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Llopö George präsentiert Sie Rechnung. VonunseremLondonerKorrespondenten. Wenn es bisher noch Engländer gegeben' hat, die sich diesen Krieg englischcrseits als einen fidelen Spaziergang oder als eine wohlfeile Kapitalanlage vorgestellt haben, dann werden sie von der B u d g e t r e d e, die der Schatzkanzler Lloyd George am Dienstag im Unterhause gehalten hat, gründlich ernüchtert worden seim Schon die Bemerkung des Ministerpräsidenten A s q u i t h, daß der Krieg der englischen Regierung täglich 18 bis 28 Millionen Mark koste, war vielen eine unangenehme Uebcrraschung. Aber als Lloyd George nun die ganze Rechnung präsentierte und dem Unter- Hause nicht nur die Kosten vorrechnete, sondern auch aus- einandersetzte, wie das Geld herbeigeschafft werden soll und wer dafür zu blechen haben wird, da wird es wohl manchen kriegsbegeisterten Patrioten wie ein kalter Schauer über- laufen haben. Es wird dcni englischen Volk und der Welt nichts schaden, wenn denjenigen in England, die die Lpfer des Krieges bisher nur in finanzieller Beziehung zu spüren bekommen, recht eindringlich klargemacht wird, was diese finanziellen Opfer sind. Das prahlerische Gerede von einem viele Jahrelang fortzusetzenden Krieg wird dann bald ver- stummen. Das Problem, das Herr Lloyd George zu lösen hat, ist kurz das folgende. Tie im Etat eingeschätzten Staatsein- künfte fiir das laufende Finanzjahr(das am 31. März 1915 abläuft) beliefen sich auf 297 Millionen Pfund Sterling. Infolge des Krieges rechnet Lloyd George mit einem Reve- nuenausfall von 11 Millionen Pfund. Die tatsächlichen Kriegsausgaben in den ersten acht Monaten des Krieges, von August 1914 bis zum Ende des Finanzjahres, berechnet das Schatzamt auf die unerhörte Summe von 328 MillionenPfundSter- ltng oder über 6V2 Milliarden Mark. Tie ge- samten Jahresausgaben werden also nicht weniger als 535 Millionen Pfund betragen, so daß sich ein Fehlbetrag voninsgesamt 339 M i l l i 0 n e n P f u n d ergibt. Wie soll dieses Defizit, demgegenüber alle hervorgebrachten staats- finanziellen Maßstabs versagen, gedeckt werden? Zunächst nimmt die Regierung eineKriegsanleihe von 359 Millionen Pfund Sterling oder 7 Mil- liarden Mark auf. Womit Lloyd George schon finanzielle Vorsorge für die Fortsetzung des Krieges über die ersten 8 Monate hinaus, und zwar bis Juli 1915 trifft. Außer- dem aber werden neue Steuern auferlegt, und zwar im laufenden Finanzjahr im Gesamtbeträge von lüs/jj M i l- lionen Pfund Sterling und im nächsten Finanzjahr, also dem ersten vollständigen Kriegsjahr, in der Gesamthöhe von über 65 Millionen Pfund Sterling. Die neue Staatslast wird das darf bei den in Eng -' land bestehenden sozialen Machtverhältnissen übrigens als s e l b st V e r st ä n dl i ch bezeichnet werden nachWesen t- l i ch. d.e.m akratischen Grundsätzen verteilt. Trotz der gerade in diesem Jahre dlirchgeführtcn einschneiden- den Finanzreforni, die ausschließlich die besitzen- den Klassen belastete, verdoppelt nun Lloyd George alle Einkommensteuern und Extra- steuernfürgroßeEinkomnicn. Es mag hier daran erinnert werden, daß in England alle Einkommen unter 3299 bis 4999 Mark steuerfrei sind, so daß die Arbeiterbevölke- rung und ein Teil des Kleinbürgertuyrs bei der Einkommen� steuer nicht in Betracht kommen. Daneben werden aber auch neue indirekte Steuern auferlegt, die vornehmlich auf die Massen des Volkes fallen, und zwar aufBierund auf Tee. Im laufenden Finanzjahr werden diese ver- schiedenen neuen Steuerquellen die folgenden Erträge lie- fern: Einkommen st euer 11 Millionen Pfund, Extra-

Seim Train. Neber die Tätigkeit unsere? Trains im Ostbeere und die großen Sckwierigkeilen, mil denen der Train infolg« der schleckten Wege« »erhälmisse in Rnisisch-Polen zu kämpfen hat, gibt nachstehender Feldpostbrief eines FeldzugteilnchmerS eine anschauliche schUderung: ..... 2. R vember tSts. Die Tätigkeit deS TraiuZ im Feldzuge verdient besonder« hervor- gehoben zu werden, denn die Versorgung der Truppen mit Munition und Lebensmitteln und ebenso die Herbeischaffung von Hafer für die vielen Tausenden von Zug- und Reitpferden bildet den Hauptsaklor zur Schlagfertigkeit und Erhaltung unseres Heeres. Seil wir die Grenze in Oberschlesien überschritten und nach der Weichsel zu marschierten, hatten wir in Russisch-Polen sehr unter denkbar schlechtesten Fahrstraßen zu leiden, meist waren eS nur schmale. sandige oder lehmige Pfade, die schon von den ersten Kolonnen «Artillerie- und Infanterie-Munitionskolonnen) ausgefahren waren. Tie nachfolgenden Kolonnen(Proviantkolonnen, Fuhrparkkolonnen, Feldlazarette usw.) mußten nun wohl oder übel durch die aufgewühlte Fahrstraße ihren Wey fortsetzen; oft mußten wir ganze Strecken zu tief ausgefahrener Löcher auf der Fahrstraße mit gesälltfii Bäumen und Sträuchern notdürftig auSdesiern. Unglaubliches mußten unsere braven Zugpferde hier leisten; oft wurde ein Wagen nach dem andern unter Verwendung von Vorspannpferden der ersten Wogen aus dem tiefen Sandboden herausgeholt und aller Augen- blicke mußten die Fußmannichaften kräftig in die Speichen der Räder greifen, damit die Pferde überhaupt anzogen. Trotz dieser schlechten Fahrwege legte wohl jede Forniation durchschnittlich pro Tag Kilometer zurück. Die Folgen dieser ungeheueren An- strengungen machten sich dann auch schon in einigen Tagen bemerkbar. indem man links und rechts vom Wege, in Abständen von je einigen lOIZ Meter beiseite gebrachte Kadaver von erschossenen Zugp'erden liegen sah. Die Tiere mußten infolge Erschöpfung erschossen werden. Nach zirka vierzehnlägigem Marsche in solch' schwierigem Gelände erreichten wir die Warschauer Chaussee und alles atmete auf. denn jetzt bewegten wir uns auf einer nach deutschen Begriffen gut angelegten Fahrstraße. Hervorgehoben zu werden verdient auch die Tätigkeit der bei den Formationen als Radfahrer oder Reiter kommandierten Befehls- Überbringer. Diese Leute, die außer den Strapazen deS Manches beim Einrücken ihrer Formation in die Quartiere täglich zu ihrem ständigen Stabe müssen und dort die Marschbeseble usw. empfangen. haben eine ganz ausopfernde Tätigkeit inne und müssen in so einer Person zugleich Intelligenz. Mul und Kraft verein« sein. Die polnischen Bauern wachsen hier im Treck buchstäblich auf und eS graut einem davor, in so ein Bauernhaus ins Quartier zu gehen. Die Säuser haben meist nur eine Swbe, und in dieser hausen zirka 10 Personen, Eltern. Kinder und Großeltern. Sauberkeit und Lüften der Wohnung kennen die Leute hier nicht, und es kann einen nicht genug, wundern, daß sich hier nicht mehr epidemische Krankheiten entwickeln. Die Nahrung der Leute besteht früh, mit- tagö und abends aus gekochten Kartoffeln und Milchsuppc. Bei solch einer primitiven Lebensart der Bewohner hält es für uns uatürlich schwer, unS außer der Reihe mal etwas Eßbares her-

'steuer auf große Einkommen 1* Millionen Pfund, Bier­steuer 2� Millionen Pfund, Tee st euer 959 999 Pfund also direkte Besitzsteuern 12� Millionen Pfund, i n d i» rekteKonfumsteuern3 459 999 Pfund. Im nächsten Finanzjahr werden die Erträge dieser neuen Steuern das folgende Bild zeigen: Einkommensteuer 38� Millio- nen Pfund. E x t r a st e u e r 6 Millionen Pfund, Bier- steuer 17 699 999 Pfund. T e e st e u e r 3 299 999 Pfund also direkte Besitz steuern ii% Millionen Pfund, indirekte Konfuni steuern 29 899 999 Pfund. Die Ankündigung der n e u e n K r i e g s a n l e i h e von 359 Millionen Pfund wird in der Londoner City sicherlich mit schmunzelndem Behagen aufgenommen werden; denn sie bietet eine seltene Gelegenheit zur Betätigung der Lieb- lingsbeschäftigung aller Geldleute, nämlich: Patriotis- mus und Geschäft zu vereinigen. Die Bedingungen sind, an englischen Finanzverhältnissen gemessen, sehr ver- lockend. Der Emissionspreis ist 95 P f u n d für jeden Schuld- schein im Nominalwert von 199 Pfund bei 3�>prozentiger Verzinsung: die Schuldscheine sind spätestens am 31. März 1928, also schon in 13 Jahren al pari e i n l 0§ b a r. Wenn also der englische Staat nicht inzwischen Bankrott macht, muß der Kurswert der Schuldscheine im Laufe der Zeit fortgesetzt steigen. Nicht genug damit, hat sich die B a n k von England die nach dem Gesagten freilich nichts riskiert sehr patriotischerweise erbötig gemacht, in den ersten drei Jahren gegen hinterlegte Kriegs- schuldscheine Kredite bis zur Höhe des Emis- sionspreisesbeieinerZinsratevoneinPro- zent weniger als die jeweilige Bankrate zu gewähren, so daß die Schuldscheine in den ersten drei Jahren jederzeit unter vorteilhaften Bedingungen zu Geld gemacht werden können solange die Bank von England nicht zahlungsunfähig wird, und das ist vor dem Weltunter- gangstermin selbstverständlich ausgeschlossen. Wenn das alles nicht zieht, dann muß es mit dem Kredit des englischen Staates in der Tat schlimm stehen. Man wird sich also auf einen Bombenerfolg der Anleihe gefaßt machen müssen, den man in die Welt hinausposaunen wird was natürlich nur der Zweck der Uebung war. Der Bissen ist so lecker, daß man ihn denkleinen Leuten", die doch gern ihre patriotische Opferfreudigkeit betätigen möchten, gar nickt gönnt; denn Schuldscheine unter dem Nominalwert von 199 Pfund(2999 Mark) werden nicht vergeben. Bei all dem ist aber nicht zu verkennen, daß die englische Finanzwirtschaft auch jetzt sich bciffüht, an ihren soliden Grundsätzen festzuhalten und einen möglichst großen Teil des Bedarfes durch Steuer, nicht durch Anleihe zu decken sucht. Wir haben schon erwähnt, daß den Besitzenden die starke Erhöhung der Einkommensteuer, die fast eine Verdoppelung bedeutet, nichts weniger als willkommen ist. Der englische Schatzminister hat auch jetzt auf diese Gefühle ebenso tvenig Rücksicht genominen, wie in seinem letzten Friedensbudget. Es wäre vielleicht auch anderswo angezeigt, einen Teil des Kriegsbedarfes durch direkte Steuern, so besonders durch die Besteuerung der Kriegsprofite, zu decken.

/lrbeiterleiöen in Frankreich . Amsterdam , 2l. November.(Privattelegramm de? . Vorwärts.) In der letzten Versammlung der Sekretäre der sozialistischen Seine-Föderation lenkte S e m b a t die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit, schon jetzt eine große wirtschaftliche Organisation, auch für die Friedenszeit, vorzubereiten. Das organisierte Proletariat soll darin durch seine Organisationen eine große Rolle spielen. Mit diesem Optimismus Sembats stimmt eine Beschwerde der .Humanits" wenig überein, die über gesteigerte Ausbeutung be- sonders bei öffentlichen Arbeiten und Armeelieferungen Nagt. Manche

zustellen. Das einzige, was man hier kaufen kann, sind Eier Hühner und Gänse; jedoch fehlt uns zur Bereitung von Geflügel meist die nötige Zeit. Unsere ganze Hoffnung setzen wir jedoch auf unsere Feldpost, die sich nach langer Zeit entschloffen hat, nun auch Pakete für unS zu befördern, und wird da wohl ein jeder von seinen Angehörigen mit etwas Fressalien bedacht werden."

Sanitätshunüe an üer Arbeit. Ueber die Mitwirkung von Sanitätshunden beim Suchen von Verwundeten berichteten vom westlichen Kriegsschauplatz zwei Führer an den Vorsitzenden des Polizeihundevereins in.Hägen u. a.: Unser Kommandeur sandte uns auf unsere Bitte abends mit einer Krankenträger-Patrouille nach einer Richtung, wo im Laufe des Tages ein heftiges Gefecht stattgefunden hatte. Wir nahmen in einem Krankenwagen Platz, und hinaus ging es in einer sternen­klaren Nacht auf das Schlachtfeld. Nach einer Viertelstunde wurden die Lichter gelöscht. Ab und zu hallte ein Kanonenschuß und der Knall vereinzelter Schüsse durch die nächtliche Ruhe. Nach halb- stündiger Fahrt waren wir an dem Truppenverbandsplatz angelangt, wo unsere Krankenträger die Verwundeten aufnahmen. Wir zwei Hundeführer zogen mit unseren Hunden weiter der Front entgegen. Vor uns lag ein geräumiges Feld. Verwundete, die sich selbst müh­sam fortschleppen konnten, zeigten uns die Stelle, wo noch Ver- mundete liegen könnten. Unsere Hunde wurden losgelassen und streiften durch einen Wall». Da schlug ein Hund an. Der erste Verwundete war in einem Gestrüpp gefunden. Er hatte beide Knie verletzt. Wir trugen ihn an das nächste Gehöft. Daun ging's mit den Hunden weiter. Nach zwei Stunden hatten unsere Hunde acht Schwerverwundete gefunden. Wir drangen immer weiter vor. Eine Schleichpatrouille er- zählte uns, daß kurz vor den englischen Schützengräben, die sich an einer Pappelallee befanden, noch Verwundete sich befinden müßten, und ein Verwundeter aus Gevelsberg , der seinen Freund suchte, bestätigte dieses. Die Schellen unserer Hunde wurden nun abge- stellt und die Schnauzen durch Bindfaden lose zugebunden, damit die Hunde keinen Laut geben konnten und so unsere Nähe verrieten. Wir muhten an brennenden Häusern vorbei. T« setzte ein heftiges Gewehrfeuer auf uns ein; vorsichtig krochen wir durch einen Graben der deutschen Schützenlinie zu. Unter einem in der Nähe liegenden Unterholz fand unser Hund einen Schwerverletzten mit einem Bauchschuß, der auf unser Ersuchen von seinen Kameraden geholt wurde. Der Verwundete aus Gevelsberg bat un», seinen Freund zu suchen, er hatte ihm versprochen, ihn zu retten. Im Nu hatte ihn auch unser Hund gefunden. Wir krochen in den Schützengraben, um einen Augenblick vor den feindlichen Geschossen sicher zu sein, und untersuchten ihn dort. Er gab kein Lebenszeichen mehr, und nach einer Viertelstunde mußten wir feststellen, daß er zur großen Armee abberufen war. Ein Lächeln lag noch auf seinem Gesicht. Das Eiserne Kreuz auf seiner Bruft, das er eben bekommen hatte, zeugte von seinem Mut. Wir gaben unser Erscheinen in der Schützenlinie bekannt und krochen vorsichtig hinüber. Die Schützenlinie war 120 Meter vom Feind« entfernt. Wir fanden noch zwei Verwundete, die wir lang-

Fabrikanten für Kriegsmaterial sollen nach derHumanits" die Löhne auf die Hälfte herabdrücken. Die Armee selbst liefert ihnen Ausbeutungsmaterial durch Beurlaubungen. Die Gewerkschaften hatten bisher Vertrauen zum Militärgouvernement, das sich die Atbeiter durch die Gewerkschaften vermitteln ließ. Aber der Unter- nehmerbund für öffentliche Arbeiten hatte gute Freunde unter den Genieoffizieren der Reserve, die die Emschiebung von Zwischenmeisteru durchsetzten. Skandalös ist auch die Ausbeutung der Frauen in der HcereSkonfektion und SanitälSindustrie. Die Schutzgesetze werden übertreten. Tie Löhne betragen 73 128 Centimes pro Tag. Die von verschiedenen Bäckermeistern erwirkte Beurlaubung von Gehilfen wirkt gleichfalls lohndrückend, da die Gehilfen, die schlecht bezahlte Posten verlassen, sofort als arbeitslos zum Heere einberufen werden. Auch in der Provinz find die Zustände skandalös. Stellenweise untersagen die Unternehmerverbände die Wiederaufnahme der Betriebe, um die Arbeitsbedingungen herab- zudrücke»«. DieHumanite" fordert das Einschreiten der Regierung. Sie weist auf das steigende Murren hin und meint, daß die Unter- nehmer verantwortlich gemacht werden müßten, wenn die nationale Verteidigung unter dtejcn Zuständen leiden sollte. Ein Tagesbefehl öes Generals Joffre . General Joffre, der Oberbefehlshaber der französischen Armee, hat kürzlich folgenden Tagesbefehl ei lassen: .ES ist mir gesagt worden, daß viele Offiziere die Mannschaft derb anfahren und unfreundlich behandeln und vor allem im Eiie» ein Vorrecht baden wollen, daS ihnen nirgends voroeichrieben ist. Die Republik hat den Kops, nicht den Magen zum O fizier gemocht. Es würde mich freuen, sehen zu dürfen, daß die Offiziere nicht nur in der Tapferkeit ihren Truppen ein leuchtendes Beispiel, sondern auch in ihrem Großmut gegen die Mann- schaff für diese ein Ansporn zum heiligen Dienst für daS gemein- fame Vaterland sind. Die Truppe bedarf zum siegreichen Bestand in den täglichen Gefahren nicht nur der binreichenden und kräftigen Nabrung deS LeibeS, sondern auch der Würze für die Seele, die unter den Eindrücken de? Krieges und den Eiinnerungen an den häuslichen Kreis vieles leiden muß. Tie Würze bieiet ihr die Hoch- achiung und Freundlichkeit der Ofsiz'ere. Der Offizier macht die Stimmung der Armee. Und wir bedürfen einer gehobenen, einer freudigen Stimmung." Kriegsgefangen in Zrantreich. Ein Arbeiter aus Nürnberg schreibt an»Die Wacht", Wochen- schrift für nationalliberale Palitik, auS Gap, Südfranlreich: >... Verwundet wurde ich beim Sturmangriff auf das Fort Veduna. durch zioei Kugeln(Querschläger) am 26. September, abends 3 Uhr, am linken Oberschenkel. Ein französischer Ober- arzt sagte zu mir:.Mann. Sie haben wunderbares Glück gehabt. Sie können Gott danken, Sie könnten schon lange wt sein." Also wiederum großes Glück im feindlichen Feuerregen. Die Aerzte in. Frankreich find sehr geschickt in allen Schubverletzungen, auch geben sie sich alle Mühe, uns in kürzester Zeit wieder herzustelleir. In meinem Saale liegen 23 Mann, meist Schwerverletzte, vier mit einem Bein, die sind am lustigsten von allen, die krappeln auf allen Vieren hin und her, gerade so, als wenn nichts mit ihnen geschehen wäre. Durch das feindliche Feuer war es meiner Kompagnie un­möglich, mich zurückzutragen, ich blieb von abends 3 Uhr bis nächsten Morgen um V18 Uhr allein im Walde liegen bei Regen und kalter Nacht, bis sich eine Abteilung Infanterie(Franzosen ) meiner annahm. Der führende Offizier sprach gut deutsch, war auch sehr freundlich zu mir, und gab mir Wein, Zwieback und Schnaps; ich war ganz erstarrt, hatte viel Blut verloren und erst aus einer Ohnmacht erwacht. Auch die Mannschaft gab mir zu trinken und zu essen; eS waren alle Landwehrleute; auch zeigten ihre Gesichter mir gegenüber keinerlei Haß oder Groll..."

sam bis an den Schützengraben schleppen mußten, und brachten sie dann ebenfalls nach dem nächitcn Gehöft. Einen Schwcrvenvundetcit fanden wir in einem Graben und brachten ihn auch dorthin. Stach- dem ich ihn notdürftig verbunden hatte, gingen wir»nieder zurück. Da fand ein Hund hinter der Hecke einen Verwundeten, der durch die Waden geschossen war, und wir brachten ihn, da Eile not tat, zur VerbandSstelle.

Silöer aus öem bombardierten Reims . Ou�rsnte-neuvieme jour 6» lxzmdsrclement!"Neunund­vierzigster Tag der Beschießung!" das ist die neue Zeitrechnung der Bewohner von Reims . Jeden Morgen, noch ehe eS dämmert, kriechen sie aus ihren durch Sandsäcke geschützten Kellern hervor und eilen, Männer. Frauen und Kinder, mit einigen Flaschen Wein, Brot und kaltem Fleisch kür ein kresco-Mahl" unter dem Arm auf die umliegenden Höhen der Stadt, von wo sie dem Artillerie- dffell der französischen Batterien mit den auf den eroberten Forts Brimont, Nogent, l'Abbesse und Bedru aufgestellten deutschen Ge- schützen zusehen. Am Abend, wenn das Artilleriefeucr nachläßt, kehren sie dann wieder in die Stadt zurück, und die beiden noch erscheinenden Lokalblätter teilen ihnen mit, welchen Schaden die Deutschen am 4g. Tage der Beschießung angerichtet haben. Ein Mitarbeiter des.Daist» Graphic" erzähst, daß besoi»derS die ölte- rcn Stadtteile, die Häuser der Rue du Marc, Rue Colbert, Rue de Betheny und Rue BoucherS de Perthes schiver gelitten haben. Was die Geschosse der deutschen Artillerie nicht zerstören, vernichten ihre.mit brennendem Petroleum gefüllten Handgranaten". Von den 128 0X1 Bewohnern der Stadt sind höchstens 48 008 zurückgeblieben. Obgleich sie sich tagsüber versteckt halten oder auf die Berge flüchten, sind doch gegen 788 die Opfer des Artillerie- kampfes geworden und über 1888 mußten schwerer oder leichter verwundet fortgeschafft werden. Die meisten Verletzungen sind auf herabfallende Mauerstücke oder einstürzende Häuser zurück- zuführen. Erst recht zeigt sich aber am Abend, wie verlassen die alte Krönungsstadt der französischen Könige jetzt ist. Kein Licht darf gebrannt werden; weder auf der Straße, noch aus den Fen- stern der Häuser darf ein heller Strahl leuchten. In den Gast- Höfen ziehen die Angestellten doppelte dunkle Vorhänge vor die Fenster, ehe sie Licht anzünden. Auf der Straße herrscht ägyptische Finsternis. Da es oft regnet und man dann die Hand vor den Augen nicht sieht, muß man sich förmlich weiter tasten und fühlen. Von Zeit zu Zeit erklingt der Schritt einer Militärpatrouille, die nachprüft, ob auch kein Lichtschein aus irgendeinem Haufe den beut- fchen Geschützen ein Ziel zu bieten vermag. In den drei oder vier CaseS und Restaurants, die ihren Betrieb ausrecht erhalten haben, sieht man nur Uniformen. Schon einige Minuten vor 9 ertönt der Ruf:.On kerme! On kerme!"(Es wird geschlossen!) Man schffeßt mit größter Pünktlichkeit, und die Gäste müssen in dunkler Nacht ihre Irrfahrt nach dem off im Keller gelegenen Heim oder dem Hotel antreten..Die größte Furch: der Reimser(so meint der Mitarbeiter,. deS»Daily Graphic") ist die. die Deutschen könnten vor ihrem Rückzug, der nach ihrer im Norden bevorstehenden Nieder- läge unvermeidlich ist. noch Rache an der Stadt nehmen und fi« in Grund und Boden schießen."