Dazu fei die Vereinigung der Vertreter der Unternehmer- syndikate und der Gewerkschaften in gemeinsamen Kommissionen nötig, die nach Jndustriekategorien zu bilden seien und in steter Verbindung mit der Kommission gegen Arbeitslosig- keit zu tagen hätten. Vom g e i st i g e n L e b e n in der Partei bekommt man infolge der erwähnten Preßverhältnisse nichts zu sehen. Höchstens kann man aus gelegentlichen Anspielungen, die Vaillant, der jetzige tägliche Leitartikler der„Humanits", auf private Zuschriften macht, den Schluß ziehen, daß über die Auffassung des Krieges und die Aktion der Partei gegen- über dem Krieg und während des Krieges auch in Frankreich nicht vollkommene Einstimmigkeit herrscht. Außer Vaillant schreibt auch Comvere-Morel regelmäßig Artikel. Die Situation und die in der französischen Partei fortlebende Tradition lassen den alten Blanquismus deutlich anklingen. Tie Zerreißung der Postverbindungen mit dem feindlichen Ausland hat begreiflicherweise manche falsche Abschätzung der dort wirkenden Kräfte und die Uebernahme mancher von der bürgerlichen Presse suggerierten Meinung und Stimmung zur Folge gehabt. Aber wiederholt i st die„Hu- manit�" der chauvinistischen Verhetzung der bürgerlichen Blätter entgegengetreten, die sich in der Beschimpfung und Bedrohung des deutschen Volkes gefallen. Tie Aktion für die Vertreibung der beut- schen Industrie, in die sich einige bekannte Syndikalisten mit seltsamem Eifer geworfen haben, hat jedenfalls bei der sozia- listischen Partei keine Unterstützung gefunden. Erwähnt sei. daß die Partei einen besonderen Info r- m. a t i o n s d i e n st über die Genossen im Feld eingerichtet hat. Tie Sekretäre der Gruppen in den Orten,>00 Lazarette eingerichtet sind, leisten auf diese Weise den Angehörigen große Dienste. Die„Humanitä" veröffentlicht täglich die Listen der Toten und Verwundeten, soweit diese den Organi- sationsfunktionären zur Kenntnis kommen. Die a 1 1 g e- meine Verlustliste wird ja bekanntlich von der Regierung nicht veröffentlicht. Auffallend groß ist darin der Verhältnis- satz der Lehre r. Er hängt einerseits mit der Verbreitung des Sozialismus in der Lehrerschaft der Volks- und Mittel- schulen, andererseits damit zusammen, daß viele ihrer Mit- glieder als Offiziere besonders exponiert sind. Tie besondere Tätigkeit des— obengenannten— Aktionskomitees, die sich auch auf Fürsorge für die Verwundeten und Austeilung von Kleidern in den Familien der organisierten Arbeiter aus- dehnt und deren Kosten durch eine Saminlung gedeckt werden, hat bei einigen Patentpatrioten gehässige Ausfälle hervor- gerufen, die von sozialistischer Seite würdige und energische Abwehr fanden. Die Heuchelei der Reaktionäre über die Zerreißung der Nation durch die proletarische Sonderaktion ist um so dreister, als die Klerikalen selbst sich nicht im ge- ringsten zurückhalten, die allgemeine Lage zu ihren Gunsten auszunutzen, der Regierung still eine kirchenpolitische Kon- zession nach der anderen abzugewinnen, auf die Verwundeten Gewissenszwang auszuüben und im Land den Einfluß der klerikalen Organisationen zu stärken. Tie Negierung der nationalen Einigung und Verteidi- gnng ist keine genügende Schutzwehr gegen diese im Schatten des„Burgfriedens" schleichende Minierarbeit. Es scheint, daß die Pariser Polizei, die gegenüber der Zentral- regierung von altersher eine selbständige Stellung behauptet hat und unter deren höheren und niedrigeren Organen es von antirepublikanischen Elementen wimmelt, auch jetzt und b e- sonders geradejetzt bereit ist, den Reaktionären Hand- langerdienste zu leisten. Die Tatsache, daß jetzt zwei entschie- dene Sozialisten in einem vorwiegend radikalen Ministerium sitzen, hindert sie nickst in der Betätigung dieser Neigung. So beschwert sich Genosse C 0 m pd r e- M 0 r e l in der„Hu- inanits" vom 7. November heftig über die Treibereien der Polizei und die Duldung, die ihnen zuteil wird. Vor kurzem bekam ein junges Mitglied der Scine-Födcration den Besuch eines Sicherheitsinsvektors, der ihm drohend bekanntgab, daß er„auf einer Liste der Verdächtigen stehe". Als der Minister des Innern nach Paris kam, beschwerte sich
Hstöeutfchlanös Sturmtage. 1. Tie Fahrt zur Grenze. Seit Anfang November tauchten wieder Flüchtlinge aus Oft- preußen in Berlin auf, und es kamen trübe Gerüchte: die ganze Provinz sei von den Russen überflutet. Las man dagegen die Berichte vom östlichen Kriegsschauplatz, so schien diese Hiobspoft ganz unverständlich, und auch eine Auskunft des Königlich Preußi- >chen Krieasministerlums deutete an, daß die Dinge an unserer russischen Nordostgrenze nicht gar zu schlimm stehen konnten. Jeden- salls waren da gewisse Widersprüche, und ich beschloß: selber sehen! In diesem Beschlüsse bestärkte mich noch ein anderer Umstand. Unaufhörlich las und hörte man, liest und hört man: Vom Kriege, zumal von diesem Kriege, kann sich selbst die fachmännische Phantasie des erfahrenen Soldaten ohne unmittel- varc Anschauung keine Vorstellung machen, geschweige denn das simple Zimlistengehirn. Nur wer die Dinge an Ort und Stelle selber geschaut hat, der vermag etwas wie einen blassen Schimmer von dieser grausigen Kriegskatastrophe deS Jahres 1914 in seinen Vorstcllungskreis hineinzubekommen...... Sonntag, den 8. November, nachts, fuhr ich los.".,» »-» » Nicht jedem, der eine Reise tut, ist es gegeben, auch was zu cr- zählen— trotz dem Herrn Urian. Aber erzählen hören kann jeder, wenn er zu rechter Zeit den Muud zu halten versteht, und so habe ich denn auf meiner kurzen Reise gen Osten sehr viel erzählen hören. Und nicht bloß erzählen— auch schimpfen! Ein Fcldwebclleutnant, der vom Westen kam. schalt aus die Zeitungen, die sich über Franzosen und Engländer lustig gemacht hätten— zum Schaden der an den ersten Kämpfen beteiligten deutschen Soldaten, die manchesmal vorsichtiaer gewesen wären, wenn sie damals schon gewußt hätten, was sie jetzt wissen. Daß nämlich Franzosen wie auch Engländer und ebenso die regulären belgischen Soldaten in Ausbildung und Tapferkeit uns Deutschen ebenbürtig wären; daß darüber hinaus die Franzosen ganz vortreffliche Artil- lerie und erstklassige Artilleristen besähen, so daß e» noch ein großes Glück für uns sei, daß Frankreichs Geschoßmaterial nicht vom besten ist. Und die Engländer! Die Kerle sind ja die reinen Kunst- schützen! Läßt sich auch nur eine deutsche Hand überm Schützen- graben sehen— schon ist sie durchgeschossen— glatt wie'n Aal! Ein anderer war bereits einmal im Osten gewesen und jetzt wieder dorthin kommandiert. Auch er ärgerte sich über die dummen Redereien. Welche Torheit, von dem schlecht ausgerüsteten Russen pu faseln! Sie haben mindestens so gute Stiefel und Uniform. stoff wie wir, in einer Beziehung vielleicht noch bessere, da alles wasserdicht gemacht sein soll. Und ihre Gewehre! Ihre Bajonette! Erstklassig! Präzisionsarbeit! Kurz und gut— die alte Erfahrung: Die hinterm Ofen hocken oder am Tintenfinger lutschen, können sich nicht genug tun an Verhöhnung, Verhunzung des FeindeSz die
Compöre-Morel bei ihm. Herr M a l v y tat entrüstet und versprach sogar, daß der Schuldige in Untersuchung gezogen und der Bedrohte amtliche Entschuldigungen erhalten würde. Aber was folgte, war der Besuch eines anderen Polizisten bei dem Verdächtigen und eine Wiederholung der Drohung. Compäre-Morel ruft jetzt:„Es ist genug! Wir wollen endlich einmal wissen, von wo diese Befehle ausgehen, wer für dieses Treiben verantwortlich lst und welchen Zweck man damit ver- folgt. Niemand in unserer Partei und in der Arbeiterklasse kann es hinnehmen, daß man in demselben Augenblick, wo die sozialistischen Abgeordneten als so gute Franzosen und ausgezeichnete Patrioten angesehen werden, daß man an manche unter ihnen appelliert, an der Organisation der Na- tionalvcrteidigung teilzunehmen, unsere einfachen Genossen als„Verdächtige" behandelt!" vom österreichisch-serbischen Kriegsschauplatz. Verfolgung üer Serben. Wien , 17. November. (55. T. B.) Der Kriegsbericht- erstatter der„Neuen Freien Presse" meldet, daß die Serben nach dem Fall von Valjevo sich zehn Kilometer weit in der Richtung auf Kragujevac zurückgezogen haben. Um die neue Stellung tobt ein neuer Kampf. Vorüringen bis zur Kolubara. Nichtamtlich. Wien , 17. November. (W. T. B.) Vom s ü d- lichen KriegSsckauplotz wird amtlich von heute gemeldet: Auf dem südlichen Kriegsschauplatz haben unsere Truppen sich gestern bis an die K 0 l u b a r a herangeschoben, diese auch schon mit Teilen überschritten, obwohl sämtliche Brücken vom Gegner zerstört wurden. In Valjevo , wo bereits ein höheres Kommando eingetroffen ist, wurde die Ruhe und Ordnung rasch hergestellt. Die Stadt ist von serbischen Truppen hart mitgenommen worden. Ein kleines Kavalleriedctachement machte gestern 300 Gefangene. Gestlicher Kriegsschauplatz. Eine Darstellung öes russischen General - siabs. Petersburg, 17. November. (W. T. B.) Der Kroße Generalstab veröffentlicht folgenden Bericht: Nach den Kämpfen im Oktober auf den Straßen nach Warschau und Jwangorod, die durch unseren Sieg gekrönt wurden, begann der Feind den Rückzug zu seiner Grenze, wobei er schonungs- los die Eisenbahnen und Chausseen zerstörte. Längs der Eisen- bahnen sprengten die Deutschen die Bahnhöfe und die dazu gehörenden Gebäude in die Luft oder steckten sie in Brand und vernichteten alle Wassertürme, Wasserleitungen und Weichen. An gewissen Kreuzungen sprengte der Feind die Schienen so vollständig, daß für die Wiederherstellung der zerstörten Strecke das Logen neuer Schienen erforderlich war. Ebenso sprengten die Deutschen alle Brücken und Wasser- lcitungen, selbst die kleinsten, von Grund aus, um dadurch ihre Wiederherstellung unmöglich und ihren Neubau not- wendig zu machen. Auf den Chausseen wurden sämtliche Brücken zerstört. Die Straße selbst wurde schachbrettartig auf der rechten und linken Seite aufgegraben oder gesprengt. Der Feind schlug die Telegraphenmasten um, zertrümmerte die Isolatoren und zerschnitt die Drähte. Alles dieses hielt unsere Verfolgung ernstlich auf, wodurch es dem Feinde gelang, auf dem linken Ufer der Weichsel allmählich aus unserem Aktionsgebicte herauszukommen und sich seinem Ge- biete zu nähern. Nachdem die Deutschen diese Aufgabe er- aber Brust an Brust mit ihm gerungen haben, geben dem Kaiser. was des Kaisers ist, und den Feinden, was ihnen gebührt, im Bösem wie im Gutem. Mit dem Schimpfen geht'S wie mit dem Rodeln. Ist man erst 'mal im Schwung, dann gibt'S kein Halten mehr. Und so glitt das schlüpfrig« Gespräch auf das beliebte Thema: vorgesetzte Behörde! Ein Fliegerleutnaut hat den Feind Hunderte von' Kilometern überflogen, ist auch beschossen worden, war also gewiß so„mobil" wie nur irgend möglich; der böse Zahlmeister aber hält sich an seine Bestimmungen und will durchaus keine Kriegslöhnung heraus- rücken! Sein Bruder. Feldwebelleutnani mit„feinem Kommando", ist. flüger gewesen. Als er zum Leutnant befördert werden sollte, hat er ausgerechnet, daß er sich dann schlechter stehen würde als jetzt, und so blieb er denn lieber Feldwebelleutnani mit höheren Bc- zügen, Geschäft ist Geschäft! Auch das Eiserne Kreuz ?— Müßte bloß für Tapferkeit verliehen werden, nicht auch für Auszeichnung, weil.... Hier mußte ich leider da» erstemal umsteigen, so daß es mir nicht vergönnt war, an dieser frischen Quelle noch ferner Weisheit zu schlürfen. Behutsam flettcrte ich über die müden Soldaten hin- weg. die— immer an der Wand lang— im schmalen Gang deS v-ZugeS auf dem Boden lagen und schliefen. II. Dir drei Provinzen. Im Morgcngrau durchfuhr ich die Nordspitze der Provinz Posen , und als ich durch Wcstpreuhen rollte, war schon der scharfe, sonnenklare Novcmbervormittag heraufgestiegen. Ich weiß nicht, ob die Besorgten unter uns Recht haben, die da meinen, über kurz oder lang werde dieser unermeßliche Krieg uns zu allem Sonstigen doch auch noch schweren Mangel und bittere Hungersnot bringen; oder ob fene im Recht sind, die da behaupten, wir seien auch gegen den NahrungSmittelkrieg„voll und ganz" gerüstet. Aber eins weiß ich, nachdem ich Posen, West» und Ostpreußen in diesen Tagen durchquert habe: Mit Rüben sind wir mehr als reichlich versehen, und wenn irgendwelche Menschen früher oder später im Verlauf des Krieges kommen und sagen sollten: Die Rübcnschnitzel fürs Vieh oder gar der Zucker müsse nun verteuert werden, denen er- wider ich schon heute im voraus: Lug und Trug und Wucher! Wir fahren über die große Brücke; da müssen die Fenster dicht verhängt werden.... Längs der Strecke wird fleißig gearbeitet. Sogar Frauen rackern mit der Sandschippe. Die wunderbarste Arbeit aber haben wieder die Pioniere vollbracht. Schon im Frieden leisten sie, deren Truppe sich aus tüchtigen Arbeitern zusammensetzt, Hervorragende». Nun im Kriege vollends sind sie Künstler geworden, zumindest Kunsthandwerker, die solide und schön zu arbeiten wissen. Bloß die Bäume, die vielen lieben Bäume, und all die Sträucher, die als Opfer fallen muhten! Klein und groß und groß und klein, die Bäume und Bäumchen, die ihr Leben, ihre Seele lassen mußten, die wir nicht in den Verlustlisten finden und um die wir doch trauern mit schmerzlichsten Gefühlen. Knickt ihr im Frieden ein Zweiglein zu viel oder holt ihr armen Wciblein euch ein bißchen
füllt hatten, benutzten sie ihr ausgedehntes Eisenbahnnetz, ihre Truppen auf dem schnellsten Wege nach Norden zu schaffen, uni gegen unseren linken Flügel starke Streitkräfte zusammenzuziehen. Mitte November machte sich eine deutsche Offensive in der Gegend zwischen Weichsel und Warthe bemerkbar, die zu Kämpfen führte, die sich gegenwärtig auf der Front Plock — Lcntschitsa— Puneioff entwickeln. In Ostpreußen in der Gegend von Stallupönen und Possessern versuchte der Feind durch abgesondere Abteilungen gegen unsere Offensive aufzuhalten, zog sich aber zurück, nachdem sein Versuch mißglückt war. In der Gegend von Soldau und Neidenburg dauert die Aktion an. Unsere Offensive gegen Krakau und die galizische Front wird fortgesetzt. Die Ver- suche der Oesterreicher, auf ihren Angriffsstraßen feste Stellungen einzunehmen, bleiben ohne Erfolg. In den Kämpfen am 13. November südlich Lysky machten wir zehn Offiziere und Taufende von Soldaten zu Gefangenen. der türkische Krieg. /legppten vor üem �ufsianöe. 5loustantlnopel, 17. November. (W. T. B.) Das Blatt „Turan" erfährt: Da die ägyptischen Liberalen trotz der Maß- nahmen der Engländer schon seit langer Zeit alle Vorberei- tungen für einen allgemeinen Aufstand getroffen haben, wird dieser sofort beginnen, sobald die Nachricht von der Verkün- dung des Heiligen Krieges nach Aegypten gelangen wird. Die englischen Truppen in Aegypten reichen nicht hin, einen solchen Aufstand zu unterdrücken. Die BevölkerunadesSu- d a n s hat sich bereits erhoben und dringt pegen Norden vor. Die eingeborenen ägyptischen Offiziere und Truppen, die nach dem Sudan verschickt worden sind, werden sich der Bewegung anschließen. Andererseits nähern sich die Senussi der Grenze Aegyptens. der Seekrieg. von üer Tätigkeit öes Kreuzers »Karlsruhes Amsterdam, l6. November. Das„HandelSblad" meldet aus London : Der Kapiiän des holländischen Dampfers„Maria", der mit einer Ladung von Punta ArcnaS nach England unterwegs war. erzählte, daß fein Schiff am 20. Seplember von dem deulfchen Kreuzer„Karlsruhe" beichlagnahmt und versenkt wurde. Der Kapitän und die Mannschaft der„Maria" wurden an Bord des Begleitschiffes.Creield" gebracht. Die„Karlsruhe " hatte damals bereits die Dampfer„Powicastle"..Slralhroy",„Maplebronch", „Higblandhope" und„Jndrant" beschlagnahmt. An demselben Tage wie die„Maria" wurde der Dampfer„CorniShcity". an den darauffolgenden Tagen die Dampfer„Rioaguafa",„Farne". „Hiabadel- Arinaga",„Lynrowan".„Cervantes",„Pruth " und„Condor " beschlagnahmt. Am 22. Oktober lief die„Crefeld " in Santa Cruz ein und landete insgesamt 433 Personen von den erbeuteten Dampfern Der besihlagnahmte„Komet*. Rotterdam , 17. November. (SB. T. B.) Der«Nieuwc Rotter« damsche Courant" meldet: Das deutsche Regierungsfahrzeug„Komet", das bei Neuguinea von der australischen Flottenabteilung fort- genommen ist, ist dieser unter dem Namen„Una" einverleibt worden. „Komet" ist ein fleineS Vermessungsschiff von 17,5 Stundenkilometer Geschwindigkeit ohne irgend einen Gefechtswert. Sieben Holländer durch eine angespülte Mine getötet. Amsterdam , 17. November. (Privattelegramm des „Vorwärts".) Als heute in Westtapclle eine dort angespülte Mine demontiert werden sollte, explodierte sie. Sechs holländische Soldaten, darunter ein Hauptmann und zwei See« leutnoms. sowie ein Dünenwächter wurden getötet. Reisig aus dem Walde, so kommt euch der Förster auf den Pelz. Jetzt aber! Nicht einmal die Schonung hat— Schonung gefunden. Je mehr inan nach Osten kommt, desto ernster werden die Menschen und die Gespräche, und im Ncbenabteil instruiert bereits ein Offizier drei Feldwebclleutnants über Gruppen» und Rotten- fcuer. Heranschleichen an den Feind und ähnliche Dinge. Die Jünglinge allerdings, 17- bis 22iährig, von dem hier ganze Eisen- bahnzüge voll als längster Landsturm zum Grenzschutz aufgeboten sind, sie lassen sich glücklicherweise ihre Fröhlichkeit' nicht verkürzen, und auch die polnisch Sprechenden unter ihnen gehen hoch gestimmt, teilwcis wohl zu hoch gestimmt, an die Grenze. Und in den Wagen. an den Wagen und längs der Strecke immer wieder Humor— oder einer, der so'was sein soll. Da wird ein ausrangierter Viehwagen auf freiem Felde durch Aufschrift zum„Sch l a f s a I 0 n", ein blechencr Marmeladeeimer auf demselben Wege zur„Waschwilette". Die Wageninschriften aber haben sich seit Kriegsbeginn noch wenig gändert, bloß daß die neueren Tagesereignisse in diese kreidige Literatur einbezogen werden. So las ich z. 33.:„Rache für T s i n g t a u!" und ein ganz Gescheidtcr hatte gar an die Schiebe- tür des Güterwagens geschrieben:„Napoleon mutz krepie- r e n!"--- Noch immer konnte die Gefahr nicht groß sein; denn weit draußen, zwischen Acker und Wald, unmittelbar bei Gebäuden, die zu kleinen Festungen umgewandelt sind, tummelten sich Kühe und Kälber, Kinder und Kinder: ein friedliches Bild— und die Unruhe, die Zerstörung nur ein paar Meilen weiter östlich. Tie ersten größeren Schützengräben tauchen auf und die ersten törichten Gespräche der bekannten Bierbankfeldherren: Zlvei Milli- onen Russen im Anmarsch und sonst noch allerlei Kraut und Kohl. Und nicht zu vergessen: Hindenburg ! Je näher ich an Soldau — zwei knappe Meilen von der russischen Grenze— herankam, desto klarer zeichnete sich ab, was den militärischen Friedens- vom KriegSbetrieb im allgemeinen wohl unterscheidet. Wer unseren„Kommiß" kennt, der weiß: ES gibt Vorgesetzte, die sich den„königlichen Dienst" ohne Schreien und Tampfmachcn überhaupt nicht vorstellen können.„Es gehört dazu" — meinen sie. Und gar vor Besichtigungen, Paraden, großen Musterungen, da kommen die Mannschaften aus der Hetz und die Vorgesetzten aus der Aufregung schon gar nicht mehr heraus. Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein! Dicht vor Sol- dau, das bereits im August zuerst die Kosaken und die nieder- gebrannten Häuser, das russische Bombardement und bei der Ver- treibung des Feindes die deutschen Granaten kennen gelernt hatte, dicht vor Soldau , das jetzt von neuem am 7. und am 8 November (dann wieder vcm 10. ans die Grütze der russischen Kanonen zu fühlen bekam, dicht vor Soldau : abgeklärte Ruhe, bestimmte, flare Erfassung der Lage, kein Hin und Her, kein Gehetz, kein Schelten, keine äußerliche Aufregung. Innerlich sind viele dieser Soldaten, Offiziere und Unteroffiziere gewiß von Unruhe gepeinigt, doch ihre Beherrschrhcit läßt das nicht durchblicken. Am Tage zuvor(Sonn- tag) war die russische Kanonade so stark gewesen, daß die Einfahrt der Eisenbahnzüge eine Zeitlang bedroht schien. Und nun— Mon, tag nachmittag— erwartet alle Welt jeden Augenblick den Wieder- beginn des Bombardements.„Eigentlich" darf man daher nicht ins Städtchen.„Eigentlich"? Also hincm!