen Nachmittage an Tausende und Abertausende von Menschen nach den Linden und der Friedrich- stadt trieb. Die Ungewißheit drückte lähmend auf die Gemüter aller. In Hangen und Bangen verharrte die Menge und staute sich an den Brennpunkten des Verkehrsleben« wie ein ungeheurer Wall zusammen. Wird daS Schreckliche Ereignis? Soll e« wirklich so- weit kommen? Das Unglück ist ja furchtbar, um in seiner ganzen Größe erfaßt zu werden. Aber ein dumpfe», grausiges Ahnen bricht sich Bahn und pflanzt sich fort von Mensch zu Mensch, von Gruppe zu Gruppe. Immer erregter wird die Stimmung, immer wilder die Gerüchte, die mit Dlitzeseile die Reihen durchfliegen. Da— am Cafe Victoria hält ein Auto, umgeben von einem brodelnden Meer von Menschenleibern. Ein Herr steht aufrecht im Wagen und gebietet Ruhe. Er verkündet, daß Rußland den Krieg erklärt habe. Ein Teil der Zuhörer schreit auf, die anderen drängen in tiefem Ernst zurück. Die Männer fragen sich gegenseitig, wer mit müsse. „Ich, ich, ich auch, wir auch!" tönt es au» der Runde. Ach, die meisten müssen mit.»Ich habe vier kleine Kinder!" sagt ein Herr von etwa 30 Jahren.„Meine Frau ist erst mit Zwillingen nieder- gekommen", ein anderer. „In unserer Familie müssen 4 mit; 3 sind schon fort." Auf einer Bank sitzt eine ältere Dame. Neben ihr zwei junge blühende Söhne. Sie reden leise und beruhigend auf die Mutter ein. Doch ihre Mundwinkel zucken konvulsivisch und über die blassen Wangen rollen die Tränen.... Zwei Männer, die anscheinend auch einrücken müssen, unter- halten sich:»Wenn man bloß wüßte, für wa» man in den Krieg zieht," sagt der eine.„Ja," meint der andere, weil zwei Lausejungen, zwei Verbrecher geschossen haben!" Und so dreht sich überall da» Gespräch um das gräßliche, kaum faßbare Vorhaben. Züge von Jugendlichen ziehen vorüber. Fahnen flattern, heisere Kehlen schreien. Ein dumpfes Brausen erfüllt die Luft. Die Nestau- rants sind beängstigend gefüllt. Von den Balkons herab winken Frauenhände. Unten, am Schlosse, fluten schwarze Ströme auf und nieder. Ein dichter'Knäuel hält die Einfahrt besetzt. Ab und zu singen die Vordersten und bringen Hoch« aus, aber die Laute pflanzen sich nur eine kurze Strecke fort und verstummen bald. Hinten ist es todernst. Die meisten müssen einrücken oder haben Angehörige, die die Trom- mel ruft. Die wirtschaftliche Frage wird eingehend erörtert. Jetzt wird am Balkonfenster des Schlosses die Gardine weggezogen. Die Flügeltüren öffnen sich. Der Kaiser und die Kaiserin erscheinen. Sie winken beide. Lange dauert e», ehe Ruhe herrscht. Dann redet der Kaiser. Man hört ihn weit. Alle Parteien müßten jetzt ver- schwinden, ein einig Volk von Brüdern sollten wir sein. Da» ist der Sinn der Rede. Dann schließen sich die Fenster wieder. Die Menge drängt nach den Linden zu. Hinter der Nanonalgalerie versinkt der Sonnenball. Groß und rund. In den Scheiben des Schlosses spiegelt sich der Widerschein wie züngelnde Flammen. Und der westliche Himmel glüht in tiefem Rot. Ueber die Dächer rieselt es purpurn, wie dickes, warme» Herz- blut.... •* » Die Spannung löste sich als bekannt wurde, die Mobilmachung sei angeordnet. Wenn auch der Beifall der Kriegslüsternen stark her- vortrat, so konnte dem aufmerksamen Beobachter doch nicht entgehen, wie Vielen mit der Bekanntmachung der letzte Strohhalm ihrer Hoff- nungen entglitt und tiefernste Sorge auf» Antlitz trat. Gegen Ytü Uhr wurde daS Gedränge vor dem Zeughaus, gegen- über dem Kronprinzenpalais geradezu lebensgefährlich. Kinder und halbwüchsige Burschen haben die Auffahrt besetzt, auf jeden Kandelaber turnen mehrere Burschen herum. In ununterbroche- ner Folge wird Lied auf Lied gesungen, dazwischen werden Hochs auf alles mögliche ausgebracht. Um M Uhr zeigen sich zwei weiß- gekleidete Damen auf dem Balkon. Da kennt die Aufregung keine Grenzen mehr. Bis dann um �10 Uhr berittene Schutzleute in die festgekeilte Masse hineinreiten und fortwährend die Bitte aus- sprechen:„Die kronprinzlichen Herrschaften bitten um Ruhe." Nach und nach geben sich die Schreier zufrieden, dann wird die Rampe geräumt und gegen 10 Uhr ist dann endlich Ruhe eingetreten. Die Menschenmassen jedoch fluteten bis spät in die Nacht. Parteiangelegenheiten. Zur Lokalliste. In Lankwitz sT.-B.j sind trotz vielfacher Verhandlungen folgende Gastwirte nicht zu bewegen, der organisierten Arbeiter, chaft ihre Säle zu Versammlungen herzugeben, und daher streng zu meiden: HeynerS Festsäle. Kaiser-Wilhelm-Straße 29-81, Inhaber Ferrnet,„Grüne Linde". Hauptstraße. Inhaber Hell. Ptkler« Viktor, a- Garten, Biktoriastraß«. Die Lokalkomnusfion. t 1. Kreis, 1. Abteilung. Am Mittwoch, den S. August, bei Stein, Stralauer Brücke 3: Zusammengelegter Zahlabend. Vortrag des Genossen Sachtleben über:»Moderne Feuerbestattung". Dritter Kreis. Die jugendlichen Parteigenossinnen und Genossen von 18 bis 21 Jahren beteiligen sich am heutigen Sonntag an dem Ausflug nach Kaulsdorf -Süd. Treffpunkt früh 8 Uhr am Schlesischen Bahnhof . Das Kinderfest des vierten Wahlkreises, da» heute in Ludwigs Viktoriagarlen in Treptow stattfinden sollte, findet nicht statt. Ober- SchSncweide. Am Mittwoch, den S. August, finden zwei gemeinsame Zahlabende statt: Für die Bezirke 1. 1», 2, 2a,'3 und 4 in Haberlands Ballsalon, Siemensstr. 5; für die Bezirke 5, S, 6a, 7 und 8 bei George. Wilhelminenhofstr. 42. Tagesordnung: „Die gegenwärtige politische Situation". Referenten: Behrenbeck und Ramsbrock. Niederschönhausen -Rordend. Mittwoch, den B. August: Gemeinschaftlicher Zahlabend ini Lokal»Schwarzer Adler" sJnh. Rettig). Blankenburger Str. 4. Tagesordnung: Stellungnahme zum Partei- tag, Referentin Genossin Anna Matschke. Bericht von der KreiS- konferenz. Vereinsangelegenheiten. Verschiedenes. Serliner Nachrichten. Der Rückstrom nach Derlin. Nachdem schon in den letzten Tagen angesichts der un- ruhigen Lage zahlreiche Berliner Sommerfrischler zurückgekehrt waren, setzte am Freitagnachmittag nach Bekanntwerden der Verhängung des Kriegszustandes ein Rückfluten nach der Reichshauptstadt ein, wie es kaum je zu verzeichnen gewesen ist. In jeder kleinen Sommerfrische waren bereits am Frei- tagnachmittag von Provinzialzeitungen Extrablätter heraus- gegeben worden, die den Ernst der Lage nicht verhehlten und zum größten Teil auch die Nachricht von der Verhängung des Kriegszustandes brachten. So war kein Halten mehr. Alles eilte mit den hastig gepackten Koffern nach der Bahn, um noch Anschluß zu erlangen. Am schlimmsten sah es in Süddeutsch- land aus. wo die aus den oberbayrischen Bergen flüchtenden Sommerfrischler, verstärkt durch den Passagierrückstrom aus Tirol, sich in München stauten. Die dortigen Hotels und Privatlogis waren so überfüllt, daß in der Nacht zum Sonn- abend Hunderte von Personen obdachSloS waren und die Nacht in Cafes oder Restaurants verbringen mußten. Auf dem Münchener Hauptbahnhof wurden Züge über Züge nach Berlin rangiert und sofort von dem Neisepublikum gestürmt. Ueber- füllt fuhren die Trains nach Berlin ab und in Nürnberg , wo ebenfalls viele Hunderte nachts auf die von München kommenden Züge warteten, gab es nur ein Achselzucken der Beamten, die beim besten Willen in dieses Chaos nicht Ordnung zu bringen vermochten. Glücklich diejenigen, die in den Coupes einen Sitzplatz gefunden hatten. In den Korridoren der D-Züge stand hochaufgestapelt dd« Gepäck und darauf saß oder da- neben stand der Inhaber seiner Effekten, der so acht bis zehn Stunden zubringen mußte. In München wurden am Freitag- nachmittag und-abend sechs Bor- und sstachzüge nach Berlin abgelassen, die sämtlich sofort überfüllt waren. Die Züge trafen dreiteilig ein. Allerdings hatten die Züge Verspätungen von 1—1'/, Stunden. Auch auf der Potsdamer Strecke, die die Harz - und Nheinlandrciscnden benutzten, herrschte derselbe riesige Verkehr nach Berlin . Etwa zehn Züge brachten viele Tausende BerlinerSommorfrischler zurück, doch dürfte sich hier der Verkehr in gleich starker Weise bis Montag fortsetzen. Wohl am schlimmsten sah es auf der Stettiner Strecke aus. Hier war der Andrang ein derartig großer, da ununterbrochen Züge aus Kolbcrg, Zoppot , Misdroy , Heringsdorf eintrafen. Wie man uns meldet, lagen die Ostseebäder am gestrigen Vormittag verödet da. Nur ganz wenige Gäste sind dort gc- blieben, weil übertriebene Alarmnachrichten kursierten. Von der Rückflutung aus den Schlesischen Bädern auf dem Görlitzer Bahnhof war nichts zu erfahren, da die Behörden Auskunft nicht erteilten. Sehr viele Anschlußzüge an die Hauptstrecken fielen ganz auS, da vorauszusehen war, daß sie den Anschluß doch nicht mehr erreichen würden. Ausfuhrverbot für Grost -Berlin . Zur Sicherung des Lebensmittelbedarfs in Groß-Berltn bestimme ich hiermit: Aus dem Gebiete des Zweckverbandes Groß-Berlin wird die Ausfuhr von Mehl und Getreide jeder Art wie von Schlacht- vieh und frischem Fleisch verboten, soweit es sich nicht um Lieferung für Militärbehörden handelt. Berlin , den 1. August 1914. Der Oberbefehlshaber in den Marken. v. Kessel, Generaloberst. Ein Brieftauben-Erlast. Der Oberprästdent der Provinz Brandenburg und von Berlin erläßt folgende Bekanntmachung: Für den Bereich der Stadtkreise Berlin , Tharlottenburg, Wilmert- darf, Schöneberg , Neukölln, Lichtenberg , Spandau . Potsdam , Branden- bürg a. H., EberSwalde , Frankfurt a. O., Landsberg a. W., der Land- kreise Teltow , Niederbarnim, Oberbarnim, Ost- und Westhavelland, Zauch-Belzig , LaudSberg, Soldin. Königsberg , Lebus , Ost- und West- Steruberg bestimme ich folgendes: 1. Die Besitzer von Briefrauben, welche dem verbände Deutscher Brieftaubenliebhabervereine nicht angehören, haben der Ortspolizei- behörde über die Zahl und den Aufenthaltsort ihrer Tauben unter Angabe der Linie, für welche die Tauben eingeübt find, sofort Mit- teilung zu machen. 2. Wer Brieftauben beherbergt, die nicht einem Mitgliede des Verbandes Deutscher Brieftaubenlieberhabervereine angehören, das heißt nicht den vom Bundesrat vorgeschriebenen Stempel Wappen mit kaiserlichem Adler auf der Innenseite beider Flügel) tragen, hat diese Tauben sofort der Ortspolizeibehörd« auszuliefern. Potsdam , den 81. Juli 1914. Der Königl. Oberpräsident der Provinz Brandenburg und von Berlin . Aufhebung der Sonntagsruhe. Das Oberkommando in den Marken gibt bekannt, daß für de« heutigen Sonntag die Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Sonntagsruhe außer Kraft gesetzt sind. Ebenso teilt der Polizeipräsident von Jagow mit, daß mit Rücksicht auf die angeordnete Mobilmachung keine Bedenken be- stehen, daß die Bestimmungen der Gewerbeordnung betreffend die Sonntagsruhe ffir die Dauer der Mobilmachung auße� Kraft gesetzt werden._ Die Kassenschein> KristS» die schon am Freitag unmittelbar nach Erklärung des Kriegs- zustattdcs einsetzte und am Sonnabend gewaltigen Umfang an- nahm, ist letzten Endes der Panik im Publikum zuzuschreiben. Die von der Schnelligkeit der sich jagenden Weltereignisse überraschte und bestürzte Bevölkerung ist begreiflicherweise nervös geworden und hört auch nicht auf die amtlichen Mahnungen, daß Reichs- banknoten ohne jedes Risiko verkehren können. Es steht zu hoffen, daß schon in den nächsten Tagen diese Krisis ihr Ende er- reicht, aber zunächst ist der Mangel an Metallgeld j» außerordentlich fühlbar geworden, daß selbst die großen Kassen in der Hauptsache Scheine ausgeben, Gold und Silber nur in ovrhältniS» mäßig geringer Menge. Wie ist das möglich geworden? Weil das Publikum fast alles Metallgeld, besonders Gold, fest in den Händen behält und es förmlich sammelt» dagegen die Scheine mit allerlei Tricks loszuwerden versucht. So wurden auf den Post- ämtern massenhaft Briefmarken in kleinen Posten verlangt oder kleine Geldbeträge eingezahlt und große Kassenscheine präsentiert. Die Po stkam diesen Ueberängstlichen entgegen, soweit sie dazu in der Lage war, dagegen ist das bloße Einwechseln von Scheinen in Gold oder Silber überall rundweg abgelehnt worden. Bei der Geldbestellung wurde vielfach die Annahme von Papiergeld in großen Scheinen verweigert. Das ist schon deshalb töricht, weil die Post keine Verpflichtung hat, in bestimmten Geldsorten aus- zuzahlen. DaS verweigerte Geld geht also an den Absender zurück. Noch fühlbarer war die Panik im Wirtschaftsleben. In den Markthallen wollten die Engroshändler kein Papiergeld annehmen. Sehr zahlreiche Kleinhändler kehrten ohne Wareneinkauf zurück, wodurch in den Außenbezirken der Stadt momentan Schwierigkeiten beim Einkauf von Lebensmitteln entstanden. Da auf diese Weise ein Keil den anderen trieb, weigerten sich natürlich auch die Klein- Händler, Scheine in Zahlung zu nehmen. Selbst die aus den Staatsdepots massenhaft in Verkehr gebrachten Zehn- und Fünf- markscheine wurden zurückgewiesen. Im-der Reichsbank, wo gestern vormittag fast ausschließlich auch nur Kassenscheine aus- gegeben wurden, kam es zu erregtesten Szenen. Die Beamten beteuerten vergebens, daß kein Metallgeld da sei und auf frische Zufuhr gewartet werden müsse. Tausende umstanden, auf Geld wartend, das Reichsbankgebäude, während in den Depositenkass«« dr Großbanken der Verkehr nur wenig größer war als sonst am Monatscrsten. Hier sind auch gestern die Depots nicht in dem erwarteten Umfange abgefordert, sogar recht erhebliche Summen von vernünftigen Leuten, die sich durch ine Panik nicht beirren ließen, eingezahlt worden. In Fabriken und Werkstätten war ebenfalls die Erregung bei der Lohnzahlung, die zum Teil in Scheinen erfolgte, groß. Niemand glaubte etwa an die Ungültig- kcit der Scheine. Alle waren sich nur bewußt, in der gegenwärtigen Situation die als Arbeitslohn gezahlten Kassenscheine nicht oder sehr schwer klein kriegen zu können. Und dieser papierne Besitz be- deutet für den Arbeiter, der kein anderes Geld hat, die Brotlosig- keit. Wie gesagt, dürfte aber die Kassenscheinpanik bald abflauen, schon weil daS festgehaltene Metallgeld naturnotwendig wieder zum Vorschein kommen muß. * Auf der Neuköllner Steuerkasse wollte gestern vormittag eine Frau die Steuern in Höhe von über 60 M. entrichten. Sie überreichte dem Beamten einen Hundertmarffchein. Achselzuckend bemerkte der Beamte, daß er leider kein Kleingeld habe, worauf die Frau erwiderte, daß sie dann also ihre Steuern nicht loswerden könne. Die Frau verließ unvcrrichtcter Sache die Steuerkasse. Der Ansturm der kleinen Sparer dauert trotz aller Beschwichtigungsversuche fort. Am Sonnabend vormittag hatte die Belagerung der Berliner Sparkasse einen solchen Umfang'angenommen, daß es eine» erheblichen Polizeiaufgebote« bedurfte, um die Ordnung unter den Andrängenden aufrecht zu erhalten. In der Burgstraße zog sich der Aufmarsch der AbhebungS« lustigen vom Sparkassengebäude auS bis zur Kurfürstenbrücke hin. Reitende Schutzleute und solche zu Fuß verhinderten, daß allzu Un- geduldige sich vordrängten. Kellner au» benachbarten RestauranIS boten in weißer Jacke den Harrenden Bier an und Bananenverkäufer gingen hin und her. Gut die Hälfte der Erschienenen bestand auS Frauen und vielen von ihnen sah man an. daß bittere Not sie treffen würde, wenn nun der Ernährer fortgerissen wird. Auch in den Großbanken hat die Zahl der abhebenden kleinen Sparer stark zugenommen. Der Zinsfuß für tägliches Geld stieg bei der Deutschen Bank auf 3'/, Proz. In den Filialen waren mit Blau- stift beschriebene Plakate angeschlagen, in denen es hieß:»Bitte die Ruhe behalten. ES wird alles bezahlt." Mobilmachung und städtische Angestellte. Der Magistrat trat gestern vormittag unter dem Vorsitz de» Oberbürgermeisters zu einer Sitzung zusammen, um über die er» forderlichen Maßnahmen für den Fall einer Mobilmachung zu be» raten. ES wurde u. a. darüber Beschluß gefaßt, in tvelcher Weise für da» zur Fahne einberufene Personal der Krankenanstalten Ersatz zu schaffen ist und wie die Lazarettaufnahme geregelt werden soll. Ferner beschäftigte sich der Magistrat mit der Regu- lierung der Gehälter für die eingezogenen städtischen Beamten und Angestellten. Außerdem sollen alle Ausgaben für alle nicht dring- lichen Angelegenheiten zurückgestellt und die städtischen Bauten, deren Ausführung im Augenblick nicht unbedingt erforderlich ist, eingestellt werden. DaS Militärbureau des Magistrats hat in eingehender Weise für die hiesige Einquartierung von Truppen Vorsorge getroffen und ebenso die Frage der Familienunterstützung für die einberufe- nen Mannschaften geregelt. Im Falle einer Mobilmachung wird außerdem sämtlichen einberufenen Arbeitern und Bediensteten der; Stadt Berlin der fällige Lohn sofort ausgezahlt.
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