waren, das heißt mit ihr bis jetzt noch keine Geschäftsverbin- düng hatten, nur dann berücksichtigt werden sollen, wenn ein Zeugnis der zuständigen Handelskammer oder Handwerks- rammer darüber vorliegt, daß der Anbieter zuverlässig und leistungsfähig ist und dem Geschäftszweige angehört, aus dem er Waren anbietet. Die Folge dieser sehr gut gemeinten Ver- fügung ist natürlich nur, daß die Finanzkapitalisten und Agenten irgend ein eingeschriebenes Mitglied der Handels- kammer oder der Handwerkskammer auskaufen, das heißt mit ihrem Geld oder ihren Beziehungen beschäftigen und durch diese so aufgekauften Firmen ihre Geschäfte mit der Heeres- Verwaltung machen lassen. Die Handelsprofitc werden da- durch nicht geringe und nur der trügerische Schein wird größer, als ob hier wirklich eine Abhilfe geschaffen sei, die im Rahinen der kapitalistischen Produktionsweise nur dann mög- lich wäre, wenn die Heeresverwaltung eben immer mehr und mehr ausschließlich zur E i g e n p r o d u k t i o n für ihren Bedarf übergehen würde. Wenn sie das aber tun würde, und die Sozialdemokratie hat dies schon in Friedenszeitm mit aller Energie gefordert, so würde sich fald zeigen, daß die- jenigen am lautesten gegen die Heeresverwaltung schreien, die jetzt über die Wucherprofite des Handels und des Agenten- Wesens besonders den Mund aufreißen. Eine weitere Verschleierung des wirklichen Tatbestandes wird teilweise mit der Forderung verbunden, diese Extra- p r o f i t e, die der Krieg so verstärkt hat, durch eine b e s o n- dere Steuer zu belegen, um damit die Kriegsanleihen und vor allem ernsthafte durchgreifende direkte Steuern zu ersetzen. Selbstverständlich wird auch die Sozialdemokratie einer solchen Steuer auf unverdienten Wertzuwachs und auf Bereicherung durch Kriegslieferungen zustimmen. Aber sie wird sehr lebhaft dagegen protestieren müssen, wenn durch diese sogenannte Kriegsprofitsteuer eine allgemeine Er- höhung der Einkommens- und Vermögenssteuer auf große Vermögen und große Einkommen verhindert werden soll. In dieser Hinsicht könnten wir wirklich gegenwärtig von den Eng- läirdern lernen, die— wie man weiß— kurzerhand ihre Einkoinmens- und Vermögenssteuern verdoppelt haben. Es ist auch an sich eine steuerliche Ungerechtigkeit und direkt eine Prämie für die großen Vermögen und Einkommen, wenn jetzt ein eben entstandener Reickstum unverhältnismäßig und allein besteuert werden soll, während die laufenden und ständigen großen Einnahmen und Vermögen der besitzenden Klassen da- durch voll einer Erhöhung ihrer Steuern befreit bleiben würden. Man sieht also, daß die Verhältnisse bei den Kriegspro- siten, bei dem Agenten- und Spekulantentum der Gegenwart und bei ihrer Besteuerung keineswegs so einfach liegen, wie gewisse Kreise das hinstellen möchten, um selbst dabei im Trü- ben fischen zu können, das heißt ungeschoren zu bleiben. Tie Sozialdemokratie wird sich auch bei diesen Fragen nur von sachlichen Erwägungen leiten lassen und dafür sorgen, daß von ihrer Seite aus eine Hilfe gegen Uebelstände der Gegenwart nur dadurch geschaffen wird, daß man g r ü n d- lich durchgreift, nicht an der Oberfläche kleben bleibt, und die notwendigen Mittel für den Hceresbedarf, für voll- kommene Versorgung der Hinterbliebenen und der Invaliden und der Arbeitslosen im Lande nur ans Quellen geholt werden, die dauernd fließen und so umfangreich sind, daß sie eine gründliche Erhöhung ihrer Steuern drtrchaus ohne Schaden für sich oder das Volksganze vertragen.
Störung Ües Seehanüels öurch üen Kreuzerkrieg. Londim, 28. November. (W. T. B.) Der Korrespondent der ..TimeS" in Washington meldet vom 27. November: Nach Be» richten auS Südamerika ist der Seehandel namentlich an der
Westküste durch die Tätigkeit der deutschen Kreuzer außer- ordentlich behindert. Die britische Schisfahrt soll nahe- zu unterbunden sein. ES wäre zwecklos, die Tatsache zu ver- kennen, daß unsere Unfähigkeit, die See in diesem Teile der Erd- kugel von den deutschen Verfolgern der Handelsschiffe zu säubern, eine ungünstige Wirkung auf unser Prestige zu haben beginnt, der Krieg und die Kolonien. Gefechte in Gftafrika. London , 29. November. (W. T. B.) Der Kolomalstaats- sekretär veröffentlicht eine Mitteilung über einige kleine Gefechte in Ostafrika . Am 8. Oktober griff der Feind mit ungefähr 599 Eingeborenen, 39 Europäern und 6 Maschinen- gewehren unsere Stellung bei G a z i an. Der Feind wurde zurückgeschlagen. Am 2. November kam es zu einem kleinen Gefecht oberhalb Mzima am Tsavo» Fluß. Ferner fand ein Scharmützel mit einer feindlichen Patrouille von N g u r u- mar am Natronfee statt. der türkische Krieg. das vorüringen üer Türken im Kaukasus . Konstantinopel , 28. November. (W. T. B.) Das Hauptquartier teilt mit: Unsere Truppen im Tschorokhtale warfen einen Ausfallversuch der Russen in der Gegend der Flußmündung zurück; die Ge- schütze der Landbefestigungen von B a t u m nahmen an diesem Kampfe teil, aber ohne jeden Erfolg. Unsere Truppen drangen in die Gegend von Atschara, 19 Kilometer süd- ö st lich von Batum . vor. Die Russen behaupten in ihren amtlichen Mitteilungen, daß unsere Truppen im Kaukasus besiegt und auf Erzerum zurückgegangen seien. Diese Nachrichten sind vollständig falsch. Unsere Truppen sind bereit zur Offensive gegen den Feind, der keinerlei Bewegung außerhalb seiner befestigten Stellungen gemacht hat und im Gegenteil nach dem Kampf im freien Felde eine weite Strecke vor unseren siegreichen Truppen zurückgewichen ist. der Aufruhr in Aegypten . London , 29. November. (T. U.) Die AufstandSbewcgung in Ober-Aeghpten läßt sich nicht mehr wegleugnen. Die offizielle Presse gibt einige Unruhen zu, spricht jedoch in sehr zurückhalten- der Weise nur von einiger Erregung der Eingeborenen im ägyp- tischen Sudan . Privaten, zedoch zuverlässigen Meldungen zufolge, soll es jedoch schon am 19. November in Abu-Hammed und El Orfa zu offenem Aufruhr eingeborener ägyptischer Regimenter gekommen sein. Die betreffenden Regimenter waren in diese heißen Gegen- ben des oberen Nil strafverschickt worden, und der Geist der Re< Volte gährte seit langem unter ihnen. Sendboten der„Senusst" sollen sie vom Ausbrechen des Heiligen Krieges benachrichtigt haben, worauf sie ihre englischen Offiziere ermordeten und sich den bereits aufständischen Arabern anschlössen.
Neue französische Niederlagen in Marokko . Madrid , 29. November. lT. U.) Nach Meldungen aus Tanger haben die Truppen des Obersten Laverdure, die bereits an: 13. November bei Khcnifra eine schwere Nieder- läge erlitten, am 24. d. M. auf dem Wege von Tadla nach Fez eine neue noch schwerere Schlappe erhalten. Oberst Laverdure beabsichtigte, mit 3999 Mann dm 6999 Wann starken Kolonnen des Generals Henry entgegenzuziehen, um mit diesen vereint die in Fez eingeschlossene Besatzung zu be- freien. Kurz vor seinem Zusammentreffen mit General Henry wurde er von überlegenen Streitkrästm währmd des Marsches durch eine Talschlucht überfallen und zum Kampfe
In sehr ungünstiger Positron gezwungen. NaKiem 148 europäische Soldaten und 7 Offiziere gefallen, und eine Reihe anderer verwundet worden waren, gelang eL dem Obersten durch einen Sturmangriff, nach Norden durchzubrechen. Er mußte jedoch alle Geschütze und das gesamte Wagenmatcrial in den Händen der Feinde lassen. Der Generalresidmt von Marokko , Liautey, hat kategorisch von der französischen Rc- gierung die Absendung von Verstärkungm verlangt. ?nternierung üer üeutschen Mijsionare in Jnüien. Hamburg , 28. November. (W. T. B.) Die»Hamburger Nach- richten" berichten auS Stockholm : Der schwedische Missionar Sand- gren, der auS Mudra in Indien nach Schwöen heimgekehrt ist, teilte mit, daß alle deutschen Missionare, auch die nicht- wehrpflichtigen, von den Engländern verhastet und interniert worden sind. Eine Anleihe üer Staüt Antwerpen . Antwerpen , 29. November. (W. T. B.) Die hiesige Ge- meindevertretung beschloß in außerordentlicher Sitzung die Aufnahme einer Anleihe zur Deckung der der Stadt auser- legten Äriegskontribution von 59 Millionen und Bestreitung anderer städtischer Bedürfnisse.
öernstein gegen Heine. Das»Berliner Tageblatt" brachte(n seiner S�pnabendnummer folgende Ausführungen:\ Nachdem bereits D r. David die Frage Eduard Bern- sie ins, ob„jetzt noch die Voraus setz um gen 6c. st ü n d e n, unter denen die sozialdemokratische Reichs- tagSfraktion am 4. August die K r l egSkredite bewilligte", unzweideutig zurückgewiesen HB. wendet auch Wolf- gang Heine sich sehr entschieden Legen Bernsteins anzügliche Fragestellung. Er veröffentlicht im»VollSblatt für Anhalt" einen Artikel, in dem er unter anderem sagt: „Bernstein behauptet, daß die Voraussetzungen vom 4. August sich geändert hätten, und obgleich er sich nicht deutlich darüber ausspricht, kann daraus und soll anscheinend der Schluß gezogen werden, daß wir am 2. Dezember eine andere Haltung einzunehmen hätten, wie am 4. August. Mir wäre es natürlich das liebste, wenn solche Debatten gar nicht angefangen worden wären. Nicht etwa, daß ich sie für unzulässig hielte; es wäre noch besser, wenn der„Burgfriede" dahin verstanden würde, daß unsere Haltung vom 4. August nicht vertreten oder meinetwegn auch angegriffen werden dürfte. Sondern weil ich Einmütigkeit in der Haltung der Fraktion und der gesamten Partei jetzt für noch notwendiger ansehe, wie vor vier Monaten." Heine führt dann aus. daß von den Boraussetzungen, die am 4. August bestanden, keine weggefallen sei. Im Gegenteil, die Be- drohung des Vaterlandes sei noch viel ernstlicher geworden, als bei Beginn des Krieges angenommen wurde. Der Krieg gegen die W e st m ä ch t e müsse ebenso durchgefochten werden, wie der Krieg gegen Rußland , denn ein Sieg der Verbündeten Rußlands wäre auch ein russischer Sieg mit allen Folgen: „Ob wir wollen oder nicht, wir müssen im Westen kämpfen. Und drohen uns etwa von dort keine Gefahren?— England hat das Programm eines zwanzigjährigen Krieges gegen Deutschland angekündigt und englische Arbeiterführer bekennen sich zu diesem Fisl des Vernichtungskrieges. Französische und belgische Sozia, listen stoßen in dasselbe Horn. Die Westmächte haben Hindus und Neger aus«uro- päische Kriegsschauplätze gebracht. Hält Bernstein eine Jnva« sion dieser Horden nach dem reichbevölkerten, blühenden Rheinland für weniger schädlich als die Ueberflutung der ostpreutzischen Waldgebiete durch die Russen?— Ich sollte meinen, der Verlust an Gut und Blut würde in Westdeutschland noch hundertfach größer werden als an der Ostgrenze.... Und was sollen unsere Soldaten in Frankreich und Belgieit dazu sagen, die einen beispiellos heldenmütigen und opferreichen
Weltbürgertum unö Zeieöe. Wer der Hoffnung lebt, daß der Saat, die jetzt auf den blut- getränkten Schlachtfeldern Europas ausgestreut wird, einmal in näherer oder fernerer Zeit eins Organisation Europas und der Welt entsprießt, dessen Blick lenkt sich zurück auf jene Epochen der Geschichte, m denen der Gedanke der inneren Zusammengehörigkeit der Völker in den Köpfen der Kulturmenschen das bis zum Ratio- ualitätenhaß gesteigerte Bewußtsein des Trennenden in den Hinter- grund drängte. Sehen wir von dem Internationalismus ab, der vor dem Ausbruch des fürchterlichen Weltkrieges nicht nur in den Kreisen der Arbeiterschaft erstarkt war— oder doch erstarkt zu sein schien, so liegt uns am nächsten die zweite Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, jene Zeit, in der die füh- rcnden Geister Europas daö Ideal der Staatengemeinschaft auf- stellten und den Versuch machten, die Schranken zwischen den Nationen zu zerbrechen. Nicht zuletzt in Deutschland eroberte sich diese Bewegung Boden. Unsere schöne Literatur, die der Sturm- und Dranzperiode wie die der Klassizität war von ihr beherrscht und durchdrungen, und kein geringerer als Immanuel Kant gab irr seiner Schrift„Zum ewigen Frieden" den himmelstürmenden Ideen ihre geläuterte und vernunftgemäße Form. Man hat bis in unsere Tage hinein diesen Kosmopolitismus, dieses Weltbürgertum viel gescholten und viel verlacht, und denen, die im 19. Jahrhundert um den Nationalstaat kämpften, wie denen, die ihn in den letzten Jahrzehnten zum Sitz der politischen oder ökonomischen Herrschaft über weite Teile der Welt machen wollten, war das Menschheitsideal vom Ausgang des 13. Jahrhunderts ent- weder ein AergerniS oder eine Torheit. Sie waren nicht gern erinnert an das„Seid umschlungen Millionen " eine? Schmer, und der Satz von der Gleichheit alles dessen, was Menschenantlitz trägt, stand ihren Eroberungs- und AuSbeutungZabstchten stark im Wege. Sie verwiesen auf die unklare Sentimentalität, die die weltumspannenden FreundschastSversicherungen der Schwärmer durchzog und glaubten damit die ganze Gedankenrichtuna abtun zu können. Sie vergaßen oder wollten vergessen mache.', daß der .KoSmopolitiSmuS weit stärker verankert war. als tn der Begeiste- ruug der Poeten, nämlich in den Interessen der aufsteigenden Bourgeoisie.. Um ihn zu begreifen, muß man sich gegenwärtig halten, daß das 13. Jahrhundert das Zeitalter deS Individualismus war DaS Individuum hatte die Herrschaft angetreten, der Einzelmensch galt nicht mehr nur als Glied seines Stande?, er war aus sich selbst gestellt und in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt. Auf ihn und seine angeborenen Triebe oder seinen durch die Vernunft kontrollierten Willen führte man die Gründung der Staaten zurück, deren Aufgabe darin bestand, die Sicherheit der„Menschenrechte" zu schützen und die herrschende Meinung ging dahin, daß ei nur notwendig sei. den Menschen auf ökonomischem Gebiete möglichst uneingeschränkt seinen Selbstinteressen folgen zu lassen, wenn das gemeine Beste erreicht werden solle. DaS Bürgertum, das mit dieser Lehre seine Ansprüche ver- teidigte, konnte nun schlechterdings nicht umhin, zum mindesten in der Theorie bei den Individuen aller Länder dieselbe Ver- anlagung anzunehmen, und ihnen dieselben Rechte zuzugestehen, und das führte in Gemeinschaft mit dem erwachenden Interesse
an Erd- und Menschenkunde zu einer vorurteilsfreien Bewertung der anderen Nationen und zu der Ueberzeugung, daß auf dem internationalen Gebiete das Auslebenlassen der staatlichen Jndi» vidualitäten dieselben guten Früchte zeitigen müsse, wie im Einzel- staat das Walten deS freien Spiels der Kräfte. Aber noch etwas anderes kam hinzu. Der ökonomische Libe- raliSmuS begehrte den freien Austausch der Waren, und um den Widerstand der merkantilistischen StaatspraxiS zu brechen, die da? eigene Land ängstlich gegen die Manufakwrerzeugnisse des anderen absperrte, mußte er den Grundsatz der internationalen Arbeitsteilung verkünden. Was von der Zerlegung der Arbeit inner- halb der einzelnen Volkswirtschaften gelte, das finde auch auf die verschiedenen Staaten in ihrem Verhältnis zueinander Anwendung; es diene der Allgemeinheit, wenn jedes Land mit Hilfe der freien Konkurrenz genötigt werde, die Möglichkeiten, die ihm Bodenver- hältnisse, Klima und Bevölkerung gewährten, besonders auszu» bilden. Ein englischer Nationalökonom drückte das so aus:„In Handelssachen verhält sich die einzelne Nation zur Welt ganz ebenso wie die einzelne Stadt zum Reich, die einzelne Familie zum Staat. Im Handel bildet die ganze Welt nur ein Volk, und die einzelnen Nationen sind die Individuen diese» Volkes." Aehnlich äußerten sich Anhänger der französischen Freihandels- schule, und wenn auf deutscher Seite die Völkerverbrüderung weit mehr von einem idealistischen Standpunkte au? behandelt wurde, so lag das daran, daß in dem durch den dreißigjährigen Krieg zer- störten und in eine Unzahl von Duodezstaaten zerrissenen Lande die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine andere Betrachtung?. weise fehlten. Immerhin erhebt sich Kant weit über das teilweise überschwängliche und hier und da etwas konfuse Weltbürgertum der im Reich der Wolken lebenden Dichter, wenn er als eine der Bürgschaften für die Erlangung des ewigen Friedens den„Hau- d e l S g e i st" erkennt, der mit dem Kriege nicht zusammen be- stehen könne.„Weil nämlich unter allen der Staatsmacht unter- geordneten Machten die Geldmacht wohl die zuverlässigste sein möchte, so sehen sich die Staaten, freilich wohl nicht eben durch Triebfedern der Moralität, gedrungen, den ewigen Frieden zu befördern und, wo auch, immer in der Welt Krieg auszubrechen droht, ihn durch Vermittelungen abzuwehren, gleich als ob st« deshalb in beständigem Bündnisse lebten." Der Königsberger Philosoph ist nicht leichtsinnig genug, die Zukunft deL ewigen Frieden»„theoretisch weissagen" zu wollen, aber er hält doch die durch den Handelsgeist gescbafsene Grundlage für fest genug, um auf ihr zu dem ersehnten Ziel hinzuarbeiten, und im Sinne Kants ist denn auch dal ganze neunzehnte Jahr- hundert hindurch die internationale Verknüpfung durch den Handel oft genug als eine der besten Garantien gegen den Krieg gepriesen worden. Hat man sich getäuscht? Seit dem August 1914 sieht es so aus. Und dennoch wäre eS falsch, die völkerverbindende Kraft der Wirt- schaftlichen Beziehungen leugnen zu wollen. Sie haben dem Frieden wertvolle Dienste geleistet, und sie werden trotz allem jetzt die Gassen durcheilenden Gerede von der Selbstgenügsamkeit der Staaten ihre Mission wieder aufnehmen, wenn dieser Krieg endlich überstanden ist. Nur eins haben die Kosmopoliten an der Wende deö achtzehnten Jahrhunderts nicht gesehen und nichts sehen können, daß nämlich der Kapitalismus auch neue Gefahren für den Frieden heraufbeschwor, insofern auS ihm der Imperialismus mit seinen neuen AbschließungS- und Eroberungsgelüsten geboren wurde. Die
dem Kapitalismus innewohnenden friedlichen Tendenzen werden auf diese Weise zum guten Teil ausgehoben, und nur seine Uebcr- Windung durch den internationalen Sozialismus kann in Gemein- schaft mit einer andern ebenfalls schon von Kant richtig erkannten Voraussetzung, der Demokratisierung der Nationen, das Fundament des Weltfriedens werden.
ver Gewerkschaftler lm Jelöe. Der„Holzarbeiter-Zeitung" wird auS den Schützengräben ist Frankreich geschrieben:, ...... 31. Oktober. ... Auch im Kriege gedenken wir unseres Verbandes. Das Pflichtgefühl, das uns antrieb und befähigte, unsere ganze Krast für den Ausbau unserer Organisation einzusetzen, setzt uns auch instand, uns der eisernen Notwendigkeit des Krieges unterzu- ordnen und Blut und Leben für den Schutz des Vaterlandes einzusetzen. Der gewerkschaftliche Geist ist lebendig unter den Kollegen im Felde. Mit taufenden Frauen und Kin, dcrn unserer Feinde teilen wir unser Brot, um sie vor dem Hungertode zu schützen, während wir in den Schützengräben den Vätern gegenüberliegen....< Wir sind durch Re gewerkschaftliche und politische Erziehung befähigt, uns vor Verrohung und Entsittlichung zu bewahren. Auf Grund meiner Beobachtung kann ich Euch versichern, daß unter den, seinerzeit auS dem Kriege heimkehrenden Soldaten Hunderttausende feurige Apostel des Friedens sein werden. Um das Fortbestehen unserer Organisation habe ich keine Sorge. So wie wir hier die Kollegen kennen lernen, bin ich überzeugt, dag wir nach dem Kriege einer großartigen, sieghasten Entwickelung entgegengehen. Im Auftrage einer ganzen Anzahl K o l l e g c n, die wir uns hier zusammengefunden haben, sendet den Kollegen in der Heimat herzliche Grüße Euer _ Erwin L. Aus ftanzöfljchen zelüpostbriefeu. In einem Soldatenbriefe, den der„Tempi" mitteilt, schreibt ein französischer Soldat, der an den Gefechten in Nordfrankreich teilnimmt-.Da« Leben in den Schützengräben ist schauderhaft, Erdhöhlen, in denen man ißt. schläft und vor allem wacht I Her- auszugehen, zu welchem Zweck es auch immer sei, wäre allzu un- vorsichtig, denn die Deulscben schießen im Abstand von 500 bis 600 Meter aus ihren Lausgräbe», deren Ort wir nicht kennen, eben- sowenig wie sie den unfern, Gott sei Dank! Trotzdem kommen noch genug Granaten heran. Dann verbergen wtt uns so gut wie möglich in den Höhlen, und plötzlich hört man die Verwundeten stöhnen. Alle zwei, drei, höchstens alle 5—6 Tage werden wir abgelöst. DaS geht dann nachts in aller Still« vor sich; sobald die Deutschen eS hören oder vermuten, lassen sie fiugeln aus uns hageln. Nachts versucht man auch Lebensmittel in die Laufgräben zu bringen, etwas Brot, ein Stückchen gekochtes Fleisch und Kaffee, der natürlich kalt anlangt. Krieg ist Mühe, ist abscheulich. Selbst der Mut Hort aus. wenn man so ruhig liegen muß. Sett dem Tage, da ich dre erste Feuertaufe erhielt— und wie!— habe ich an ganz ver« schiedenartigen Kämpfen teilgenommen, ich bin gräßlich beschossen worden, habe den Sturm auf ein allerliebste» kleines