Prozentsatz zu kürzen. Vom Kreisausschuß wurde betont, daß die Nachprüfung in jedem Falle gewissenhaft erfolge und auch loyal gehandhabt werde. Außerdem stehe den Beteiligten ja auch die Beschwerde an den Landrat offen. Gesetzliche Mietsfürsorge fordert ein Antrag, mit dem sich die am Mittwoch abgehaltene Stadtverordnetenversammlung in Schöneberg beschäftigte. Danach soll dem Preußischen Landtag ein Gesetzentwurf unterbreitet wer. den, der die Errichtung von Mietämtern und die Gewährung von Mietunterstützungen während des Krieges verlangt. In allen Ge- meinden mit mehr als 5000 Einwohnern sollen Mietämter ein- gerichtet werden. Die Mietämter sollen die Vermittelung zwischen Mietern und Vermietern bei Streitigkeiten und die mit der Prü- fung der Mietunterstützungsanträge verbundenen Arbeiten über- nehmen. Die Mietunterstützung soll nicht als Armenunterstützung gelten und darf nicht mehr als 75 Proz. der fälligen Miete be- tragen. Bei Zahlung der Unterstützung kann ein bestimmter Miet- nachlast gefordert werden, der 25 Proz. nicht übersteigen darf. � Zur Aufbringung der dazu erforderlichen Mittel sind die Ge- meindebehörden berechtigt, eine einmalige Kriegssteuer bis zu ein pro Tausend des Wertes von dem vorhandenen Grundbesitz zu erheben. Ferner sollen die Gemeinden berechtigt sein, eine ebensolche Steuer von den Hypothekengläubigern für die auf den Grundbesitz lasten- den Hypotheken zu erheben. Die Gemeinde dagegen ist verpflichtet, in demselben Prozentsatz von dem in der Gemeinde befindlichen Grundbesitz gleichfalls zur Mietunterstützung beizutragen. Der Staat hat jeder Gemeinde den gleichen Betrag als Zu- schuß zu zahlen, den sie von den Grundbesitzern erhält. Zu diesem Zweck soll ein Betrag von 40 Millionen Mark bereitgestellt werden. Die nicht verwendeten Mittel dieses Betrages sollen noch Beendigung des Krieges für die Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebenen verwendet werden. Die Vorlage wird vom Stadtv. Gottschalk slüb.) vertreten, der bemerkt, daß durch das Notgesetz den Kriegsteilnehmern die Sorge für die rückständigen Mietfordcrungen abgenommen werden soll. Bürgermeister Blanken st ein kann sich für den Magistrat nicht mit der Vorlage einverstanden erklären, da zu diesem Vor- schlage eine eingehende Begründung notwendig sei. Bis zur Aus- arbeitung der Begründung dürfte der Landtag schon geschlossen sein. Genosse Molkenbuhr weist darauf hin, daß es eigentlich Aufgabe des Reiches sei, diese Vorschläge durchzuführen, da das Reich die kriegführende Macht sei. Stadtv. I e tz o w(Lib. Ver.) wirft dem Magistrat vor, daß er die Absicht habe, die Angelegenheit zu verschleppen. Da das ein- schlägige Material dem Magistrat vorlag, hatte er sich schon längst mit der Sache beschäftigen können. Nach einigen redaktionellen Aenderungen wurden diese Grund» sähe angenommen. Arbeitslosenunterstützung in Lübars und Waidmannslust . Die Gemeindevertretung besckloß in ihrer letzten Sitzung, an die Erwerbslosen eine bestimmte Unterstützung zu zahlen. Danach erhält aus Gemeindemitteln jedes Fgmilienhaupt 50 Pf. und jedes Familienglied 30 Pf. pro Tag. Die Meldestelle für erwerbslose Gemeindeangehörige besindet sich im Gemeindebureau, Oranienburger Chaussee, Ecke Dianastraße.— Zur Unterstützung der ostpreußischen Flüchtlinge wurden 50 M. bewilligt. Warenzeichenschutz. Amtlich wird mitgeteilt: Bei dem Kaiserlichen Patent- amt werden jetzt häufig Anmeldungen eingereicht, in denen für Worte und Darstellungen, die auf die gegenwärtigen kriegerischen und politischen Ereignisse Bezug haben, der Warenzeichenschutz begehrt wird. Die freie Be- Nutzung solcher Worte und Darstellungen(z. B. der Name von Schlachten, Schiffen, Heerführern usw.) bei der Aus- ftattung und Feilbietung von Waren entspringt einem all- gemeinen Bedürfnisse, und der Verkehr sieht in solchen Zeichen mehr einen Ausdruck vaterländischer Gesinnung als einen geschäftlichen Hinweis auf eine bestimmte Ursprungsstätte der Ware. Bezeichnungen dieser Art entbehren daher im all- gemeinen der Unterscheidungskraft im Sinne des Z 1 des Warenbezeichnungsgesetzes vom 12. Mai 1894 und dürfen nicht durch Eintragung in die Zeichenrolle zum Gegenstande von Sonderrechten einzelner gemacht werden. Von den zuständigen Abteilungen des Patentamts werden daher Anmeldungen, welche diesem Grundsatze wider- sprechen, zurückgewiesen. Es wird den Gewerbetreibenden empfohlen, zur Ersparung von Kosten und Umständen von der Einreichung derartiger aussichtsloser Anmeldungen Abstand zu nehmen._ Merkblatt an die Soldaten. Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechts- krankheiten hat in Erkenntnis der großen Gefahren, welche erfahrungsgemäß in Kriegszeiten sowohl der Zivilbevölkerung wie der ganzen Nation durch das ungeheure Anwachsen der Geschlechtskrankheiten drohen, ein besonderes Merkblatt für Soldaten ausgearbeitet, welches den gefährdeten Truppen warnende Ratschläge zur Verhütung von Infektionen mit Ge- schlechtskrankheiten gibt. Das Merkblatt soll sowohl an die Soldaten in den heimischen Garnisonen als auch an die in den fremden Quartieren lagernden Truppen verteilt werden. Die Geschäftsstelle der Gesellschaft, Berlin W., Wilhelmstr. 48, gibt jede Anzahl kostenlos ab.
Bautätigkeit und Kriegsausbruch. Beim Ausbruch de« Krieges muhte begreiflicherweise die Bau- lust eine Abschwächung erleiden und die Bautätigkeit in« Stocken geraten. Wie stark in Berlin der Rückgang war, ersteht man aus den jetzt für den ersten KriegSmonat vorliegenden Zusammenstellungen des Berliner Statistischen Amts. Die Zahl der Baugesuche hatte im Jahre I9l4 für die sieben Monate Januar bis Juli sich auf 533, 6 10, 067. 003, 603. S5ö, 398 belaufen, der Monat August aber brawie nur noch 310 Baugesuche. Aehnlich verminderten sich im Auguft die Bauscheinerteilungen und die<fllr geringere BauauS- fühiungen gewährten) Baugenehmigungen. In den Monaten Januar bis Juli und dann im August wurden an Baugenehmigungen 241, 234, 294, 256. 347, 263, 324 und 182, an Bauscheinen 52. 59. 61. 66, 81, 63, 73 und 44 ausgefertigt. Die Baugenehmigungen und Baultbeine dieser Monate betrafen 75, 90, 86, 110, 148, 86, 103 und 57 Gebäude, darunter 49, 63, 45, 48, 72, 43, 64 und 29 Neu- bauten.«_ Volkskonzerte. Das nächste Volkskonzert des Philharmo- nischen Orchesters findet am Donnerstag, den 29. Oktober, in der Berliner Unions- Braueret, Hasen- Heide 22—31, statt.— Der Vorverkauf zu den Volks- konzerten findet statt: In der Zentralstelle für Volks- Wohlfahrt, Augsburger Str. 6l, in der Berliner Gewerkschafts- kominission, Engelufer 15, Zimmer 13,' außer Sonnabends nachmittags und in den betreffenden Konzertsälen. Die im Vorverkauf nicht untergebrachten Karten werden abends an der Kaffe verkauft. Der Eintrittspreis beträgt 30 Pf., Kassen- eröffnung 7 Uhr, Beginn des Konzerts L Uhr.
AuS Furcht vor einer Operation erhängt hat sich gestern abend in der Laubenkolonie.Sorgenfrei" am Nonnendamm unweit der Jungfernheide der 45jährige Arbeiter Paul Schölzel aus Char- lottenburg, Danckelmannstr . 42. Er sollte heute in einer Klinik wegen eines Gallensteinleidens operiert werden. Schölzel war am Nachmittag nach seiner Laube gefahren und hatte noch die letzten Feldfrüchte geerntet. Als ihn seine Frau abholen wollte, fand sie ihn in der Laube erhängt vor. ftfeucr in der Strafanstalt Tegel. In der Nacht zum Donnerstag kam in der Strafanstalt zu Tegel nahe dem Tegeler Schießplatz Feuer aus. Als die Berliner Feuerwehr, die telephonisch zur Hilfe gerufen worden war, an der Brandstelle ankam, brannien Bretter und Holzbalkendecken usw. in der Anstaltsiischlerei. Es gelang mit zwei Schlauchleitungen den Brand auf die Tischlerei zu beschränken.
Auf der Straße vom Tod überrascht wurde vorgestern nach- mittag die 57 Jahre alte Eheftau Johanna des Gärtners Dehn aus der Oranienstraße. Sie brach vor dem Hause Lindenstr. 11/12 plötzlich zusammen, schlug im Fallen mit dem Kopf gegen das Rad eines Wagens, der an der Bordschwelle stand und blieb besinnungs- los liegen. Leute, die dazu kamen, nahmen sich ihrer an, brachten sie nach dem Flur des nächsten Hauses und riefen einen Arzt. Dieser konnte aber nur noch den Tod feststellen. Die Frau war einem Herzschlag erlegen. Schwere Strastenuufälle. Gestern abend gegen 9�, Uhr fuhr in der Goeben- Ecke Culm- strahe infolge falscher Weichenstellung ein Straßenbahnwagen der Linie 4 auf einen Wagen der Linie 3. Der Zusammenstoß war so stark, daß bei beiden Wagen die Führerstände total zertrümmert wurden. Zirka 15 Personen wurden verletzt, darunter ein etwa 20jähriger Mann, der an den Augen beschädigt wurde und auch noch anderweitige Verletzungen davontrug. Einige ältere Damen erlitten Schnittwunden durch Glassplitter. Die Feuerwehr wurde zu den Aufräumungsarbeiten herangezogen. Zwei andere Straßenunfälle ereigneten sich Mittwoch abend in der Andreas- und in der Königgrätzer Straße. An der Ecke der Langen und Andreasstraße geriet ein betagter und gebrechlicher Mann unter einen Geschaftswagen; er wurde schwerverletzt, in besinnungslosem Zustand, nach der Hilfswache gebracht. Der Ver- unglllckte, ein mittelgroßer Mann von etwa 65 bis 70 Jahren, trug einen älteren Anzug, eine blaue Schirmmütze und Schaftstiefel und hatte einen Kasten mit Knöpfen und Heftpflaster bei sich.— Vor dem Hause Königgrätzer Str. 108 wurde eine Frau von etwa fünfzig Jahren, ihrer Kleidung nach eine Arbeiterin, von einem Radfahrer umgestoßen. Sie fiel so schwer auf den Kopf, daß sie im Kranken- haus am Urban noch besinnungslos daniederliegt.
Dem Kaiserin-Augustt-Viktoria-Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche, Charlotten- bürg V, Mollwitz-Privatstraße, sind von einer Gönnerin, die ungenannt bleiben will, 3lX>9 M. zur Verfügung gestellt worden mit der Bestimmung, daraus die Kosten für zur Auf- nähme gelangende bedürftige kranke Kinder von Kriegs- ungehörigen bzw. durch den Krieg arbeitslos Gewordenen zu bestreiten. Die unentgeltliche Aufnahme im Kaiserin-Auguste- Viktoria-Haus(kranke Kinder bis zum 6. Jahre) ist von einer vorherigen ärztlichen Untersuchung in der Poliklinik der An- stalt— täglich von 12 bis 1 Uhr— abhängig.
Kinderfürsorge in Charlottenburg . In jeder der Cbarlottenburger Säuglingsfürsorge- stellen findet auch wäbrend des Krieges eine besondere Wochen- sprechstunde für Kinder vom 1. bis zum vollendeten 6. Lebensjahre statt. In diesen Sprechstunden werden in regelmäßigen Zwischen- räumen zunächst solche Kinder, die bis zum vollendeten 1. Lebens- jähre bereits die Fürsorgestelle besucht haben, weiter vorgestellt. Zugelassen zu diesen Sprechstunden werden jedoch alle Kinder im Alter von 1—6 Jahren, auch wenn sie die SäuglingSsürsorgestellen vorher nicht besucht haben. Mütter und Pflegerinnen erhalten in diesen Sprechstunden unentgeltlich spezialärztlichen Rat über die für das Gedeihen de« Kindes gebotenen Maßnahmen. Eine ärztliche Behandlung findet nicht statt. Die Sprechstunden werden an folgenden Tagen abgehalten: Säuglingsfürsorgestelle I, Berliner Str. 137: Mittwoch 2—3 Uhr; II, WilmeiSdorfer Str. III: Dienstag 2 bis 3 Uhr; Hl. Kirchplatz 5a: Freitag 1—2 Uhr; IV, Nehringstr Ii: Dienstag 21/j— S'/j Uhr; V, Kaisenn-Augusta-Allee 102: Dienstag 2—3 Uhr; VI, Kofferin-Auguste-Viktoria-Haus, Mollwitzstr.: Mitt- woch 2—3 Uhr: VII, Horstweg 28: Donnerstag 2—3 Uhr.— Die Mütter und Pflegemütter, die zugleich einen Säugling und ein größeres Kind in der Fürsorgestelle vorstellen wollen, können ausnahm«- weise auch die größeren Kinder in der Säuglingssprechstunde mit- vorstellen._
Aus der Organisation. Wie in der Generalversammlung deS Wahlvereins W e i tz e n s e e mitgeteilt wurde, nehmen von 2100 Mitgliedern 5 00 am Kriege teil. Es soll nunmehr das Hausver- trauensmännersystem eingeführt werden. Der Kassenbericht wurde als zufriedenstellend bezeichnet. Anstatt des Genossen Gründler wurde Genosse Rohkopf zum 2. Vorsitzenden gewählt. Als Führer der zweiten Abteilung fungiert Genosse Max Zemke und als Ob- mann des Jugendausfchusies Genosse Paul Neumann. Am Sonn- tag, den 25. Oktober, nachmittags 5 Uhr, findet die Eröffnung des Jugendheims in der Gäblerftraße, gegenüber dem Gemeindehause, statt. Zum Schluß wurde noch auf den von den Freien Volks- bühnen am Sonntag, den 8. November, in der Aula des Real- gymnasiums, Woelkpromenade, veranstalteten Kunstabend hinge- wiesen. Der Eintrittspreis beträgt nur 10 Pf. Bolkskunstabcnd in Mariendorf . Der dritte VolkSkunstabend findet am Sonnabend, den 24. Oktober, 8 Uhr abends, in der Aula des Realgymnasiums, Kaiserstr. 17/21, statt. Einlaßkarten a 10 Pf. sind noch im Konsumverein zu haben. Programm: Frauenterzett und Klavier.
Gewerkschaftliches. Städtischer Stellennachweis für tzanüels- angestellte. Der Zentralverband der Handlungsgehilfen hat sich wiederholt an die städtischen Behörden Berlins , und der Vor- orte gewandt mit' dem Ersuchen um Errichtung eines städti- scheu Stellennachweises für Handelsangestellte. Nun hat am 14. d. M. eine Konferenz von Vertretern des Berliner Ma- gistrats mit Vertretern der verschiedenen Handlungsgehilfen- und Angestelltenorgaisationen stattgefunden, wo die Frage des städtischen Stellennachweises behandelt wurde. Das Ergebnis dieser Konferenz besprach Paul Lange, der Vorsitzende des Zentralverbandes der Handlungsgehilfen am Mittwoch in einer stark besuchten öffentlichen Versammlung von Handels- angestellten. Der Referent führte unter anderem aus: Mit dem Ver- treter des Zentralverbandes stimmten im wesentlichen auch die Vertreter des Deutschnationalen Handlungsgehilfenverbandes, des Bundes der technisch-industriellen Beamten und des Deut- schen Technikerverbandes darin überein, daß die Errichtung einer städtischen Stellenvermittelung dringend notwendig ist
und daß diese Einrichtung geeignet ist, die gegenwärtig be- stehenden, die Angestellten schwer belastenden Mißstände der Stellenvermittelung zu beseitigen. Zunächst schien der Verlauf der Konferenz dieser Auffassung zu entsprechen. Dann aber vertrat Dr. Freund, Vorsitzender des Zentralvereins für Ar- beitsnachweis, den Standpunkt, die Stadt könne einen Stellen- Nachweis für kaufmännisches Personal nur unter der Vor- aussetzung errichten, daß die kaufmännischen Organisationen ihre eigenen Stellennachweise aufgeben. Davon wollen der Leipziger und der 1858er Handlungsgehilfenverband nichts wissen. Sie wollen ihre Stellenvermittelung bei- behalten. Da sie aus diesem Standpunkt verharren, kann man es dem Deutschnationalen Verband nicht verargen, wenn auch er seine Stellenvermittelung nicht aufgeben will. An- gesichts dieser Sachlage erklärte der Magistratsvertreter, Stadtrat M a a ß, er könne, da die Handlungsgehilfen- organisationen nicht genug Entgegenkommen zeigen, die Er- richtung eines städtischen Stellennachweises dem Magistrat nicht empfehlen. Da die organisierten Handlungsgehilfen ihre Stellennachweise haben— meinte der Stadtrat — könne vielleicht ein Stellennachweis für Nichtorganisierte eingerichtet werden. Der Referent sprach die Hoffnung aus, daß der Magistrat trotzdem noch zu einer der Sache günstigeren Auffassung komnlen möge. In Hannover , Köln und Breslau sind städtische Stellennachweise errichtet worden, ohne daß man von den Handlungsgehilfenorganisationen verlangte, sie sollten ihre eigenen Nachweise aufgeben. So könnte es auch in Berlin gemacht werden. Die städtische Stellenvermittelung ist eine so gute Sache, daß sie sich trotz der Stellenvermittelung der Vereine durchsetzen wird. Wenn der Standpunkt des Dr. Freund maßgebend sein soll, dann begünstigt man die Bestrebungen der Gegner eines städtischen Stellennachweises. Die Vereine, welche gegen den städtischen Nachweis sind, be- trachten ihre eigene, meist sehr wertlose Stellenvermittelung nur als Werbemittel. So kommt es, daß Stellen unter den ungünstigsten Bedingungen besetzt werden, denn den betreffen- den Vereinen ist es nur darum zu tun, unter Hinweis auf ihre Vermittelungstätigkeit Mitglieder zu gewinnen. Auf die Verbesserung der Gehaltsverhältnisse hinzuwirken, haben sie gar keine Möglichkeit. Nichts haben jene Vereine getan, als nach Ausbruch des Krieges manche große Firmen die Gehälter der Angestellten kürzten, ohne die Arbeitszeit herab- zusetzen. Dagegen hat der Zentralverband der Handlungs- gehilfen in vielen Fällen, wo Geschäftsinhaber den Krieg zum Vorwand nahmen, um die Lage der Angestellten zu ver- schlechtern, die Interessen der Angestellten vertreten und im Verhandllingswege die beabsichtigten Verschlechterungen ab- gewehrt. In gleicher Weise würde auch ein städtischer Stellen- Nachweis wirken können. Deshalb werden wir nach wie vor für die Errichtung eines solchen tätig sein. Nach einer kurzen, dem Referenten zustimmenden Dis- kussion wurde einstimmig eine Resolution angenommen, die dem Magistrat und der Gewerbedeputation eingereicht werden soll. In dieser Resolution heißt es: „Die Versammlung richtet an den Magistrat das Ersuchen, die Errichtung des städtischen Arbeitsnachweises nicht unbedingt davon abhängig zu machen, daß die kaufmännischen Vereins- stellenvermittelungen ihre Tätigkeit einstellen. Daß an der Verwaltung der von uns gewünschten Stellen- vermittelung Geschäftsinhaber und Angestellte beteiligt werden, ist im Interesse des Gedeihens dieser Institutionen notwendig, da damit das Vertrauen der beteiligten Kreise gewonnen werden kann. Um die neue Institution lebensfähig zu machen, ist es aber erforderlich, daß zu ihrer Verwaltung nur Vertreter solcher Verbände berufen werden, die ernstlich den Willen haben, die öffentlich-rechtliche Stellenvermittelung zu fördern."
Serlitt und Umgegend. Tie Lage der Arbeiterin««! in der Metallindustrie. Wie stark die Arbeiterinnen in der Metallindustrie durch die Arbeitslosigkeit infolge der Mobilmachung in Mitleiden- schaft gezogen sind, geht aus folgenden Zahlen hervor: Am 31. Juli waren im Arbeitsnachweis des Metallarbeiter- Verbandes 244 Arbeiterinnen arbeitslos gemeldet. Am 8. August war die Zahl auf 558 gestiegen, am 22. August lvaren eS 1072 und heute sind es noch 1049 arbeitslose Arbeiterinnen, die im Arbeits- Nachweis des MetallarbeiterverbandeS gemeldet find. Während durch Aufträge der Heeresverwaltung ein großer Teil der männ - lichen Arbeiter der Metallindustrie Arbeit gefunden hat, und da- durch für die Männer der Stand der Arbeitslosigkeit zurückgcgan» gcn ist bis auf die Zahl zu Beginn deS Krieges, kann man dies leider bei den Arbeiterinnen nicht sa�en. Dazu kommt ioeiter, daß der männliche Arbeiter einen Ort, an dem er keine Arbeit erhält, verlassen und sich anderwärts Ar- beit suchen kann. Den Arbeiterinnen ist ein Aufsuchen von Ar- beitsgelegenheit in einem anderen Ort entweder ganz unmöglich oder es ist aber doch für sie mit großen Schlvierigkeiten verknüpft. Gegen diese Schwierigkeit und angesichts der Tatsache, daß sich doch alle Kreise der Bevölkerung jetzt bemühen, gegen die große Arbeitslosigkeit infolge KeS Krieges anzukämpfen, sollte man nun glauben, daß auch die Großbetriebe der Metallindustrie das ihrige zur Behebung der Notlage tun, in der sich die Arbeiterinnen be- finden. Dies ist aber nur teilweise der Fall, und man kann viele Firmen, darunter besonders die Firma Siemens u. Halste, namhaft machen, die auf diesen Uebelswnd, unter dem die Arbeiterinnen leiden, keine Rücksicht nehmen. Zu Beginn des Krieges sind auch bei der Firma Siemen? u. Halske Entlassungen vorgenommen. Ma« konnte nun wohl an- nehmen, daß für die Zurückbleibenden wenigstens eine Regulie- rung der Arbeitszeit eintreten würde. Aber weit gefehlt. In einer ganzen Reihe von Abteilungen de? Wernerwerks Siemens u. Halske müssen Arbeiterinnen von �3 Uhr früh bis%9 Uhr abends arbeiten, und sogar Sonntags werden 814 Stunden ge- arbeitet, und zwar bereits seit Kriegsbeginn. Daneben arbeiten eine ganze Reihe von Abteilungen der Firma Siemens u. Halske verkürzt, also Iveniger als die normale Arbeitszeit ausmacht. Da- bei wäre es leicht, einen Ausgleich zu schaffen indem man die Arbeiterinnen aller Abteilungen voll arbeiten läßt uno dadurch die über normal beschäftigten Arbeiterinnen entlastet, oder aber, wenn das nicht geht, Neueinstellungen vornimmt. Es ist bedauerlich, daß dieses einfache Mittel, das der Firma so gut wie nichts kostet, nicht angewandt wird, um der gegenwärti- gen Situation wenigsten einigermaßen Rechnung zu tragen. Auch in anderer Beziehung weiß sich die Firma in die gegen- wältige Situation nicht hineinzufinden. So unglaublich eZ klingen mag, selbst jetzt verlangt die Firma von Arbeitern und Arbeiterin- nen, die bei ihr in Beschäftigung treten, das Passieren des gelben Arbeitsnachweises. Die Arbeiter müssen unterschriftlich erklären, daß sie den gelben Werkvereinen beitreten, sonst werden sie nicht eingestellt. Die Folge dieses Verlangens ist nun, daß die Firma nicht genügend gualifizierte Leute, wie Dreher, Werkzeugmacher ufw findet. Deshalb werden die im Betriebe beschäftigten männlichen Arbeiter veranlaßt, in hohem Maße Ueberstunden und Sonntag: arbeit zu leisten. Wenn die Arbeiter ehrlich gewillt sind, den Burgfrieden n