Nr. 269.- 31. Jahrg.
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Freitag, den 2. Oftober 1914.
Westlicher Kriegsschauplah.
Amtlich. Großes Hauptquartier, 1. Oktober, abends.( W. T. B.) Am 30. Sep- 29. tember wurden die Höhen von Roye und Fresnoy( nordwestlich von Noyon ) den Fran30sen entrissen.
der Schlacht an der Aisne . Paris , 30. September. ( Indirekt.) Ein Bulletin vom September, 11 Uhr abends, besagt nichts Neues. Während man in Paris das baldige unmittelbar bebor stehende Ende des Kampfes erwartete, überwiegt allmählich die Ueberzeugung, daß sich die Schlacht noch lange hinziehen tann. Alle Angriffe der Truppen und Truppenverschiebungen Südöstlich von St. Mihiel wurden am fonnten die Schlachtlinie nur ausdehnen, aber keine Ent1. Oktober Angriffe von Toul her zurück- fcheidung herbeiführen. Auch die Presse, die in den letzten gewiesen; die Franzosen hatten dabei Tagen fortwährend das bevorstehende Ende der Schlacht anschwere Verluste.
Der Angriff auf Antwerpen schreitet erfolgreich fort.
Auf dem östlichen Kriegsschau- plate keine Veränderungen.
gekündigt hat, bereitet das Volk jetzt auf eine noch längere Dauer vor.
"
Der Temps" stellt fest, daß die Rekorddauer der Schlacht von Mukden bereits geschlagen sei. In Woevre leiden die Kämpfe durch das schlechte Wetter. Alle von dorther zurückkehrenden Soldaten sind über und über mit Schlamm bedeckt. Viele Geschüße blieben in den Sümpfen
Vom österreichisch- ruffischen
Ein neuer Umgehungsversuch abgeschlagen. stecken. Seit Wochen bemüht sich der äußerste linke Flügel der verbündeten englisch - französischen Armeen den auf eine starke Stellung nördlich der Aisne gestüßten rechten deutschen Flügel der langen westlichen Stampfesfront durch Flankenangriffe und Umgebungsmanöver ins Wanken zu bringen.
Kriegsschauplatz.
Der neue deutsch - österreichische Vorstoß.
Der Kriegsberichterstatter des„ Berl. Tagebl." meldet aus dem
Die feindlichen Truppen operieren hier anscheinend in beträchtlicher Stärke westlich von Amiens . Wie die am Mittwochabend erschienene amtliche Meldung aus dem Großen Hauptquartier mitteilte, sind nördlich und füdlich von Desterreichisch ungarischen Kriegspresse quartier Albert vorgehende überlegene feindliche Streitfräfte von vom 1. Oftober: den deutschen Truppen unter schweren Verlusten zurüdgeschlagen worden. Auch aus London und Paris wird über eine große Schlacht bei Peronne gemeldet, einem Drt, der 20 Kilometer westlich von Albert liegt. Offenbar handelt es sich also hier um dieselben friegerischen Operationen, die mit einem neuen Mißerfolge der französischen Angreifer geendet haben.
Die dritte Phase des Ringens auf galizischem Boden hat begonnen. In den letzten beiden Wochen konnte sich die öfterreichisch ungarische Armee unter dem Schuße ihrer starten neuen Pofitionen hinter der Sanlinie in Ruhe gründlich ver proviantieren, die Verluste, die bei einzelnen Regimentern ziemlich hohe Prozente betragen, durch frische Mannschaften ausgleichen und den Gesamtbestand durch große Dank ihrer Erschöpfung und MunitionsDa sich der Schauplak dieser Kämpfe 50-60 Stilometer Referven erhöhen. nordnordwestlich von Noyon befindet, der etwa das Ende der berausgabung famen die Ruffen während dessen nicht über die We deutschen Aisne - Linie darstellt, ergibt sich, wie weit die fegung der freiwillig überlassenen Gebietsteile Galiziens und der französisch - englischen Streitkräfte mit ihrer Flanken- und Nordbukowina und fleinere Plänkeleien hinaus. Ueberbies erschwerte Umgehungsbewegung ausgeholt haben, um die rückwärtige der wochenlange Regen, der die russischen Zufuhrgebiete aus Linie der deutschen Stellung zu bedrohen. Offenbar aber Siedlce und Podolien in Sümpfe verwandelte, die Nachsind von deutscher Seite genügende Truppen in diese von schübe und die Verproviantierung der russischen Armee. InfolgeNorden nach Süden gehende Kampfeslinie, die sich recht- dessen setzten die winklig an die deutsche Stellung bei Noyon anlehnt, gebracht das worden, um auch fünftig die feindlichen Umgebungsmanöver Truppen abweisen zu können.
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russischen Operationen gegen Heranziehen und den Aufmarsch der deutschen zu spät ein und blieben wirkungslos. Es reicht nunmehr die deutsche Armee ihre Hand verbündeten österreichisch- ungarischen Armee, die im Ver trauen darauf einen Monat lang den Stoß der gegen Die Befestigungen von Antwerpen . fie tonzentrierten numerisch weit überlegenen russischen Hauptmacht Im„ Handbuch für Seer und Flotte", Herausgeber ausgehalten und den geplanten Durchbruch zweimal v. Alten, wird u. a. folgendes über die Befestigungen Antwerpens bereitelt hat. Außerstande, diese für sie verhängnisvolle mitgeteilt: Die lange nordöstliche Linie wird parallel dem Durchstich zur Bereinigung im Nordwesten zu verhindern, suchten die Gradlegung des Flußlaufes und dem am rechten Ulfer herzustellen- Russen durch strategisch bisher bedeutungslose Einbrüche in die den, langgestredten Hafenbajjin liegen. Die alte Umwallung, die Karpathenpässe des Südostens Ungarn zu beunruhigen und eine man nach Abschluß des Jahres 1909 glaubte beseitigen zu fönnen, Sträftezersplitterung der österreichisch ungarischen Armee bildet den ersten Geniebezirt, während der zweite den nördlichen herbeizuführen. Nachdem auch dies mißglückt ist, sind sie durch die Teil der neuen Umwallung bis Fort 4, der dritte den südlichen Teil jetzt eingeleitete österreich- ungarisch- deutsche Offensive gezwungen, umfaßt. Der neue Fortgürtel wird in der Vervollständigung der den Kampf in dem von den Verbündeten vorgesehenen und vorjeit 1870 gebauten, weit vorgeschobenen Werke bestehen und sich im Norden auf 4, im Osten über 8, im Süden auf mehr als 12 Kilometer Entfernung von der neuen Umwallung halten, da er über die Flußläufe der Nethe und Rupel soweit übergreift, daß sie
bereiteten Gelände aufzunehmen.
Offenfibunternehmungen nicht hindern. Der nördliche Abſchnitt Der Krieg und die Kolonien.
dehnt sich von der unteren Schelde bis zum Turnhoutkanal und umfaßt außer den Forts Starbroek, Ertbrand, Brasschaet und Schooten die Zwischenwerke Smoutaffer, Capellen und Drhhoek ( 4. Geniebezirk). Der fünfte Geniebezirk erstredt sich bis zur großen
Ropenhagen, 30. September. ( W. T. B.) Der japanische GeNethe mit den Forts s'Gravenwezel, Deleghem, Broechen, Refsel sandte veröffentlicht ein Telegramm seiner Regierung, wonach die und den Zwischenwerken Andaen, Schilde und Massenhoven; der Japaner am 26. September nachmittags die Deutschen sechste Bezirk bis zur Dyle mit den Forts Lierre , Koninghoyd, angriffen, die eine vorgeschobene und hochgelegene Stellung Wavre , Ste Cathérine, Waelhem und den Zwischenwerken Tallaert, Boschbeck, Dorpveld und Duffel; der siebente bis zur oberen Schelde zwischen den Flüssen Paisha und Lizun besetzt hielten.
Japanische Verluste.
mit den Forts Willebroed, Liezele, Bornhem und den Zwischenwerken Letterheide und Puers. Auf dem linken Scheldeufer sollten zwischen Doel und Steendorp sechs Forts und fünf Zwischenwerke Nach einer Rotterdamer Meldung der„ B. 3. a. M." berichtet angelegt werden, um den Ring zu schließen. Vorläufig wird man sich mit den zwei Forts Steendorp und Haesdond, sowie den die" Daily Mail" aus Tokio , daß die Japaner in den ersten Zwischenwerken Lauwerdshoek und Landmolen begnügen, wodurch 4 Wochen der Kämpfe in Tsingtau 312 Tote und 9 Flugzeuge verallerdings eine breite Lüde entsteht, die den Zweck des absoluten loren haben. Schubes gegen Bombardements hinfällig macht.
Diese Werke bilden mit den zurückliegenden Cruybeke, Zwyndrecht und der Deichbefestigung den achten Bezirk. Der neunte umfaßt die Forts St. Marie, la Perle, St. Philippe, Doel und Oudendyk sowie die alten Redouten de Orderen und de Berendrecht, also die Werke, die hauptsächlich der Sperrung der Schelde dienen. Der Umfang der ganzen Befestigungslinie beträgt etwas über 100 tilo
Englische Verluste in Südwestafrika.
Prätoria, 1. Oktober. ( W. T. B.) Nach einer amtlichen Bekanntmachung betrugen die englischen Verluste im Gefecht an der Grenze am 26. September 15 Tote, 41 Ver
wundete und 7 Vermikte.
Vorsicht bei Greuelgeschichten.
Schauergeschichten, wie sie in Striegszeiten nur allzu leicht ent. Wiederholt wurde an dieser Stelle gewarnt, allerlei stehen, gleich immer für bare Münze zu nehmen; wiederholt mußten wir feststellen, daß irgend woher gemeldete Greuel nichts als reine Erfindung seien. Das findet jetzt wieder einmal seine Bestätigung durch den nachfolgenden Brief. den der Stiftspropst Dr. Kaufmann in Aachen an die Köln . Volksztg." schrieb:
Aachen , 28. September 1914. Geehrte Redaktion! Der Verlag der Kölnischen Volkszeitung" teilte mir unter dem 26. September d. J. das Folgende mit: In dem Bemühen, einzelnen Fällen von angeblichen Greueltaten nachzugehen, gestatten wir uns, folgende Bitte um Ausfunft an Sie zu richten. Einigen auf dem Kölner Hauptbahnhof tätigen Damen wurde ganz bestimmt erzählt, daß in einem Lazarett in Aachen ein ganzer Saal voll Verwundeter liege, denen sämtlich in Belgien die Augen ausgestochen worden seien. Wären Ew. Hochwürden vielleicht in der Lage, uns hierüber eine zuverlässige Mitteilung zugehen zu lassen, damit wir eintretendenfalls diesem Gerede entgegentreten könnten? Jmmerhin wäre es ja nicht unmöglich, daß mehrere derart Verstümmelte in Aachener Lazaretten sich befinden, weil ja durch den Geheimrat Rüttner von der Universität Breslau sieben solcher Unglücklicher erwähnt werden in der Notig: Ein photographisches Attenstück über Bestialität unserer Feinde.
Ich erwidere Ihnen darauf mit der Bitte um Veröffentlichung das Folgende: Jeder Freund der Wahrheit und jeder gute Patriot wird das Bemühen, alle Fälle von Greueltaten unserer Feinde aftenmäßig und zeitig feststellen zu lassen, niit größter Freude begrüßen. Denn es besteht wohl kaum mehr ein Zweifel darüber, daß in den letzten Tagen eine Art von Geistesepidemie ausgebrochen ist, die höchst bedenkliche Folgen hat und haben wird. Wir, die in unmittelbarer Nähe der großen Kriegsereignisse des Westens leben, tönnen am besten darüber berichten, wie ganz unberbürgte schauerliche Nachrichten aller Art von Mund zu Mund erzähltwerden auch unter unseren Kriegern. Verallgemeinerungen einzelner Fälle sind an der Tagesordnung, und eine wilde Phantasie äußert sich mitunter in ganz tollen Fällen son Autosuggestion. So weiß ich von einem Soldaten, der berwundet hier liegt, daß er erzählte, er sei bei der Erschießung der Mönche von Löwen mit dabeigewesen, die in ihrem Keller deutsche Soldaten ermordet hätten. Als ihm geradezu vor den Kopf gesagt wurde, diese Erzählung über die Mönche in Löwen fei gar nicht wahr, wurde der Soldat kleinlaut und gab eine ausweichende Antwort.
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Es hat mich darum gar nicht gewundert, was Sie mir von den Gerüchten über den„ Saal in Aachen " schrieben, in dem alle Verivundeten mit ausgestochenen Augen liegen sollen. Ich wundere mich in dieser Hinsicht über gar nichts mehr, wenn ich auch andererseits auf das tiefste darüber betrübt bin, daß man mit solcher Leichtfertigkeit Nachrichten ausbreitet oder weiter. erzählt, die als Folge eine große Erregung des ganzen Volkes und auf die Soldaten haben müssen. Einer erzählt es dem anderen, jeder versichert es aufs nene, es wäre ihm als sicher" erzählt worden, und die Kreise ziehen sich immer weiter. Nächstens wird man wohl noch erzählen, das Augenausstechen bei den Aachener Verwundeten, die einen ganzen Saal füllten, sei durch belgische Geistliche geschehen. Es ist unverantwortlich, daß jemand in unseren erregten Zeiten Gerüchte verbreitet, von deren unbedingter Sicherheit er sich nicht überzeugt hat. Die Behörden haben mit allem Recht an gedroht, daß sie die Verbreiter falscher Alarmnachrichten ohne Nachficht verfolgen werden. Möchte man nur in allen Fällen gleich zugreifen.
Was nun das von Ihnen erwähnte Gerede angeht, so kann; ich Ihnen mitteilen, daß ich mich sofort mit amtlichen Stellen in Verbindung gesezt habe. Ich teile: Ihnen das Zeugnis des Chefarztes eines hiesigen Lazaretts, cines berühmten Augenarztes, mit, den ich gerade, weil er Augenarzt ist, auch be= fragte. Er schreibt mir:
Es gibt in feinem der Aachener Lazarette einen Saal, der mit Verwundeten gefüllt ist, denen die Augen ausgestochen worden sind. Meines Wissens ist überhaupt fein derarti. ger Fall hier in Aachen beobachtet worden.
Es wird im allgemeinen Interesse sein, wenn Sie diesen Fall, der für mich typisch ist, feststellen und auch in Zukunft allen Gerüchten, die an ihrer Stirn den Stempel der Verallgemeinerung und Uebertreibung tragen, gründlich nachgehen. Dr. Kaufmann, Stiftspropft.
Die„ Norddeutsche Allgemeine Zeitung" druckt diesen ein Zeichen, wie wenig auch die verantwortlichen Brief ab Stellen der Regierung erbaut sind von der Leichtfertigkeit, mit der vielfach erfundene Schauermären verbreitet und geglaubt werden. Wappne sich jeder mit Vorsicht, wenn er derartige Geschichten hört, und glaube er möglichst nicht mehr als das, was ausdrücklich amtlich verbürgt und verbreitet wird. Kriegsgreuel gibt es, furchtbare Roheiten werden zweifellos berübt; aber sicher ist auch, daß viel übertrieben und dazuerfunden wird. Das schafft aber nur unnötige schädliche Ver bitterung und dient nicht unserem Ruf in der Welt.