Sardinien Her wider Oesterreich erHob: wart) Kran k- reichs Wortführer, als es damals durch Napoleon Italien seine Hilfe bot und stellte sich mit wuchtigen Worten der öffentlichen Meinung entgegen, die Preußen zu Rüstungen gegen Frankreich treiben wollte. Einen Krieg gegen den westlichen Nachbar hielt er für ein nationales Unglück:„Das gute Ein- Verständnis zwischen den beiden großen Kulturvölkern, Deut- schen und Franzosen — das ist der Punkt, von welchem alle politische Freiheit, aller zivilisatorische Fortschritt in Europa , alle Vermehrung und Verwirklichung der geistigen Jdeen- nrasst, kurz, alle demokratische EntWickelung und somit alle Kulturentwickelung überhaupt unwiderruflich abhängt. An diesem Punkte hängt nicht nur das Schicksal einer bestimmten Nation— er ist die Lebensfrage der gesamten europäischen Demokratie." Aber auch darüber hinaus pries Lassalle die Soli- darität der Völker und setzte sie als Bedingung der inneren Freiheit. Das Blut des Bürgers schien ihm zu kost- bar, um es für andere Zwecke zu vergießen denn für die natio- nale Selbständigkeit und Einheit und für die Demokratie. Allzu früh entriß uns das Schicksal Ferdinand Lassalle . Den Menschen, aber nicht seinen Geist. Und Mil- lionen, die seine Worte noch heute begeistern, wirken dafiir, daß dieser Geist sich mit der Wirklichkeit vermähle, daß bald der Tag komme, von dem er prophetisch sprach:„... Em Purpursaum färbt rot und blutig den äußersten Horizont, das neue Licht verkündend: Nebel und Wolken raffen sich auf, ballen sich zirsammen und werfen sich dem Morgenrot ent- gegen, seine Strahlen momentan verhüllend— aberkeine Macht d'er Erde vermag das langsame und majestätische Aufsteigen der Sonne selb st zu hindern, die ein« Stunde später, aller Welt sichtbar, hell leuchtend und erwärmend am Firmament steht." Lassalles öerufung. ReueS über die Verhandlungen Lassalles mit dem Zentral- komitee des deutschen Arbeiterkongresses. In der Geschichte der Gründung des Allgemeinen beut- schen Arbeitervereins ist über ein Kapitel bisher nur wenig bekannt gewesen: die Geschichte der Verhandlungen Lassalles mit dem Leipziger Zentralkomitee, das Anfang November 1862 den Auftrag erhalten hatte, einen deutschen Arbeiter- kongreß einzuberufen. Man wußte, daß Mitglieder dieses Komitees, die auf Lassalles im April 1862 zu Berlin gehal- tenen und nun als Broschüre herausgekommenen Vortrag „Das Arbeiterprogramm" aufmerksam geworden waren, sich mit Lassalle in Verbindung gesetzt hatten und daß, nachdem drei von ihnen, Dr. Otto Dammer , F. W. Fritzsche und Julius Vahlteich , Ende Dezember 1862 Lassalle in Berlin aufgesucht hatten, mit ihm vereinbart wurde, er solle vom Zentralkomitee ersucht werden, seine Ideen über den geplan- ten Kongreß in einem offenen Brief zu entwickeln, und dieser offene Brief solle dann— wie das auch geschehen ist— als Programmschrift für den Kongreß gedruckt und verbreitet werden. Alles das ist richtig und schien das Wissenswerte über jene Verhandlungen zu erschöpfen. Eine Veröffentlichung des Professors Hermann O n ck e n im Jahrgang 1912 des von Grllnherg hcrausgegebnen„Archivs für die Geschichte des Sozialismus" belehrt uns jedoch eines anderen. Es sind dies die Briefe Lassalles an Otto Dammer von Mitte Dezember Franzosen zu feiern pflegten nach ihren siegreichen Re- volutionen, sie feiern sie nach ihren Niederlagen." Verhältnismäßig selten nur begegnen wir Fremdwörtern; das Pedantische der gelehrten Sprache ist bis auf leichte Reste abge- schüttelt. Metaphorische Ausdrücke, Bilder und Vergleiche nicht eben häufig; aber wo sie auftauchen, sind sie häufig von überraschender Kraft und Plastik; gelegentlich auch zu grandioser Hinmalung ge- toeitet, wie in jenem berühmten Schluß des ArbeiterprogrammS, wo er den Tag der Erlösung in der emporsteigenden Sonne sieht. Ihre Anschaulichkeit, ihre Kraft und Klarheit erhält Lassalles Rede aber vor allem durch eines: durch ihre immer sich wieder- holende Anknüpfung an das Konkrete; durch ihre Be- ziehungen der allgemeinen Theorie auf einzelne Beispiele. Weisterlich versteht eS Lassalle , dadurch selbst schwierige Probleme volkstümlich zu machen. Die Ueberleitung des Allgemeinen auf daS Spezielle ist ihm so zur Natur geworden, daß ihm unter der Hand zum mindesten die Namen Peter und Paul, Wilhelm, Christoph, Gottlieb für jene Typen zufließen, deren wirtschaftliche oder soziale Bedeutung er darlegt. Mit außerordentlichem Geschick weiß Lassalle die Beispiele, die er näher entwickelt, zu gestalten. Man muß jene Stellen im „Bastiat-Schulze" gelesen haben, in denen der Charakter der mo- deinen Arbeitsteilung und Produktion daran klar gemacht wird, wie der Schneider der h»ute volee seine Kleidung bei dem Kauf- mann kauft, der seinerseits die Anzüge bei ihm anfertigen läßt, und was sonst in dieser Kette noch alles angeführt ist,— um die Kunst populärer Darstellung schwieriger wirtschaftlicher Probleme kennen zu lernen. Niemals auch wird Lassalle seine Wirkung verfehlen, wenn er einen Kunstgriff anwendet, den er zu einer kaum noch übertreff- lichen Vollkommenheit ausgebildet hat. Mit einer eigenen Vir- tuosität macht er den Gegner dadurch lächerlich, daß er aus seinen Ausführungen unbarmherzig eine zwar ungewollte, aber in der Regel durchaus berechtigte Konsequenz zieht. Der arme Schulze- Delitzsch erregt noch heute bei jedem Leser, der Sinn für Humor hat, stille Heiterkeit, wenw Lassalle ihm nachweist, daß nach seinen Theorien logischerweise Herr Borsig seine Maschinen eigentlich für den Familienbedarf produziere, um nur den„Ueberschuß" zu ver- kaufen, daß auch das Trauermagazin„zunächst vorsorglich für die Todesfälle in der eigenen Familie" arbeite...Was dann, indem diese zu spärlich ausfallen, noch übrig bleibt, wird ausgetauscht"... Und so geht eS scherzhaft noch lange weiter. Ein glänzender Fechter, weiß Lassalle jede Schwäche de? Geg- nerS auszunutzen; mit spielender Ironie, mit beißendem Spott, mit den wuchtigen Keulenschlägen der Leidenschaft schlägt er ihn zusammen. Mit..Setzeranmerkungen" würgt er den Literatur- Professor ab, ein Tertianer und ein Student müssen helfen. Den Kampf gegen den„großen" Sozialpolitiker dcS Fortschritts überläßt er gelegentlich auch einem Zehnjährigen. Im Kampf mit dem Gegner, scheint es fast, fühlt sich Lassalle am wohlften. Aber darum mangelt ihm doch auch nicht Pathos und innere Glut, wo er von der Sache spricht, die er selber vertritt. Eine Flamme, die so leicht nicht wieder verlöschen wird. 1862 an bis zum Ende Juli 1864, und die bei weitem inier- essantesten dieser Briefe sind eben gerade diejenigen, die der Zeit der besagten Vorverhandlungen angehören. Sie sind für Lassalles Denkart so überaus bezeichnend, lassen das Echte seines sozialistischen Empfindens so klar hervortreten, daß man seinen Gedenktag kaum besser als dadurch feiern kann, daß man die Arbeiterschaft auch mit dem Inhalt dieser Briefe bekannt macht. Der erste Brief Lassalles an Dammer ist eine kurze Antwort auf dessen Einladung zum Einweihungsfest des Vereins„Bor- wärts" in Leipzig . Interessanter ist dagegen der zweite Brief. Er trägt daS Datum des 13. Dezember 1862 und ist an Dammer und dessen engere Gesinnungsfreunde gerichtet, ganz ersichtlich die Antwort auf einen Brief, worin Tammer und Genossen Laffalle ihres Vertrauens versichert und ihn außerdem ersucht haben, ihnen einiges Genauere über sein bisheriges Wirken mitzuteilen. Sehr schön antwortet Lassalle zunächst, die landläufigen Höflich- keitSphrasen seien in ernsten Dingen nicht am Platze, er erkläre daher einfach, er würde den Ausdruck des Vertrauens in seine Per- son nicht annehmen, wenn er„nicht wüßte, desselben würdig zu sein". Dann gab er einen ganzen Abriß seiner bisherigen Stellung zu der Arbeiterpartei wie überhaupt seines politischen, Wissenschaft- lichen und literarischen Wirkens: „Seit meiner Uebersiedelung nach Berlin (1857) war es mein Hauptziel, in der Wissenschaft das revolutionäre und soziale Prinzip hcrauszuringen, ihm aus der Wissenschaft eine feste, unangreifbare Burg zu bereiten— die erste und wichtigste, wenn auch nur ganz langsam und allmählich wirkende Bedingung für seine praktische Verwirklichung— und gleichzeitig durch Flugschriften im geeigneten Augenblick eine un- mittelbare, politische Einwirkung auf das Volk auszuüben..." „Die Eroberung der Wissenschaft durch das soziale Prinzip und die wissenschaftliche Durchführung und Entfaltung desselben muß zu seiner praktischen Verwirklichung hauptsächlich auf zwei Gebieten der Wissenschaft vollbracht werden: auf dem Gebiet der .Rechtswissenschaft und auf dem der National- ö t o n o m i e." ..Auf dem ersten dieser beiden Gebiete, der Rechtswissenschaft, glaube ich diese Aufgabe bereits erfüllt zu haben durch mein 1861 in Leipzig bei Brockhaus erschienenes„System der erwor- benen Rechte(2 Bände)". Es ist dies ein umfangreiches, in die schwierigsten Teile der Rechtswissenschaft vertieftes Werk, welches das Gebiet derselben von Grund aus für das demokratische und soziale Prinzip erobern soll und somit, durch jene langsam«, aber gewaltige Einwirkung, welche die Wissenschaft auf das Leben hat, dem Avbeiterstand zugute kommt, aber fieilich nicht für den Arbeiter lesbar ist."... „Die Eroberung der ökonomischen Wissenschaft für das Ziel(gemeint ist das sozialistische Endziel) durch ein national- ökonomisches Werk, welches nur die strenge wissenschaftliche Aus- führung des oben erwähnten Prinzips zu sein hat, ist nun die andere Aufgabe, die mich gegenwärtig beschäftigt. Nach sechs- zehnjährigen ökonomischen Studien und Vorarbeiten bin ich vor wenigen Wochen daran gegangen, die Ausarbeitung des Manu- stripts zu beginne n." Hierbei habe ihn die Anklage wegen seiner Rede„DaS Ar- beiterprogramm" unterbrochen. Er gedenke ihr in einer Rode ent- gegenzutreten, der er den Titel geben werde„Die Wissenschaft und die Arbeiter" und nach ihrer Fertigstellung sofort wieder an das ökonomische Werk gehen. Diese? sollte nun jedoch als schwer- wissenschaftliches Buch herauskommen. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß aus diesem von Lassalle geplanten Werk sein« im Januar 1864 herauSgekommeue in. haltSreiche Streitschrift„Herr Bastiat Schulze von Delitzsch " oder „Kapital und Arbeit" geworden ist. Nach weiteren Ausführungen schließt Lassalle die Selbstschilde- rung mit der Erklärung, deren Wiedergabe an seinem Gedenktag besonders zeitgemäß ist: „Ich habe Ihnen dies« Uebersicht gegeben, weil in dieser an- gestrengten sechzehnjährigen wissenschaftlichen Tätigkeit, hervor- gegangen aus einem und demselben unverrückbar festgehaltenen Gedanken, die einfachste und beste Garantie liegt, die ich Ihnen für den Ernst geben kann, mit welchem ich mich der Sache der Arbeiter gewidmet habe. „Ich halte es nicht erst der Mühe wert, näher zu erwähnen. daß ich sechzehn Jahr« lang die Verfolgungen der Regierung ge- tragen habe, ohne jemals in irgendeinem Konflikt einen Fußtritt zu weichen. Ich halte mich somit imstdnde, den Anforderungen des Platzes zu entsprechen, den Sie mir anbieten, und erklare mich daher im allgemeinen bereit, die Forderung zu erfüllen, die Sie an mich stellen, und die Führung der Arbeiterbewegung in meine Hand zu nehmen." Aus dem Schlußsatz kann nur gefolgert werden, daß Dammer und Genossen schon Laffalle die Rolle des Führers der neuen Ar- beiterbewcgung angeboten haben und Lassall« sich zur Uebernahme grundsätzlich bereit erklärt hat. In dem nächsten Brief— 20. Dezember 1862— wird von dem Besuch der Leipziger in Berlin gesprochen, der Ende Dezember 1862 stattfand. Ihre mündlichen Verhandlungen mit Lassalle führten zu einer Aenierung des ursprünglichen Plans. Nicht in einem Vortrag, sondern in einer Broschüre sollte Lassalle seine Ideen darlegen, und zwar in Form einer Antwort auf eine an ihn gerichtete Frage über die Aufgaben der Arbeiterbewegung. DaS war gut ausgesonnen, eS stellte sich indes die Schwierigkeit ein, daß im Komitee Bedenken auftauchten, ob ihm anstehe, sich in dieser Weise an Lassalle zu wenden. Man ließ daher diesen durch Lud- wig Löwe anfragen, ob er nicht auch ohne die offizielle Anfrage die Broschüre schreiben möchte. Laffalle schlug dies jedoch rund- weg ab, und zwar aus Gründen, die wieder überaus bezeichnend für feine Denkweise sind. Er entwickelt seine Einwände in einem Brief an Dammer vom 28. Januar 1863. Erstens wolle er nicht den Schein auf sich laden, als habe er sich in die Belvegung hineingedrängt. Zweitens würde die Abfassung einer Schrift über die Ar- beiterfrage, wenn sie nicht einfach als Antwort auf eine bestimmte Frage erfolge, für ihn die Verpflichtung zu einer theoretischen Vollständigkeit bedeuten, kraft deren die Schrift einen Um- fang erhalten müßte, zu dem ihm im Augenblick die Zeit fehle. Und drittens bestimme ihn der„sehr gewichtige Grund"— hier wollen wir aber Lassalle selbst sprechen lassen: „daß, wenn der Arbeiter noch Anstand nimmt, mich brieflich um meine Anficht zu befragen und mich zu einem brieflichen Aussprechen derselben aufzufordern— beiläufig: nur hiervon, nicht von der Aufforderung zu einer B r o- schüre war die Rede—, hierin für mich der beste und durch- zchlagendste Beweis liegt, daß die Zeit noch durchaus nicht gekommen ist, wo ich die Arbeiterbewegung in die Hand nehmen könnte!" Eine merkwürdige Argumentierung. So sehr einleuchtend die zwei ersten Einwände sind, und so sehr obendrein der zweite Lassalle zur Ehre gereicht, so wenig wird der dritte ohne weiteres als wohl- begründet erscheinen. Aber er hat doch einen guten Sinn und liefert den Schlüssel zu manchen Schritten Lassalles als Präsident des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins . AuS ihm läßt sich aufs deut» lichste erkennen, was Laffalle als seine Aufgabe in der zu organi. sierenden Bewegung vorschwebte. Er wollte nicht der Leiter einer pröpäg and istischen Verbindung sein, welche die At» beiter erst zum Klassenbewußtsein zu erziehen hatte, sondern wollte als politischer Führer an die Spitze einer Bewegung tr«ten, die von einem größeren Teil der Arbeiterschaft mindestens schon als Bedürfnis empfunden wurde. Die Ablehnung des Vorschlages der Leipziger durch Lassalle hatte den Erfolg, daß man nun in der Tat vom Zentralkomitee eine Anfrage, wie er sie wünschte, offiziell an ihn gestellt wurde. Seine Antwort war das„Offene Antwortschreiben", mit dessen Veröffent- lichung die Agitation für den Allgemeinen Arbeiterverein ihren Anfang nahm. Diese Reife der Arbeiter ist für Lassalle Bedingung der Ueber- nähme der Führerschaft. Deshalb lehnt er es ab, selbst zu der nach Leipzig einberufenen Versammlung zu kommen, wo über die von ihm im„Offenen Antworffchreiben" entwickelten Grundsätze und Forderungen abgestimmt werden sollte. In der Erklärung, die er für diese Weigerung gibt, zeigt sich zugleich der edlere Beweggrund seines Vorbehalts. Er schreibt: „Ich habe den Arbeitern jetzt meine Gedanken und mein Programm entwickelt. Ob sie diese zu den ihrigen machen wollen, ist ihre(der Arbeiter) Sache; muß Sache ihrer freien theo- reti schen Ueberzcugung bleiben. Hier, in diesem Punkt, darf ich, um sie zu b e st i m m e n, keinen persönlichen Einfluß auf einer Vorversammlung üben."... „Denn bedenken Sie: wenn in der Versammlung meine Ge- danken nur deshalb triumphierten, nicht weil die Arbeiter sich sie zu eigen gemacht haben, sondern weil es meiner Persönlichkeit gelänge, durch Wärme und Macht des Wortes die Schulze-Telitzsch usw. niederzuschlagen— in welchen Selbstbetrug würde ich mich da nicht hineingearbeitet haben? Ich würde glauben, eine Masse hinter mir zu haben, die s o d e n k t w i e i ch, während ich nur eine Masse hinter mir hätte, die einen Moment von dem Atem meines Mundes fortgerissen ist. Ich würde glauben, eine selbständige Bewegung hinter mir zu haben, für die ich nur ihr bewußter Ausdruck bin— und ich würde nur das Schattenspiel meiner eigenen Beweglichkeit und Rührigkeit hinter mir haben! Eine solche Bewegung würde mit .Blame und Ohnmacht schließen müssen! Nein, ich brauche, wenn ist mich an Eure Spitze stellen und Eure Sache in meine Hand nehmen soll, den Beweis, daß die Arbeiter auf demselben Gcdankenboden stehen, daß ihnen diese Dinge innerliches Eigentum geworden sind und daß sie meine persönliche Anwesenheit nicht mehr nötig haben, um zu wissen, wie sie denken sollen. Tann kann ich mit irgendwelcher Hoffnung die Ausführung übernehmen. Sonst aber ist alles eitel Schein und Wind, die Arbeiter zur praktischen Agitation in einem Sinne noch nicht reif, und ich täte im Arbeiterinteresse selbst dann viel besser, mich noch in die theoretische Arbeit und Propaganda zurückzuziehen." Wenn es noch eines Beweises bedürfte, daß Lassalle bei der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins nichts ferner lag, als die Gründung einer sozialistischen Sekte, so ist er in dieser Auseinandersetzung geliefert.„Ich würde glauben, eine selb- ständige Bewegung hinter mir zu haben, für die ich nur ihr bewußter Ausdruck bin, und ich würde nur das Schattenspiel meiner eigenen Beweglichkeit und Rührigkeit hinter mir haben." DaS ist ein prachwoller Ausspruch. Wie immer man über daS persönliche Führertum denken mag, so wird man jedenfalls zugeben müssen, daß feine Notwendigkeit vorausgesetzt, ihm von Lassalle hier eine Bedingung gestellt wird, wie sie nicht würdiger formuliert werden konnte. Nicht eine durch das tönende Wort hingerissene Massenbewegung, sondern eine auf festen Ueberzeu- g u n g e n und tief sitzenden Erkenntnissen gegründete Arbeiterbewegung wollte er zu politischem Kampfe und Sieg führon. . Di« Dinge haben ihre Logik, die stärker ist, als der kräftigste persönliche Wille. Nachdem Lassalle das Antworffchreiben in die Welt geschickt hatte, war er genötigt, seine Absichten in bezug auf sein persönliches Auftreten nach den Bedürfnissen abzuändern: wie sie der Gang der Ereignisse zeitigt«. Die Arbeiter, die zu Schulze- Delitzsch hielten, beschlossen, den vom Leipziger Zentralkomitee ein« berufenen Kongreß überhaupt nicht zu beschicken. Lassalle aber ward durch die Angriffe, die das Antwortschreiben erfuhr, so stark in die Bewegung gezogen, daß er den Kongreß nicht mehr auf sich beruhen lassen konnte. ES wurde unvermeidlich, daß er wenigsten? mit seiner Person in Leipzig erschien. Aber im wichtigsten Punkt hat er doch auch dort au seinem ersten Vorhaben festgehalten. In die Verhandlungen deS Kongresses hat er nicht mit einer Silbe eingegriffen, ihm vielmehr von Anfang bis zu Ende als stummer Zeuge beigewohnt. Es hat damals und später die verschiedenste Beurteilung erfahren, ist vielfach sehr ungünstig für Lassall« auZ - gelegt worden. Wir wissen aber nun, welches die wahren Beweg- gründe seines ihm sicherlich nicht leichtgewordenen Stillschweigens gewesen sind. Man kann in ihnen Zeugen eines Lassall« noch innewohnenden Doktrinarismus erblicken. Aber sie waren zugleich Aus- flüsse einer sittlich hohen Auffassung der Arbeiterbewegung und eines wahraft edlen Begriffes von der Voraussetzung polifischer Führerschaft. Ed. Bernstein. Lassalles Toö. In folgendem veröffentlichen wir einen Brief von Gustav L e v y in Düsseldorf , dem langjähttgen Freunde L a s s a l l e s> an Bernhard Becker , den zweiten Präsidenten des All- gemeinen deutschen Arbeitervereins. Der Brief, dattert vom 2. September 1864, gibt einen treffenden Begriff von der atemlosen Bestürzung, in die L a s s a l l e s jähes Ende seinen Freundeskreis warf. Das Schreiben lautet: Lieber Herr Becker! Ich beschwöre Sie hiermft, mir umgehend ausführliche Mit' teilungen zu machen, namentlich darüber, ob es einen Zweck haben kann, wenn jemand von hier nach Gepf reist, ob die Beerdigung unseres großen Toten schon stattgefunden und ob Sie etwa nach Genf reisen wollen, für welchen Fall ich Ihnen das nötige Geld senden würde. Nach Genf habe gestern telegraphiert an I o h- PH. Becker, aber keine Antwort bis jetzt erhalten. Gestern las ich die schreckliche Depesche in den Zeitungen und heute erhielt auch von W i l l m s die erschütternde Trauerkunde brieflich be- stätigt. Sie können denken, in welchen Zustand ich versetzt bin. und dies an sich selbst wohl am besten empfinden. Ihr Tele- gramm im„Frankfurter Journal" las ich heute. Erzeigen Sie mir den Gefallen, mir ausführlicher zu berichten und zwar um- gehend. Hatte Lassalle sich wirklich duelliert oder ist er meuchlings ermord e.t worden? Ich bin in der fürchterlichsten Unruhe, in fieberhafter Aufiegung halb verrückt, drum eilen Sie mit näheren Mitteilungen. An W i l l m S hatte ich gestern auch telegraphiert, aber nur dürftige fchrifiliche Nachricht erhalten, die am 31. abends geschrieben. Auf meine Depesch« nach Berlin bin noch ohne jede Antwort. Welche Hoffnungen sind nun begraben, eS ist zu schrecklich! Ihr bis ins tteffte Mark erschütterter Gustav Levh. Düsseldorf . 2. Septbr. 1864. Ich selbst kann unmöglich nach Genf 1) meines Zustandes, 2) des Geschäfts wegen, das ich nur mit großer Mühe noch leiten vermag, so gut es geht. Bergntwottlichsr Rcfeafigun AHUld ÄMolz» Njulöftn, Für den Inseratenteil veraptw. 4 Th. Glocke, Berlin , Druck u. Verlag: VorwärtsBuchdruckerei u, BerlagSanjtalt Paul Singer& Co, Berlin S,
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