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Entfernung öer englischen Schiffahrts- zeichen. London , 6. September. (Meldung des Reuterschen Bureaus.) Die Admiralität teilt mit, daß alle Schiff- fahrtszeichen an der Ostküste von England und Schottland bei Tag oder Nacht ohne vorherige Warnung entfernt werden können. Sejchlagnahme öeutscher Post. Frankfurt a. M., 6. September. DieFrankfurter Zeitung " meldet: Vor einigen Tagen wurde auf dem DampferPots- d a m" von der H o l l a n d- A m e r i k a- L i n i e, der sich auf der Fahrt nach Rotterdam befand, die für Deutschland bestimmte Post beschlagnahmt und die deutschen Fahrgäste festgenommen. Das prisenverfahren. Berlin , ES. September.(W. T. B.) D e u t s ch l a n d hat durch Bermittelung der Bereinigten Staaten von Amerika bei Belgien , Frankreich , Großbritannien und Rußland anfragen lassen, wie dort das Prisenverfahren eingerichtet sei und in welcher Weise Deutsche vor den Prisengcrichten vertreten werden können. Bisher haben Frankreich und Großbritannien geantwortet. In Frankreich gehören Prisensachen vor den Priscnrat(Ccmseil des prises); Berufungsgericht ist der Staatsrat(Ccmseil d'etat); Interessenten können sich von den beim Staatsrat zugelassenen Anwälten vertreten lassen. Großbritannien hat erklärt, daß kein feindlicher Ausländer vor einem britischen Prisengericht vertreten werden könne. vom östlichen Kriegsschauplatz. Xll. Osterode, den 3. September 1914. (Verspätet eingetroffen.) Jtis Manöver ginge es, hat man den polnischen Regimentern gesagt. Die Polen wollen nicht schießen, sie lassen sich am liebsten 'gefangen nehmen! so versicherten mir als ihre selbstgewonnen« Ueberzeugung viele von denen, die im Vordertreffen gestanden haben. Auch Polen bestätigten eS. Polnische Soldaten würden von Kosaken vorwärts getrieben, von hinten ritten Kosaken in die polnischen Regimenter hinein und schlügen mit ihren Peitschen wild drauflos, um sie vorwärts zu treiben. Ich habe bisher alle solche Versicherungen mit der nötigen Vorsicht aufgenommen. Jetzt aber fange ich selber an zu glauben, daß wenigstens ein großer Teil der russischen Polen gern auf deutscher Seite kämpfen würde. Für den Zaren ziehen sie sicher nicht mit Begeisterung in die Schlacht. Ein Besuch bei gefangenen Russen ließ mich diese Meinung gc- Winnen. Die freundlich-milde Schwester vom Roten Kreuz zeigte uns einen deutschsprechenden Verwundeten. Er hatte einen Schuß in den linken Fuß bekommen. Aber die Wunde schien den Mann nicht sehr zu stören. Vergnüglich humpelt« er umher. Unsere Unterhaltung nahm folgenden Verlauf:Sprechen Sie deutsch ?" Bißchen!"Sind Sie gern hier?"(Lachend:)Ja, waS soll ich hinten!"(Zeigt nach dem Osten.)Woher sind Sie?" AuS Warschau !"Zogen Sie gern in den Krieg?"Nein, »ein, Polen nicht gesagt, daß in Krieg, uns gesagt, geht ins Ma- növerl Als an Grenze kamen, wußten Polen , ist Krieg. Sagt« Offizier: In einer Woche speisen wir in Berlin zu Mittag!" Auf weitere Fragen hörten wir: Kosaken seien schlimm, schlagen auf Polen , daß marschieren Polen vorwärts!"Polen wollen nicht schießen auf Deutsche !" Weiter erzählte uns der Mann, daß er vier Jahre als Soldat gedient habe und acht Jahre zur Reserve gehöre. Allem Anschein nach sind die unsicheren polnischen Regimenter überrumpelt und betrogen worden. Sie wurden sofort ins Feuer geschickt, damit sie zu keiner Verständigung untereinander kommen konnten und jedem Versuch, einen Widerstand zu organisieren, vor- gebeugt war. Wenn dann von den im Vordertreffcn verwendeten Polen eine größere Zahl gefallen sei, dann, so hofften die Herren Einiges über Wesen unö Ge­schichte öer Neutralität öelgiens. Welche Rolle die Frage der Neutralität Belgiens beim Ausbruch und im Verlauf des gegenwärtigen Krieges gespielt hat, ist allgemein bekannt. Wenig oder fast' gar nicht bekannt ist aber der großen Mehrheit unseres Volkes die sachliche Natur und Geschichte dieser Neutralität, ohne deren Kenntnis eine richtige Einschätzung der in Frage kommenden Vorgänge nicht gut möglich ist. Es ist der Zweck der folgenden Zeilen, dem bewußten Mangel wenistenS etwas abzuhelfen. Die Neutralität Belgiens ist so alt wie dieser Staat in seiner Gestalt als einheitliches und unabhängiges politisches Gemeinwesen selbst. Sie ist im siebenten der 24 Artikel des Vertrags vom 16. November 1831 niedergelegt, durch den die fünf Großmächte, Frankreich , England, Oesterreich, Preußen und Rußland die Un- abhängigkeit des durch die Revolution vom September 1830 von Holland losgerissenen neuen Staates anerkannten und verbürgten. Der Artikel lautet: »Belgien bildet in den Grenzen, welche durch die Artikel 1, 2 und 4 des Vertrags bezeichnet sind, einen unabhängigen und ewig neutralen Staat. ES ist verpflichtet, diese Neutralität auch allen anderen Staaten gegenüber innezuhalten." Wie schon das durch den Wiener Kongreß von 1818 geschaffene Königreich der Bereinigten Niederlande wurde auch der neue von diesem getrennte Staat Belgien von der Regierungen der vier letztgenannten Staaten als ein Bollwerk des europäischen Friedens gegenüber etwaigen Eroberungsgelüsten Frankreichs betrachtet. Es kommt dies namentlich in einem damals geheimgehaltenen Artikel des Vertrages dieser vier Mächte vom 14. Dezember 1831 zum Ausdruck, der die Frage der Festungen des neuen Staates be- handelt. Darin heißt es: »In dem Falle, wo unglücklicherweise die Sicherheit der er- wähnten Festungen gefährdet sein sollte, wird der König der Belgier , stets mit dem Vorbehalt der Neutralität Belgiens , mit den Regierungen von Oesterreich , Großbritannien , Preußen und Rußland alle Maßregeln vereinbaren, welche die Sicherheit dieser Festungen erfordern mag." .Die Bedachtsamkeit der vier nordischen Mächte auf schleunige Hilfe in solchen Fällen, wo die Neutralität Belgiens durch eine französische Invasion gefährdet sein sollte," schreibt der belgische Senator und Staatsrechtslehrer Professor Ed. DeScamps in seinem 1992 erschienenen Werk über die Neutralität Belgiens ,konnte im Jahre 1831 keine leere Sorge sein." An eine Gefährdung durch Preußen, an dessen Stelle als völkerrechtliche Instanz nach 1866 der Norddeutsche Bund und nach 1870 das Deutsche Reich getreten ist, dachte nämlich noch kein Mensch. Bon französischer Seite war sie Großfürsten wohl, entzünde sich hie polnische Volkswut gegen die Deutschen , und selbst wenn diese Rechnung falsch wäre, dann seien in dem Krieg die polnischen Regimenter so zusammengeschmolzen, daß Polen das russische Joch nicht mehr abschütteln könnte. DaS ist alte russische Politik. Wilhelm Düwell, Kriegsberichterstatter. Xlll. Hauptquartier der Ostarmee, 4. Sept. 1914. An meinem Fenster vorbei über das Kopfsteinpflaster rattern, hopsen und bollern die ganze Nacht hindurch Wagen, Karren, Ge- schütze. Dazwischen klingt das Klappern der Pferdehuse, Hupen- signale, helles Kommando. Der Morgen graut, der Tag kommt und zieht mit derselben Musik weiter. Nur selten wird sie von Pausen unierbrochen. Und die nächste Nacht setzt sie fort. Ein Teil, nur«in kleiner Teil der Beute aus der großen Schlacht bei Tannen- berg kam in den endlos langen Zügen heran. Mit den Munitions- wagen, die meisten noch gefüllt, hat man nun den Bürgersteig einer breiten Straße umsäumt und einen großen Platz umkränzt. Dar- auf lagern Mengen von Gewehren, Taschen, Montierungs- stücken usw. Zwischen den Munitions- und Bagagewagen stehen einige Kanonen. Auf einem Maschinengewehr las ich die Firma: Waffen- und Munitionsfabrik Berlin ". Nach Berlin wird es wohl mit anderen zurückkehren. Welche Ironie! Wie viele Deutsche mögen von den Russen mit Waffen deutscher Herkunft getötet worden sein?? Unter den Beutestücken sollen sich auch noch Kruppsche Kanonen befinden. Viele Wagen tragen Zeichen des Versuchs, sie unbrauchbar zu machen. Schon im Wenden zur Flucht hieb ein wütender Russe mit scharfen Axthieben Speichen aus dem Rade seines Wagens, andere durchsägten die Zugbäume; die Verschlutzstücke der Kanonen fehlen, die Visiere sind platt geschlagen worden. Man erstickt sozusagen in der Fülle der Beute. Wohin mit den Wagen und Pferden? Auf einem großen Acker in der Nähe von hier baute man durch das Jneinanderfahren Hunderter von Wagen eine Art Zirkusarena. Ueber dreitausend Pferde, einst ruf- sisches Staatseigentum, tummeln sich darin. Pferde sind hier jetzt sehr wohlfeil, fast wertlos. Ich sah schon etliche im Straßengraben liegen, nicht tot, sondern nur abgehetzt. Sie konnten die rasende Lagd nicht mehr mitmachen, stürzten und wurden zurückgelassen. Welche Wertmengen vernichtet der Krieg! Wilhelm Düwell, Kriegsberichterstatter. Keine Revolution in(püessa. Hamburg , 8. September. (W. T. B.) Von dem gestern hier eingetroffenen Mitglied« der Hamburgischcn Sonnenfinsternis- Expedition, Herrn Dr. Graff, wird demHamburger Fremdenblait" berichtet: Die über Rumänien gekommenen Nachrichten über den Ausbruch einer Revolution in Odessa mit Straßen­kämpfen, Erschießen von höheren Polizeibeamten und Offizieren, Beschießung der Stadt durch ein rustsches Kriegsschiff usw. find unrichtig. Bis zum 29. August, an welchem Tage ich Odessa verließ, herrschten jedenfalls in der Stadt und Umgebung voll- komme ne Ruhe und Ordnung. Die in Odessa zurückgehaltenen Deutschen befinden sich ebenfalls außer jeder Gefahr, und ihre Verschickung in andere Gouvernements ist, wie die staatlichen Be- Hörden noch am 29. August versicherten, vorläufig nicht in Aussicht genommen. Kein Rrbeiterbeüarf in �üttich. Berlin , 6. September. (W. T. B.) Da» Gouvernement Lüttich warnt dringend vor Zuzug von Arbeitern nach Lllttich, da infolge starker Arbeitslosigkeit nnd Stillstandes der Betriebe eine Arbritsmöglichkeit gänzlich ausgeschlossen ist. Die triegsgefangenen Offiziere. Berlin , 6. September. (W. T. B.) Zur Bedienung k r i e g s» gefangener Offiziere werden keine Mannschaften de» deutschen HeereS kommandiert. Sofern diese Offiziere keine Burschen oder Diener mitgebracht haben, werden Leute ihrer Nationalität in der unbedingt notwendigsten Zahl aus den Mannschaftsgefangenenlagern herangezogen. aber um so eher zu gewänigen, als geschichtliche Erinnerungen das Sweben nach Angliederung Belgiens an Frankreich stark unterstützten und es in Belgien stets eine fianzöfisch gesinnte Partei gab. Anders in England, wo die belgische Revolution von 1830 von der breiten liberalen und demokratischen Bolksmaste, die damals gerade ihren großen Kampf um die Wahlreform in halbrevolutionären Formen führte, mit großer Begeisterung begrüßt Worten war. England hatte am ent- schiedensten auf der Neutralisierung Belgiens bestanden und ist in der Folge jedesmal als die eigentliche Schutzmacht dieser Neutralität aufgetreten, wann immer sie in Frage gestellt schien. Auch hier ver- band sich die gefühlsmäßige Ueberliefernng der Demokratie mit den nationalen Interessen und regte sich heftig, sobald irgend ein Angriff auf Belgiens Gebiet und Neutralität am politischen Horizont auftauchte. So gab eS in England einen Sturm, als 1860 nach Beendigung de» italienischen Feldzuges, dessen Ausgang Napoleon Hl. eine so große Enttäuschung brachte, die bonapartistische Presse daran ging, diebelgische Frage" aufzurollen. Schützenvereine wurden ge- gründet. Freiwillige stellten sich in. für damals sehr großer Zahl und Palmersion forderte mit unverhüllter Betonung der von Frank« reich drohenden Gefahr 11 Millionen Psimd Sterling zur Sicherung der Küsten. Angesichts dieser Gegnerschaft wich Napoleon HI. zurück und spielte die verkannte Tugend. Aber schon. 1868 gab eS neuen und wesentlich ernsthafteren Konflikt mit England wegen Belgiens . Zu jener Zeit lag ein Zusammenstoß Frankreich « mit Preußen bezw. dem Norddeutschen Bund sozusagen schon in der Luft. Da erwarb plötzlich die französische Ostbahngesellichast zu Bedingungen, die eine erträgliche Rentabilität auf absehbare Zeit fast ausschlössen, eine luxemburgische Eisenbahn und trat mit belgischen Gesellschaften behuss Anlegung von Zweigbahnen nach Belgien hinein in Verbindung. deren Verzinsung ebenfalls sehr zweifelhaft war. Erregte das schon Verdacht, so schwand jeder Zweifel an den politischen Zweck dieser Gründungen, als bekannt wurde, daß die französische Regierung ver- sprachen hatte, wie für die Ostbahn selbst, so auch für diese belgischen Linien 4>/z Proz. Verzinsung der Garantien. Die Belgier haben für gewisse Wohltaten kein Organ, sie schlugen Lärm, und die belgische Kammer beschloß Anfang 1869«in Gesetz, das die Verträge der französischen Ostbahn über den Bau jener Linien ungültig machte. Wütend fiel die bonapartistische Presie von neuem über sie her und drohte mit Repressalien. Wieder aber erhob sich England und nahm so energisch für Belgien Partei, daß Napoleon III. von neuem zum Rückzug genötigt wurde. Er mußte mit einigen Verkehrserleichte« rungen sürlieb nehmen:daS Projett, Bahnen auf belgischem Gebiet, die Truppen von Frankreich nach dem Rheinland befördern konnten, unter ftanzöfische Kontrolle zu bringen, fiel zu Boden. Der damalige Widerstand Englands setzte beiläufig Bismarck in den Stand, dem bezeichneten Projekt gegenüber, da» ja vornehmlich eine Gefahr für Deutschland werden konnte, sich passiv zu verhalten und ruhig mit dem französischen Botschafter in Berlin , Benedetti, wer stört öenSurgfrieöen�! Es ist uns genau bekannt, daß seit einiger Zeit von sehr einflußreichen Kreisen, entgegen den Intentionen sowohl der Heeresleitung als auch der Reichsregierung, Treibereien im Gange sind, um ein Vorgehen gegen die Sozialdemokratie und ihre Presse zu veranlassen. Als einen solchen Versuch sehen wir auch eine Einsendungvon sehr geschätzter Seite" an, die dieBerliner Neuesten Nachrichten" unter dem Titel:Der bedrohte Burgfriede" an leitender Stelle wiedergeben. Sie lautet: Ueberall wird auf das sorgsamste darauf Bedacht genommen, alles zu vermeiden, was die Entfaltung unserer Volkskraft be- einträchtigen oder unsere Kriegsführung schädigen könnte. Unter diesem Gesichtspunkte wird derBurgfrieden" auch gegenüber der Sozialdemokratie überall streng im Auge behalten. Auch der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie hat seine Tätigkeit zunächst völlig eingestellt. Neuerdings aber fängt die von der sozial demokra- tischen Parteileitung unmittelbar beein- flußte Presse an, andere Töne anzuschlagen. Schon seit einigen Tagen ist sie ostentativ von der übrigen Presse abgerückt. Jetzt geht das führende sozialdemokratische Blatt sogar soweit, bereits den Burgfrieden für die Zeit nach Beendigung des Krieges aufzukündigen. Es verkündet, daß alsdann naturgemäß der Parteikampf wieder aufleben müsse, mit dem Ziele der Be- seitigung oer Klassenherrschaft, d. h. mit dem Ziele der Erreichung der politischen Herrschaft für die Massen. Achnlichcs vollzieht sich in bezug auf die Behandlung des Krieges selbst. Das leitende sozialdemokratische Blatt hat sich von An- sang an auf das eifrigste bemüht, den Eindruck der belgischen Kriegsgreuel abzuschwächen und ist sogar so weit gegangen, in der Form der Frage, ob nicht doch unser Heer in der Abwehr dieser Kriegsgreuel zu weit gegangen sei, eine abfällige Kritik an der Führung des Krieges von unserer Seite auszuüben. Neuerdings befleißigt das Blatt sich, eine be- sonders schonende Behandlung von Frankreich zu empfehlen. Es warnt vor jedem Gedanken, auch nur den klein- sten Bruchteil französischen Gebietes zu erwerben und befür- wortet dringend einen Separatfrieden mit diesem Lande. Auch wird von einem anderen Blatte hinsichtlich der Frage einer späteren Annexion belgischer Gebietsteile, die an sich heute in keiner Beziehung spruchreif erscheint, befür- wortet, daß darüber Volksabstimmungen in diesen fremden Ge- bieten zu entscheiden hätten. Etwaigen nationalen Interessen wird damit ein dem sozialdemokratischen Programm entnom- mener Leitsatz gegenübergestellt. Diese Art der Behandlung von Frankreich und Belgien fällt zeitlich zusammen mit dem Augen. blick, wo in das belgische Ministerium der Sozialdemokrat Van- dervelde eintrat und in das französische Ministerium die Sozialdemokraten Sembat und Guesde einzogen. Es ist klar, daß diese sozialdemokratische Flaumacherei die Kraft und damit den Erfolg unseres Krieges gelinde gesagt wenigsten nicht fördern kann und sich in einen Gegensatz zu der nationalen Strömung im Lande setzt. Diese Darlegungen erfolgen nicht, um daran eine weitere Polemik zu knüpfen, sondern verfolgen lediglich den Zweck, zur Verhütung von Irreführungen den Tatbestand rechtzeitig fest- zustellen." Die Einsendung könnte beinahe den Verdacht wecken, daß der Reichsverband oder wenigstens seine maßgebenden Pro- tektoren ihre Tätigkeit doch nicht eingestellt haben. Es ist unwahr, daß wir unsere Haltung gegen früher geändert haben, unwahr, daß wir abfällige Kritik an der Kriegs- führung geübt, unwahr, daß wir die Greuel des Franktireur- krieges beschönigt haben. Wahr ist allerdings, daß wir mit großem Bedauern von den Vorgangen Kenntnis erlangt haben und den Wunsch ausgesprochen haben, daß die Ver- gelwng nach Möglichkeit so gewählt werde, daß nur die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden. Wer da weiß. wie gerade auf diesem Gebiet unsere Gegner arbeiten, um die Stimmung auch der neutralen Völker und leider nicht ohne Erfolg gegen Deutschland aufzustacheln, wird unsere Hal- hmg als eine dem deutschen Volke durchaus nützliche an- erkennen müssen. Wenn aber im übrigen die Zuschrift fordert, daß wir unsere Weltanschauung und unsere Prinzipien verleugnen sollen, so wird das unter keinen Umständen geschehen. Daß über den VertragSenlwurf sich zu unterhalten, nach dem Preußen der Angliederung Belgien « an Frankreich Vorschub leisten sollte, ein diplomatisches Machwerk, durch dessen Bekanntgabe bei Ausbruch de« deutsch -französischen Krieges von 1870 Bismarck dann Frankreich in den Augen von ganz Europa bloßstellte und eine neue Attion Eng« lands verursachte. Schon vor der Veröffentlichung des Vertrages, am 18. Juli 1870, hatte die englische Regierung von der ftanzöfischen Zufiche« rungen darüber verlangt, daß bei dem bevorstehenden Kriege Frank- reich die belgische Neutralität streng beobachten werde. Die Zusiche- rung wurde vom Herzog von Gramont in einer Form gegeben, wonach Frankreich bedingungslose Beobachtung der Neu- tralität versprach. Aber schon Tags darauf fügte der Herzog in einer Note an den französischen Geschäftsträger in Brüssel den Zusatz anunter der Bedingung, daß sie die Neutralität von Preußen und seinen Verbündeten respektiert wird". Und ebenso versprach Bismarck in einem Telegramm am 18. Juli 1870 an die belgische Regierung, die deutschen Truppen würden belgisches Gebiet nicht betreten, solange die französischen Armeen die gleiche Zurück- Haltung beobachten würden und wiederholte diese Erklärung am 22. Juli in etwas anderer Fassung in einer Note an den belgischen Geschäftsträger in Berlin . Gleichzeitig ließ er aber die englische Regierung durch den deutschen Botschafter davon unterrichten, daß ein ihm von Benedetti unterbreiteter BertragSentwurf existiere, gemäß dem Frankreich Belgien annektieren wollte, und gab dann in den Times" vom 28. Juli 1870 den besagten Entwurf mit entsprechendem Kommentar dem großen Publikum bekannt. Die Wirkung waren Entrüstungsstürme in der englischen Presse und Entrüstungsreden in beiden Häusern des englischen Parlaments. Im Lichte dieser Veröffentlichung, hieß es allgemein, könnten die von französischer und deutscher Seite abgegebenen Erklärungen mit ihren Vorbehalten nicht als ausreichende Bürgschaften sür die Sicherung der belgischen Neutralität erachtet werden. Enzland müsse den Kriegführenden klar zu verstehen geben, daß jeder Einbruch in Belgien für uns einen Kriegsfall bedeuten würde.Unser Weg scheint mir deutlich vorgezeichnet," erklärte Disraeli als Führer der Opposition im Hause der Gemeinen.Ich meirix, die Regierung müßte in gar nicht mißzuverstehender Weise erklären, daß England, wie in der Vergangenheit, seine vertragsmäßig eingegangenen Ver- pflichtungen halten und demgemäß die Rechte und die Unabhängig- keit der Nationen schützen wird." Und Glqdstone, damals Minister« präfidsnt, donnerte: Wir haben die Verteidigung Belgien ? ohne jede persönliche Voreingenommenheit in die Hand genommen. Ist jemand unter Ihnen, der nicht fühlt, daß, wenn Belgien verschwinden sollte, um der Befriedigung gieriger Vergrößerungssucht zu dienen, von welcher Seite sie auch komme, der Tag, der diese Annexion sähe, die Totenglocke des Völkerrechts in Europa läuten würde? Darf England sriedlicher Zeuge der Vollführung des gehässigsten Ver-