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Beilage zumVomiirts" Berliner Volksblatt. Nr. 45. Frritag, den 33. Frbrnar 1894. 11. Jahrg. Vottttttunoles. Stadtverordueteu-Versammlung. OeffentlichrSitzung vom Donnerstag, 22. Februar, Nachmittags S Uhr. Die neugewählten Stadtv. Gundermann und Mosch werden in der üblichen Weise eingeführt und auf die Städte- Ordnung verpflichtet. Vorsteher Langerhans macht Mittheilung von den weiteren Ergebnissen der Wahlen zu den Kuratorien und Deputationen. Unter Anderen sind Stadtv. V o gt h err in das Kuratorium für die Friedrichswerdersche Ober-Realschule und in die Deputation zur Beschaffung von Schreibmaterialien, Stadtv. Dr. Zadel in die Deputation für Statistik, Stadtvv. Gle inert und T e m p e l in die Steuerdepulation, Singer in die De- putation für die Jnkommunalisirung der Vororte gewählt worden. Die Weiterverpachtung der Chausseegeld-Heb estelle in Reinickendorf wird genehmigt. ��«.�s�alichkeit des erst am 21. d. Mts. eingebrachten An- träges Kalisch betreffend den russischen Handelsvertrag(s. u.) wird nun von dem Stadtv. Hentig(Antisemit) widersprochen; da der Antrag aber bereits gedruckt vorliegt, und auch in diesem Fall mindestens 13 Mitglieder Widerspruch erheben müssen, ge- langt der Antrag heule zur Diskussion. Ter Ausschuß für die Vorlage betr. die Beseitigung eines Theils der auf dem städtischen Abladeplatz vor dem Stralauer Thore lagernden M ü l l m e n g e n hat den Magistrats- Vorschlag, nach welchem die Verfrachtung von 60<X)l> Kubikmeter Müll nach Spreenhagen dem Unternehmer Nauck für 136 OOV M. übertragen werden soll, angenommen, zugleich aber be- schlössen, der Versammlung vorzuschlagen, den Magistrat, nach- dem nunmehr die Wasserwerke am Stralauer Thor geschlossen sind, um eine schleunige Vorlage wegen Beschaffung einer Müll- einlade stelle am Stralauer Anger(gemäß der früheren Vorlage vom 29. März l8S3) zu ersuchen. Von einem Herrn Haberkern ist ein Angebot eingelaufen wonach derselbe den Kubikmeter für 2,30 M.(statt 2,60 M.), also das ganze Quantum um 18 000 M. billiger wegschaffen will. Abg. Singer beantragt die Zurückverweisung der Vorlage an den Ausschuß. Von anderer Seite wird beantragt, die Fortschaffung zu genehmigen, aber die Arbeit im Wege der öffentlichen Aus- schreibung an den Mindestfordernden zu vergeben und dem Magistrat die Ertheilung des Zuschlages zu überlassen. Stadtv. Singer: Ich bin vor Allem darüber verwundert, daß der Magistrat hier einfach mit einem Unternehmer abgeschloffen hat, ohne den Versuch zu machen, auf anderem Wege vortheil- haftere Bedingungen für die Fortschaffung für die Stadt zu erzielen. Ein billigeres Angebot ist inzwischen erfolgt; das allein würde schon hinreichen, eine nochmalige Prüfung im Ausschuß zu be- gründen. Die Differenz in den beiden Angeboten ist sehr erheb- lich; die Versammlung muß die Möglichkeit bieten, in eine Prü- fung der neuen Offerte einzutreten. Bisher hat die Verhandlung hinler verschlossenen Thürcn gespielt; würde nun einfach der Magistratsvorschlag angenommen, so würde das in der Bürger- schafl kaum begriffen werden. Es handelt sich za auch nicht blos um diese Müllmassen allein. Die Frage der Müllvcrbrennung wird bei der unendlichen Gründlichkeit, mit der der Magistrat sie prüft, kaum noch vor Ablauf dieses Jahr- Hunderts gelöst sein; wir müssen also Maßnahmen ergreifen, die schleunigst ausgeführt werden können. Man hört jetzt, daß die Ausschreibung einer Konkurrenz unthunlich sein soll, weil beabsichtigt wird, bei dieser Fortschaffung Arbeitslose zu be- schäftigen; diese Rücksicht auf die Arbeitslosen hätte aber doch dem Magistrat zweckmäßigerweise einige Wochen früher nahe liegen sollen. Gerade in Rücksicht auf die möglichste Be- schleunigung der Abfuhr des Mülls würde es sich empfehle», meinen Vorschlag, nicht den auf Ausschreibung einer Konkurrenz gerichtete» anzunehmen. Stadtv. Pietz mann tritt für den Antrag ein, die öffent- liche Aueschreibung stattfinden zu lassen. Geschehe dies, so würden noch andere Angebote zu Tage treten und auch eine Ersparniß von nur 10 Pf. pro Kubikmeter sei in diesem Falle sehr werth- voll. Eine große Zahl von Arbeitslosen würde sich bei dieser Arbeit nicht verwenden lassen; denn man werde das Material mit Feldbahnen zu den Schiffen befördern. Das Ausschreiben solle schleunigst erlassen und dem Mindestfordernden, der die nöthige Garantie bietet, vom Magistrat die Arbeit übertragen werden. Auf diese Weise würden wenigstens 8 Tage gegenüber dem Antrage Singer gewonnen. Abg. S p i n o l a ist für Zurückverweisung an den Ausschuß, spricht sich aber gegen de» Vorschlag des Ausschusses aus, wonach die Einladestelle am Stralauer Anger empfohlen wird. Auch Stadtv. S ch e i d i n g erklärt sich für den Antrag Singer. Stadtrath Böhm: Der Magistrat ist bis jetzt keinerlei Verpflichtung gegenüber Herrn Nauck eingegangen, sondern hat nur der Versammlung fernen Vorschlag unterbreitet. Länger als bis zum 1. Oktober bietet der Platz dem anzufahrenden Müll nicht mehr Raum; andererseits sind die bisherigen Anstrengungen, die Abfuhr nach Spreenhagen z» ermöglichen, crgebnißlos geblieben. Bei dieser Sachlage glaubt der Magistrat, aus den, vorgeschlagenen Wege an, besten zum Ziel zu kommen. Auf eine Abfuhr im Sommer können wir nicht rechnen, sondern müssen die jetzige Jahreszeit benutzen. Wir sind ferner aus den Wasserweg angewiesen. Bis zum 13. März ist nun zufälliger- weise der Oder-Spreekanal für den Durchgangsverkehr gesperrt, und der Kanal kann also in dieser Zeit sehr stark von Schissen, die nach Spreenhagen gehe», benutzt iverden. Herr Nauck würde mit bis zu 10 Schiffen gleichzeitig anlegen können und hat auch bereits von dem Regierungspräsidenten die Erlaubniß zum An- fahre» erhalten, auch eine Verlängerung der Sperre bis zum I. April beantragt. Es könnte dann also in den nächsten 4 bis 6 Wochen xar force abgefahren werden. Wir kennen Herrn Nauck als leistungsfähig und unbedingt zu verlässig, wir haben uns deshalb auf eine Konkurrenz garnicht erst eingelassen. Stadtv. Hentig ersucht den Magistrat, endlich einmal alle Kraft anzuspannen, um Ordnung in diese Angelegenheit zu bringen. Von dem Berliner Müll werde noch nicht ein Fünftel abgefahren, vier Fünftel würden wild auf die umliegenden Felder verstreut, und dieses Verfahren sei doch hygienisch mehr als anfechtbar. Könnte denn nicht auf dem Vorplatz der Wasserwerke am Stralauer Platz die Einlade- stelle eingerichtet werden? Die Verbrennungs- Versuche ließen sich doch in den Maschinenhäusern der jetzt geschlossenen Wasserwerke veranstalten.(Gelachter.) Herrn Nauck würde man für die von ihm eingeholte Erlaubniß 8u 000 M. bezahlen, denn der Transport könne für die Hälfte seiner Forderung bewirkt werden. Nachdem Stadtv. D i n s e für Ablehnung der Vorlage, event. für den Antrag Pietzmann eingetreten ist. theilt Stadtrath Böhm mit, daß Herr Nauck sich bis zum 3. März an seine Offerte für gebunden erachtet. Ter Autrag Singer wird abgelehnt, der Antrag Pietz m ann, soweit er die Ausschreibung einer Submission verlangt, mit großer Mehrheit angenommen, in seinem Schlußsatz jedoch, der dem Magistrat die Ermächtigung zur Ertheilung des Zuschlags nach seinem pflichtmüßigen Ermessen geben will, ab- gelehnt. In Sachen der U r a n i a s ä u l e n hat der Ausschuß zur Vorberathung des Antrages Schwalbe und Genossen wegen Wiedereinführung der vollständigen Wettermeldungen be- schloffen, der Versammlung zu empfehlen, sie möge den Magistrat ersuchen, zur Ausrechterhaltung der wissenschaftlichen Mehrleistungen an(den bisher errichteten) 29 Säulen bis 15 000 M. in den Etat einzusetzen, mit der Maßgabe, daß diese Ein- richtungen bei Errichtung von Säulen möglichst gleichmäßig auch in anderen Stadttheilen nach Bestimmung des Magistrats zum Theil übertragen werden". Von einer Seite wurde im Ausschuß der Vorschlag bekämpft; die fraglichen wissenschaftlichen Darbietungen(Thermometer, Barometer, Hygrometer nebst Registrirapparatcn, Wetter- karte») besäßen nicht ein so großes kulturelles Interesse, um dem Säckel der Steuerzahler so hohe Ausgaben zuzumuthen. Das große Publikum stehe der Sache verständnißlos gegenüber; Interesse habe dieselbe nur für ganz konzentrirte Fachkreise, für welche mit Geldmitteln einzutreten die Stadl keine Veranlassung habe. Auch seien die Säulen von Anfang an zu opulent ein- gerichtet gewesen und hieraus die jetzige materielle Bedrängniß der Urania-Säulen-Gesellschast zu erklären; der obige Antrag ist gleichwohl mit 9 gegen 1 Stimme angenommen worden. Stadtv. Bergmann will die 13000 M. bewilligen, fordert aber dafür auch die Wiederanbringung der gemeinnützigen Ein- richtungen, die bisher an den Säulen vorhanden waren, wie Eisen- bahn-Fahrpläne, Wclluhren rc. an allen Säulen. Stadtv. D i n s e wünscht das Gleiche, fürchtet aber, daß der Gesellschaft die Mittel dazu fehlen. Stadtv. Hentig bittet, den Autrag abzulehnen. Die Ge- scllschast sei in wenig rücksichtsvoller Weise vorgegangen, indem sie einfach plötzlich alle wissenschaftlichen und gemeinnützigen Einrichtungen von den Säulen entfernte und an die Stelle der Himmelskugel den Kaffee von Zuntz sel. Wwe. setzte. Die Ge- sellschast sei verpflichtet, bis zum 1. April 100 Säulen auf- zustellen; sie könne das nicht. Weshalb hier eine ganz unmotivirte Ausnahme mache»? Es scheine sich lediglich um eine Subvention für die Gesellschaft, nicht aber darum zu handeln, sie zur Jnnehaltung ihrer kontraktlichen Ver­pflichtung anzuhalten. Unter Ablehnung des Antrags Bergmann wird der Ausschuß- antrag genehmigt. Für die Magistratsabtheilung für Jnvaliditäts- und Alters versicherungs-Angelegenheiten sollen im Hause Klosterstr. 41 vom I. April 1894 ab bis auf weiteres Bureauräume für jährlich 1680 M. gemiethet werden. Die Versammlung ertheilt ohne Debatte ihre Zustimmung. Die Firma Siemens u. Halske hat dem Magistrat folgende Projekte: I. Für eine elektrische Hochbahn(auf Stützen und Pfeilern) von der Warschauerbrücke durch den süd- lichen Sladitheil nach Westen bis zur Weichbildgrenze in der Ziethenstraße. 2. für eine elektrische Straßenbahn(Niveau- bahn) mit oberirdischer Slromznleilung vom Gesund- brunnen durch die Prinzeu-Allee bis zu der nördlich der Soldinerstraße laufenden Weichbildgrenze, 3. für eine ebensolche Bahn von der Sommerstraße Ecke Dorotheenstraße bis zur Wcichbildgrenze am Stadt- bahnhof Thiergarten unter Benutzung der vorhandenen Geleise der Charlottenburger Pferdebahn-Gesellschast, eingereicht. Bei der Verschiedenheit der Ansichten und Wünsche, welche bisher in bezug aus den Umfang der der Unternehmerin ein- zuräumenden Rechte, sowie der derselben aufzuerlegenden Leistungen zutage getreten sind, erachtet der Magistrat es im Interesse ci Zustandekommens der Verträge für unerläßlich, daß von vornherein beide städtische Körperschaften zusammenwirken, um die Grund- sähe zu vereinbaren, welche bei den späteren Verhandlungen mit der Firma bezw. deren Auftragergebern als Richtschnur dienen sollen. Er ersucht daher die Versammlung, sie möge sich damit einverstanden erklären, daß eine aus 7 Mitgliedern des Magistrats und 15 Stadtverordneten bestehende Deputation eingesetzt werde, welche den Auftrag erhält, mit der Firma über die Genehmigung zum Bau und Betriebe der projektirten elektrischen Straßenbahnen zu verhandeln und die betreffenden Verträge vorzubereiten. Der Magistratsantrag wird ohne Debatte angenommen. Auf grund einer zwischen sämmtlichen Gruppen erfolgten Vereinbarung wird eine dem Vorsteher überreichte Liste von 15 Mitgliedern von der Versammlung sofort einstimmig akzeptirt, sodaß eine eigentliche Wahl entfällt. Zu den auf diese Weise in die Deputation gewählte» Stadtverordneten gehören auch die Stadtvv. Singer ond G i e s h o i t. Von den Stadtvv. Herbig und Genossen liegt folgender A n trag vor: Obgleich die Versammlung in der Sitzung vom 1. Februar cr. von der Vorlage betreffend die photometrische Messung der L i ch t st ä r k e der in der Straße Unter den Linden und in der Kaiser Wilhelmstraße befindlichen elektrischen Bogen- l a m p c n ohne Widerspruch Kenntniß genommen hat, cr- klärt dieselbe ausdrücklich. daß sie entgegen den Aus- führungen des Magistrats der Ansicht ist, daß nach dem Vertrage vom 31. Oktober 1387 die Lampen mit Glocke gemessen eine Leuchtkraft von 2000 Kerzen haben sollten und behält sich iveitere Anträge nach dieser Richtung vor. Jedenfalls ersucht die Versammluna den Magistrat jbei Abschluß fernerer Verträge über elektrische Beleuchtungsanlagen dieselben so abzufassen, daß über die effektive Leuchtkraft der Lampen jeder Zweifel ausgeschlossen ist.,.,, Der Autrag wird nach kurzer Debatte abgelehnt. Ter Stadtv. Kalisch hat mit 23 Genossen folgenden dringlichen Antrag eingebracht: Die Versammlung erkennt in dem Abschlüsse des deutsch -russischen Handelsvertrages einen Vortheil für die gesammte Bevölkerung Berlins und hegt die Ueberzeugung, daß durch die ivieder eröffnete leichtere Verbindung des Deutschen Reiches mit Rußland kein Theil der deutschen Bevölkerung geschädigt wird. Die Versammlung ersucht den Magistrat, sich dieser Resolution anzuschließen und dem Reichstage von derselben Kenntniß zu geben. Stadtv. Kalisch: Welche schweren, tiefen Wunden der russisch-deutsche Zollkrieg unserer Industrie geschlagen hat, wissen wir alle. Von dem Handelsvertrag erwarten wir den An- bruch besserer Zeiten für unsere Arbeiterbevölkerung und einen Auischwuug der Industrie und des Handels. Wir beantragen die Resolution, weil wir überzeugt sind, daß durch den Vertrag niemand im Deutschen Reiche geschädigt wird. Aber der übergroßen Mehrheit des Volkes zum Vortheile wird der abgeschlossene Vertrag gereichen, für dessen Abschluß die Männer, die ihn zu Stande gebracht haben, unseren Dank verdienen. Wir ersuchen den Magistrat, sich unserem Vorgange anzuschließen. Durch Ueberreichung der Resolution an de» Reichstag soll den Vertretern der Stadt Berlin klar gemacht werden, daß sie die Bürgerschaft Berlins in dem harten Kampfe, der bevorsteht, hinter sich haben.(Beifall.) Stadtv. Hentig stellt den Antrag auf Uebergaug zur Tages- ordnung(Gelächter). Ebenso wie die Versammlung den An- trag, betreffend die Tabak-Fabrikatsteuer auf Antrag Cassel beseitigt habe, solle sie auch diesmal verfahren. In einer so viel um- strittenen Frage könne man Tage und Wochen lang reden, zu einem Schlüsse würde man nicht kommen.(Lachen.) Eine so wichtige Sache könne nicht im Handumdrehen erledigt werden. (Widerspruch.) Ein Beispiel genüge, um die große Schwierigkeit der Frage zu beweisen. Erst heute wurde bekannt, daß im Artikel 19 des Vertrages eine Bedingung entHallen sei, wonach das russische Getreide aus den preußischen Bahnen von der russischen Grenze nach Danzig zu denselben Tarifsätzen befördert werden müßte, wie auf den russischen Bahnen nach Libau und Riga . Die russischen Tarife seien schon an sich viel niedriger als die unsrigen und in seinen Konsequenzen könnte dieser Artikel zu einem unerträglichen Zwange gegen uns führen. Die Stadtverordneten-Versammlung sei nicht dazu da, �Politik zu treiben. Das Rathhaus habe so viel freisinnige Vertreter im Parlament, daß man diesen Herren getrost das Weitere über- lassen könne. Stadtv. Singer(gegen den Uebergang zur Tagesordnung)': Das Bedenken gegen den Vertrag, welches der Vorredner eben erwähnte, ist nicht blos ihm, sondern auch andern Leuten schon aufgestoßen; er freilich dürfte seine Information erst aus der heutigen Nummer derKreuz-Zeitung " gewonnen haben. Dieses Bedenken ist für mich nicht durchschlagend genug, um dem Vertrage Widerstand entgegenzusetzen. Der Standpunkt, daß die Stadtver- treluug nicht dazu da sei, politische Dinge zu erörtern, ist etwas antiquirt. Ich werde für den Antrag Kalisch stimmen. Ich cr- kenne zwar in dem Abschluß des Vertrages keine politische Groß- that, weil derselbe nicht im Entferntesten dem deutschen Volke das gewährt, was es mit Recht verlangen kann; aber ch sehe in diesem Handelsvertrag den ersten Schritt zur Durchbrechung der unheilvollen Bismarck 'schen Zollpolitik. Vorsteher Langerhans bittet nicht in die politische Seite der Sache einzugehen, sondern bei dem Widerspruche gegen den Uebergang zur Tagesordnung zu bleiben.) Ja, wie soll man gegen den Uebergang zur Tagesordnung sprechen, wenn man nicht gleichzeitig sein Einverständniß mit der Sache darlegt. Ich trete für den russischen Handelsvertrag ein, weil ich damit gegen die Schutzzollpolitik des Fürsten Bismarck, diesen Raubzug gegen das deutsche Volk, protestiren will.(Unruhe.) Gegen die Stimme des Stadv. Hentig wird die Resolution Kalisch angenommen. Schluß 8 Uhr. Lolmles. Die Stadtverordneten- Versammlung hat gestern auf Antrag Kalisch eine Resolution angenommen, worin sie ihrer Befriedigung über den erfolgten Abschluß des russischen Handelsvertrages und ihrer Ucherzeugung Ausdruck giebt, daß durch die wieder eröffnete leichtere Verbindung des Deutschen Reichs mit Rußland kein Theil der deutschen Bevölkerung geschädigt wird. Der Magistrat ist ersucht worden, diesen Beschluß zu dem seinigen zu machen und die Re- solulion dem Reichstage zu übersenden. Die Annahme des Be- schlusses erfolgte mit allen gegen die»ine Stimme des Stadt- verordneten Hentig, der den Uebergang zur Tagesordnung zu beantragen und zu begründen den nicht zu unterschätzenden Muth besaß. Dcm Hanptargument, daß die Stadtverordnetenversammlung nicht dazu da sei, Politik zu treiben, trat Singer energisch entgegen; vom Vorsteher aus geschäftsordnungsmäßigen Bedenken an einer sachlichen Motivirung seines Standpunktes gehindert, mußte er sich auf einen kräftigen Protest gegen die unheilvolle Bis- marck'sche Zollpolitik beschränken, zu deren Durchbrechung der russische Handelsvertrag einen ersten schwachen Ansang mache. Vorher hatte die leidige Nlüllabsuhrfrage wieder einmal die Versammlung beschäftigt. Um aus dem Abladeplatz vor dem Stra- lauer Thor Raum für frischen Müll zu schaffen, will der Ma- gistrat ein Quantum von 60 000 Kubikmetern von dort abfahren lassen und hat derVersammlung angesonnen, auf eine von einemUnter- nehmer Nauck eingereichte Offerte einzugehen, der die Versrach- tung nach Spreenhagen für 2,60 M. pro Kubikmeter, also für das artige Sümmchen von 156 000 M. übernehmen will. Im Ausschusse war auf das Befremdliche des Umstandes, daß der Magistrat gerade bei dieser Gelegenheit von dem Ausschreiben einer Submission absehe, hingewiesen worden, doch hatte die Ausschußmehrheit sich über- zeugen lassen, daß eine schleunige Abfuhr nur so, wie er vor- geschlagen, und nicht anders möglich sei. Inzwischen war aber bei der Versammlung ein anderweitiges Angebot ein- gelausen, das wesentlich vortheilhaster erscheint; es sollte die Fortschaffung nur 2,30 M. pro Kubikmeter kosten, was eine Minderausgabe von 13 000 M. bedeutet. Stadtv. Singer beantragte aus diesem Grunde, die Vorlage noch- mals an den Ausschuß zu verweisen. Dieser Antrag blieb zwar in der Minderheit, der Zweck, den er verfolgte, wurde aber doch erreicht, denn es gelangte ein Antrag Pietz- mann zur Annahme, der den Magistrat auffordert, eine Submission auszuschreiben. Aus der Verhandlung und insbe- sondere aus den Mittheilungen des Stadtraths Böhm ergab sich zur ziemlich allgemeinen Ueberraschuug, daß das Abkommen zwischen dem Magistrat und Herrn Nauck eigentlich schon fix und fertig war; hat doch dieser Herr bereits bei dem Regierungs-Präsidenten die Erlaubniß erwirkt, tn der Zeit bis zum 15. März mit seinen Kähnen in dem bis dahin für den Durchgangsverkehr gesperrten Oder- Spree- kanal mit einer größeren Anzahl von Schiffe», als sonst zulässig, in Spreenhagen anzulegen! Der Mann sei dem Magistrat als absolut zuverlässig und leistungsfähig bekannt, deshalb habe letzterer von einem Ausschreiben Abstand genommen. Um so erfreulicher war, daß die Versammluug denjenigen Theil der Pietzmann'schen Antrages, der den Magistrat zur Ertheilung des Zuschlages er- mächtigen wollte, verwarf, um so erfreulicher, als Stadl- rath Böhm ganz zuletzt noch der Versammlung eröffnete. daß Herr Nauck sich an seine Offerte nur bis zum 3. März gebunden halte. Sehr seltsam mußte in dieser Verbindung der Hinweis berühren, daß die Annahme der Vorlage dazu dienen jiverde, den Arbeitslosen Beschäftigung zu verschaffen. Treffend bemerkte Singer, daß diese Rücksicht aus die Arbeitslosen beim Magistrat einige Wochen zu spät komme. Zu welche« Konsequenzen unsere herrliche Gesinde- Ordnung führt, mag folgender Fall beweisen. Herr v.Oppen, Amtmann von Adlershos wir beschäftigten uns schon öfter mit diesem Herrn entließ ohne gesetzlichen Grund und ohne Jnnehaltung der gesetzlichen Kündiguiigssrist einen seiner Diener. Der Diener, der sich nicht so ohne weiteres mit dieser Entlassung einverstanden erklären konnte, ging nun zum Amtsvorsteher von Adlershos, Herrn v. Oppen, und wollte seine Klage gegen diesen Herrn v. Oppen vorbringen. Hier wurde dem Kläger rundweg die Klageausnahme verweigert. Der Kläger begab sich nunmehr nach dem Landrathsamt und beschwerte sich über seinen Dienst- Herrn und den aleickzeitigen Amtsvorsteher von Oppen. Der