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Nr. M.- 1914. Unterhaltungsblatt ües vorwärts Mittwoch, 36. August. Krieg. Di« Welt speit Slut! Gewaltig stählerne Spinnen kriechen über ües stlltags Seginnen, aus ihren stugen schlägt Menschen frestenöi Glut. �lus steinerner Stille raucht Haß wie Wein, ungeheure Hengste finü lebendig geworden in Regen und Wind, in Sternen und Sonnenschein. Geh an einen Saum vorbei, Durch reifender§elder raunende 5lut, zu Eis erstarrt dich ein hölllsther Schrei: Die Welt speit Slutl Hlfons petzold. Kriegstage in Petersburg  . VI. Ein trauriges Kapitel. Viel Weisheit bedurfte es nicht, um zu erkennen, dah nach der Ueberreichung des deutschen   Ultimatums an die russische   Regierung der Ausbruch des Weltbrandes nur noch eine Frage von einigen Stunden war. Grund genug siir inich. an die Abreise aus Ruß- land zu denken. Was mich zum Ausbruch mahnte, war nun weniger das Gefühl der persönlichen Unsicherheir oder die Furcht vor Ver- Haftung und Verbannung. Die Festung Perm, die als Ver- bannungSort für Deutsche   genannt wurde, schreckte mich nicht: ich wäre selbst noch weiter sibirienwärts gereist, denn dort muhte es für einen Sozialisten viel Neues zu schauen und zu berichten geben. Auch fühlte ich mich in meiner Wohnung wohl geborgen. Der Zufall hatte mich zu einem Polen   geführt, der im Verein mit seiner Frau olles tat, um mich vergessen zu machen, dah ich in Ruhland war. Mein Hauswirt hat in diesen schwülen Tagen, als alles: Tod den Deutschen  ! schrie, einen seltenen moralischen Mut gezeigt. Während der Kriegszeit in Feindesland zu sei», die Stimmung der Petersburger, der russischen Bevölkerung zu beobachten und darüber zu berichten, deuchte mich interessant und wichtig genug, persönlichen Unannehmlichkeiten zu trotzen. Anderen Sinnes wurde ich erst, als sich die vollständige Unmöglichkeit zeigte, einen Brief über die Grenze zu bringen und irgendwelckie Nachricht von der übrigen Welt zu erhalten. In dieser welthistorischen Zeil ohne jede Kunde zu sein, wurde mit jedem Tag unerträglicher. Dah das, was die russischen Blätter berichteten, Schwindel war. stand außer Zweifel. Aber wie die Wahrheit erfahren? Dann rückte der Tag heran, wo ich ohne Geldmittel war. Ohne eine bestimmte Anzahl Rubelchen in der Tasche muhte sowohl der Forscherdrang stark nachlassen als auch das Bewuhtiein, den drohenden Unannehmlichkeiten gewachsen zu sein. Das bestimmte mich schliehlich, die Fahrkartenverkäufer zu besuchen, �ch wollte nach Port Arthur   und Kiautschou  . Auf der langen Reste durch Sibirien   hoffte ich vieles schauen zu können. Die Hoffnung war umsonst. Auf den Mond könne man jetzt vielleicht noch kommen, aber nicht durch Sibirien  , sagte der Kerl am Fahrkartenschalter, die Verbindung mit der deutschen   Grenze sei auch schon unterbrochen, die mit Schweden   ebenfalls. Und das alles, noch ehe eine Kriegs- erklärung erfolgt war. Sich nun noch mit der Abreise zu beschäftigen, war zwecklos; gescheiter jedenfalls, das Straßenleben zu betrachten. Auf meiner Wanderung gewahrte ich in der Gogoljastrahe einen mächtigen Haufen erregt redender Menschen. Zu meiner Ueberraschung waren es Landsleute. Aus ihren Gesprächen war zu entnehmen, vatz das HauS, vor dem sie standen, das deutsche Konsulat war, und dah der Konsul ihnen gesagt hätte, von einer Mobilisation in Deutschland  sei keine Rede, sie sollten nur getrost wieder an ihre Arbeit gehen. Das konnte bloß ein MihverständniS sein; unmöglich konnte der Konsul einen solchen Rat gegeben haben, jetzt, wo die Kriegserklärung mit Bombensicherheit zu erwarten war. Wenn die Polizei jetzt schon sich weigerte, oie Pässe auszufertigen, so würde sie es nach der Kriegserklärung erst recht tun. Grund genug, die Papiere schleunigst in Ordnung bringen zu lassen. In Ruhland besteht der Untertan auL Knochen. Seele und Pah. Die Knochen verlangt der Unternehmer, die Seele der Pope, den Pah die Polizei. Wenn Knochen und Seele nicht in Ordnung sind, mag es noch gehen, denn Unternehmer und Pope geben sich schließlich zufrieden; der Pah aber muh unbedingt in Ordnung sein. Ohne- dem kein Einlaß und kein Ausgang aus dem Machtbereich de? Zaren. Nun läßt sich zwar, wie ich von einem früheren Besuche Ruh- landS weih, das russische Polizeiauge mit einigen Rubelchen über. kleistern. Ob dies aber jetzt zur KriegSzeit möglich war, konnte schwerlich gesagt werden. Jedenfalls war es besser, den Pah mit der Erlaubnis zum Verlassen des Landes versehen zu lassen. Vom Konsulat eilte ich aufS Polizeibureau meines Wohnbezirks. Unmöglich, bis in die Polizeistube vorzudringen. Straße, Hof und Treppe mit Gestellungspflichtigen vollständig gefüllt. Andern Tags, am Sonntag, den 2. August, glückte es mir, an den Amtstisch zu kommen. Mein Verlangen könne oder dürfe nur erfüllt werden, wenn der Dwornik sHauSmeister) mit dem Hausbuch komme. So kehrte ich denn um, übergab dem Dwornik meinen Pah nebst zwei Rubclchen mit der Weisung, ihn für die Abreise stempeln zu lassen. Am folgenden Tage brachte er ihn ausgefertigt zurück. Gottlob! wäre ich später mit dem Pah aus die Strohe gekommen, wäre ich sicherlich verhaftet worden, wie so viele meiner'Landsleute. Was nach den Begebenheiten der letzten Tage jeder vernünftige Mensch erwarten konnte, muhte, trat prompt ein: in der Nacht vom 1. zum 2. August war die Kriegserklärung erfolgt. In aller Frühe des Sonntags erfuhren es' die Einwohner Petersburgs. Auf die deutsche Landsmannschaft wirkte die Kunde wie ein Bomben- schlag. Was tun? Als gut erzogene deutsche Untertanen eilten sie zu ihrer Behörde, zunr Konsulat, um zu fragen, was zu tun sei. Dort angekommen, erfuhren sie zu ihrem Entsetzen, dah der Konsul in der Nacht PeterSbnrg verlassen halte. Die Schilder waren entfernt worden, die Türen geschlossen. Vom Konsulat zogen sie zur Botschaft. Dort hörten sie die nämliche Kunde. Der Menschenhaufe wurde schnell größer. AuS den Vorstädten und aus der Umgebung Petersburgs kamen geängstigte Landsleute herbei. Weder Rat noch Hilfe konnten sie erhalten. Vor dem Konsulat traf ich vier Mitglieder des Deutschen Metall- arbeiterverbandeS, die eben auS Moskau   angekommen ivaren. Sie hatten auf dem russischen   Konsulat in München   einen Ver- trag für eine Stellung in Moskau   abgeschloffen, fanden bei Ankunft an dem neuen Arbeitsplatz, dah sie über die Verhältnifle elend ge- täuscht worden waren und sahen sich ständig von ihren russischen Arbeitskollegen bedroht. Der Konsul in Moskau   gab ihnen eine Fahrkarte nach Petersburg   und einen Brief, der ihre Mittellosigkeit bestätigte. Als sie zum Konsulat in Petersburg   kamen, war es leer. So standen die Menschen in dem wildfremden Lande ohne Freunde, ohne Geld, ohne einen Bissen Brot. Die vier Münchener Schloffer sollten bald viele Leidenskollegen erhalten, die noch ein viel trau» rigereS Lied zu singen wußten. Irgendwo entstand das Gerücht, dem amerikanischen   Konsul sei die Vertretung der deutschen   Interessen übertragen worden. Die Landsmannschaft stürmte in immer stärker werdenden Scharen zum amerikanischen   Konsulat. Sie wurden wohl höflich empfangen, aber weder Rai noch Hilfe wurde ihnen zu teil. All den Klageliedern gegenüber konnte der Konsul weiter nichts antworten als: Ich habe noch keine Instruktion von meiner Regierung. Die Zahl der Deutschen   in Petersburg   wuchs mit jedem Tag, mit jeder Stunde. AuS Finnland   kamen die Ausgewiesenen, auS dem Innern des Reiches Flüchtlinge, die mit einem jener deutschen  Schiffe in die Heimat wollten, die in Petersburg.  wie gesät" stehen sollten. In den Fabriken mutzten auf Verlangen der russischen Arbeiter die deutschen   Arbeiter und Beamten sofort entlassen werden; in den Handelsgeschäften und Banken desgleichen. Die Haus- besitzer warfen die deutschen   Mieter kurzerhand auf die Straße, die Herrschasten die deutschen   Dienstmädchen. Ohne Obdach, ohne Mittel, ohne Brot kamen sie alle zum amerikani- scheu Konsul mrt   der Bitte um Hilfe: Herr Konsul, die und die Kollegen sind spurlos verschwunden! Meine Möbel find auf die Strohe geworfen worden I Die Polizei gibt meinen Pah nicht heraus I Dieser und jener von meinen Landsleuten ist verhastet worden I Auf alle diese Klagen wußte der Konsul nichts zu sagen. Bald setzte die russische   Behörde mit der systematischen Be- obachtung, Registrierung und Verhaftung der Deutschen   und Oester- reicher ein. In der Presse wurde ein auffallend gehässiger Ton gegen die.Feinde" angeschlagen. Was wird erst werden, wenn die Ruffen im Felde geschlagen find? fragten und stagen sich die im Machtbereich des.Friedens- zaren" eingeschlossenen Deutschen   und Oesterreichcr. ___ Ehagrtn. /tos öer Gefihichte öer§eftung Namur. Namur   ist als wichtiges Eingangstor aus Frankreich   nach den Niederlanden der Gegenstand häufiger Kämpfe gewesen. Die Stadt war schon in frühester Zeit befestigt. Als aber dann die Niederlande in ihren furchtbaren Krieg mit Ludwig XIV.   verwickelt wurden, erhielt die Stadt ein Schutz- und Schirmkleid von besonderer Stärke. Trotzdem unternahm Ludwig XIV.   im Jahre 1692 in höchst eigener Person mit 46 660 Mann die Belagerung. Vauban   als Meister der Belagerungskunst leitete die Arbeiten, während der Herzog von Luxemburg   mit 60 006 Mann die Belagerung deckte. Die spanische Besatzung zählte nur 8300 Mann. Am 6. Juni muhte sich die Be­satzung, die zu schwach war, um die ausgedehnten Werke verteidigen zu können, in der Zitadelle und in das nach seinem Erbauer Coe- Horn benannte Fort zurückziehen. Aber auch hier konnten sie sich nicht halten, und nach dreiwöchigem hartem Kampf kapitulierte zunächst das Fort und dann am 30. die Zitadelle. Namur   wieder zu gewinnen, war nun das stete Streben der Niederländer, und so rückten sie denn Anfang Juli 1695 vor die Stadt, die die Franzosen unter Bouffiers besetzt hielten. Wiederum mutzte nach tapferem Widerstand zunächst die Stadt kapitulieren; die Verteidigung der riesigen Werke machte zu bedeutende Schmie- rigkeiten, und so zogen sich denn am 5. und 6. August etwa 1000 Franzosen in die Zitadelle zurück. Boufflers übergab am 1. Sep- tember 1695 die Zitadelle und durste mit allen kriegerischen Ehren abziehen. Die Stadt wurde dann durch denBarrieretraktat" 1715, durch den England den holländischen Generalstaaten zu ihrer künftigen Sicherheit den Besitz einer Reihe von Festungen in den spanischen Niederlanden gewährleistete, zum Barriereplatz erklärt und von den Holländern besetzt. Die Franzosen haben jedoch Namur   im 18. Jahrhundert der- schiedene Male eingenommen. Im Jahre 1746 erschienen sie unter Clermont vor Namur  , das sich bald auf Gnade und Ungnade er- geben mutzte. In der Zeit der Revolutionskriege unternahm der französische   General Valcnce nach der Schlacht bei JcmappeS 1792 die Belagerung der von den Oesterreichern besetzten Festung. Kaum waren die Parallelen eröffnet, so muhte die Stadt auch schon ver- lassen werden; in der Zitadelle leistete die Besatzung tapferen Widerstand, ohne sich aber halten zu können. Im folgenden Jahre mutzten die Franzosen infolge der Schacht bei Neerwinden   die Stadt wieder räumen; als aber 1794 die Verbündeten den allgc- meinen Rückzug antraten, übergab die schwache österreichische Lc- satznng die Zitadelle von Namur   den Franzosen  , ohne Widerstand zu leisten. Tie Eroberer schleiften damals alle Werke. Nainur war nun 20 Jahre lang die Hauptstadt eines französischen   Departe- ments. In dem Feldzug von 1815 gegen Napoleon   war sie zum letzten Mal der Schauplatz kriegerischer Ereignisse; am 20. Juni fand hier ein sehr heftiges Rückzugsgefecht zwischen einem französischen   und einem preutzischen Armeekorps statt. Blutige Kämpfe spielten sich in den Stratzen ab. Seitdem ist Namur   wieder außerordentlich stark befestigt worden._ Notize«. Der Schlachtenmaler. Auf Wunsch des Kaisers hat sich der Schlachtenmaler Theodor Rocholl   in Düsseldorf   nach dem westlichen Kriegsschauplatze begeben, um dort für die Her- stellung von Schlacktenbildcrn Studien zu machen. Herr Rocholl bat auch dem Kriege in China   sowie dem griechisch-türkischen Krieg und dein Balkankrioge als Schlachtenmaler beigewohnt und viele Ereignisse auf blutiger Wahlstatt im Bilde verewigt. Daß für die Kunst etwas dabei herausgekommen wäre, hat man aller- dings nicht gehört. Der deutsche Munitionsverbrauch betrug im Kriege 1870/71 etwa 338 310 Geschosse der Feldartillerie, 520 500 der Belagerungsgeschütze und 20 Millionen Gewehrpatronen. An dem Verbrauch des jetzt entbrannten Krieges gemessen, dürften diese Mengen klein erscheinen! Im L e s s i n g- M u s e u m(Brüderstr. 13) nehmen die regelmäßigen Vortragsveranstaltungen Donnerstag, den 27. August, ihren Anfang mit einemKriegSballaden-Abend" des Kgl. Schau­spielers Karl Vogt  . Er bringt Dr. Frederking zu Gehör. An- fang 8 Uhr. Die Deutsche   Bühnengenossenschast veran« staltet ihre ersten.Patriotischen Kunstdarbietungen" zu wohltätigen Zwecken am Sonnabend, den 29. er., und Sonntag, den 30. d. M-, im Nollendors-Theater. Beginn 61/t Uhr. Für samtliche Billetts, die mit den Logenplätzen beginnend der Reihe nach auS- gegeben werden, ist ein Einheitspreis von SO Pf. inkl. Garderobe und Zettel festgesetzt worden. Vortragsabende znm Besten notleidender Bühnen initglleder. Am Sonnabend, den 29., und Sonntag. den 30. August, finden im Friedrich- Wilhelmstädtischen Theater Wohltätigkeitsveranstaltungen statt, deren Reinertrag notleidenden Künstlern zugute kommt. Das Programm setzt sich aus dem Ernst der Zeit entsprechenden Gesangsvorträgen und Rezitationen zu- sammen. Das Arrangement der Veranstaltung hat der Theater« direltor William Löwe übernommen. Die Union Deutsche Verlag« gesellschaft in Stuttgart  , Berlin  . Leipzig  . Wien  , gibt schon die.Illustrierte Gc- schichte des Weltkrieges 1914", Allgemeine KriegSzeitung, heraus. Jede Woche erscheint ein Heft zum Preise von 25 Pf. Theaterchronik. Agnes Sorma   wird im Deutschen Theater in den Aufführungen von.Minna von Barnhelm". die am 29. August und 1. September stattfinden, die Rolle der Minna spielen. Die Eintrittspreise des Deutschen Theaters sind um ungefähr 40 Proz. ermäßigt. Der zehnte Teil aller Einnahmen wird dem.Roten Kreuz" überwiesen. In den Kammer­spielen des Deutschen Theaters geht Anfang September Gutzkows Lustspiel.Zopf und Schwert" in einer Neueinstudierung in Szene. W] ?us und Recht. Roman von Fred B. Hardt. Frank Werner war noch stehen geblieben, steif aufgerichtet. und sah unverwandt zu dem Vorsitzenden. Der las die Be- gründung des Urteils mit derselben gleichmäßigen deutlichen Stimme ab; Das Gericht ist zur Freisprache wegen Erpressung ge- kommen, da es den Aussagen der Zeugin Adele Blinker- Crighton nicht genügend Glauben beigemessen hat. Tagegen gibt der Angeklagte selbst zu. daß er zu der Zeugin gesagt habe, sie könne ihren Sohn jetzt nicht sprechen, Briefe würden ihn nicht erreichen. Das ist objektiv unwahr. Und der An- geklagte mußte sich dessen als erfahrener Verteidiger auch subjektiv klar sein. Tie Zeugin hat nun bekundet, und in- soweit konnte das Gericht ihr Glauben beimessen, daß sie, falls sie nicht in den falschen Glauben versetzt worden wäre, sie könne mit ihrem Sohne nicht in Verbindung treten, diesen vor der Abtretung um Rat gefragt hätte. Daraus ergibt sich die kausale Wirkimg der unwahren Behauptung des An- geklagten für die Abtretung. Und da die Abtretung einen Vermögensnachteil für Frau Blinker-Crighton, einen Ver- mögensvorteil für Frau Berta Blinker bedeutet, so liegt der Tatbestand des Betruges vor." Landgerichtsdirektor Krantz machte eine kurze Pause und strich mit der Hand über den Bogen. Es sah aus, als ob etwas Unbedeutendes und Neben- sächliches wegwischen wollte.Die Sitzung ist geschlossen. Der Angeklagte ist abzuführen." Eine kurze steife Verbeugung nach dem Verteidigertisch hin. Krantz erhob sich und verschwand mit den vier sstichtern in dem Beratungszimmer. Als letzter ging Landgerichtsrat Hitzig, er drehte sich an der Tür noch einmal um und sein Blick suchte Frank Werner. Frank Werner sah das nicht, er hatte auch die letzten Worte nicht mehr verstanden. Es war ihm nur im Bewußt- fein, daß er verurteilt war. Er hatte ein wüstes Brausen in dsa mU> öm seinen Augen flimmerte eS. Die Menschen hatten sich leise, behutsam erhoben, laut- los, dann schlichen die Zunächststehenden nach dem Ausgang, andere schoben sich nach. Einige blieben noch stehen, als ob etwas Unerwartetes, Unerhörtes geschehen müßte. Es währte lange, bis der Saal sich leerte. Justizrat Losso saß vornüber- gebeugt am Vcrteidigertisch, den Kopf in die Hände gestützt. Dann sah er mit verstörten Augen zu Dr. Renker auf, der aufgestanden war und die Lehne des Stuhles mit den Händen fest umklammert hielt, als ob er ihn zum Schlage aufheben wollte. Er sah starr vor sich hin und hatte eilten höhnischen, verächtlichen Zug um den Mund. Die Letzten waren hinausgeglitten und hatten scheu zu Frank Werner hinübergesehen. Der Saal war leer. Die beiden Diener klinkten die Türen zu und standen wartend an der Treppe. Der alte Eichler schnäuzte sich. Justizrat Losso stand mühsam auf und drehte sich zu Frank Werner um, der immer noch starr in der Anklagehank stand und sich mit den Händen an der Balustrade festhielt. Das hätte ich nicht gedacht, nie! Ich bin dreißig Jahre in meinem Berufe, so ein Urteil habe ich noch nicht erlebt." Er faßte mit beiden Händen, die heftig zitterten, nach Frank Werner. Dr. Renker warf mit einem unterdrückten Fluch den Stuhl um, daß er krachend zu Boden fiel. Es wurde an der Tür gerüttelt. Der alte Eichler öffnete und trat hinaus. Man hörte, wie er sagteNein, meine Herren, nein, es geht nicht" Und man hörte eine andere Stimme, erregt und lautAch was, lassen Sie uns herein" Und Köstritz  , hinter ihm van Bosch und Karl Henkel, drängten vn dem Diener oorbei schnell auf Frank Werner zu. Das ist ja furchtbar, lieber Freund! Um Gottes Willen, den Kopf nicht verlieren!" Major von Köstritz   war ganz rot im Gesicht. Was wollen Sie jetzt tun, lieber Doktor? Was raten Sie, Herr Jnstizrat?" Kommcrzienrat van Bosch trat zu Justizrat Losso. Frank, sagen Sie doch ein Wort!" Karl Henkel schüttelte ihn am Arm. Helle Angst sprach aus seinen Zügen.Ich weiß nicht. Später." In demselben Augenblick brach er zusammen und stürzte in den schmalen Gang zwischen der Bank und der Rampe. Es krachte wie von zersplittertem Holz. Henkel und der Major faßten über die Rampe und griffen nach ihm, die Diener stürzten in die Bank und hoben den Be- wußtlosen heraus. Wasser I   Schnell!" rief Dr. Renker. Ein Diener lief fort. Karl Henkel riß Frank Werner die Weste auf. Der lag auf dem Boden und röchelte schwer. Justizrat Losso wischte sich mit der Hand über die Augen: Wie eine Hinrichtung!" 10. Die Villa in der Tiergartenstraße glich einem Trauer- haus; und um so peinvoller empfand das Frau Gabriele, da das äußere Leben mit robuster Rücksichtslosigkeit weiter ging und nicht duldete, daß einer ausbiegen wollte, um im stillen seine Tränen zu weinen. Wenn sie auch einige Tage sich gänzlich zurückzog und nur ihren Mann und Karl Henkel sah. so konnte ein derartiges Fernbleiben nicht durchgeführt werden. ohne die ganze Lebensführung des gastfreien Hauses ins Schwanken zu bringen. Der Kommerzienrat selbst lenkte sich durch angestrengte Arbeiten auf der Bank ab, die seine Energie und seinen Verstand völlig in Anspruch nahmen, doch wenn die beiden allein waren oder nach einiger Zeit wieder die Intimen des Hauses bei sich sahen, blieb wie ein Skelett im Hause, dos irgendwo in einer dunklen Ecke, unsichtbar, und doch beklemmend sich fühlbar machte. Karl Henkel war der erste von den Freunden, der si« aus der schmerzvollen ratlosen Niedergeschlagenyeit aufraffte. die sie nach der Verurteilung Dr. Werners überkommen hatte. Er suchte Dr. Renker auf in der Hoffnung, von ihm etwas zu erfahren, wie Frank das Urteil aufgenommen habe, denn er selbst ließ nichts von sich hören. und was nun zu tun sel- Der Einsicht, daß dies das unschöne End« einer glänzenden Laufbahn, ein unaufschiebbares Todesurteil sein sollte, wollte er sich verschließen, wie alle anderen Freunde. Aorts. folgt-Z